Ruhe vor dem Sturm

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„Alles okay?“, fragte ich Sangreal leise.

Sie nickte, sah zu mir empor und lächelte mich an. Ihr Pony klebte in ihrem Gesicht, ich konnte das rasche Schlagen ihres Herzens unter mir hören und mir war auch nicht entgangen, dass sie leicht zitterte. Mir ging es genauso.

Es war der Nachmittag des letzten Tages vor dem von Alice vorausgesagten Eintreffen der Volturi auf unserer grünen Insel. Nayeli hielt ihren gewohnten Mittagsschlaf. Sangreal und ich nutzten diese Zeit für etwas Zweisamkeit. Eigentlich hätte man meinen können, wir hätten genug davon in unserem schier ewigen Leben, aber wie so häufig, kam es anders, als man gedacht hatte. Nun herrschte im ganzen Haus Endzeitstimmung.

Ich küsste das hübsche Mädchen unter mir noch einmal, dann zog ich mich zurück und legte mich wieder auf meine Seite des Bettes.

„Ich werde das vermissen“, sagte Sangreal nach einem kurzen Moment der Stille.

Ich drehte mich auf die Seite, stützte mich mit dem Ellbogen ab und sah sie fragend an. „Was?“

„Alles“, sagte sie, ohne mich anzusehen. Stattdessen sah sie nach oben an die Decke.

Ich lachte leicht. „Hört sich an, als gingst du davon aus, dass wir alle ins Gras beißen und die Volturi unser Haus abfackeln.“

Sie lachte kurz und drehte sich dann endlich zu mir um. „Nein, das meine ich nicht. Ich meine... es wird nie wieder so sein, wie jetzt. Verstehst du was ich meine?“

Ich zog die Brauen zusammen. Nein, ich verstand nicht.

„Dieser Kampf war ein Ziel, das wir uns gesetzt haben. Wie auch immer er ausgehen mag, alles was darauf folgt, wird nicht mehr so sein wie zuvor. Allein schon die Tatsache, dass wir einige Leben auslöschen werden müssen...“

„Du weißt, dass du mit Nayeli von der Schlacht fern bleiben kannst“, erinnerte ich sie. Wir hatten das erst vorgestern besprochen. Leah hatte ihr angeboten, Nayeli in La Push in Sicherheit zu bringen. Sie würde dort von meiner Cousine versorgt werden und mit Will's Kindern spielen können. Ich musste zugeben, der Gedanke machte mich traurig und glücklich zugleich. Sie war nicht meine Tochter, aber da ich Sangreal so nah stand, war ich in irgendeiner Weise eine Bezugsperson für das Kind und ich würde lügen, wenn ich sage, dass sie mir nicht wichtig geworden war. Will hätte es sicher gern gehabt, dass unsere Kinder miteinander spielten. Nun würde er das nicht mehr miterleben können und das machte mich traurig. Andererseits war es irgendwie so, als würde Nayeli Will dadurch kennenlernen, was mich wiederum glücklich stimmte.

„Du weißt, wie ich dazu stehe“, riss Sangreal mich aus meinen Gedanken. Ich nickte widerwillig. „Ich muss damit abschließen können“, fuhr sie fort. „Und das kann ich nur, wenn ich dabei bin. Ich bringe Nayeli nach La Push und komme dann sofort wieder zurück.“

„Ich weiß, ich weiß“, gab ich zurück, ehe ich sie zu mir zog und meine Arme um sie legte. Ich hatte natürlich Angst um sie, aber wäre ich an ihrer Stelle, würde ich wahrscheinlich genauso handeln. Ich konnte nicht mehr tun, als ihr ihren Willen zu lassen und dafür zu sorgen, dass ihr nichts passierte. Aber wie sollte ich das im Kampfgetümmel schaffen?

Blood Moon - Biss in alle Ewigkeit (Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt