➳Feather twelve: Pulsierende Punkte

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Es war irrsinnig, wie schnell etwas vorbei gehen konnte.

Vor drei Tagen waren wir noch in der Stadt.

Im Knotenpunkt des Lebens.

Bunte Lichter überall.

Und lachend haben wir uns im Kreis gedreht.


So schnell, dass mein Kleid hochgeweht wurde und ich immer wieder mit meinen Stöckelschuhen zwischen den Pflastersteinen stecken geblieben war.

Doch du hast verhindert, dass ich fiel.

Hast deinen Arm um mich geschlungen und mich gestützt.


Und dann waren wir mitten in der Nacht in diesem Park, der trotz der späten Stunde nur vor Leben pulsiert hat.

Die Straßenmusiker haben Lieder gespielt und die Menschen haben getanzt.

Und wir haben es auch getan.

Wir haben dort mitten im Park gestanden.

Meine Arme waren um deinen Hals geschlungen und selig lächelnd hast du zu mir herunter gesehen.

Und wir haben stundenlang unter dem Sternenhimmel getanzt.

Denn wir beide waren Leben.

Pulsierende Punkte im Farbenmeer der lebendigen Nacht.


Und vorgestern waren wir am Meer.

Im Reich der Möwen und der stinkenden Algen.

Trüber Himmel und immer zornigere Wellen, die am Ufer gebrochen waren.

Und der Geruch von Salzwasser war uns entgegengeschlagen, als wir die Kuppel der von Sträuchern bewachsenen Dünen erreicht haben.

Aneinander gekuschelt haben wir dort im Sand gesessen und die starken Wellen beobachtet.

Und als es zu kalt wurde, hast du eine rote Decke und den Wein, den wir vorher noch gekauft hatten, geholt.

Und auch da waren wir beide Leben.

Pulsierende Punkte im grauen Sturm des Meeres.


Und gestern waren wir im Hafen.

Auf dem Handelsort der Welt.

Riesige und kleine Schiffe waren dicht an dicht angedockt.

Und wir haben uns gebratene Nudeln aus einer durchweichten Pappbox geteilt.

Still haben wir gegessen, wollten die restlichen Minuten nicht mit falschen Worten zerstören.


Und dann waren wir an dem großen Schiff angekommen.

Dabei haben wir die Nudeln noch nicht einmal aufgegessen.

Du hast dich zu mir heruntergebeugt und mich geküsst.

Alles hat nach Abschied geschmeckt.

Selbst die salzigen Tränen, die wie ein kleiner Bach aus meinen Augen geströmt sind.

Schwach hast du gelächelt, deinen Seesack auf deinen Rücken gehoben und mir war kaum noch Zeit geblieben deine Uniform zu richten, bevor du gesagt hast, dass ich die Nudeln aufessen soll.


Doch ich habe doch gar keinen Hunger mehr gehabt.

Das einzige was ich schmecken wollte, waren deine Lippen.

Deine Lippen, die mir meine Ängste nahmen.

Die mir deine Liebe zeigten.

Die die Zeit anhalten konnten.

Die mir die Hoffnung gaben, dass wir für immer zusammen blieben.

Deine Lippen, die mich tapfer werden ließen.

Dass ich meine Ängste alleine überwinden sollte.


Doch du hast gehen müssen.

Winkend stand ich im Hafen, während du oben am Deck neben deinen Kameraden gestanden hast.

Denn wir beide waren pulsierende Punkte im Hafen des Abschieds.

Getrennt durch diese Kluft, die sich immer vergrößern würde.

Sekunde von Sekunde.


Und dann fuhr das Schiff los.

Das Schiff, das uns beide trennte.

Das Schiff, das dich hoffentlich in zehn Monaten wieder zu mir zurück bringen würde.


Und heute war ich wieder in der Stadt.

Im Knotenpunkt des Lebens.

Die Musiker waren wieder dort und ich tanzte alleine.


Und heute war ich wieder am Meer.

Im Reich der Möwen und der stinkenden Algen.

Und ich saß dort alleine in unserer roten Decke mit einem Wein.


Und heute war ich auch wieder im Hafen.

Auf dem Handelsort der Welt.

Und ich aß diesmal eine Pappbox mit Nudeln alleine.


Obwohl ich doch gar keinen Hunger habe.

Doch ich war Leben.

Leben, das aber nur mit dir ein pulsierender Punkt war.

Denn zusammen waren wir pulsieren Punkte im Farbenmeer der lebendigen Nacht.

Pulsierende Punkte im grauen Sturm des Meeres.

Pulsierende Punkte im Hafen des Abschieds.

Pulsierende Punkte im Wirrwarr des Lebens.

Deine Lippen haben mich daran erinnert, dass ich tapfer war und dass es sich lohnte, sich alleine seinen Ängsten zu stellen.

Denn wir beide werden pulsierende Punkte im Hafen der Wiederkehr sein.



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Eine ganz kurze Kurzgeschichte, basierend auf dem Vorschlag von@LittleEmmi , (Vorschlagsatz war: Der Geruch von Salzwasser schlug mit entgegen, als ich die Kuppel der von Sträuchern bewachsenen Dünen erreichte.) Wie ihr sicherlich gemerkt habt, habe ich den Satz etwas umgeändert, damit es in die 'Reihenfolge' von 'wir' und dann 'ich' und dann wieder 'wir' passt... Oder bemerkt man das gar nicht? ^^

Ich hoffe es gefällt dir, Emmi!

Und allen anderen natürlich auch. <3

Danke für den Vorschlag, es hat mir richtig Spaß gemacht, das zu schreiben, wobei ich heute wieder extrem verwirrt von der Grammatik war... Perfekt und Präteritum halt.. :o (Fehler werden die nächsten Tage vernichtet)

xx Merle <3


Light as a featherWhere stories live. Discover now