Neuankömmling

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»Prinzessin!«
Mit jedem weiteren Ruf meines Titels beschleunigte ich meine Schritte und versuchte schnellstmöglichst vor den Wachen zu fliehen. Eigentlich war es vergebens - selbst mein Geheimgang durch den Kerker war entdeckt wurden - ich würde mir zukünftig wohl neue Fluchtwege suchen müssen.
Wieder einmal rannte ich durch die Gassen von Paris, dicht gefolgt von der roten Garde, eingehüllt in einen alten Umhang um unerkannt zu bleiben. Ich floh nicht um meinen Pflichten zu entgehen, ich liebte mein Land und war mir meiner Verantwortung äußerst bewusst; sondern ich floh, um wenigstens ein paar Stunden in Freiheit zu leben, ohne in den hohen Räumen des Louvres eingeschlossen zu sein und bei jedem Schritt beobachtet zu werden.
Mein Weg trieb mich nach Saint Antoine zu meiner Freundin Constance Bonacieux, die Frau eines erfolglosen Schneiders, die dort eine Pension betrieb um das schlechte Einkommen ihres Mannes aufzustocken. Constance hatte mich des Öfteren bei sich aufgenommen, weil sie Mitleid mit mir hatte und selbst wusste wie es sich anfühlte eingesperrt zu sein und nicht das zu tun was man liebte.
Ich rannte um die Ecke eines großen, verfallenen Hauses um einen Soldaten der roten Garde, die Wächter des Kardinals, abzuschütteln, da streifte ich einen Mann und wurde kurz in meinem Lauf gebremst. Ich sah über die Schulter zurück um mich zu entschuldigen, doch mir blieb die Stimme weg, als ich in die braunen Augen meines Gegenübers blickte. Sein Gesichtsausdruck zeigte Überraschung, jedoch war sein Blick genauso fest mit meinem verankert wie umgedreht.
Ein paar Sekunden blieben wir so stehen, während die Welt anzuhalten schien und ich nicht mehr wusste was ich eigentlich hier tat. Doch dann hörte ich das Klappern des Waffengürtels eines Wächters und riss mich von dem Blick los, um weiterzulaufen.
Töricht von mir zu denken ich könnte einen anderen Mann auch nur ansehen. Ich war auf der Flucht und würde in weniger als drei Monaten heiraten.
Bestärkt von diesem Gedanken beschleunigte ich meine Schritte wieder und fand Zuflucht in einer großen Menschenansammlung, die sich um die Karren auf dem Markt versammelt hatte, um zu günstigen Preisen frisches Obst und Gemüse von weit her zu erwerben. Damit schüttelte ich meine Verfolger ab und konnte mein Tempo drosseln. Ich war ohnehin ganz außer Atem und konnte es nicht erwarten bei Constance anzukommen und etwas gegen meinen Durst zu erlangen.
Es waren nur noch wenige Meter, da stand ich auch schon vor dem flachen Eckgebäude, welches versteckt in einer winzigen Gasse lag und mir den heiß ersehnten Zufluchtsort bot. Schnell überwand ich die letzten Schritte, klopfte an das morsche Holz der Haustür und wartete auf eine Reaktion der Hausherrin. Nach einigen Sekunden hörte ich wie die Kette der Tür gelöst wurde, da ging diese auch schon auf und Constance sah mir lächelnd entgegen. Sie trug die roten Locken, auf denen eine weiße Haube befestigt war, hintergesteckt und ihr ausladendes, braunes Kleid hatte eindeutig schon bessere Zeiten durchlebt, doch sie sah trotzdem wunderschön aus. Mit ihrem Lächeln konnte sie einem den Tag verbessern, wodurch ich schlagartig gute Laune bekam.
»Eure Hoheit, was tut Ihr hier?«, flüsterte sie nun und Sorge spiegelte sich in ihren Augen wider. Sie steckte den Kopf durch den Türrahmen, sah sich nach beiden Seiten um, dann zog sie mich am Arm nach drinnen. Sie schritt voran, durch den kurzen, dunklen Flur in die Küche auf deren Theke Töpfe, Teller, Geschirr und sonstige Kochutensilien vausgebreitet waren.
»Es tut mir leid, Constance. Du weißt, du bist die einzige Freundin die ich habe und auch die Einzige die mir Zuflucht gewährt. Doch wenn ich dir Schwierigkeiten bereite, werde ich sofort gehen«, versuchte ich sie zu beruhigen, da mir ihr besorgter Gesichtsausdruck leid tat.
Ich wollte mich gerade umdrehen, um ihr Haus zu verlassen, da hörte ich sie rufen: »Nein, bleibt ruhig! Was wäre ich für eine Untergebene, wenn ich meine zukünftige Königin meines Hauses verwiese. Setzt Euch.«
Sie schob einen der Stühle zurück und ich nahm dankbar Platz.
»Ich danke dir, Constance. Aber du bist viel mehr als eine Untergebene. Du weißt, ich sehe dich als mir gleichgesinnt.«
Sie lächelte und senkte den Kopf, als schäme sie sich für meine Worte. Ich erwiderte ihr Lächeln, belustigt über ihre Reaktion.
»Kann ich Euch etwas anbieten? Einen Tee oder einen Happen zu essen ...« Sie hatte sich so plötzlich aufgerichtet, als wäre ihr gerade jetzt eingefallen wer vor ihr saß.
Ich legte eine Hand auf ihren Unterarm und zwang sie damit sich wieder zu setzen. »Ich hätte tatsächlich gern einen Schluck Wasser, aber das kann ich mir selbst einschenken. Schließlich bin ich in dein Haus eingedrungen, da musst du mich nicht bedienen.«
Ich zwinkerte ihr zu als sie wieder den Mund öffnete um zu protestieren, ging zu der Küchentheke und schenkte mir ein Glas des kühlen Nass' aus einem Krug ein.
Während ich trank und das Wasser meinen, vom Rennen ganz trockenen, Hals hinunter lief, klopfte es an der Tür. Constance wurde plötzlich panisch, dachte ihr Mann käme früher nach Hause, und gab mir Anweisungen mich in einem der Gästezimmer zu verstecken und die Tür abzuschließen. Ich tat wie mir geheißen, schloss jedoch nicht ab, um zu sehen wer geklopft hatte.
Die Hausherrin richtete ihr Kleid und ging zur Tür. Ich hörte nicht was sie redeten, doch kurz darauf kam Constance, gefolgt von einem Mann, der nicht Monsieur Bonacieux war, zurück in die Küche. Ich öffnete erleichtert die Tür und trat zu den beiden, um den Gast zu begrüßen.
Gerade als ich mich räusperte um mich vorzustellen, drehte er sich in meine Richtung und ich erkannte in ihm den Mann von der Straße. Wieder war ich hypnotisiert von seinem Blick - seine dunkelbraunen Augen die mich überrascht musterten, als auch er mich erkannte.
»Aramis, das ist ... meine Freundin Anne«, stellte Constance mich vor und legte einen Arm auf meinen Rücken. »Anne, das ist Aramis. Er möchte gern ein Zimmer mieten.«
Der Mann - Aramis - nahm seinen Lederhut ab, hielt ihn sich vor die Brust und verbeugte sich kurz. »Ich bin hocherfreut, Madmoiselle. Ich hoffe Ihr seid wohlauf?«
Ich sah ihn verwundert an. »In der Tat, weshalb fragt Ihr?«
»Als ich Euch vorhin sah, scheint Ihr vor etwas davon gelaufen zu sein, deshalb war ich mir nicht sicher ob Ihr Probleme hattet.« Der Blick, den er mir nun zuwarf war forschend und gleichzeitig wissend.
Aus Angst, er wisse von meiner wahren Identität, musste ich mir eine Ausrede einfallen lassen und schüttelte den Kopf. »Nur eine Verwechslung. Ich bin eine der treusten Hofdamen der Prinzessin, hasse es aber ständig im Schloss eingesperrt zu sein, weshalb ich mich des Öfteren hinaus schleiche um Constance zu besuchen oder einfach um meine Füße zu vertreten. Die Wachen der roten Garde dachten lediglich ich sei die Prinzessin, da unsere Körpergröße und Haarfarbe identisch sind.«
Dies schien er mir zu glauben, denn er nickte verstehend und wandte sich an Constance. »Madame Bonacieux, der eigentliche Grund, weshalb ich nach Paris kam, war, dass ich mich den Musketieren anschließen möchte. Ich habe früher mit einigen von ihnen gekämpft und würde nun gern meine Fähigkeiten dazu nutzen, die Prinzessin zu beschützen. Könnt Ihr mir den Weg in die Garnison zeigen?«
Constance warf mir einen verstohlenen Blick zu, stimmte dann aber zu, Aramis in das Lager der Musketiere zu bringen. Ich schlug vor sie zu begleiten.
»Wird die Prinzessin sich nicht Sorgen machen?«, fragte Constance und sah mich eindringlich an. Ich wusste, weshalb sie sich sorgte: Einige der Musketiere kannten mich, da sie meine persönliche Leibwache darstellten. Doch ich wusste, dass sie mich nicht verraten würden.
»Die Prinzessin schläft um diese Zeit«, antworte ich deshalb und zog mir die Kapuze meines Unhangs über den Kopf. »Lasst uns gehen.«
Aramis verbeugte sich wieder kurz, platzierte seinen Hut auf dem Kopf und folgte uns nach draußen. Die Garnison war nicht weit von dem Haus der Bonacieux' entfernt, doch Constance brachte Aramis dazu über sich zu sprechen.
»Ich habe gehört, Kardinal Richelieu treibt ein falsches Spiel«, antwortete er, als sie ihn nach dem Grund für seine Anstellung als Musketier fragte. »Er soll den König beeinflussen und die Prinzessin gänzlich unterdrücken. Ich finde, die Prinzessin sollte vor dieser Verleumdung geschützt werden. Sie kann nichts dafür, dass sie in diese Position geboren wurde.«
Ich senkte den Kopf, da mir das Blut ins Gesicht stieg und meine Wangen erröten ließ. Ich wusste nicht, dass es Leute gab, die so von mir dachten. Ich war immer der Meinung gewesen, die Bevölkerung Frankreichs hielt mich für ein verwöhntes Görr.
»Geht es Euch nicht gut, Madmoiselle?«, fragte Aramis und Sorge schwang in seiner Stimme mit.
»Nein, Nein, ich bin nur so erfreut darüber, dass ihr derartig denkt. Durch meine Anstellung kenne ich den Kardinal und weiß, dass er ein falsches Spiel treibt um an der Macht zu bleiben. Doch wer glaubt schon einer Magd?«
»Ich glaube Euch«, beharrte Aramis und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem freundlichen, offenen Lächeln. Er war so charmant, dass ich mir in den Sinn rufen musste, dass ich nicht wirklich ein Dienstmädchen war und dass ich in drei Monaten heiraten würde.
Ich räusperte mich, hob das Kinn und sah zu Constance, die uns beide musterte. Der Blick, den sie mir dann zuwarf, sollte mir deutlich machen, wer ich war und wer er war. Ich nickte kurz zur Bestätigung, dass ich mir dessen ebenfalls bewusst war. Darauf wandte sie sich lächelnd an Aramis. »Da wären wir.«
Sie zeigte auf einen Vierseitenhof in dessen Inneres ein kleiner, tunnelartiger Durchgang führte.
Aramis sah sichtlich beeindruckt aus und ging einige Schritte auf den Durchgang zu. Dann sah er über die Schulter zurück, als würde er nach Erlaubnis fragen um eintreten zu dürfen. Constance lächelte herzlich und kurz darauf standen wir auch schon im Inneren der Garnison. Ich selbst war erst ein- oder zweimal hier gewesen um ein persönliches Gespräch mit dem Hauptmann Tréville zu führen - fernab von den Toren des Palastes, wo jede Wand Ohren zu haben schien.
Das Innere der Garnison bestand aus einem kiesbedecktem Hof, auf dem einzelne Männer gegeneinander fochten oder, mit Musketen in der Hand, versuchten Strohpuppen die weichen Schädel wegzupusten. Vor uns führte eine Holztreppe nach oben zu einer Terrasse, die an die Gemächer von Hauptmann Tréville angrenzten. Dieser stand nun am Geländer der Terrasse und beobachtete das Geschehen auf dem Hof. Als er uns entdeckte, kniff er die Augen zusammen und kam langsamen Schrittes auf uns zu.
Bevor er auch nur den Mund öffnen konnte um »Eure Majestät« zu sagen, huschte Constance zu ihm und redete auf ihn ein. Darauf sah er erst zu mir, dann zu Aramis, nickte ihr zu und kam zu uns.
»Aramis, es freut mich immer wieder zu sehen, wenn sich jemand entscheidet sich unserem Team anzuschließen um der zukünftigen Königin zu dienen.« Er schlug seine Beine zusammen, nickte ihm erneut zu und ging zurück auf seinen Posten auf der Terrasse.
»Das war kurz«, murmelte Aramis, kam jedoch nicht dazu länger über diese Unterredung nachzudenken, da rief jemand seinen Namen und kurz darauf hatte er einen Degen an der Kehle.
Ich keuchte auf und wich erschrocken zurück. Porthos - einer meiner Leibwächter - konnte mit seiner stattlichen Figur und der Körpergröße recht furchteinflößend wirken und war eindeutig niemand, von dem ich bedroht werden wollte.
»Porthos«, zischte Aramis und erwiderte den düsteren Blick des Musketiers.
»Du warst viel zu lange weg, mein Freund«, rief Porthos da plötzlich, steckte den Degen zurück in den Schaft und umarmte Aramis.
Ich war noch immer so perplex, dass ich nicht begriff was vor sich ging, bis mir einfiel, dass Aramis gesagt hatte, er habe früher mit einigen der Musketiere gekämpft. Porthos musste einer von ihnen gewesen sein.
Ich spürte Constance' Hand auf meiner Schulter und sie wies mich darauf hin zu gehen, da sich sonst noch jemand versprechen konnte.
Es hatten sich nun auch D'Artagnan und Athos - die anderen Mitglieder meiner Leibwache - zu ihrem Freund gesellt und alle drei redeten stürmisch auf Aramis ein und bombardierten ihn mit Fragen über seinen Verbleib.
Ich sah ihnen gebannt zu, da drehte sich D'Artagnan plötzlich zu uns und kam auf Constance zu. Mir war schon vor längerer Zeit aufgefallen, dass er sie hoch schätzte und Constance diese Zuneigung erwiderte, auch wenn sie verheiratet war. Sie hatte mir einmal erzählt, dass sie Bonacieux insgeheim hasste und ihm an manchen Tagen den Tod wünschte, um endlich frei zu sein. Doch sie brauchte sein Geld und seinen - wenn auch nicht allzu angesehenen - Stand in der Gesellschaft, um nicht von ihrer Familie geächtet zu werden. Ich konnte ihr Dilemma verstehen - auch ich würde in wenigen Monaten einen Mann heiraten, den ich mir nicht freiwillig ausgesucht hatte - den ich nicht einmal kannte. Ich hatte lediglich von seiner Gutmütigkeit und seinem ausgeprägten Sinn für kindliches Benehmen gehört, doch ich wusste weder wie er aussah, noch ob er ein guter König sein würde.
D'Artagnan verbeugte sich vor Constance und fragte sie nach ihrem Befinden, seine Augen leuchteten glückselig. Es war ein schöner Anblick ein verliebtes Paar zu beobachten, doch Constance stritt sowohl ihre Gefühle für den Musketier, als auch seine Gefühle für sie ab. Ihr Dickkopf war größer als ein Weinfass, auch wenn ich ihr das nicht sagte.
»Wer ist deine Freundin?«, fragte D'Artagnan nun und drehte sich in meine Richtung. Ich hatte noch immer meine Kapuze auf und war deshalb unerkannt geblieben, doch als er mich jetzt bewusst ansah und erkannte, sog er scharf die Luft ein.
»Eure Maj-«, setzte er an, doch ich unterbrach ihn schnell.
»Ich bin heute inoffiziell hier, bitte verratet mich nicht«, bat ich den jungen Mann, der Constance nun fragend ansah. Sie nickte als Bestätigung meiner Worte und lächelte.
»Ihr seid eine wirklich besondere Prinzessin, eure Hoheit«, raunte er mir schmunzelnd zu und winkte seine Freunde zu sich. »In welcher inoffiziellen Position seid Ihr in der Stadt?«
»Dienstmagd der Prinzessin«, murmelte ich noch, da standen Athos, Porthos und Aramis auch schon vor mir. Die beiden Musketiere begrüßten Constance mit einem freundlichen Nicken und sahen dann verwirrt zu mir.
»Das ist Anne, die Dienstmagd der Prinzessin«, erklärte Aramis, woraufhin ich die Kapuze zurück schob um mein Gesicht frei zu geben. Porthos und Athos blickten nun noch verwirrter drein.
»Sie wollte den Zwängen des Palastes entkommen«, fügte Constance hinzu und langsam lichteten sich die Fragen in den Gesichtern der beiden Männer.
»Hocherfreut«, sagte Porthos und verbeugte sich.
»Ich ebenfalls«, sagte Athos nun auch, nach kurzem Zögern.
»Nun - wann kann ich anfangen?«, fragte Aramis, dem die angespannte Situation sichtlich unangenehm war.
Die drei Musketiere sahen sich an und begannen zu lachen. Auch ich musste mir ein Schmunzeln verkneifen.
»So einfach ist das nicht, mein Freund«, erklärte Athos, während seine Freunde immer noch lachten. Er war der vernünftigste der drei und der Anführer der Truppe, auch wenn er es niemals zugeben würde. Mit seiner besonnenen Art und der mystischen Aura, die ihn umgab, war er für mich ein großes Rätsel, aber doch sehr sympathisch. Er sorgte immer wieder dafür, dass seine Freunde auf den Boden der Tatsachen zurück gebracht wurden.
»Du musst natürlich vorher trainieren - eine Menge trainieren. Auch wenn deine Fähigkeiten als Schütze besser sind, als die der meisten von uns, gehört noch viel mehr zu einem Dasein als Musketier. Du musst lernen mit dem Degen umzugehen, Fährten zu lesen, dich im Nahkampf zu beweisen und Teamfähigkeit zu besitzen. Das Wichtigste ist aber der Beschützerinstinkt und das Versprechen, dein Leben für das der Prinzessin einzusetzen. Du musst sie mit allem was dir bleibt verteidigen, auch wenn das deinen Tod bedeutet.«
Bei den letzten Worten sah er mich an und ich senkte den Blick. Ich wusste, dass dies ihr Job war, trotzdem hoffte ich, dass es niemals dazu kommen würde.
»Und du kannst nicht von uns zum Musketier benannt werden. Du musst dich vor dem König beweisen, durch eine besondere Mission oder einen Kampf gegen einen schweren Feind. Du musst ihm zeigen, dass du all diese Fähigkeiten besitzt, erst dann wirst du zum Musketier benannt«, fügte D'Artagnan hinzu, der selbst erst vor nicht allzu langer Zeit diese Prüfung bewältigt hatte. Mir war noch sehr wohl bewusst, was es hieß diese Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Damals hatte Richelieu mit dem König eine Wette abgeschlossen - seinen besten Kämpfer der roten Garde gegen den besten Kämpfer der Musketiere. Die Musketiere wurden von Hauptmann Tréville angeführt, doch der Kardinal selbst schummelte und wählte einen Kriegsverbrecher mit unheimlicher Stärke, der Tréville schwer verletzte. D'Artagnan sprang für seinen Hauptmann ein und gewann den Kampf, womit er seine Treue, Kampfbereitschaft und natürlich die Fähigkeiten mit dem Degen unter Beweis stellte. Der König belohnte ihn mit der Ernennung zum Musketier.
»Nun, dann werde ich mich wohl mal an die Arbeit machen«, verkündete Aramis, legte Umhang und Hut ab und griff sich einen Degen von einer Halterung an der Wand. »Komm schon, Athos.«
Athos lachte, denn ihm war bewusst, dass er der bessere Fechter sein würde - er war der beste Fechter den ich je gesehen hatte. Auch er stattete sich mit einem Degen aus und die Männer stellten sich mit ausgestreckten Waffen gegenüber.
»Das wird ein Spaß«, murmelte Porthos und verschränkte gespannt und belustigt die Arme. Auch D'Artagnan lachte und lehnte sich an einen der Holzbalken, die die Terrasse stützten.
Die beiden Männer schlugen die Schwerter gegeneinander und begannen in rhythmischen Bewegungen aufeinander einzuschlagen. Schon an seiner Taktik erkannte man, dass Aramis Athos weit unterlegen war - während Aramis blind auf seinen Gegner einschlug und versuchte ihn bei jeder Bewegung irgendwo zu treffen, wartete Athos geduldig ab, parierte ein paar Schläge und schlug zu, als Aramis kurz unaufmerksam war. Er studierte jeden seiner Schritte und nach kurzer Zeit hatte er Aramis' Bewegungen verinnerlicht und konnte vorher einen Schritt zu Seite oder nach hinten machen, damit der Degen seines Gegners nichts als Luft durchschnitt. Es dauerte dann nur noch wenige Sekunden, da lag Aramis auf dem Boden und spürte Athos' kalte Klinge an seiner Kehle.
»Unentschieden?«, fragte er mit ausgestreckten Händen, doch Athos lachte nur und half ihm zurück auf die Beine.
»Die Lektion, die ich auch D'Artagnan gab, als er zu uns kam: Kämpfe weniger mit dem Herzen und mehr mit dem Verstand. Achte auf die Schritte des Gegners, denk strategisch und nicht daran ihn schnellstmöglich auszumerzen.«
Aramis nickte lachend und klopfte seinem Freund auf die Schulter. Sie kamen zurück zu unserer kleinen Gruppe und schienen zufrieden mit sich.
»Ich denke es wird nun wirklich Zeit zu gehen, Anne«, bemerkte Constance eindringlich.
Sie hatte recht - der Nachmittag war angebrochen und die Wachen würden meinem Vater schon von meinem Verschwinden berichtet haben. Deshalb nickte ich Constance zustimmend zu, wobei ihr ein Stein vom Herzen zu fallen schien.
»Meine Herren«, sagte ich laut und bekam damit die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden. Natürlich - dreiviertel der Gruppe wusste, dass ich die Prinzessin war. »Die Prinzessin wird sich sicher langsam Sorgen um meinen Verbleib machen, deshalb sollte ich mich nun auf den Weg machen. Es war mir eine Ehre Euch zuzusehen und hoffe euch bald im Louvre begrüßen zu dürfen.« Ich nickte ihnen zu, wartete bis sie sich verbeugten, dann drehte ich ihnen den Rücken zu und ging mit Constance im Schlepptau, die sich vorher noch durch Handkuss von D'Artagnan hatte verabschieden müssen, davon.
Ich begleitete meine Freundin zurück nach Hause, dort verabschiedete ich mich auch von ihr und nahm den Weg zurück in die einsamen Gemächer des Palastes auf mich.

All for One - One for the Queen || The MusketeersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt