Ertappt

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Der Abgang von Aramis überrumpelte mich so plötzlich wie sein Auftauchen, sodass ich wenige Minuten später noch immer schwer atmete.
Jedoch lenkte mich Constance ab, deren Gesichtsfarbe kalkweiß war und die am ganzes Körper zitterte.
»Louis, würdet Ihr uns für einige Minuten allein lassen?«, wandte ich mich lächelnd an meinen Verlobten, der als Reaktion die Mundwinkel verzog, sich aber ohne ein Wort des Protestes zurückzog. Ich schickte auch die restlichen Anstandsdamen fort, sodass Constance und ich uns ungestört unterhalten konnten.
»Setz dich«, wies ich sie an und sie folgte meiner Aufforderung ungerührt.
»Was habt ihr besprochen? Wie reagierte Bonacieux?«
Sie seufzte. »Er war natürlich vollkommen entrüstet und versuchte mich zu überreden mir diese Sache aus dem Kopf zu schlagen. Ich erklärte ihm, dass ich das nicht kann, wegen des Geldes, aber vor allem, weil ich nicht länger in dieser Hütte leben kann ohne wahnsinnig zu werden. Darauf schellte er mich, dass ich eine Frau wäre und nicht das Recht hätte zu verschwinden, ohne dass er es mir erlaubte. Versteht Ihr mich, Prinzessin? Er unterdrückt mich, weil ich eine Frau bin - das kann ich nicht akzeptieren. Ich kann nicht zu ihm zurück.«
»Das musst du auch nicht, Constance. Du bist nun am Hof als die erste Anstandsdame der Prinzessin angestellt und bist damit gesellschaftlich höher gestellt als er.«
Constance lächelte dankbar, worauf ich ihre Hand nahm und freundschaftlich drückte.
»Gut, dann lass uns Prinz Louis aufsuchen, wir führten gerade ein äußerst spannendes Gespräch über spanische Tänze.« Ich erhob mich und half meiner Begleiterin auf die Beine, dann gingen wir in Richtung Palast.
»Apropos Prinz Louis - wie ist er so? Ist er der Gentleman den Ihr erwartet habt?«, fragte Constance auf dem Weg dorthin.
Ich lachte und streckte mein Gesicht zur Sonne. »Er ist wundervoll. Auch wenn wir uns erst seit fünf Tagen kennen, fühlt es sich an wie eine langjährige Freundschaft.«
Ich spürte Constance' forschenden Blick auf mir, auch wenn ich sie nicht ansah.
»Freundschaft? Also keine Liebe?«
Mein Hals fühlte sich trocken an und ich schluckte, um das Kratzen loszuwerden. Ich hatte gehofft sie würde nicht näher darauf eingehen.
»Ich kenne ihn zu kurz, um so etwas wie Liebe zu empfinden. Mit der Zeit werden diese Gefühle schon kommen«, versuchte ich meine schwache Ausrede, doch ich bemerkte selbst wie widersprüchlich das zu meiner vorherigen Aussage klang. Constance entging es ebenfalls nicht.
»Aber die Zeit reicht für die Entwicklung einer solchen Freundschaft? Bei allem Respekt Prinzessin, aber ich glaube Ihr macht Euch etwas vor. Und ich glaube, dass Aramis daran nicht ganz unschuldig ist.«
Jede andere Prinzessin hätte sie für einen solchen Kommentar entlassen, doch wie konnte ich? Constance war meine Freundin und sie hatte Recht. Ich wusste ganz genau, dass ich Prinz Louis nicht lieben würde - egal wieviel Zeit wir miteinander verbrachten. Aber Aramis ... Ich hatte ihn gesehen und er war mir seitdem nicht aus dem Kopf gegangen. Für ihn könnte ich so etwas wie Liebe entwickeln, wenn es nicht verboten wäre.
»Ich werde nicht weiter nachfragen, das Thema ist Euch unangenehm. Doch denkt bitte über meine Worte nach und falls Ihr mit jemanden darüber reden möchtet bin ich immer da«, sagte Constance schließlich, nachdem ich einige Sekunden keinen Mucks gemacht hatte.
Ich nickte ihr mit einem schwachen Lächeln zu und wir betraten den Palast um Prinz Louis zu suchen.
Wir fanden ihn im Büchersaal, wo er sich gerade mit Richelieu unterhielt. Beim Anblick ihrer Vertrautheit spürte ich einen Stich im Magen und mich überkam einmal mehr der Drang, Louis endlich von dem wahren Charakter des Kardinals überzeugen zu müssen.
Die Männer waren so versunken in ihre Unterhaltung, dass sie vorerst gar nicht bemerkten, dass sie nicht mehr allein waren. Erst als ich mich räusperte drehte Louis seinen Kopf in meine Richtung und lächelte. Er wirkte noch immer distanziert, war aber immer freundlich. Anders wenn er mit Richelieu zusammen war - sie redeten über jegliche Themen, wichtig oder banal, und lachten zusammen. Auch wenn ich den Kardinal hasste und Louis und mich eine Freundschaft verband, wollte ich zu meinem zukünftigen Bräutigam dieselbe Beziehung haben die er zum Minister zu hegen pflegte.
»Mit Euch wollte ich reden!«, rief der Kardinal anklagend, als schließlich auch er unsere Anwesenheit bemerkte. Ohne eine Verbeugung oder ein Wort der Begrüßung, kam er auf bedrohlich schnelle Art und Weise auf uns zu.
Constance wich hinter mir einen Schritt zurück, was nicht ungewöhnlich war für jemanden der den Kardinal nicht kannte und nicht wusste mit seiner autoritären Art umzugehen. Ich blieb jedoch auf meinem Fleck stehen, als wäre ich festgewachsen und wartete darauf, was er zu sagen hatte.
»Guten Tag, Kardinal. Ich freue mich Euch zu sehen«, sagte ich knicksend und in einem betont freundlichen Ton. Dies schien seine glühende Wut zu schüren.
»Eure Musketiere sind in den Palast eingebrochen! Eure Musketiere brachen die Regeln und die Nase eines Soldaten der roten Wache. Eure Musketiere belogen den Küchenchef und schmuggelten dazu einen Bürger in den Palast. Was habt Ihr dazu zu sagen, Prinzessin?« Seine Stimme war ein einziges Zischen und er vergoss einige Spritzer Speichel, während er jedes Mal das ›Eure‹ betonte.
Dann waren Aramis und D'Artagnan also extra in den Palast eingebrochen, um Bonacieux zu Constance zu bringen? Das war überaus beeindruckend und gleichzeitig die dümmste Sache, die ich je gehört hatte.
»Woher wollt Ihr wissen, dass es die Musketiere waren und dass sie nicht vorher um eine Audienz gebeten haben?«
»Weil die roten Garde nicht so dumm ist wie Ihr vielleicht denkt. Sie wussten natürlich, dass dieser Schneider Bonacieux keine Audienz bei Euch einberufen hat und haben sich sowohl sein Gesicht, als auch das der Musketiere D'Artagnan und Aramis gemerkt. Sie haben gegen das Gesetz verstoßen, was eine harte Strafe mit sich ziehen wird, das verspreche ich.«
Während er sprach wurde seine Stimme immer leiser und bedrohlicher, was mir eine Gänsehaut über den Rücken trieb. Mir war sehr wohl bewusst, dass der Kardinal es nicht dabei bei beruhen lassen würde, sondern bald meinen Vater aufsuchen und ihm seine Ansichten einreden würde. Mir graute jedoch vor dieser Vorstellung, weshalb mir nichts anderes einfiel, als die Flucht nach vorn.
