Dreamteam

50 3 1
                                    

Sie hatten sich auf dem Transporter kennen gelernt.
Anfangs fand sie Cassy seltsam, mit ihrem Wikingerhelm und dem Anzug, den sie trug. Doch als sie auf sie zukam und ein Gespräch mit ihr startete, wirkte sie doch irgendwie sympathisch. Im Gegensatz zu Mica war es für sie die erste Fahrt ins Weltall und sie war dementsprechend nervös.
Die beiden verstanden sich sehr gut und als das Raumschiff schließlich an der Station andockte, hatte sich eine Freundschaft gebildet.
Insgesamt waren sie zu zehnt auf die Station geschickt worden, einige kannten sich bereits von früher, andere wiederum zogen es vor unter sich zu bleiben.
Mica streckte sich in ihrem lilanen Raumanzug und sah sich in der Cafeteria um, wandte sich an Cassy, die neben ihr stand.
„Fühlst du dich besser, wenn du mich erst
einmal begleitest?"
„Das wäre wirklich eine Hilfe", seufzte Cassy und heftete sich dann an Micas Fersen.
Sie sah ihr dabei zu, wie sie sich an einem Kartenlesegerät abmühte, wie sie Daten herunterlud und die ersten Drähte reparierte.
Als sie auf dem Weg zum Reaktor waren, dröhnte ein ohrenbetäubender Alarm durch die Station.
„Was ist das?"
„Der Notalarm. Wir müssen sofort in die Cafeteria", verkündete Mica, griff Cassy an der Hand und zog sie mit sich mit.
In der Cafeteria standen sie alle zusammen, einer der ältesten Crewmitglieder im weißen Anzug und mit Zylinder stand nervös vor dem Alarmknopf.
„Lissy ist tot. Jemand hat sie die Müllschleuse hinab geworfen", verkündete er und Mica schlug betroffen die Hände vor dem Gesicht zusammen.
„Also gut - wo war jeder?", wollte einer im grünen Overall wissen und sofort verkündete jeder seinen Standort und seine letzten Aktivitäten.
„Cassy und ich waren auf dem Weg zum Reaktor", antwortete Mica und Cassy nickte zustimmend.
„Wir waren die ganze Zeit zusammen unterwegs."
Ein Mitglied mit blauen Overall und Hut warf Cassy einen forschenden Blick zu, den diese ruhig erwiderte.
„Zusammengefasst haben wir keinen Anhaltspunkt, wer der Mörder ist - sehe ich das richtig?"
Zustimmendes Gemurmel setzte ein.
„Uns bleibt nichts anderes über als erst einmal mit unseren Aufgaben weiter zu machen", gab Kathi in ihren gelben Anzug zu und die Anwesenden wechselten nervöse Blicke, dann löste sich die Versammlung langsam auf.
Cassy blieb an Micas Seite, sah jedoch dem Mitglied im blauen Overall hinterher.
„Kommst du, Cassy?"
Mica hatte sich bereits wieder in den Gang zum Reaktor begeben, wartete auf ihre Freundin.
„Komme schon..."
„Ein Mord...Wie schrecklich ist das?"
„Mhm..."
„Wir bleiben zusammen, oder? Dann kann der Mörder uns nichts tun. Andererseits, er könnte uns noch immer beide umbringen..."
„Das denke ich nicht...", murmelte Cassy und sah sich ruhig um.
„Weshalb?"
In diesem Moment bog der Typ im blauen Overall um die Ecke, steuerte auf sie zu.
Cassys Hand legte sich auf Micas Schulter, während sie dem anderen einen giftigen Blick zuwarf.
Kaum war er an ihnen vorbei, ertönte erneut der Alarm.
„Noch eine Leiche?"
„Vermutlich", seufzte Cassy und begleitete Mica zurück zur Cafeteria.
Diesmal fehlte der weiße Typ mit dem Zylinder.
Inzwischen wurde bereits heftig diskutiert, wobei alle Anschuldigungen sich gegen ein Mitglied in orangen Overall richteten.
„Ich hab ihn gesehen, wie er aus der Administration kam und als ich rein ging, lag dort Itvus Leiche!"
„Er schleicht immer durch die Gänge und zuckt zusammen, wenn man ihn anspricht!"
„Er verteidigt sich nicht einmal gegen unsere Anschuldigungen, er muss es sein!"
„Werft ihn von Bord!"
Cassy verdrehte die Augen, schwieg jedoch.
Sie konnte es sich nicht leisten, dass sich die Aufmerksamkeit der anderen auf sie richtete.
Der Mann in Orange konnte sich nicht verbal wehren - immerhin war er stumm.
Deshalb begleiteten auch nur die wütenden Rufe der Crewmitglieder seinen todbringenden Rauswurf aus der Station.
Der Blaue warf Cassy einen Mahnungen Blick zu, bevor sie sich mit Mica wieder auf den Weg machte.
„Ich bin ehrlich, ich hab irgendwie Angst...", murmelte Mica und Cassy sah sich forschend um, bevor sie Mica an der Hand packte und in einen kleinen Abstellraum zog.
„Cassy, was soll das?"
„Halte dich von Erik fern."
„Wer ist Erik?"
„Der Gestaltwandler im blauen Overall..."
„Gestaltwandler? Du meinst wir haben ein Monster an Bord?", keuchte Mica und Cassy schüttelte mit einem schweren Seufzer den Kopf.
„Nicht eines - zwei."
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Mica verstand.
„Du."
Erneut nickte Cassy, verschränkte schützend die Arme vor der Brust.
„Wir wurden an Bord geschickt um uns an dem Genozid an unserer Rasse zu rächen, aber ich bin mir inzwischen sicher, dass nicht alle es verdient haben - sowie du."
„Du wirst also nicht töten?"
„Ich werde dich beschützen", verkündete Cassy, wich jedoch ihrem Blick aus.
„Für andere kann ich jedoch nicht dasselbe sagen...Ich verstehe also, wenn du mich jetzt an die anderen ausliefern möchtest."
Mica zögerte kurz, dann schloss sie die Gestaltwandlerin vor sich in die Arme.
„Das würde ich nicht tun. Immerhin sind wir Freunde."
Cassy atmete erleichtert durch, erwiderte die Umarmung.
Nach einiger Zeit lösten sie sich voneinander.
„Na komm...Ich hab noch ein paar Aufgaben zu erledigen und du..."
„Ich muss noch ein paar Leute umlegen", gab Cassy zurück und die beiden wechselten ein verschwörerisches Grinsen.
Nacheinander verließen sie die Abstellkammer und warfen einen kurzen Blick auf die Aufgaben, die Mica noch vor sich hatte - sie musste die Motoren bedanken, einige Proben testen und die Luftschleuse säubern, sowie die restlichen Kabelschäden beheben.
Sie betraten die Krankenstation als erstes.
Mica musste ein paar Proben untersuchen und Cassy hatte sich vorgenommen ihr den Rücken zu decken.
Nur kurz nach ihnen trat Kevin in den Raum, musste den Körperscan durchführen.
Cassy warf Mica einen skeptischen Blick zu, hatte bereits nach einem Skalpell gegriffen.
Diese nickte ihr beinahe unmerklich zu, woraufhin Cassy nicht länger zögerte.
Das Skalpell grub sich in Kevin Hals und innerhalb weniger Sekunden war er tot.
Cassy konnte nicht umhin die Befriedigung über den Mord zu genießen, gleichzeitig bekam sie aber auch Angst.
Wenn man sie an der Leiche entdeckte, würde Mica unfreiwillig mit hinein gezogen.
„Ich bin fertig. So schnell wie möglich weg hier", verkündete sie schließlich und Mica zögerte nicht ihr zu Folgen. Gemeinsam hasteten sie aus der Krankenstation und durch mehrere Gänge, Richtung Elektronik.
„In Ordnung...Zu den Kabeln..."
Mica öffnete eine Verschraubung an der Seite des Ganges und begann die Drähte nu miteinander zu verbinden.
Mehrere Mitglieder passierten sie währenddessen, doch niemand schenkte ihnen Beachtung und Cassy hielt sich damit
zurück an einem so offensichtlichen Ort jemanden umzubringen.
Dann kam der Alarm.
Es fehlte nicht nur Kevin, sondern noch ein anderes Mitglied.
Diesmal jedoch hatte man Erik dabei beobachtet, wie er seinen Mord beging, was zur Genugtuung aller dazu führte, dass er von Bord geworfen wurde.
Cassy blieb sogar noch etwas an der Luftschleuse stehen, sah ihm nach.
„Bist du nicht traurig über seinen Tod?"
„Hm...ne. Konnte ihn noch nie leiden", gab sie zurück, dann wandte sie sich mit einem zufriedenen Lächeln um.
„Wohin als nächstes?"
„Richtung Waffenraum...Ich glaube, ich hab sogar Lukas in der Richtung gesehen..."
Sie warfen sich einen verschwörerischen Blick zu, dann schlenderten sie los.
„Ich hab mir übrigens überlegt mir für die
nächste Runde ein Haustier anzuschaffen", eröffnete Mica und Cassy neigte interessiert den Kopf.
„Die nächste Runde?"
„Das ist doch nicht dein einziger Einsatz, oder?"
„Wenn ich überlebe, dann nicht."
„Na siehst du...Immerhin geben wir ein gutes Team ab."
„Das tun wir allerdings", stimmte Cassy zu, bog als erste um die Ecke zum Zimmer in dem die Sauerstoffzufuhr geregelt wurde.
Mica begann damit den Luftfilter zu reinigen, während Cassy sich in den Waffenraum verzog, einen Stuhl benutzte um den dort befindlichen Lukas zu erschlagen.
Nach getaner Arbeit traf sie sich mit Mica wieder, dachte kurz nach...Neben ihr und Mica waren nur noch ein anderes Mitglied an Bord...
„Mica, ich werde einen Hilferuf senden...",
verkündete sie nachdenklich, bevor sie in die Kommunikationsstation einbog.
Mica blieb im Türrahmen stehen, trat erst näher, als Cassy ihr zuwinkte.
„Kannst du so tun, als wärst du panisch und kurz davor draufzugehen?"
„Ich kann es probieren..."
Cassy nickte zufrieden, betätigte dann ein paar Schalter, atmete tief durch.
„Hallo? Hallo? Kann mich jemand hören? Hier ist Techniker Smith von der U.S.S. Skeld - wir haben einen Mörder unter uns! Ich wiederhole, wir haben einen Mörder unter uns! Bitte sendet Unterstützung! Hallo, hat mich jemand gehört?"
Mica war überrascht über die gut einstudierte Panik in der Stimme ihrer Freundin, versuchte mit ihren eigenen Schreien und ihrem Gewitter so überzeugend wie möglich zu klingen.
Und tatsächlich bekamen sie eine Antwort.
„Techniker Smith, hier ist die U.S.S Nevera...Wir sind auf Kurs. Halten Sie so lange wie möglich durch!"
„Vielen Dank, wir..."
In diesem Moment durchschnitt sie mit dem eingesteckten Skalpell aus der Krankenstation die Kabel der Funkstation durch, brachte damit das ganze elektronische System aus dem Gleichgewicht.
Auf dem ganzen Schiff fiel der Strom aus, die rote Notbeleuchtung sprang an und dazu wurde ein Alarm geschaltet.
„Was jetzt?"
„Wir treffen uns in der Cafeteria...Zusammen mit dem letzten Mitglied der Crew", antwortete Cassy entschlossen, schritt voraus.
Mica folgte ihr mit festen Schritten, atmete tief durch.
Nie hätte sie sich gedacht, dass sie eines Tages mit zum Mörder werden würde...
Aber sie bereute es nicht.
In der Cafeteria erwartete sie bereits das Letzte Mitglied, ein Typ im schwarzen Overall. Er war älter und größer als sie beiden, sogar eine Veteran aus der Schlacht gegen die Gestaltwandler, wenn sich Mica recht erinnerte.
„Was ist geschehen?", wollte er wissen und Cassy griff nach einem Messer, das auf einem der Tische lag.
„Das ist was persönliches", schnaubte sie, sprang im nächsten Moment den größeren Mann an, versenkte das Messer bis zum Heft in seiner Brust.
Stöhnend brach er zusammen, zuckte noch ein wenig.
„Das waren alle, oder?"
Cassy nickte, richtete sich wieder auf.
„Man darf uns so nicht finden..."
„Wie meinst du das?"
„Ganz einfach - gib mir deinen Arm..."
Sie zog das Messer wieder aus der Wunde, wandte sich damit Mica zu.
Diese wich verunsichert einen Schritt zurück.
„Mica, vertrau mir bitte", flehte Cassy und sie atmete tief durch.
Cassy hatte so viele Möglichkeiten gehabt sie zu töten, weshalb also sollte sie es jetzt tun?
Sie nickte entschlossen, trat an ihre Seite.
„Das wird jetzt etwas weh tun", warnte die Gestaltwandlerin, dann zog sie die Klinge über ihren Arm.
Der Raumanzug riss auf und die Spitze grub eine schmerzhafte Linie in ihr Fleisch. Blut sog sich in den Anzug, während sich Tränen in ihren Augen sammelten.
„Entschuldigung", murmelte Cassy, dann nahm sie ihren Helm ab, warf ihn zu Boden und trat darauf.
„Was...?"
„Ich hab noch einen zuhause", winkte sie ab, steckte das Messer zurück in die Wunde in
der Brust des Toten und trat dann an eine der Wände, zögerte nicht lange ihr Gesicht ungebremst gegen das harte Metall zu schlagen. Ihre Nase brach knirschend und automatisch begannen ihre Augen zu Tränen.
Kaum war sie blutverschmiert zu ihr zurück gewankt, konnten sie auch schon hören, wie ein Raumschiff an ihrer Station andockte.

Mehrere Monate später wurden die Überlebenden des Massakers auf der U.S.S. Skeld als Helden gefeiert. Mica und Cassy hatten ihre Verletzungen überstanden und weigerten sich strikt dagegen unterschiedlichen Kommandos zugeteilt zu werden. Weshalb jedoch jedes Schiff dem die beiden zugeteilt wurden, seltsame Unglücke zustießen, die sie mit ab und zu ein paar anderen Crewmitgliedern überlebten, hinterfragte niemand.
So trafen sie sich jedes Mal aufs Neue im Shuttle und nach der Umarmung zur Begrüßung folgte immer der gleiche Spruch:
„Wie machen wir es diesmal?"

DreamteamWhere stories live. Discover now