Kapitel 15

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Von da an gelang es Gwen irgendwie noch mehr Zeit damit zu verbringen in ihrem Zimmer zu sitzen und melancholisch aus dem Fenster zu starren. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Tage wurden zu Wochen. Sie schlief kaum noch und wenn sie es tat, war sie am Ende ihrer Nacht unausweichlich in einem Schreckenszenario gefangen und musste hilflos gegen ihre Albträume ankämpfen.

Sie kümmerte sich viel um die Pferde seit Rhosyn die täglichen Arbeiten, die nötig waren, nicht mehr verrichten konnte. Es war nicht die Schuld der Pferde, dass ihre Herrin nicht da war, um sie zu besuchen und es erschien Gwen kaum fair, dass sie darunter leiden mussten. Die Bediensteten und Lakaien der Burg hielten es vermutlich für seltsam, dass eine Prinzessin in die Ställe ging und die Stallarbeit selbst erledigte, doch das kümmerte sie nicht wirklich. Die Zeit die sie mit den Pferden verbrachte war eine der wenigen Quellen wahrer Freude, die ihr dieser Tage noch blieben.

Ihre einzigen richtigen Kontakte mit anderen Menschen waren die täglichen Mahlzeiten in den Speisesaal gerufen wurde, welche noch immer beaufsichtigt wurden.

Manchmal hatte sie auch Bryn und Anifail dort gesehen. Die beiden aßen meistens nur einen Happen während sie über die Angelegenheiten des Schlosses sprachen. Die Hälfte der Zeit schenkten sie ihr überhaupt keine Aufmerksamkeit. Sie ignorierten sie praktisch, als sie da saß und aß. Es gab jedoch Momente in denen sie einen der beiden dabei erwischte, wie er bösartig zu ihr hinübergrinste oder über eine bissige Bemerkung des jeweils anderen kicherte.

Gwen gab ihr bestes die beiden zu ignorieren. Sie aß still ihr Mahl und zog sich dann schnell in die Einsamkeit ihres vergleichsweise trostspendenden Schlafzimmers zurück.

Dort angekommen starrte sie oft aus dem Fenster, dachte über ihre Situation nach und machte sich Gedanken über ihre beste Freundin. Ihre Gedanken liefen meistens nur im Kreis.

Immer wieder kamen ihr Ideen oder clevere Pläne und ihre Gedanken wanderten zu Rhosyn... ihre beste Freundin, die wegen ihrer Hilfe bei Gwens Fluchtplan als Geisel gehalten wurde. Gwen dachte oft darüber nach Anifail zu folgen, um herauszufinden wo er Rhosyn gefangen hielt, aber immer wenn sie sich fast dazu entschlossen hatte, begann sie darüber nachzudenken, was passieren könnte, wenn sie erwischt werden würde. Wenn sie nur den geringsten Widerstand zeigen würde oder wenn entdeckt werden würde, dass sie überhaupt Wiederstand plante, dann würden die Dinge für Rhosyn und sie wahrscheinlich sehr schlimm enden.

Das alles hielt sie trotzdem nicht davon ab aus dem Fenster zu starren, Pläne zu schmieden, nur um sie dann sofort wieder zu verwerfen während sie sich wünschte, dass die Dinge irgendwie anders wären. Sie dachte, sie fühlte sich gefangen als Prinz Caine ihr unglücklicher Verehrer war, doch das war nichts im Vergleich dazu, wie eingesperrt sie sich jetzt vorkam. Es war wie eine unsichtbare Schlinge um ihren Hals und sie war unfähig etwas dagegen zu tun.

Als schließlich der Tag kam an dem sie die königliche Prozession erblickte, die sich dem Burgtor näherte, Wimpel in den Farben des Königreichs Rhegar fröhlich im Winde flatternd, konnte sie sprichwörtlich spüren wie sich die Schlinge um ihren Hals enger zog und es ihr schwer machte zu atmen.

Gwen wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war bevor ihr befohlen werden würde hinunter zu kommen um ihren neuesten Verehrer kennen zu lernen. Die Vostellung jagte ihr Angst ein. Sie trug erneut dieses lange, fließende Kleid, das sie während der Ankunft von Prinz Tremaine getragen hatte, das Kleid, das sie gleichzeitig liebte und hasste. Wie zuvor hatte sie keine Ahnung, was sie tun könnte, um zu vermeiden, was an zu diesem Zeitpunkt unvermeidlich schien.

Was sollte sie nur machen? Ihre einzige Hoffnung war es, einen Weg zu finden die Hochzeit zu verhindern, ohne dass jemand herausfand, dass sie etwas damit zu tun hatte. Aber wie genau sollte sie das anstellen? Falls irgendetwas schiefgehen und die Hochzeit abgesagt werden sollte, würden ihr Vater und Anifail selbstverständlich davon ausgehen, dass sie etwas damit zu tun hatte!

Tödliche Berührung (2012 WATTY-AWARDS-GEWINNER, Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt