Kapitel 3

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„ Wer hat die Kühlpacks nicht wieder in den Kühler zurück geräumt, nachdem er sie benutzt hat?"
Sichtlich genervt klatschte Raya die zwei lauwarmen Kühlpacks in die offene Truhe. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Zugegeben, wir hatten es uns selber ausgesucht Schulsanitäter zu werden und drei Pausen in der Woche zu opfern, um uns um aufgeschrammte Knie und Nasenbluten von pubertierenden Unterstufenschülern zu kümmern. Eigentlich machte es mir sogar Spaß- Raya, die Mutter unser Clique, die wirklich nichts aus der Ruhe bringen konnte, und ich vertrieben uns die Zeit häufig mit Kartenspielen oder mit dem Lustigmachen über unsere Schulzeitung „2 cool 4 school" (die trotz ihres Namen reichlich uncool war). Heute hatte uns allerdings schon ein 6. Klässler die Bude vollgekotzt, nachdem er die Kantinen-Fischstäbchen wohl nicht sonderlich gut vertragen hatte, so dass Raya und ich die erste Hälfte unserer Schicht damit beschäftigt waren das Unglück zu beseitigen.
Die Stimmung war dementsprechend gedrückt und wir hofften einfach nur dass wir die Pause ohne weitere Zwischenfälle hinter uns bringen konnten.
„ So ein Schwachsinn.." , murmelte Raya, während sie durch die heutige Ausgabe der Schulzeitung blätterte. Die Schlagzeile heute: „Adios Frau Jülte, Ahoi Herr Fitz- alles was ihr über den neuen Lehrer wissen müsst". Ich nickte ihr genervt zu, erwischte mich aber dabei, wie ich heimlich auf Fitz' s Steckbrief schielte. 29, wie ich es mir gedacht habe. Er müsste damit einer der jüngsten Lehrer sein. Unter Hobbys hatte er Lesen eingetragen. Ob er wohl wie ich auch ein Buch nicht aus der Hand legen konnte, wenn er einmal anfing? Was er wohl so liest. Vielleicht war es aber auch nur eine 0815 diplomatische Lehrerantwort.
„ Wenn du ihn weiter anstarrst, zwinkert er die vielleicht noch zu.", sagte Raya leicht höhnisch. Erwischt. „ Ich starre gar nicht.", sagte ich empört, obwohl es natürlich stimmte. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte. „ Zu deiner Verteidigung, er sieht wirklich sehr gut aus." Raya lachte und studierte den Artikel. „ Hier steht dass er ursprünglich aus Schottland kommt. Und er und Bolle kennen sich wohl aus alten Kindertagen, so ein Zufall!"
Bolle, ist Hausmeister der Schule und auch zufällig mein Nachbar. Er konnte etwas ruppig sein, hatte mich aber ins Herz geschlossen, seit dem er mit mir und meinen Bruder panisch versuchte unsere Waschmaschine daran zu hindern unser halbes Haus Unterwasser zu setzen. Mum lud ihn als Dank zum Essen ein und er wurde quasi ein weiteres Familienmitglied, der coole Onkel den ich nie hatte.
Ich könnte ihn später über Fitz ausfragen. Solltest ich aber nicht, rief ich mir ins Gedächtnis. Warum solltest du dich weiter mit ihm beschäftigen. „Bolle kann uns bestimmt mehr über ihn berichten." , sagte ich trotzdem zu Raya gewandt, während ich ein paar Pflaster wegräumte.
Im nächsten Moment kam ein sichtlich lädierter Junge in den Raum gehumpelt. Ich kannte ihn, er hieß Ben und ging in die selbe Klasse wie mein Bruder. „Was ist denn mit dir passiert?", fragte Raya erschrocken und kam auf ihn zu. „Ich...die anderen Jungs....sie haben's nicht so gemeint.", stammelte Ben, den Tränen nah. Man konnte ihm ansehen, dass er versuchte sich zusammen zu reißen. In seinem Alter war es ihm bestimmt peinlich, vor Mädchen zu heulen. „ Da muss sofort Eis drauf", murmelte ich als ich mir sein Auge näher ansah. Es war blau und wurde von Sekunde zu Sekunde dicker. „Die Kühlpacks sind noch nicht kalt und Eiswürfel haben wir auch keine mehr", sagte Raya und schaute sich genervt im schlecht ausgestatteten Sani- Raum um.
Ich dachte nach. Bolle. „ Bolle hat im Büro einen kleinen Kühlschrank mit Eisfach in dem er Wassereis lagert." Er hatte mir an besonders heißen Sommertagen manchmal eins auf dem Gang zugesteckt. Behutsam nahm ich Ben am Arm. „Komm, wir gehen zusammen zu ihm, dann kümmern wir uns um dein Auge."Ich lächelte ihm aufmunternd zu und ich sah wie ihm eine Träne über die Wange kullerte. Der arme Junge. Kinder können so gemein sein.
Im selben Moment klingelte es und Ben und ich mussten uns unseren Weg durch einen Strom an Schülern bahnen, die auf dem Weg zu ihrer nächsten Stunde waren. Hastig drückte ich die Tür zu Bolles Büro auf: „ Bolle wir brauchen unbedingt Eis für -" ich endete abrupt mitten im Satz, denn am Tisch über Papiere gebeugt saß nicht der breit gebaute Bolle.

Sondern Fitz.

Hide and SeekWhere stories live. Discover now