Kapitel 07

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Gwen saß mal wieder auf ihrem Bett, in den vertrauten Wänden ihres Zimmers. Sie hatte sich in den letzten paar Stunden merkwürdig ruhig gefühlt. Ruhig und ein kleines bisschen euphorisch. Sie war sich nicht sicher, ob dieses Gefühl des freudigen Stolzes davon herrührte, dass sie das Leben des Prinzen gerettet hatte, oder davon, dass sie ihre eigene Seele gerettet hatte, oder davon, dass sie sich erfolgreich ihrem Vater widersetzt hatte. Wenn sie es sich genau überlegte wahrscheinlich ein bisschen von allem.

"Gwenwyn!" , erklang die Stimme ihres Vaters von unten. Die dumpfen Stampfer von Bryns Stiefeln kamen die Treppe zu ihrem Turmzimmer hinauf, und das viel schneller als gewöhnlich.

Ihre schwere Schlafzimmertür flog mit solcher Gewalt auf, dass sie gegen die Steinwand krachte und ein Türscharnierbolzen aus der Halterung flog und leise klimprnd zu Boden fiel. Der König stürmte in ihr Zimmer, kochend vor Zorn. Sein Haar war zerzaust und seine Krone saß etwas schief. Seine Augen fanden Gwen auf der Stelle und sein Gesicht wurde zu einer wutverzerrten Maske.

"Was hast du getan", brüllte er und stapfte auf sie zu. "Wo ist Prinz Caine?!"

Gwen schaute zu ihm auf. Irgendwie gelang es ihr sich etwas von ihrer vorherigen Ruhe zu bewahren. Dann erhob sie sich von ihrem Bett und machte einen kleinen Knicks.

"Eure Majestät," sagte sie mit fröhlicher Stimme. "Schönes Wetter haben wir heute."

Er stand einfach da und starrte sie einen Moment lang an. Er sah aus als könnte er jeden Moment vor Wut explodieren. Dann wich die Zornesröte langsam aus seinem Gesicht und er begann seine Taschen zu durchwühlen. Einen Augenblick später holte er einen stumpfen, marmor-artigen Gegenstand heraus. Gwen erkannte die Meistersphäre auf der Stelle.

Er hielt die Kugel kurz hoch bevor er sich umdrehte und sie gegen die nächste Wand schleuderte. Mit einem lauten Klirren zersprang die Kugel zu Staub. Genau in diesem Moment überkam Gwen ein seltsames Gefühl, als würde ihr Körper von Nadelstichen übersät werden, doch es war so schnell wieder weg, dass sie nicht einmal dazu kam erschrocken aufzuschreien.

"Wo ist er?", knurrte Bryn, während er noch einen Schritt auf Gwen zukam. "Wo ist Prinz Caine?! Niemand hat ihn gesehen - alle dachten er wäre bei dir!"

"Oh, dieser abscheuliche Prinz den ich getroffen habe? Der ist verschwunden - ganz plötzlich." Sie schenkte ihrem Vater ein halbherziges Lächeln, dann seufzte sie schwer, als wäre ihr Herz gebrochen worden. "Anscheinend hatte er nichts für mich übrig. Was soll ich sagen - er hat halt einfach keinen Geschmack."

"Er war perfekt! Er dachte du wärst es auch! Es war alles arrangiertganz genau, bis hin zum Tag der Hochzeit!" Bryn nahm seine Krone vom Kopf und fuhr sich durch seine ausdünnenden Locken. "Wir brauchen diese Minen im Norden! Ohne diese Minen ist der ganze Plan für die Entwicklung des Handels Geschichte! Kaputt! Vorbei!" Seine Augen verengten sich misstrauisch. "Wohin ist er gegangen? Sag es mir, sofort! Vielleicht kann man diese Sache noch zurechtbiegen, trotz deiner-"

"Er ist fort, Vater! Auch wenn Ihr ihn wieder findet, Ihr könntet ihn nicht zu einer Heirat mit mir überreden. Er hat nicht den Wunsch zu sterben!"

Bryns Augen weiteten sich und seine Nasenflügel bebten. Sein sowieso schon rotes Gesicht verdunkelte sich.

"Was hast du getan? Du konntest ihm nichts über dich erzählen... Und du konntest es ihm auch nicht zeigen! Also wie-"

"Eine Blume, Vater!" , lachte sie. "Könnt Ihr Euch das vorstellen? Eure ganze gemeine Verschwörung, all die Tricks, die Bemühungen mich zu einer Mörderin zu machen und meine Seele zu verdammen... all das wurde durch ein paar frisch geplückte Blumen zunichte gemacht. Oh, und ich denke nicht, dass Ihr den selben Plan noch mal versuchen werdet können - darum habe ich mich auch gekümmert. Ich konnte dem Prinzen vielleicht nichts über mich persönlich erzählen - Aber was ich tun konnte, war ihm ein Märchen zu erzählen. Ein Märchen in dem es um einen König geht der versucht mithilfe seiner einzigen Tochter einen Prinzen zu töten, um dessen Land zu stehlen. Schon bald wird jeder über mich Bescheid wissen, über Euch, und alles, was Ihr zu erreichen versucht habt!"

Tödliche Berührung (2012 WATTY-AWARDS-GEWINNER, Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt