LAST SUMMER

By selindevie

126K 7.8K 4.5K

❝ Es war nicht der letzte Sommer, bevor sich alles änderte - das tat es schon längst. Ich war gefangen in ein... More

Vorwort
Widmung
Aesthetics
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 48
Kapitel 49
Epilog
Nachwort

Kapitel 47

1.4K 107 51
By selindevie

»Liam...ich-ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, stammelte ich, während ich mich auf der Stelle erhob und in Ellies Haus sprintete.

»Hailey? Ist-ist alles gut?«, hörte ich Ellies und Noahs Stimme nur noch schwach, jedoch schien mein Kopf bereits wie in Watte gehüllt zu sein, da ich geradewegs den Weg ins Badezimmer aufsuchte, die braune Tür öffnete, sie abschloss und langsam aber sicher die Tür mit meinem Rücken hinunterglitt.

Ich heulte.

Ich heulte so unfassbar laut und grässlich, dass ich mich selbst nicht einmal wiedererkannte. Mein Schluchzen und das Schniefen meiner Nase hörte sicher die gesamte Siedlung und ich rang währenddessen wie verzweifelt nach Luft. Das wilde Klopfen meiner Freunde an der Badezimmertür drang nur gedämpft zu mir hindurch.

Die heißen Tränen, die mir wie Wasserfälle über das Gesicht flossen, benebelten mir meine Sicht und brannten wie Feuer in meinen olivgrünen Augen. Ich war unfähig mich zu bewegen, da mir gerade der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

Mir wurde schlecht und ich erhob mich langsam aber sicher vom Boden und rückte vor den Badezimmerspiegel. Mein Gesicht war totenblass, meine grüne Augen hatten all ihren Glanz verloren; sie waren aufgequollen und rot. In mir machte sich eine leere breit, die meinen gesamten Körper umschloss. Ich raufte mir die Haare und die Tränen bahnten sich abermals an und ich glaubte, dass ich so lange heulen würde, dass sich kein Tropfen Flüssigkeit mehr in meinem Körper befand.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, aber mir gelang es nach einer Weile mithilfe des Schlüssels und meinen zittrigen Fingern das Schloss der Badezimmertür zu entriegeln und meine Freunde, die mittlerweile weit weg von mir auf dem Wohnzimmerboden mit dem Rücken zu mir gedreht, sitzen sah. Und die ich wie eine leblose Puppe anstarrte. Als sie sich zur Seite drehten, zierte ihre Gesichter ein nicht weniger verzweifelter Blick, was mich in meiner jetzigen Lage allerdings nicht im Geringsten aufheiterte.

»New York«, flüsterte ich gerädert und mit brüchiger Stimme durch Ellies Haus.

Immer wieder. Und wieder. Und wieder. Wie in Trance. Und dann bewegte ich mich aus der Tür und schleppte mich bis zur Wohnzimmerwand, zog meine Beine nah an meine Brust, legte meine Arm um meine Knie und vergrub meinen Kopf zusätzlich in meinen Armen. Ich hatte keine Kraft mehr mich auf meinen Beinen zu halten - so sehr erschütterte mich diese Nachricht.

Als sich Liam wenig später vor mir aufbaute und sich schließlich zu mir herunterhockte, war ich zu feige, um seinen Blick zu erwidern.

Er griff mit seinen langen Fingern ganz vorsichtig nach meiner kleinen Hand, und als er bemerkte, dass ich von gefühlt Tonnen von Tränen, die ich vergoss, kaum noch die Kraft dazu hatte mich zu erheben, hob er mich sanft hoch und wie automatisch schlang ich meine dünnen Arme um seinen Hals.

Als er mich auf der Couch der Veranda absetzen wollte, ließ ich nicht von ihm ab, woraufhin er ein bisschen lachte und ich die Vibration auf seiner Brust spürte, die sein Lachen auslöste.

»Hailey.« Nichts als Stille. Nur meine unregelmäßigen Atemzüge waren in der Stille des Abends zuhören.

»Hailey, schau mich an.«

In den Spiegeln seiner Seele blitzte ein kleiner Hoffnungsschimmer auf. Wie ein Feuerholz, das so hell brannte, dass ich das Gefühl bekam, dass es die gesamte Veranda aufhellte. Mir war nicht kalt, aber ich zitterte dennoch. Mir war auch nicht heiß, doch das Blut in meinen Ohren rauschte laut und ich nahm nichts als seine Augen war. Es fühlte sich so an, als hätte ein einziges kleines Streichholz die gesamte Veranda entzündet, während ich still vor mich hinbrannte.

»Ich werde nicht hingehen.«

Verständnislos setzte ich mich schließlich auf, während meine Augen sich zu kleinen Schlitzen verengten.

»Wie bitte? Nein, oh nein. Das-das kommt gar nicht in Frage. Liam, du machst das.«

»Und was ist mit dir? Mit uns? Du weißt doch, was das bedeutet, oder?«

Ich nahm all meinen Mut zusammen und schloss meine Augen, als ich die folgenden Worte aussprach: »Wir-wir würden uns nicht mehr oft sehen.«

»Nicht mehr oft? Hailey, das sind viertausend Kilometer. Viertausend. Ich wäre sogar in einer verdammt anderen Zeitzone! Wer weiß, wann wir uns wiedersehen, oder sollte ich eher Fragen, ob wir uns wiedersehen?« Seine Stimme wurde laut und der wütende Unterton in seiner Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken.

»Wann-wann wollen sie, dass du hinfliegst?«

»Ich fliege nicht nach New York.«

»Liam, bitte.«

Er seufzte. »Schon übernächste Woche Mittwoch.«

Da war das Meisterschaftsspiel unserer Volleyballmannschaft.

»Ich weiß, dass an dem Tag Spiel ist. Und ich weiß, wie verdammt wichtig es für dich ist.«

Hatte er gerade meine Gedanken gelesen?

»Der Flieger wäre sowieso erst spät abends, sprich nach eurem Spiel. Ich bin auf jeden Fall da.«

Mein Kopf ratterte wie wild und zum ersten Mal wünschte ich mir, dass ich meine Bleistifte noch beisammen hätte. Denn jetzt wünschte ich mir nichts mehr, als diesen Moment aus meinem Kopf wegzuradieren.

Doch es war zu spät. Keine Bleistifte mehr, lediglich Kugelschreiber, die mir den vierzehnten September zweitausendneunzehn tief in mein Gedächtnis einkerbten.

»Liam, Lacrosse ist deine Leidenschaft. Erinnerst du dich nicht an unseren Podcast? Wir-wir haben doch diesen Sommer versucht herauszufinden, was uns Menschen glücklich macht.«

»Und, weißt du es denn?« Seine Stimme troff vor Kälte, die nicht einmal die Wärme meines Herzens zum Schmelzen hätte bringen können.

Diese fünf Worte trafen mich jedoch härter, als ich es dachte.

Und, weißt du es denn?

Gute Frage. Wusste ich, was Menschen nun wirklich glücklich machte? Ich war wütend auf mich selbst und ballte meine Hände zu Fäusten, nur um sie im nächsten Moment wieder zu entspannen.

»Ei-eine Idee noch. Nur noch eine. Idee zehn ist fertig, aber wir brauchen noch Idee elf.«

»Hailey, ich weiß nicht, ob-«

»Nein Liam. Sag das nicht. Du weißt doch, dass es der Podcast war, der uns ständig über Wasser gehalten hat, egal, was war, er hat uns diesen Sommer so zusammengeschweißt...«

Mir fehlten die Worte. Und sonst fehlten sie mir doch nie.

»Du meinst letzten Sommer. Wir haben schon September.«

Letzten Sommer. Natürlich. Wieso war ich nicht schon früher darauf gekommen?

Ich dachte zwar, dass ich meine gesamte Körperflüssig bereits rausgeheult hatte, doch ein paar kleine Tränen huschten mir dennoch über das Gesicht, als ich in seine Augen starrte und ein kleines Lächeln an meinem Mundwinkel zupfte.

»Vielleicht sollte es«, ich schluckte hart, »nur-nur für letzten Sommer sein. Das-das Schicksal hatte-hatte es nicht anders gewo-«

»Nein, nein«, wiederholte er und raufte sich verzweifelt seine Haare.

Manchmal fragte ich mich wirklich, ob das Schicksal es einfach nicht gut mit uns meinte. Unsere Herzen gewollt in zwei Hälften riss. Und damit wieder die Narben zum Vorschein brachte, die wir doch so mühevoll mit kleinen Pflastern überklebten.

                           ***

Wer auch immer davon erfuhr, sorgte dafür, dass bereits am Freitagmorgen meine gesamte Stufe plus die jetzigen Juniors über den möglichen Transfer von Liam in die New Yorker Jugendabteilung der Profilacrosse-Mannschaft Bescheid wusste. Es war so ätzend, da es wirklich das Thema am Freitag. Als ich nämlich zu meinem Spind lief und mein Biologiebuch herausfischte, spürte ich jegliche Blicke auf meinem Rücken.

Es war egal, ob ich an jemandem vorbeilief oder vor dem noch verschlossenen Biologieraum stand, denn das Tuscheln und vor allem die Blicke der Mädchen, die mich wie eine Attraktion im Zirkus angafften, waren kaum noch auszuhalten.

»Stimmt das wirklich, dass Liam Baker eine Profikarriere angeboten wurde? Er ist doch seit Neuestem mit Hailey Brooks zusammen, nicht wahr?«

»Denkst du, er lehnt für sie das Angebot ab?«

»Er wäre absolut bescheuert, wenn er das Täte.«

»Die trennen sich sowieso.«

Ich versuchte Krampfhaft die ganzen Unterhaltungen abzuschirmen, aber es gelang mir einfach nicht. Letzte Nacht bekam ich kein einziges Auge zu. Liam und ich stritten uns noch den ganzen Abend darüber, ob er das Angebot annehmen sollte, oder nicht.

Er wollte es nicht annehmen. Wegen mir. Ich hingegen wusste, dass er sich diese Möglichkeit nicht entgehen lassen durfte. Das würde ich mir niemals verzeihen. Diese Chance durfte er sich einfach nicht verspielen. Nicht wegen mir.

Wer war ich bitte, dass ich ihm den Aufbruch erstklassiger Karrierechancen in Grund und Boden rammte?

Am Sonntag verabredeten sich June und ich in meinem Lieblingscafé, in dem mich Liam gefragt hatte, ob ich seine Freundin werden wolle. All die Gefühle an jenem Tag strömten durch meinen Körper, als uns der Kaffeegeruch umhüllte. June nippte an ihrem Cappuccino, während ich mit meinem Strohhalm in dem Milchschaum meiner heißen Schokolade von links nach rechts rührte.

»Wie geht's dir?« Ihre blonden Haaren schwangen vor ihr Gesicht, doch ich musste ihr gar nicht in die Augen schauen, denn ich hörte den unsicheren Mitleidston, der ausnahmslos in ihrer Stimme mitschwang.

»Ziemlich beschissen, um ehrlich zu sein.« Wie soll es mir auch gehen, wenn mein Freund in eineinhalb Wochen am andere Ende des Landes wohnte?

»Glaub mir, ich kann mir nur zu gut vorstellen, in was für einer Zwickmühle du dich-«

»June, ich stecke in keiner Zwickmühle. Er wird nach New York gehen. Ich werde nicht zulassen, dass er wegen mir seine Träume aufgibt. Er sagt zwar, dass er nicht hingehen wird, aber das lasse ich nicht zu. Er kann das im Leben nicht ernst meinen.«

Sie nickte stillschweigend und ich kannte meine Freundin viel zu gut, als dass ich nicht bemerken würde, dass ihr noch etwas auf der Zunge brannte.

»Du willst mir noch was sagen, ich sehe es dir doch an.«

»Es ist unpassend.«

»Du, mein ganzes Leben ist gerade unpassend. Jetzt sag schon.«

»Alex und ich sind-sind zusammen.«

Ich lehnte mich erst zurück, legte meinen Kopf kurz nach hinten, nur um einen Wimpernschlag später mich schmunzelnd mit meinem Oberkörper nach vorn zu lehnen.

»Was denkst du, hätte dein Ich am Abschlusstag der ehemaligen Seniors jetzt gedacht?«

»Es wäre auf jeden Fall nicht mehr sauer auf dich, nachdem du den beiden schon fast einen doppelten Korb gegeben hast. Aber ich glaube, es hätte erst geheult, dann geschrien, und schlussendlich wäre es auf Wolke sieben gelandet.« Ein Lächeln zupfte nun an meinem Mundwinkel. Meine beste Freundin war glücklich an den attraktiven Blonden vergeben, von dem sie seit Beginn der High School schwärmte.

Sie war glücklich und was für eine Freundin wäre ich, wenn ich mich nicht für sie freuen würde? Sonst hätte ich mir die jahrelange Schwärmerei doch umsonst angehört.

Ich legte ihre Hände in meine, was ihre hellen Augen zum Aufblitzen brachte.

»Hailey, ich wollte es dir ja sagen, aber-aber das war genau an dem Abend, als Liam und die anderen von dieser Nachricht erfuhren. Und als du und Liam dann weg wart, da-da kam mir Alex plötzlich näher und-und...«

»Ich freue mich unfassbar für dich, wirklich. Letzten Sommer ist so viel passiert, so viele Gefühle und Emotionen habe ich in meinem ganzen Leben noch nie durchlebt, es war der Wahnsinn. Dabei wollte ich doch, dass der Sommer möglichst unbeschwert und sorgenfrei wird. Noch ein letztes Mal, bevor uns die Collegebewerbungen um die Ohren rumfliegen würden.«

Zumindest war das noch am Morgen der Abschlussparty mein ultimatives Ziel. Entspannt und sorgenfrei und keine Achterbahnfahrt von Gefühlen. Diese Rechnung hatte ich allerdings ohne Liam gemacht.

»Ich habe gehört, dass es sich zwischen Louis und dir wieder eingependelt hat? Und das ist doch gut?«

Ich nickte eifrig. »Ja, ja auf jeden Fall. Das war ein ganz großes Missverständnis und lag zum größten Teil daran, dass Louis Liam nicht über den Weg traute und es irgendwie am sinnvollsten fand mir dann aus dem Weg zu gehen. Bevor du was sagst – ja, das klingt auch für mich furchtbar unlogisch.«

Sie lachte nur und schüttelte ihren Kopf, während sie die Kellnerin zu sich herwinkte und sich gleich einen zweiten Cappuccino bestellte. Ich vernahm ein junge Paar, was ich etwa auf Anfang zwanzig schätzte auf der anderen Seite des Cafés, das sich angeregt und laut lachend über etwas unterhielt. In ihren Augen schwamm das Wort Liebe förmlich in Großbuchstaben.

»Weißt du, das klingt vielleicht komisch, aber ich habe das Gefühl, dass-dass das mit Alex und mir...na ja, so was wie der krönende Abschluss war«, riss mich June aus meinen Gedanken, in die ich zu gern abdriftete.

Da mich eine Welle von Emotionen letzten Sommer mehrfach umschlug, bemerkte ich gar nicht, dass meine beste Freundin, die ich mittlerweile seit neun Jahre kannte, sich in einer ähnlichen Situation befunden hatte wie ich. Ihr Lachen, das wie Musik in meinen Ohren war, strich mir mit einem bunten Pinsel durch die tristen, dunkelgrauen Wolken in meiner Welt.

»Nein June«, begann ich, während sich Falten auf ihrer Stirn bildeten und ich meine Augen wieder auf das junge Paar richtete, »es war nicht der krönende Abschluss, das ist erst der Anfang.«

                            ☾

Teil 2 der Lesenacht!
Tut mir leid, dass dieser Teil etwas verspätet erscheint.
Könnt ihr Hailey nachvollziehen?
Was würdet ihr an ihrer Stelle tun?

Continue Reading

You'll Also Like

3.2M 149K 41
"Levis Collins ist verboten gutaussehend, reich und verdammt Respekt einflößend. Er macht was er will, wann er will, wo er will. Oh, und er sieht zum...
Amalie By Karla

Historical Fiction

5.4K 204 28
Er blickte sie an, doch Amalie erwiderte nichts. Sie versuchte sich mit versteinerter Miene auf die Ansprache, die ihr Vater gerade hielt, zu konzent...
94.5K 2.6K 52
Für Sia und Irina erfüllt sich ein Traum, nachdem Sia's Tante stirbt erfährt diese, dass sie ihr Vermögen, sowie ihre Wohnung erben wird und so schna...
532K 30.5K 99
* E I S H O C K E Y - R E I H E | B A N D 1 * »Weißt du eigentlich, dass ich dermaßen auf dich stehe, Harper? So dermaßen.« Während Harper Dewey...