Das Erwachen

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Auf See, 18. März 1714

"Was an der offenen See so schön ist? Sie lügt nicht, überrascht dich aber. Wenn der Sturm aufzieht, weisst du, was auf dich zukommt und du denkst das Ende der Welt ist nahe, dann aber überrascht sie dich mit blauem Himmel und einer zärtlichen Brise." (Der Namenlose)

Das Knarzen der Planken im wiegenden Wind säuselte dem Blonden nach und nach Leben ein. Seine Lippen schmeckten salzig und er spürte eine warme Brise durch sein Haar fahren. dazu erklang die Gischt des Wassers, ein Rauschen und mit dem Rauschen folgte ein sanftes Wiegen. Die Luft roch nach Salz und Fisch, oder wie er es empfand als Freiheit. Dumpf dröhnte der Schädel und die ersten Sonnenstrahlen, die er erblickte brannten in seinen Augen, so dass er diese gleich wieder zukniff und die Hand vor die Augen hielt, um wenigstens etwas mitzubekommen. Der Rücken schmerzte, die Gelenke waren steiff und stückchenweise kamen die Erinnerungen an den letzten Abend wieder. Leise stöhnte er auf, hielt sich den Kopf und versuchte sich aufzusetzen. Der Blick wurde langsam klarer und aus Schemen und Stimmen wurden Seeleute an Deck. Aus Gebrabbel wurden Worte und ganz langsam wachten seine Sinne wieder auf. "Er ist wach!", rief einer der Kerle und der Jüngling konnte die Schritte hören, die näher kamen und verzog das Gesicht. Sowohl Stimme, als auch allein die Vibration des Ganges wollten seinen Kopf zum zerbersten bringen. Seine Zunge klebte und er verspürte unglaublichen Durst. "Wasser.", sprach er leise und öffnete abermals die Augen, um in das Gesicht eines Matrosen zu blicken. Grinsend saß er vor ihm in der Hocke, die weissen Zähne strahlten eher wie die Sonne und die braune dunkle Haut glänzte vom Schweiss. Die Haare hatte er feinsäuberlich rasiert und in seinen Ohren blinkte es golden von den Ohrringen, die er trug. Die buschigen und markanten Augenbrauen wurden umrahmt von Zeichnungen, die kunstvoll tattoowiert waren. Die breite Nase mit den großen Nasenlöchern stand über eben jenen breit grinsenden Mund mit den weissen Zähnen. "Hier.", sprach der Dunkle mit seiner rauhen Stimme und hielt ihm einen Wasserschlauch hin.

Dankbar nahm der Blonde das Wasser entgegen, trank erst langsam, dann aber doch gierig und hastig. Wasser rann an seinem Kinn hinab und tropfte auf den Schiffsboden. "Langsam... Langsam... haben genug.", sprach er weiter. Der Namenlose setzte den Schlauch ab, lehnte sich an die Schiffswand und betrachtete den Kerl vor sich. Er trug keine Schuhe und die vergilbten Nägel der Füsse, wollten so garnicht zu den schneeweissen Zähnen passen. Eine unten zerschlissene Leinenhose umgaben offenbar kräftige und muskulöse Beine. Im Gürtel prangte ein Entermesser und die rostbraunen Flecken der Klinge waren eher Blut, als Rost. Statt eines Hemdes trug er nur einige Ketten mit allerlei Federn, Krallen und Klauen. "Wie ist dein Name?", fragte der Blonde neugierig und wischte sich das restliche Wasser von den Lippen. "Tubaka, aber nun steh auf, schlafen kannst du wenn du tot bist!", griff mit seinen Worte sogleich an das Handgelenk des Blonden und zog ihn auf die Beine. Schwankend blickte sich dieser um. Das Schiff glitt über die offene See, ein Mast mit Klüver und Focksegel am Bug, ein Gaffelsegel am Heck zwischen Baum und Gaffel und drei Rahsegel am Mast. Eine Sloop, dachte sich der Blonde, ein typischen Schiff für Piraten. Sloops hatten geringen Tiefgang waren schnell und wendig, ihre Bewaffnung war ausreichend und auch nicht sonderlich wichtig, waren doch ohnehin meist über 100 Piraten an Bord, die vor allem eines suchten, den Nahkampf. "Wo sind wir?", ächzte der Blonde und hielt sich an der Reling fest, denn noch hatte der Alkohol seine Wirkung nicht völlig verloren. "Definiere wo, du bist auf dem Schiff von John Bloodhand, der Bloody Falcon oder begehrst du zu wissen, wo das Schiff sich im Augenblick befindet, auch diese Frage, wäre leicht zu beantworten, auf der offenen See, wie man unschwer erkennt, aber um deine wahre Frage zu beantworten, sind wir drei Stunden von Port Royal entfernt."

Zu viele Informationen gleichzeitig zu bekommen war mit einem dröhnenden Schädel nie sonderlich gut. Der Blonde nickte nur, nahm die zweite Hand ebenfalls an die Reling und versuchte sich zu konzentrieren. "Das Dokument?" "War deine Anheuerung Aye...", ergänzte Tubaka und klopfte ihm auf die Schulter. "Willkommen an Bord, kleiner!", lachte er den Jüngling an. Mühsam blickte er sich um immerhin hatte er seinen Rausch ausschlafen können. Dieses Schiff sollte sein Heim werden? Drei Kreuze, Rum und nicht einmal von Carla hatte er sich verabschieden können. Er würde die Süsse ihrer Lippen missen, ihre Schenkel und ihren Busen. Der unsanfte Griff an seiner Schulter von Tubaka riss ihn aus den Träumereien. "Ich führ dich rum, kleiner!", grinste er und schob ihn bereits über Deck. Nach und nach lernte er das Schiff und die Crew kennen, da war der Steuermann Mr. Phillips, ein hagerer Kerl mit Vollbart und zotteligen Haaren, er knurrte mehr, als das er redete, aber laut Tubaka jemand, der die Sterne lesen konnte und daher war er auch Navigator. Der Smutje war ein dicker, alter Pirat mit Holzbein lachend stand er vor seinem Kessel und warnte den Blonden sich es nie mit dem Koch zu versauen. Er wirkte ehrlich und sympathisch und der Jüngling mutmaßte, dass es ein altgedientes Mitglied der Crew war, der so noch nützlich war. Nach und nach verstand er auch die Ordnung an Bord. Die Hierachie war sehr schmal. Unter dem Käptn gab es seinen Lieutenant, den Steuermann und den Skipper. Ein jeder hatte mehrere Bootsmänner unter sich, von denen Tubaka einer war, und jeder hatte eine kleine Gruppe Männer zu befehlen, die je nachdem für die Segel, Reperaturen an Bord oder die Bewaffnung zuständig waren. Es waren gleichverteilte Aufgaben und man tat, was man konnte und nicht, was man musste. Auch eine Art Freiheit, dachte sich der Blonde. Tubakas Männer schrubbten das Deck, um den Fraß des Salzes Einhalt zu gebieten. Das hatte zwei Effekte, auf der einen Seite war das Schiff sauber und Reperaturen der Deckbeplankung waren seltener notwendig und auf der anderen Seite trainierte die Arbeit die Muskeln der Arme. Tubakas Truppe, war die erste, die an Bord eines anderen Schiffes ging, wenn es den Befehl zum Entern gab. Es waren Männer, die gestählt waren vom Kampf auf See, deren Klingen schon einiges an Blut gesehen hatten und die im Moment des Kampfes ihre Menschlichkeit und Skrupel abschaltete.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 20, 2014 ⏰

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Chroniken des Namenlosen ~ Winde des BlutesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt