Emeli - Die Erbin des Phoenix

By sunshineandbirds

423 17 5

Emeli trifft auf Shane und Ty! Was passiert mit Emeli und wer sind diese beiden Typen, die plötzlich vor ihre... More

Prolog
Zwei

Eins

151 8 4
By sunshineandbirds

Piep. Piep. Piep.

Irgendetwas stört meinen Schlaf, dachte ich schwach.

Falls ihr wissen wollt, wo ich mich im Moment befinde: Ich bin auf den karibischen Inseln und lasse mir gerade von einem großen, braun gebrannten Unterwäschemodel den Rücken massieren. Auf meiner linken Seite steht ein weiterer, sehr spärlich bekleideter Mann und fächert mir Luft zu und auf meiner Rechten höre ich das angenehme Rauschen des Wassers. Doch ein leises, immer lauter werdendes Summen stört die herrliche Stimmung hier. Stirnrunzelnd blicke ich auf und merke, dass ich nicht mehr massiert werde.

Was ist hier los?

Das Meer wird unruhig und das Summen entpuppt sich als ein sehr, sehr nervendes Piepsen. Die beiden Männer verschwinden und auch meine Umgebung verändert sich.

Ich gab ein Knurren von mir und presste mein Kissen fest in mein Gesicht. Warum musste ausgerechnet jetzt der Wecker klingeln?

Piep. Piep. Piep.

Dieses verdammte Piepsen wollte nicht aufhören und es schien noch lauter geworden zu sein! Verärgert gab ich ein tiefes und ziemlich genervtes Brummen von mir und warf mein Kissen nach der Uhr.

„Klappe!“ Ein Poltern erklang und ein zufriedenes Lächeln umspielte meine Lippen. Gerade, als ich mich wieder in mein Bett kuschelte und die Decke über meinen Kopf zog - leider ohne Kissen - erklang jedoch wieder das Piepsen.

Okay, das reichte. Seit wann war mein Wecker so eigensinnig?

Ich versuchte wie verrückt aus dem Deckenwirrwarr um mich herum zu entkommen, um diesem Wecker den Rest zu geben. Strampelnd und keuchend gelangte ich an den Bettrand, verlor aber mein Gleichgewicht und landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Fußboden.

„Bruchlandung!“, hätte Luke nun gerufen.

„Mist!“, knurrte ich und versuchte mich aufzurappeln, während mein blöder Wecker immer noch wie verrückt piepte. Etwas Positives hatte die Situation aber: Ich war wach.

Über den Boden robbend packte ich den Wecker und schaltete ihn aus. Ich drehte mich um und sah, dass ich mein ganzes Bettzeug mit mir über den Boden geschliffen hatte. Der Morgen fing ja vielversprechend an. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es zehn Uhr war.

Zehn?! Es war Samstag und mein Wecker klingelte um zehn?!

Ich rappelte mich auf, legte mein Bettzeug zu einem Haufen zusammen und warf es auf mein Bett. Ich musste mal wieder aufräumen. Mich am Kopf kratzend schaute ich mich in meinem kleinen Zimmer um. Ja, das war ziemlich nötig. Aber, hey! Ich kann mich rechtfertigen. Ich bin eine vielbeschäftigte Schülerin! Außerdem habe ich keine Mum, die hinter mir immer aufräumt. Alleine zu leben ist nicht so einfach, zumal man ja auch noch seinen Unterhalt selber bezahlen muss! Und wenn man einen solch mickrigen Job hat, wie ich, fällt das einem nicht so einfach – ich klatschte mir an die Stirn.

Wie blöd konnte man denn sein? Gleich darauf klatschte ich mir ein weiteres Mal an die Stirn. Ich hatte Sam versprochen, heute für sie einzuspringen, damit sie sich einen tollen Tag mit ihrem neuen Freund machen konnte, den sie heute das zweite Mal seit zwei Monaten sehen würde.

Sam neigte dazu, Kerle aus anderen Städten - nein Staaten - kennenzulernen. Allerdings servierten die meisten sie schon nach ein paar Wochen wieder ab. Ihr jetziger Freund hielt es ganz schön lange mit ihr aus. Respekt. Außerdem konnte ich das zusätzliche Geld gut gebrauchen.

Jedenfalls, was stand ich da denn noch so rum? Ich hatte nicht mehr als fünfzehn Minuten Zeit, also rannte ich in die Dusche, wobei ich mir die Klamotten auf dem Weg schon vom Leib riss. Fürs Frühstücken und Schminken gab es keine Zeit mehr. Ein Blick nach draußen sagte mir, dass es verhältnismäßig warm war, aber ich traute dem Wetter nicht. Über mein schwarzes Shirt zog ich noch eine graue Strickjacke an. Während ich noch die Wahl zwischen einer kurzen und einer langen Hose zu fällen hatte, läutete mein Handy. Ich entschied mich für die Lange und ging ran.

„Hallo?“, fragte ich und klemmte mir das Handy zwischen Schulter und Ohr. Dabei die Hose anzuziehen war nicht einfach.

„Em? Bist du das? Hier ist Luke.“

„Luke? Was ist denn los?“ Fast drohte ich umzukippen.

„Robin lässt heute eine Party steigen. Allein wollte ich nicht hin. Hast du viel-“

„Du Luke - hör mal zu. Ich bin gerade ziemlich im Stress. Können wir das heute Nachmittag oder so besprechen?“ Ich sah in den Spiegel. Okay, ich brauchte eine Bürste.

„Ja, klar. Aber-“

„Na dann. Bis später!“ Ohne auf seine Antwort zu warten legte ich auf und schnappte mir meine Tasche. Mit einem letzten Blick in die Wohnung schloss ich ab und trat in die Sonne. Meine Armbanduhr sagte mir, dass ich nur noch fünf Minuten hatte.

„Super!“, murmelte ich sarkastisch und rannte los.

Verschwitzt, hungrig und zu spät kam ich endlich vor dem Café an und verfluchte mich zum hundertsten Mal, dass ich noch immer keinen Führerschein hatte. Bei so einem Job war es ja auch ein Wunder, dass man überhaupt noch lebte. Ich ernährte mich fast ausschließlich von den großzügigen Trinkgeldern, das die Leute mir hier gaben. Falls ihr euch fragen solltet, wie ich dann überhaupt meine Miete bezahlen konnte, dann sollte ich euch lieber sagen, dass ich keine Miete bezahlte.

Nein, falsch.

Meine Miete wird bezahlt, aber nicht von mir.

Meine verrückte Vermieterin, ihr Name ist Vandy, meinte, dass mein Unterhalt schon bezahlt wird. Ja,ja, ich weiß. Es hört sich nicht gerade sehr vertrauenswürdig an, aber ich habe schon lange damit aufgehört, nach Gründen zu suchen, wer meine Miete bezahlt. Oder warum. Ich nehm's dankbar an. Wann passiert einem denn schon so etwas? Außerdem hatte ich Angst, den Zähler zu verjagen, wenn ich zu viele Fragen stellte. Jedenfalls läuft das schon seit zwei Jahren so. Ich bin zwar noch nicht mündig, aber in einem Waisenhaus wollte ich nicht mehr leben. Da meine Eltern ni –

Ein stechender Schmerz zwischen meinen Augenbrauen ließ mich zusammenzucken. Das passierte mir in letzter Zeit viel zu oft, also sollte ich lieber aufhören, zu denken, bevor ich hier umfalle.

Beim Reingehen läutete die Glocke über der Tür und starker Kaffeegeruch stieg mir in die Nase. Das Café war fast leer. Außer zwei alten Frauen, die das rege Treiben auf der Straße beobachteten und einer Frau, die versuchte, ihre beiden Kinder still zu halten, befand sich niemand hier drinnen. Den Mann, der in seinem Notebook vertieft in der Ecke saß, übersah ich beinahe.

Schnell eilte ich hinter den Tresen und begegnete sogleich dem strengen Blick von Mr. Shean.

„Du bist zuspät, Sanderson“, meinte er und ich konnte bis hierhin seinen Zigarettengeruch wahrnehmen.

„Äh, Sander. Emeli Sander, Mr. Shean.“ Nicht zu fassen, dass der alte, kleine, nach Nikotin stinkende Mann meinen Namen immer noch nicht kannte!

„Wie auch immer. An die Arbeit! Ich habe das Gefühl, dass heute viel los sein wird.“

Nach fünf Stunden war jedoch immer noch nichts los. Was auch kein Wunder war. Die Kunden gingen lieber in ein sauber riechendes, schönes Café, wie der Laden eine Straße weiter. Nicht in ein verdecktes Loch, wie das hier, obwohl ich sagen muss, dass hier die meisten Dinge besser schmeckten als in dem anderen Café. Der Espresso schmeckt hier ziemlich gut. Und von dem Kaffee hier wird man aufgedrehter als ein Energiedrink es überhaupt vermag.

Mein knurrender Magen erinnerte mich daran, dass ich noch immer keine feste Nahrung zu mir genommen hatte. Ich brauchte unbedingt Fleisch.

Lasst euch bloß nicht von meiner kleinen Gestalt täuschen. In Momenten wie diese könnte ich drei große Steaks verspeisen. Ein Glück, dass Sams Schicht vorbei war. Leider würde meine eigene Schicht nach zwei Stunden wieder anfangen. Aber, hey! Ich konnte endlich etwas essen gehen!

Ich verabschiedete mich von Lindsay, obwohl ich sie ohnehin in meiner Schicht wiedersehen würde. Sie war eine der Unglücklichen, die hier Vollzeit arbeiteten. Also eigentlich die Einzige. Abgesehen von Sally, die aber kam und ging, wie sie wollte.

Draußen hatte sich das Wetter merklich verschlechtert. Die Sonne war hinter dicken Wolken verschwunden und es sah nach Regen aus. Seufzend steuerte ich auf das kleine Restaurant zu, dass einem alten, süßen Paar gehörte, deren Hunde ich mal ausgeführt hatte.

Mr. und Mrs. Smith. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Sie machten die besten Steaks in dem ganzen Viertel und ich bekam hier immer Rabatte.

„Emeli, meine Liebe! Schön dich zu sehen!“, begrüßte mich Mrs. Smith sofort, als ich eintrat.

„Hallo Mrs Smith!“

Lächelnd führte sie mich zu meinem Stammplatz und fragte: „Was darf es denn sein? Das übliche?“ Also Ei mit Speck und einer großen Cola.

„Nein, heute hätte ich gerne ein großes Steak und eine kalte Limo, bitte.“ Erstaunt hob sie die Brauen und fing an zu lächeln, sodass ihre runden Pausebäckchen rot wurden.

„Da hat jemand aber einen großen Hunger.“

Es störte mich nicht, dass sie mit mir sprach, als wäre ich ein kleines Kind. Im Gegenteil, es freute mich. Sie waren die Einzigen, die mir jemals das Gefühl gaben, ein Kind zu sein. Oder jemals gewesen zu sein. Ich konnte mich kaum an meine Kindheit erinnern, geschweige denn an meine Eltern, die – Ich hielt mir an die Schläfe.

Diese verdammten Kopfschmerzen. Ich brauchte dringend Schmerztabletten. 

Doch meine Kopfschmerzen verschwanden sofort, als ich den köstlichen Geruch von gegrilltem Steak roch. Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen.

