will we talk?

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Nori entfernte sich langsam vom großen Tisch. Seitdem die Zwerge in Bruchtal angekommen waren, ging dort alles drunter und drüber und in jedem günstigen Moment hatte er die eine oder andere Sache mitgehen lassen, also wollte er sich seine Ausbeute nun einfach mal in Ruhe ansehen. Es saßen ja eh alle, inklusive der Elben, beim Essen. Naja, bis auf Bilbo, aber wenn dieser ihn erwischte, war es ja eh nicht so schlimm, schließlich war er selbst ein Meisterdieb.
Er setzte sich also an den großen Brunnen, in dem sie zuvor allesamt gebadet hatten, zog seine Beute aus jeglichen Taschen seiner Kleidungsstücke und begutachtete diese. Einige schöne Sachen waren schon dabei, zum Beispiel ein Becher, den er beim Essen eingesteckt hatte. Dafür würde er auf jeden Fall später noch Gebrauch machen können, auch wenn er für seinen Geschmack etwas klein war, wenn man bedachte, dass die Elben um einiges größer waren als Zwerge.

In Gedanken darüber, was man mit dem Rest der Dinge noch anfangen könnte, hörte er plötzlich Schritte hinter sich und versuchte so gut es ging, alles schnell wieder in seinen Taschen verschwinden zu lassen. Das verursachte allerdings ein lautes Geklimper, sodass sich die Person, die mittlerweile deutlich näher zu sein schien als Nori geschätzt hatte, durch ein Räuspern zu erkennen gab. „Dwalin“, sagte Nori, nachdem er sich umgedreht hatte, um zu schauen, wer ihn bei seiner Begutachtung störte. „Wer auch sonst?“, fragte er dann ironisch nach.
„Du musst die Sachen zurückgeben“, antwortete dieser und Nori versuchte sich herauszureden, indem er auf unschuldig tat. „Welche Sachen denn?“
Dwalin schnaubte und sah ihn mit einem Blick an, der bedeutete: 'Du weißt genau, welche Sachen', aber Nori wusste nichts darauf zu sagen. Da hatte er sich schon die Mühe gemacht, das alles unbemerkt mitgehen zu lassen und dann sollte er es zurückgeben? Ganz sicher nicht!
„Denkst du wirklich so von mir? Ist das wirklich das erste, woran du denkst, wenn du mich siehst? Dass ich wieder etwas gestohlen habe?“
Darauf antwortete Dwalin zunächst nichts, denn wie bei allen Zwergen eigentlich, war Denken an sich nicht gerade seine größte Stärke, und nachdem einige Sekunden verstrichen waren, schüttelte er nur seinen Kopf. Denn wenn er sich wirklich anstrengte darüber nachzudenken, breitete sich eigentlich eine ungewohnte Wärme in ihm aus, die er so bei keinem anderen jemals erlebt hatte, und die ihn völlig aus der Fassung brachte, wenn er Noris Namen hörte oder sein Gesicht sah oder eigentlich auch sonst immer, wenn ihn irgendetwas an den Zwerg erinnerte.
Er sollte ihn hassen für das, was er tat, und irgendwie war es auch so, aber irgendwie hasste er sich selbst noch mehr, weil er trotzdem nicht ohne ihn sein konnte. Dwalin wollte Nori dabei erwischen wie er stahl, wollte sein ertapptes Gesicht sehen, wollte hören wie er versuchte sich herauszureden und er wollte, dass er ihm solch unsinnige Fragen stellte, auf die er nicht antwortete, weil es Dwalin fertig machte, sich überhaupt selbst die Antwort einzugestehen.
Aber jedes Mal, wenn Nori weg war und die Wärme weg war, wünschte Dwalin sie sich mehr zurück als er sich jemals irgendetwas gewünscht hatte. Doch redete er nie darüber und Nori redete auch nie darüber und was an manchen Orten an manchen Tagen passierte, blieb an diesen Orten und wiederholte sich an anderen Tagen an anderen Orten. Also kam es wie es kommen musste und es wiederholte sich genau an diesem Zeitpunkt an genau diesem Ort. Eine weitere Nacht, in der sie zu weit gehen würden, begann.

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„Bilbo“, sagte Thorin leise und der Hobbit drehte sich halb zu ihm um, ohne jedoch seinen Blick vom wunderschönen Tal zu wenden. „Was machst du hier?“, fragte der Zwerg dann, nachdem er sich neben ihn gestellt hatte, und Bilbo lächelte in sich hinein und antwortete: „Das Gleiche könnte ich dich auch fragen“, obwohl er genau wusste wie sehr Thorin jeden Moment dieses Abendessens gehasst hatte, sodass er wahrscheinlich froh war, nun eine Auszeit zu haben. Er war allerdings eher der Typ Zwerg, der für sich alleine war, sodass Bilbo sich eigentlich nicht fragte, warum er von dort weggegangen war, sondern mehr, warum er nun hier mit ihm stand, anstatt alleine irgendwo herumzusitzen und ernst in die Gegend zu starren.
Nun war es an Thorin, zu lächeln, weil er genau wusste, was der Hobbit gerade dachte, und er klärte ihn über die Situation auf, der Bilbo schon lange vorher entkommen gewesen war: „Die anderen haben sich wieder beruhigt, irgendein Elb hat die Essensschlacht unterbunden und jetzt spielen sie wieder Beerdigungsmusik auf ihren lächerlichen Harfen.“
Thorin verachtete die Elben aus irgendeinem Grund, den Bilbo nicht ganz verstand, aber er traute sich auch nicht nachzufragen. „Ich mag die Musik irgendwie“, sagte er also nur und Thorin lachte leise, wobei der Hobbit bemerkte, dass es für ihn fast genauso schön wie die Musik war, den Zwerg lachen zu hören. „Natürlich tust du das. Sie ist gleichsam einschläfernd wie du und alles in deinem geliebten Auenland und deinem geliebten Zuhause und du vermisst es.“
Damit hatte Thorin irgendwie genau ins Schwarze getroffen (abgesehen von dem Punkt mit dem „einschläfernd“, aber darüber konnte Bilbo gerade hinwegsehen) und Bilbo sah nun nicht mehr ins Tal, sondern irgendwo an den Horizont, dorthin, von wo sie gekommen waren.
„Du vermisst deines doch auch“, wagte er dann den Versuch sich zu rechtfertigen, aber Thorin antwortete: „Das ist etwas völlig anderes“.
„Ist es das?“, fragte Bilbo also und erst jetzt dachte der Zwerg wirklich darüber nach. Ja, war es das wirklich? Er erwiderte darauf einfach nichts und sie standen einfach schweigend da, genossen für einen Moment die Ruhe und konnten sogar die weichen Klänge der Musik hören, die die Elben noch immer spielten. „Hören die denn jemals auf?“, fragte Thorin irgendwann verächtlich und Bilbo warf vorwurfsvoll die Arme in die Luft. „Du versuchst ja noch nicht einmal, es zu mögen!“ Zwar lachte er dabei ein wenig, dennoch meinte er es ziemlich ernst.

will we talk? 《nwalin / bagginshield》Donde viven las historias. Descúbrelo ahora