BETRAYAL

By AlloraFiore

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Triggerwarnung! Das Buch spricht Themen wie Missbrauch, häusliche Gewalt, Drogenkonsum, SVV, Suizid und psyc... More

R Y O U
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XLIII
S O R A Y A
C A S T - I N T E R V I E W
C A S T - A N S W E R S

◇XXXII◇

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By AlloraFiore

Benebelt von den Tabletten, da die Dosis doch etwas stärker war als gedacht, saß ich auf dem Sofa und betrachtete die weiße Maske in meinen Händen. Die Farbe blätterte an einigen Stellen bereits ab und es waren deutliche Spuren des Gebrauchs zu sehen.

Es mag etwas seltsam klingen, doch wenn ich die Maske in meinen Händen hielt oder auf meinem Gesicht trug, fühlte es sich so an, als wäre Mom noch immer bei mir. Doch sie konnte auch das komplette Gegenteil bewirken.

In den ersten Momenten der Berührung meine ich immer zu spüren, wie Mum mit ihrer sanften Hand über meine Wange streicht und mir dabei in die Augen blickt. Nur Sekunden später jedoch beginnen ihre blauen Augen zu tränen und ihre Wangen fallen in sich zusammen, bis das Blut von ihren Mundwinkeln zu Boden tropft und meinen Blick mit sich zieht, um mir ihre offenen Handgelenke, überquillt von Blut, in meine Erinnerungen zu brennen.

Anders als bei den letzten Malen ging Mum dieses Mal nicht weg. Somit konnte ich in dem Moment des Grauens nichts anderes tun, als ihr entgegenzustarren. Sie lag vor mir auf dem Boden, meine Sicht flimmerte so unkontrolliert, so wie das Licht in einem Flur eines Horrorhauses, und Tränen ließen mich beinahe erblinden.

Ich konnte sie nur noch verschwommen sehen, doch mein Gedächtnis wusste ganz genau, wie sie aussah. Es spielte mir vor, was ich damals gesehen hatte. Ich wollte es nicht mehr sehen. Nie wieder.

Warum wurde ich sie nicht mehr los? Wollte ich das überhaupt? Diese Erinnerung war, was mich zerstörte, zugleich war sie aber auch das, was mich am Leben hielt.

An jenem Tag hatte ich mir geschworen, es ihm und allen, die ihn unterstützt hatten, heimzuzahlen. Nur war dies damals vor 6 Jahren ein Versprechen eines Teenagers, der tief im Innern noch letzte Hoffnung besessen hatte.

Drei Jahre später hatte ihm der Mörder seiner Mutter diese auch noch genommen und ihn damit vollkommen zerstört und so verdreht, dass dieses Versprechen, sie auf legale Art und Weise zu bestrafen, zu einem Akt von skrupelloser Rache wurde.

Ich konnte dem Druck nicht mehr entgegenhalten. Die Stimme war von Tag zu Tag lauter geworden, bis sich ein Hebel in meinem Kopf ungelegt hatte und einen jungen Mann auferstehen ließ, der schlussendlich das Ende seines Vaters verkörperte.

Hustend stemmte ich mich über mein Waschbecken und sah mit wässerigen Augen zu, wie mir das Blut von den Lippen tropfte und das weiße Keramikbecken rot befleckte. «Heb deinen Kopf an, Ryou.» Ich konnte nicht. Ich wollte mir nicht selber in die Augen schauen.

«Lève la tête, Ryou!» Er packte mich an den Haaren und zwang mich dazu, mir im Spiegel selbst entgegenzublicken. «Du siehst aus wie sie. Als hätte man ihr Gesicht genommen und dir weitergegeben.» Ich schluckte. «Du siehst aus wie meine Mutter.» Die Stimme des Mannes, den ich einst Vater nannte, brach gegen Ende seines Satzes.

Seine Mutter? Meine Großmutter? «Hättest du nicht die Augen und die Haarfarbe deiner Mutter geerbt, wärst du ein verdammtes Ebenbild von dieser Schlampe!» Er umgriff mein Kinn und drehte es grob zu sich.

Sein Griff um meinen Kiefer wurde schmerzhaft fest und er blickte hasserfüllt auf mich herab. «Ein verdammtes Ebenbild einer Schlampe, die nichts anderes konnte, als ihren eigenen Sohn zu misshandeln.»

Ohne mein Kinn loszulassen, presste er meinen Rücken gegen den Rand des Waschbeckens und mein Hinterkopf stieß mit dem Spiegel des Badezimmerschrankes zusammen. Er richtete seinen Zeigefinger auf mich und der Hass, der von ihm ausging, erdrückte mich beinahe.

«Du kannst verdammt froh sein, dass du keine Frau bist. Wärst du so wie sie oder so wie deine Mutter-» Seine Hand rutschte von meinem Kiefer runter zu meinem Hals und begann mich zu würgen. Mit all meiner übriggebliebenen Kraft versuchte ich seine Hände von meinem Hals zu lösen. «- hätte ich dich schon lange getötet oder dasselbe mit dir angestellt, wie meine Mutter es mit mir getan hatte.»