„Hier. Bitte sehr und lass es dir schmecken, Liebes.“

„Danke.“ Doch ich hatte nur noch Augen für mein Essen. „Endlich!“, murmelte ich, bevor ich ein großes Stück Fleisch in mein Mund schob. Etwas Köstlicheres gab es nicht. Ehrlich. Ich schloss die Augen, und genoss den würzigen Geschmack auf meiner Zunge. Die Türglocke läutete und ich riss die Augen wieder auf. Ich warf einen verstohlenen Blick zur Tür und entdeckte einen weiteren Gast. Der mich direkt ansah. Ich verschluckte mich und spülte den Rest mit meiner Limo runter. Ich konnte gerade noch sehen, wie der Kerl spöttisch lächelte, als er sich in die hinterste Ecke des Restaurants setzte. Ich spürte - nein, ich wusste - dass ich rot geworden war. Wenn ein Junge ein Mädchen so essen sieht – und ich glaube ich sah ziemlich verfressen aus - und dabei so lächelt, dann verhieß das nichts Gutes. Ich seufzte. Aber warum hatte er mich denn überhaupt angeschaut? Ich meine, ich glaube sehr gerne, dass es komisch ausgesehen haben musste, aber es war allgemein unhöflich jemanden so beim Essen zu beobachten. Wütend schnitt ich mir noch ein Paar Stücke ab und schon war mein Teller leer. Ein Rülpsen konnte ich glücklicherweise noch verhindern.

„Vielen Dank, Mrs Smith. Es war sehr lecker!“, sagte ich, als ich aufgestanden war und an die Kasse trat. Im selben Moment trat Mr. Smith aus der Küche und begrüßte mich mit einem Nicken. Ich lächelte ihn an, zahlte und ging raus, allerdings nicht, ohne noch einen letzten Blick auf den gemeinen Kerl zu werfen, der mich vorhin anscheinend ausgelacht hatte. Er saß alleine am Tisch, nippte an seinem Getränk und blickte sofort auf, als hätte er meine skeptische Musterung gespürt. Schnell wandt ich den Blick ab und machte, dass ich da raus kam. Ich hatte noch genau eineinhalb Stunden Zeit. Ich hatte es also nicht eilig. Ein Abstecher ins Einkaufszentrum wäre wohl nicht schlecht, da mein Kühlschrank sich langsam aber sicher dem Ende zuneigte. Ich bin kein Mensch, der sich unendlich lange Einkaufslisten macht und dann am Ende wieder etwas vergisst. Ich mache mir keine Listen, vergesse dann aber trotzdem gerne etwas. Vieles. Eigentlich kaufte ich mir dann immer Dinge, die ich überhaupt nicht brauchte, oder wofür ich mich gar nicht auf den Weg gemacht hatte. So wie jetzt.

Kein Wunder, dass ich mich nun mitten in der Damenunterwäscheabteilung befand.

Ich legte ja nicht viel Wert auf die Entscheidung zwischen Spitze und Stoff, aber ich hatte eben einfach Lust, mir neue Unterwäsche zu kaufen. Eine Frau tut das, was sie tun muss! Im Allgemeinen hasste ich jedoch Shoppen, vor allem, weil ich meist nicht genug Geld für die Sachen hatte, die ich mir gerne gekauft hätte. Deshalb mache ich es nur, wenn ich auch wirklich dringend neue Klamotten brauche. Der Secondhandladen in meiner Straße war mein bester Freund – nach Luke natürlich.

Ich hielt gerade einen dunkelgrünen BH in der Hand, der meiner Meinung nach sündhaft Teuer war, als ich etwas dunkles, großes rechts von mir Bemerkte. Ich blickte zum Eingang und entdeckte den Kerl aus dem Restaurant. Mir fiel fast die Kinnlade runter, als ich ihn zwischen den Damenunterwäschen sah. Anscheinend nicht nur mir. Sämtliche weibliche Köpfe drehten sich zu ihm um und starrten ihn an. Ich wusste ja nicht, weshalb die ihn so anstarrten – wahrscheinlich, weil er schon ziemlich gut aussah und gerade in der Damenunterwäscheabteilung war, oder aber, weil er der einzige Mann war, der sich überhaupt traute, hier einfach so reinzumaschieren. Ich für meinen Teil starrte ihn wegen Letzterem an. Was um Himmels willen machte der Kerl hier? Langsam legte ich den BH wieder an seine Stelle und tauchte zwischen den Bademänteln ab. Er spioniert mir nach, durchzuckte es mich, aber ich ließ den Gedanken wieder fallen. Warum sollte irgendein dahergelaufener Kerl mir hinterher spionieren? Zumal ich diesen peinlichen Auftritt im Restaurant hingelegt hatte. Peinlich war es ihm aber dem Anschein nach HIER nicht. Er sah eher genervt aus. Was machte er dann hier? Als er plötzlich ein Slip in die Hand nahm und ihn stirnrunzelnd betrachtete, hätte ich fast drauf los gelacht. Ich prustete und konnte mich noch im letzten Moment halten, als sein Blick durch die Menge wanderte. Schnell drehte ich mich um und wollte so schnell wie möglich entkommen. Nicht, dass er mich wieder erkannte oder so. Das wäre sehr peinlich. Obwohl mir im Augenblick seine Situation peinlicher erschien.

Das Problem war aber, dass er noch immer am Eingang stand und ich wohl oder übel an ihm vorbei musste. Ich setzte meine Kapuze auf und ging eilig auf die Tür zu. Den Blick starr nach vorne gerichtet. Nur noch ein paar Schritte. Plötzlich drehte sich aber dieser verdammte Kerl um und ich rannte geradewegs gegen seine Schulter. Ich taumelte und fand rechtzeitig mein Gleichgewicht wieder, bevor ich einen noch peinlicheren Auftritt hingelegt hätte, indem ich auf dem Boden gelandet wäre. Wütend starrte ich ihn an. „Kannst du nicht aufpassen?“, schnauzte ich. Als er nur eine Braue hob und mich herablassend anschaute zischte ich eine Beleidigung und stampfte zur Tür hinaus. Gerade, als die Tür zu fiel hörte ich ihn noch etwas murmeln, was sich anhörte, wie: „Das Grün würde dir überhaupt nicht stehen.“ Hatte ich mich eben verhört? Ganz bestimmt, oder? Ich meine, welcher Idiot sagt denn bitteschön so etwas? Woher hatte er überhaupt gewusst, dass ich einen grünen BH in der Hand gehabt hatte? Meine Augen weiteten sich. Okay, jetzt war ich mir sicher. Dieser Typ war ein Stalker! Bevor ich jedoch der Sache auf den Grund gehen konnte und dem Kerl meine Meinung geigen konnte, klingelte mein Handy. „Was?“, schnauzte ich. „Wowowow! Da ist jemand aber ganz schön mies drauf.“ Ich seufzte und rieb mir die Stirn. „Sorry, Luke. Du hast einfach nur einen schlechten Tag erwischt. Was gibt’s denn?“, fragte ich, während ich mich wieder auf den Weg zum Café machte. „Wegen der Party heute Abend. Kommst du?“ Ach ja. Die Party. „Weiß nicht. Ich arbeite bis halb elf. Ich glaube nicht, dass ich dann noch die Kraft für eine Party haben werde.“ Ich blieb stehen, da die Ampel Rot aufleuchtete. „Em, du arbeitest viel zu viel, echt jetzt. Wie lange ist es jetzt schon her, dass du auf keiner Party mehr warst? Und die kleine Abschiedsparty von Steven zählt nicht.“ Die Ampel sprang auf grün und ich setzte mich in Bewegung. Doch bevor ich noch einen weiteren Schritt machen konnte, raste ein Motorrad so nah an mir vorbei, dass ich zurück taumelte und aufschrie. „Was zur Hölle?! Pass doch auf du Spinner!“, schrie ich dem Motorrad hinterher und fluchte leise. „Was ist denn da los?“, fragte Luke. „Irgendeine kranke Person hätte mich fast überfahren! Ich bin ja noch am Leben, also kein Grund zur Sorge.“ sagte ich rasch, als Luke ein schockiertes „Was?“ ausstieß. „Ich kann heute echt nicht Luke. Aber du musst mir nachher unbedingt alles erzählen, was auf der Party passiert ist.“ Eigentlich wollte ich es nicht wissen, aber Luke gehörte zu den wenigen Freunden, die ich hier hatte und das wollte ich nicht aufs Spiel setzen. „Schade, Em! Es hätte echt Spaß gemacht!“ Was ich überhaupt nicht glaubte. Partys waren nicht mein Ding und wenn ich ehrlich bin, liegt meine letzte, richtige Party schon zwei Jahre zurück. Es ist nicht gerade ein schöner Anblick, wenn sich Jugendliche betrinken, um gleich darauf wieder alles auszubrechen. Nicht schön. „Tut mir Leid, Luke. Das nächste Mal, versprochen! Aber ich muss jetzt auch schon auflegen. Meine Schicht fängt an. Bis Montag!“

„Viel Spaß!“, lachte er und ich legte einfach auf. Luke fand es ziemlich amüsant, dass ich in diesem Café arbeitete. Er fand den Job unterbezahlt und langweilig, was ja auch stimmte. Aber es war nun mal ein Job.

Ich packte mein Handy weg und stieß die Tür zum Café auf. Lautes Gelächter drang an mein Ohr und Zigarettenrauch schlug mir entgegen. „Was zum Teufel-“ hustete ich und flüchtete hinter die Theke. „Sanderson!“ Dreh dich nicht um, Em, dreh dich nicht um. Ich hatte mir schon so oft vorgenommen mich nicht umzudrehen, wenn Shean mich so nannte. Aber natürlich tat ich es. „Sander – „ fing ich an aber er unterbrach mich. „Was auch immer. Schnapp dir deine Schürze und ran an dir Arbeit. Es sieht nach großer Kundschaft aus.“ Womit er auch recht hatte. Ohne ein weiteres Wort legte ich mir meine Schürze an, schnappte mir ein Tablett und ging Lindsay zur Hand, die mir schon hilflose Blicke zuwarf.

Was unser Café hier vielleicht noch ein kleines bisschen attraktiv machte, war, dass wir hier auch Alkohol verkauften. Sprich: Bier, Wein und sogar Schnaps! Es war dementsprechend nicht einfach, den angetrunkenen Kunden jeden Wunsch zu erfüllen und immer da zu sein, wenn sie was brauchen. „Emeli! Tisch Nummer drei, zwei Bier!“ Ich nickte Lindsay zu und schenkte zwei Gläser Bier ein. Als ich den beiden Männern ihr Bier brachte und zum nächsten Tisch eilte ging die Tür ein weiteres Mal auf und ein junger Mann kam rein. Ich erstarrte. Er setzte sich an den letzten freien Tisch und wartete. „Emeli!“, rief Lindsay und brefeite mich somit aus meiner Starre. Sie warf mir Blicke zu, die so viel bedeuteten wie: "Na los! Neuer Kunde!" Aber ich zögerte. IHN wollte ich nun wirklich nicht bedienen.

"Es ist nur Zufall, dass ihr schon zum dritten Mal an dem selben Ort seid. Nur Zufall. Er ist kein Stalker oder ein verrückter Psychopath, der auf Frauenunterwäsche steht", versuchte ich mir erfolglos einzureden.

Denn es sah verdammt noch mal sehr danach aus. Ich straffte die Schultern und stellte mich vor ihn. „Was darf es sein?“ Er blickte zu mir auf und sah mich so ausdruckslos an, dass es mich zu Weißglut brachte. Augenblicklich beugte ich mich weiter vor und knurrte: „Hör mal, Kumpel. Wenn du ein Problem mit mir hast, dann sag es. Ich mag es nämlich überhaupt nicht, wenn man mir hinterherspioniert.“ Er legte den Kopf schief und antwortete nach etlichen Sekunden: „Eine Cola.“

Wütend drehte ich mich um und holte ihm seine Cola. Mit einem lauten Knall stellte ich ihm die Cola vor die Nase und lächelte ihn zuckersüß an : „Bitte sehr. Noch etwas?“ Er nahm ein Schluck und nickte langsam. „Eine neue Bedienung.“ „Was?!“ Ich starrte ihn an. Was glaubte der eigentlich wer er war? „Eine neue Bedienung“, wiederholte er. „Das habe ich verstanden du perverser Psychopath!“ Der Typ hob spöttisch eine Braue und Neid durchzuckte mich. Ich bekam das mit der Braue nie hin. „Glaub ja nicht, ich hätte das mit der Unterwäsche nicht mitbekommen!“ „Sanderson!“ rief Mr. Shean und kam auf uns zu. „Was brauchst du so lange?“, maulte er und sah erst zu mir, dann zu dem Kerl. „Hat sie Ihnen eine falsche Bestellung geliefert? Wenn ja, bitte ich um Entschuldigung.“ Entgeistert starrte ich Shean an. „Ich habe gar nicht falsch gemacht!“ Aber er beachtete mich gar nicht. „Nein. Aber eine andere Bedienung wäre nett.“ Shean warf mir einen strengen Blick zu und lächelte gleich darauf den Typen an. „Natürlich.“ Er rief Lindsay zu sich, sodass sie sich nun mit dem fremden Kerl unterhielt. „Was zur Hölle hast du wieder angestellt?“, fragte Shean durch zusammengebissene Zähne, während er mich von dem Tisch wegschleifte. „Wieder? Gar nichts habe ich getan! Der Kerl ist ein gemeiner Stalker! Er hat mich bis hierhin verfolgt und – “

„Es ist mir egal, was er außerhalb dieses Cafés getan hat. Hier“ er zeigte auf den Boden „werden Kunden nett und freundlich behandelt. Haben wir uns verstanden? Noch so eine Aktion und du bist gefeuert.“ Damit ließ er mich stehen und verschwand in dem kleinen Raum, das er Büro nannte. Ich warf vernichtende Blicke zu dem Tisch, an dem der Psychopath saß und blieb seinem Tisch den Rest meiner Schicht fern. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich beobachtet wurde. Nicht selten hatte ich aus dem Fenster geschaut, um zu sehen, ob dort jemand stand. Aber ich entdeckte niemanden.

Die letzten Kunden verließen nun auch das Café und wir waren gerade dabei, die Tische zu putzen, als Mr. Shean uns zu sich rief. „Hier ist euer Lohn.“ Zufrieden nahm ich das Geld entgegen und zählte es sicherheitshalber nach. „Mr. Shean, sie haben mir zu wenig gegeben. Ich habe heute doch auch Sams Schicht übernommen.“ "Ich habe dir etwas wegen dem Vorfall heute abgezogen, außerdem meinte der junge Mann von eben, dass du ihm die Cola bezahlen würdest.“ Mir fiel die Kinnlade herunter. „Er hat WAS gesagt?!“ Ohne auf meine Frage zu achten fuhr er fort: „Ihr könnt jetzt auch Feierabend machen. Bis morgen, Lindsay. Und du Sanderson, komm Montag ja nicht zu spät.“

Was bildete sich dieser verdammte Kerl überhaupt ein? Von wegen, ich würde ihm die Cola bezahlen! Mit einem Tritt beförderte ich meine Tasche in eine Ecke und knallte die Tür hinter mir zu. Auch meine Strickjacke landete auf dem Boden und meine Schuhe schmiss ich achtlos neben meine Tasche. Ich hatte nur zwanzig Dollar bekommen! Was für ein Reinfall! Genauso gut hätte ich Sams Schicht nicht machen können! Falls ich diesen aufgeblasenen, arroganten Kerl jemals wieder zu Gesicht bekommen sollte würde er es teuer bezahlen.

Völlig aufgebracht stampfte ich in die Küche und holte mir einen Fruchtjoghurt aus dem Kühlschrank. Ich ließ mich auf mein Sofa plumpsen, schaltete den Fernseher an und erwischte prompt eine Szene aus einem Horrorfilm, wo einem Mädchen gerade die Augäpfel ausgestochen wurden. Mein Herz setzte einen Moment aus und ich machte den Fernseher sofort wieder aus. Na toll. Jetzt würde dieses Bild mich in meinen Albträumen heimsuchen. Ich schmiss mein Joghurt weg, da mein Appetit dann doch vergangen war und ging auf mein Zimmer. Aus meinem Radio erklang leise Musik und ich drehte sie lauter um diese schaurige Stille in der Wohnung zu vertreiben. Um diese Uhrzeiten, wenn es draußen stiller wurde und auch im Fernsehen nichts Anderes mehr lief als Horrorfilme, fühlte ich mich ziemlich allein. Die kleine Wohnung kam mir immer viel zu groß vor und bei jedem Geräusch zuckte ich zusammen.

Ohne mich umzuziehen warf ich mich auf mein immer noch zerknülltes Bettzeug. Ich war ziemlich erschöpft, denn der heutige Tag war doch ziemlich verrückt gewesen. So viel Kundschaft gab es nur selten und wenn, dann war die Arbeit doppelt anstrengend. Ich schloss die Augen und lauschte der Musik, die mich langsam in den Schlaf wiegte.

Ich wusste nicht, weshalb ich aufwachte. Eigentlich hätte ich gedacht, dass ich mindestens für zwei Tage im Bett liegen würde. Vielleicht lag es daran, dass ich spürte, dass jemand Fremdes in meinem Zimmer war oder aber ich hatte einen Albtraum, an den ich mich nicht mehr erinnern konnte. Ich hoffte auf Letzteres. Doch die leisen, tiefen Stimmen waren echt und sie waren hier. In meinem Zimmer! Mein Herzschlag beschleunigte sich, aber ich zwang mich die Augen geschlossen zu halten.

„Wir könnten sie einfach fesseln und ihr den Mund zukleben. Es würde uns viel Zeit ersparen“, meinte die eine Stimme. Meine Kehle wurde trocken und ich versuchte krampfhaft, nicht zu schlucken.

„Nein, das tun wir nicht.“ Auch wenn diese beiden Männer anscheinend vorhatten mich zu entführen mochte ich den Letzteren auf Anhieb mehr als den Ersten. „Sie muss freiwillig mitkommen. Außerdem würde es nichts bringen, wenn sie denkt, dass wir Kidnapper sind. Und gefesselt zu sein würde die Sache nicht besser machen.“ Okay, vielleicht doch nicht so ganz, wie ich gedacht hatte. „Aber leichter wäre es auf jeden Fall. Sie denkt nämlich jetzt schon, dass wir sie verschleppen wollen. Sie ist wach.“ Nun riss ich doch die Augen auf. Woher wusste er, dass ich wach war?

Angst schnürte mir die Kehle zu. Ich hatte eigentlich gehofft mit 90 Jahren im Schlaf zu sterben nachdem ich ein ausgefülltes Leben genossen hatte und nicht, weil zwei Verrückte sich ausgerechnet meine Wohnung ausgesucht hatten für ihre kranken Spielchen. Ich richtete mich auf und wollte gerade etwas sehr Dummes sagen, als ich sah, wer da vor meinem Bett stand. Zwei große Kerle standen dort und sahen mich unverwandt an. Den einen Blonden kannte ich nicht. Aber die Bekanntschaft des Anderen hatte ich ja heute schon machen dürfen. Und er machte mir mehr Angst als der völlig Fremde, der plötzlich lächelte und sagte: „Hallo Emeli.“ Das raubte mir den letzten Nerv und ich fing an zu schreien.

Continue Reading

You'll Also Like

2.1K 371 22
Endlich ist es soweit: Die Selection für Königin Elyanor von Arvandor steht bevor. Zweiunddreißig junge Männer sind in den Palast gekommen und kämpfe...
6.9M 28.8K 33
Alles andere ist Voodoo.
10.7K 1.7K 42
Kira, eine junge Schülerin, spielt nach der Schule heimlich und auch ohne jede offizielle Anmeldung oder Zugehörigkeit zu einer Akademie DAS SPIEL de...
118K 6.7K 85
Amelia, eine Soldatin aus der dritten Kaste, will eigentlich gar nicht an der Selection teilnehmen. Durch eine (un)glückliche Wendung wird sie trotzd...