Definiere Liebe

By lumosnyx

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"Du und ich, wir sind aus demselben Sternenstaub gemacht." Elizabeths Leben ist ein wahr gewordener Traum... More

Vorwort
Prolog
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Dreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Fünfundzwanzig
Sechsundzwanzig
Achtundzwanzig
Neunundzwanzig
Dreißig
Einunddreißig
Zweiunddreißig
Dreiunddreißig
Vierunddreißig
Fünfunddreißig
Sechsunddreißig
Siebenunddreißig
Achtunddreißig
Neununddreißig
Epilog

Siebenundzwanzig

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By lumosnyx

Ich saß mit Michael im Arm auf der Couch und wog ihn langsam. Er gluckste leise, was mich zum Lächeln brachte. Fast konnte ich nicht glauben, dass er nicht doch magisch war. Er musste einfach irgendwelche besonderen Fähigkeiten haben. Alles war so friedlich, wenn er da war.

Das viel zu laute Geräusch, das unsere neu eingerichtete Klingel auslöste, ließ mich zusammenzucken und unterbrach meinen Frieden.

Besuch um elf Uhr nachts war ungewohnt. Konnte auch sein, dass Marc einfach seine Schlüssel vergessen hatte, wobei ihm das nicht wirklich ähnlichsah. Ich stand auf, ging in schleppendem Gang zur Tür, sah durchs Guckloch und wünschte mir fast, es nicht getan zu haben.

Sie stand vor meiner Tür.

Mein Herz fiel auf den Boden und zersprang in klitzekleine Scherben, die in tiefrotem Blut schwammen, gemischt mit salzigen Tränen.

Sie stand wirklich vor meiner Tür. In voller Pracht – schwarzes Haar, verschwommene Mascara unter den Augen und eine Sporttasche in der Hand.

War sie echt?

War sie überhaupt tatsächlich da?

Oder war sie nur ein Fiebertraum? Nichts als eine Einbildung?

Ich hatte gar kein Fieber.

Nein, sie war echt. So echt wie sie noch nie gewesen war.

Echter als bei jeder Umarmung, echter als in jeder Nacht, in der wir zusammen aufgeblieben war.

Echter als der Sonnenfleck.

Langsam machte ich die Tür auf und sie starrte mich aus großen Augen an. Große braune Augen, in denen irgendwie viel zu viel Unschuld lag.

„Betty?" Sie klang überrascht, als hätte sie mich nicht erwartet, mich hier anzutreffen. Ich wohnte hier, sie war Marcs Entertainment, wenn ihm langweilig wurde. Und sie kam ja nicht einmal her, er fuhr zu ihr.

„Ally."

„Ich...wollte nur", setzte sie an. „Wollte zu...", fing sie noch einmal an, brachte aber auch diesen Satz nicht zu Ende.

„Suchst du Marc?", fragte ich, schärfer als beabsichtigt.

„Ja."

„Er arbeitet." Auch wenn ich mir nicht erklären konnte, was er so spät noch machte. Das schaffte es nicht über meine Lippen, die Zeiten, in denen ich meine Sorgen mit Ally teilte, waren schon ewig vorbei.

„Er meinte letztens..." Sie verstummte und richtete den Blick auf den Boden.

„Er meinte was?"

„Dass ihr euch getrennt habt. Für...für mich. So wichtig bin ich ihm." Sie schluckte leise und umschlang den Griff ihrer Tasche noch enger. „Oder...naja, er meinte zumindest, dass er sich von dir trennen wird."

Sie tat mir leid, ein kleines bisschen. Sie erinnerte mich an mich, ein kleines bisschen. Andererseits sollte sie das nicht. Sie war einer der vielen Gründe, dass ich meine schöne Kinderbuch-Werbung-Familie nicht haben konnte. Dafür hatte sie mein Mitleid nicht verdient.

„Das hat er gesagt?" Das ist bestimmt schon länger her. Vor Michael. Er liebt dich er liebt dich er liebt dich.

Kaum merklich nickte sie. „Sogar versprochen." Ihre Stimme zitterte, ebenso wie ihre Lippen.

Sie tut dir nicht leid, okay? Sie ist dir nicht einmal mehr wichtig. Du hast sie jahrelang nicht gesehen, oder nicht? Wieso sollte sie dir irgendetwas bedeuten? Tut sie nicht.

„Komm' rein. Ich mach' dir einen Tee und dann erzählst du mir, was los ist", gab ich nach und öffnete ihr das Tor zu mir.

Sie saß auf der Couch und hielt die Tasse krampfhaft fest, sodass ihre Knöchel hervorstanden.

Michael hatte ich ins Bett verfrachtet, wo er friedlich schlummerte.

Ich setzte mich neben sie und musterte sie, besorgter als ich sein wollte. Oder sollte.

„T-tut mir leid, Betty", flüsterte sie. „Es ist nur- ich meine...er wirkte so...entschlossen. Ich dachte wirklich, du wärst Geschichte."

„Marc kann das ziemlich gut."

Ich glaubte ihr, dass sie es bereute. Dabei hatte sie nichts zu bereuen, wenn ich mal wirklich darüber nachdachte. Ich hatte kein Recht, sie zu verurteilen, immerhin hatte Marc mich schon tausend Mal von einer Lüge überzeugt.

Das Problem war Marc, nicht Ally. Das Problem war immer schon Marc gewesen. Mein Problem, ihr Problem, ich glaubte sogar, manchmal war er sein eigenes Problem.

„Was zur Hölle soll ich jetzt bitte machen?", wisperte sie.

„Erzähl' mir vom Anfang bis zum Ende, was passiert ist. Kannst du das?"

Sie nickte leicht und atmete leise aus. „Mom ist..."

Sobald sie Rosie erwähnte, zog mein Magen sich zusammen. Ihr konnte nichts passiert sein, das wollte und würde ich nicht wahrhaben. Obwohl ich sie seit gut zehn Jahren nicht gesehen hatte, hatte sie für mich nie an Bedeutung verloren. Und Allys Ton ließ auf nichts Schönes schließen.

„Sie wird halt alt", sagte sie. Sie hatte Ally mit Ende dreißig bekommen, also musste sie jetzt in den Fünfzigern sein. So alt war das nicht, andererseits hatte Rosie immer schon Probleme beim Gehen gehabt. „Und eigentlich bräuchte sie irgendeine Behandlung für ihre Hüfte."

Ich erinnerte mich daran, wie hoch die letztens eingetrudelte Krankenhausrechnung gewesen war. Das war einer der Momente gewesen, in denen ich glücklich war, dass Marc so gut wie alles für mich bezahlte.

„Uns fehlt einfach das Geld, weißt du? Nachdem du ausgezogen bist, hat dein Dad sie gefeuert, und sie hat ewig keine Arbeit gefunden. Deshalb sind wir auch hergezogen. Sie dachte, hier findet sie leichter irgendwas, aber im Endeffekt sind die Wohnungen nur teurer und die Menschen unfreundlicher."

Mit jedem Wort wurde sie ein bisschen leiser und ihr Blick ein bisschen stumpfer. „Und der Job, den sie jetzt hat, bringt nicht sonderlich viel Geld ein." Ich entfernte ihre Hand sanft, aber bestimmt von ihrem Oberarm. Ihre Nägel hatten sich so fest in ihre dunkle Haut gekrallt, dass sie schon Spuren hinterlassen hatten.

Sie nahm einen Schluck aus der Tasse und starrte aus dem Fenster. „Ich dachte, wenn ich arbeite, einfach irgendwo, dann könnte ich ihr helfen."

Weiter kam sie nicht, weil die Tür aufging. Marc war Zuhause. Er setzte an, nach mir zu rufen, da fiel sein Blick auf Ally.

„Ally", sagte er außer Atem und fuhr sich durch das verschwitzte Haar. War er gerannt? „Wieso bist du hier?"

„Für dich", murmelte sie.

Er sah zwischen uns hin und her, so verwirrt wie ich ihn noch nie gesehen hatte. „Ja...ich bin ja jetzt...da." In einer Stimme lag eine Spur von Misstrauen. „Was gibt's?"

Es erstaunte mich, wie lässig er wirkte. Er stand vor seiner Frau und seiner Affäre gleichzeitig und schaffte es trotzdem, ein leichtes Lächeln auf den Lippen zu tragen, das viel zu charmant war.

„El? Lässt du uns kurz alleine?", bat – oder befahl – er. Ich brauchte sowieso eine Minute zum Durchatmen, also stand ich auf. Michael würde eine gute Ablenkung sein, und zu dem ging ich auch.

Ich wollte nicht lauschen.

Wollte ich wirklich nicht. Es gehörte sich nicht und war einfach nur unhöflich. Das hatte Rosie mir jahrelang eingebläut.

Ich sollte weder lauschen, noch lästern oder lügen. Letzteres hatte ich oft genug gebrochen, ein weiterer Regelbruch würde ja nicht viel anstellen.

Viel hörte ich auch nicht.

Nur, dass sie nicht stritten.

Ich hatte etwas anderes erwartet. Vielleicht hatte ich es mir sogar gewünscht.

Wieso hatte Ally es verdient, dass Marc ihr verständnisvoll zuhörte und sie tröstete? Nicht laut wurde?

Wieso sollte ihr das vergönnt sein, wenn es das mir nicht war?

Es wurde still. Sie ging nach Hause, ich hörte, wie die Tür zuging.

Ich wartete ein paar Minuten, bevor ich das Wohnzimmer betrat. Marc saß am Esstisch, das Gesicht in den Händen vergraben, die Whiskeyflasche neben ihm. Das Bild war viel zu eingebrannt in mein Gehirn, viel zu altbekannt.

Er hob den Kopf und starrte mich an. „Was hat sie dir alles erzählt?"

„Nur das mit ihrer Mutter." Dass sie seine Pläne, mich zu verlassen, erwähnt hatte, ließ ich aus. Es würde nur eine Diskussion auslösen und er sah sowieso zu fertig aus.

Rote Augen, halb getrocknete Tränen, er sah nicht nur fertig aus. Er sah absolut beschissen aus. Gerade noch so lebendig.

Aber sie hatten nicht gestritten.

Niemand war laut geworden, kein Glas war zerschmettert worden, es hatte friedlich geklungen.

„Setz' dich zu mir." Es klang gleichzeitig monoton und so voller Schmerz, dass er mir fast schon leidtat.

Normalerweise tat er mir nicht leid. Normalerweise war ich nicht nett, weil ich Mitleid hatte. Ich war nett, weil er mir ein schlechtes Gewissen machte. Oder weil ich mir selbst weis machte, dass es das Richtige war. Oder dass er aus Liebe gehandelt hatte. Nicht, weil er wie ein Häufchen Elend am Küchentisch saß und einfach nur-

Einfach nur eine Umarmung brauchte.

Ich nahm ihn in den Arm und erst dann fiel mir auf, wie stark er zitterte. „Marc..."

Er sollte mir nicht leidtun, ebenso wenig wie mir Ally hatten leidtun sollen. Scheinbar war ich nicht sonderlich konsequent, wenn es darum ging.

„Worüber habt ihr geredet?"

„Ist egal." Er wischte sich eine Träne von der Wange und zog tief Luft ein. „Lass' uns Ally einfach vergessen, ja?" Er löste sich aus meinem Griff und stand langsam auf. Seine Hand ergriff meine. „Wo ist Mikey?"

Ally wurde totgeschwiegen.

Manchmal dachte ich an sie, fragte mich, was zwischen ihr und Marc passiert war. Was noch passieren würde. Ob noch etwas passieren würde.

Aber ich sprach es nicht an, machte einfach weiter wie bisher.

Sicherlich würde Marc mit mir darüber reden, wenn er denn wollte. Sicherlich.

Wir hatten schließlich auch nicht über sie gesprochen, bevor sie einfach vor unserer Tür stand.

Wir wussten einfach beide, dass es sie gab, aber wir verloren kein Wort über sie. Zu diesem Zustand kehrten wir in den nächsten Wochen zurück.

Marc kam immer früh nach Hause, also ging ich davon aus, dass er nicht mehr zu ihr ging, und sie kam ja sowieso nicht zu uns. Also war sie vollkommen irrelevant.

Bis ich ihr im Supermarkt begegnete.

Michael hatte ich mit Marc alleingelassen, um fürs Abendessen einkaufen zu gehen.

Und man konnte über Marc sagen was man wollte, zu Michael war er gut. Er blühte auf, er lächelte – echt. Er ließ sich sogar dazu herab, in Babysprache zu sprechen und nannte ihn immer nur Mikey.

„Betty?"

Ihre Stimme war mir gleichzeitig schmerzhaft bekannt und absolut fremd. Ich drehte mich um und setzte ein Lächeln auf. „Hey, Ally", sagte ich und wollte die Interaktion gleich wieder beenden. Nur ließ sie das nicht zu.

„Nett, dich zu sehen."

Ich antwortete nicht darauf und fragte stattdessen: „Wie geht es deiner Mom?"

„Besser. Sie- sie kann jetzt zu einem Arzt."

„Macht er das ohne Kostenpflicht?"

„Ein...Freund der Familie zahlt das für sie."

Mit Freund der Familie meinte sie Marc, das wusste ich, sagte aber nichts dazu.

„Unser letztes Treffen war ja nicht so...gelungen", sagte sie mit einem schiefen Grinsen. „Ich wollte mich nochmal entschuldigen, für alles."

„Vergeben und vergessen", sagte ich und winkte ab. Griff zu einer Dose weiße Bohnen, die im Angebot waren, und schob meinen Einkaufswagen vor mich hin. Ally wurde schneller, sodass sie nun neben mir ging.

„Aber ich möchte es ordentlich gut machen. Sagst du mir, wie?"

„Musst du nicht." Ich seufzte und blieb stehen. „Zwischen uns ist alles in Ordnung, Ally."

In ihrem Blick lag ein ‚Aber ich habe mit deinem Mann geschlafen', das ich so gut wie möglich ignorierte.

„Lässt du mich durch?", fragte ich und nickte zur Kasse.

„Uhm...ja." Sie trat zur Seite und ließ mich nicht aus den Augen, während ich bezahlte.

Ich hatte keine Ahnung, was sie wollte. Eine schriftliche Bestätigung, dass ich ihr nichts nachtrug? Wollte sie wissen, wie es Marc ging? Ich wurde nicht schlau aus ihr.

Also hielt ich es für am besten, es einfach ruhen zu lassen und mich nicht zu viel mit ihr zu befassen.

„Schönen Tag noch, Ally."

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