Er zog mich mit einem Ruck vom Waschbecken weg und rammte mich gleich danach wieder dagegen. Der harte Rand bohrte sich in meinen Rücken und durch den Aufprall meines Kopfes gegen den Spiegel war ich ganz benommen.

Es war mir nur noch möglich, ihn verschwommen, als würde er sich im Nebel verstecken, zu sehen. «Es kostet mir so viel ab, dich nicht mit meinen eigenen Händen zu zerstören, Ryou. Dein Gesicht macht es beinahe unmöglich!»

Ich hatte Großmutter, die Mutter meines Vaters, nie kennengelernt, geschweige denn in irgendeiner Form gesehen. Ich wusste nie warum, aber jetzt war es mir klar. Doch ich konnte kein Mitleid empfinden, denn er wurde zum selben Monster wie Großmutter es wohl war.

«Ich hätte deine Mutter niemals bei mir aufgenommen und geheiratet wärst du nicht gekommen. Ich wollte meinen Sohn nicht bei einer Frau lassen, denn Frauen sind gottverdammte Monster!» Er war so in seinen Gedanken verfangen, dass er nicht merkte, wie mein Griff um seine würgende Hand lockerer wurde.

«Und dann kommst du zur Welt und siehst verdammt noch mal aus wie dieses Monster!» Er ließ mich zu Boden gleiten und stand schwer atmend vor mir. Die Alkoholfahne, die ihn jeden Abend begleitete, konnte ich gar nicht mehr riechen. Ich hatte mich daran gewöhnt.

«Ich dachte, ich wäre sie los und dann bringt mir dieses andere Weib einen Sohn zur Welt, der sie optisch beinahe eins zu eins widerspiegelt.» Ich hoffte darauf, dass er mich hier allein zurücklassen würde. Sein Gerede wühlte ihn so sehr auf, da gab es nur zwei Szenarien, wie dieser Moment enden würde.

Entweder er geht und schaut noch tiefer ins Glas oder er lässt alles an mir raus. «Aber diese Schreie, Ryou.» Vor mir kniend umgriff er wieder mein Kinn und zwang mich dazu, ihm in seine braunen Augen zu schauen. «Sie lassen mich einfach nicht in Ruhe. Diese Stimme, die mich immer begleitet. Sie macht mich verrückt!»

Er griff fester zu und jagte mir so neue Tränen in meine Augen, aber den Augenkontakt konnte ich nicht unterbrechen. Egal, wie verweint ich dasaß, ich konnte Vaters Augen glasklar sehen und was ich sah, machte mir Angst. Unheimliche Angst.

«Schau, wie du mich ansiehst! Diese unschuldigen Augen in Form deiner Großmutter und dann die Farbe deiner Mutter. Alles in mir kribbelt! Die Stimme schreit und sagt, dass du es bist, der mich ruiniert!»

Ich wusste, was das für mich bedeutete und als Vater mich am Kragen packte und vom Boden anhob, zickte der Wille des Überlebens bei mir ein und mit einer Kraft, die eigentlich bereits verloren war, versuchte ich mich aus seinem Griff zu lösen.

Der metallische Geschmack in meinem Mund von den Schlägen meines Vaters war noch immer präsent und ich wusste, dass wenn ich mich jetzt nicht wehren würde, es mein Ende sein könnte.

Ich riss an seinen Händen, die den Pranken eines Bären ähnelten und versuchte ihn mit meinem Knie von mir wegzudrängen. Da ich mittlerweile Übung hatte mich von ihm zu befreien, schaffte ich es von ihm loszukommen und ich flüchtete in mein Schlafzimmer.

Dort griff ich nach einer Jacke. Mein nächstes Ziel war der Vorgarten. Ziemlich benommen und wackelig auf den Beinen fand ich meine Turnschuhe, zog sie nur halb an und jagte dann den Flur runter, dabei stets gegen die Möbel stolpernd oder mich an der Wand abstützend.

«Ryou!» Es war so, als wäre ich in der Hölle angekommen, denn ich hörte im Kopf die Schreie meiner Mutter und hier in der Realität das wütende Brüllen meines Vaters. Beide schrien meinen Namen. «Ryou!»

Ich erreichte den Vorgarten und wollte diesen gerade verlassen, als mich die Hände, die meine Mutter getötet hatten, an den Schultern packten und zurückzogen. «Tu es le vrai monstre, Ryou! Tu ne m'échapperas pas.»

Mit diesen Worten schleifte er mich zurück ins Haus und verwandelte unsere Küche in einen Boxring, der ganz klar von ihm dominiert wurde. Am liebsten hätte ich geschrien und geweint, aber ich konnte nicht. Aber das war nicht schlimm, denn Mutter tat es für mich.

Lauter als ich es je könnte.

Niemand kommt als Monster zur Welt. Es sind andere, die dich zum Monster machen.

Oder manchmal auch du selbst. Kommt darauf an, wie twisted du bist...

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