»So? Wird es das? Soweit ich mich erinnere werden der roten Garde schon seit einiger Zeit gewisse ... Rendezvous mit zahlreichen Mitgliedern der schwedischen Königsfamilie vorgeworfen. Ich denke nicht, dass mein Vater über solch eine Art von Neuigkeit sonderlich angetan wäre.« Es stimmte zwar, dass die Soldaten der roten Garde gern ihren Spaß hatten, jedoch war die schwedische Königsfamilie in diesen Treffen nicht im geringsten involviert. Ich hoffte trotzdem, dass der Kardinal meinen Worten Glauben schenkte.
Scheinbar tat er das tatsächlich, denn er schloss hörbar seinen Mund, den er gerade zum Protest geöffnet hatte. Ich wusste, dass die einzige Möglichkeit, Richelieu ruhig zu stellen war, auf die rote Garde oder seine Liebschaften anzuspielen. Da ich leider keine dieser Affären kannte, blieb mir nur ersteres.
»Die Musketiere stehen unter meines Vaters Verantwortung, aber sobald er nicht mehr da ist, entscheide ich über ihr Verhalten. Gewöhnt Euch daran, Kardinal, denn ich werde ihren Worten immer mehr Glauben schenken als denen der roten Garde.« Meine Stimme war nichts weiter als ein eisiges Zischen, was mich selbst überraschte. Vielleicht hatte das Gespräch mit Aramis dieses Selbstbewusstsein in mir zum Vorschein gebracht.
Ich warf ihm noch einen bösen Blick zu, dann wandte ich mich an Prinz Louis und meine Miene erhellte sich augenblicklich zu einem warmherzigen Lächeln.
»Wollen wir wieder in den Garten? Das Wetter ist so wundervoll und wir müssen dieses Gespräch über spanische Tänze fortsetzen.«
Er blickte etwas überrascht drein, nickte jedoch und ließ zu, dass ich meine Hand in seine Armbruge legte.
Wir schritten nach draußen, wobei ich mich bemühte die steife Haltung Prinz Louis' sowie den stechenden Blick Richelieus, den ich auf meinem Rücken spürte, zu ignorieren.
Als wir wieder im Garten angelangten und auf der Bank saßen, ließ ich eine Wache herbeirufen.
»Schickt nach den Musketieren D'Artagnan und Aramis. Sie sollen sich sofort in den Palast begeben«, wies ich ihn an, was er mit einer Verbeugung quittierte und worauf er schnellen Schrittes Richtung Tor eilte.
Dann wandte ich mich an meinen zukünftigen Gemahl. Ich setzte mein Lächeln auf, das bisher doch jeden von einer Guten Laune meinerseits überzeugt hatte, auch wenn ich mich ganz anders gefühlt hatte.
»Prinz Louis, ich bemerke wieviel Zeit Ihr mit dem Kardinal verbringt. Ich fasse das als die Entwicklung eines gewissen Bündnisses auf, liege ich mit dieser Annahme richtig?«
Wenn der Prinz noch immer verwundert über mein vorheriges Verhalten war, ließ er sich dies nicht anmerken. Er lächelte breit, wobei man die meisten seiner perfekten Zähne sehen konnte und erwiderte: »Der Kardinal war schon immer ein Vorbild für mich. Er schaffte es trotz bürgerlicher Abstammung der zweitmächtigste Mann Frankreichs zu werden. Als ich offiziell von unserer Verlobung erfuhr, schwor ich mir mich mit diesem Mann zu verbünden, da er der Beste sein würde, um mir bei der Regierung des Landes behilflich zu sein.«
Der Überschwang in seinen Worten war nicht zu leugnen, es zeigte eindeutig, dass er nicht von diesem Vorhaben abzubringen war. Deshalb beließ ich es vorerst dabei, nickte noch einmal verständnisvoll und wechselte dann das Thema, um zurück zu den spanischen Tänzen zu kommen. Allerdings gingen mir Louis' Worte nicht aus dem Kopf und ich überlegte fieberhaft, wie ich ihn weg von Richelieu und auf meine Seite ziehen könnte.

All for One - One for the Queen || The MusketeersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt