LAST SUMMER

By selindevie

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❝ Es war nicht der letzte Sommer, bevor sich alles änderte - das tat es schon längst. Ich war gefangen in ein... More

Vorwort
Widmung
Aesthetics
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Epilog
Nachwort

Kapitel 36

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By selindevie

Schlaftrunken trottete ich in die Küche und rieb mir mit meiner rechten Hand über die Augen.

»Du kannst wohl auch nicht schlafen.«

Vor Schreck blieb ich stehen und zog scharf die Luft ein, als ich eine Stimme in der Küche hörte. Es war nicht nur eine Stimme, es war seine. Die würde ich unter noch so vielen erkennen - da war ich mich sicher. In der Dunkelheit war Liam erst schwer auszumachen, doch wenig später stellte er sich unter das Küchenfenster. Die Straßenlaternen und der Mond spendeten gerade so genug Licht, als dass ich ihn und er mich erkennen konnte.

»Man, hast du mich erschreckt und nein, nicht wirklich«, antwortete ich kurz angebunden und bewegte mich herüber zu den höherliegenden Küchenschränken, holte ein Glas heraus und suchte anschließend im Kühlschrank nach kaltem Wasser.

»Hailey«, begann er. Seine Stimme klang so rau und tief, dass es mir dabei wohlig den Rücken hinunterlief. Diesen Effekt spürte ich immer, sobald er meinen Namen aussprach. Und er wusste, was er damit in mir auslöste. Ich blieb noch umgedreht, bis ich den Verschluss der Flasche, den ich in der Dunkelheit irgendwo auf der Küchenablage abgelegt hatte, mühselig wiederfand und die Glasflasche zuschraubte. In der Ecke, in der ich mich befand, war das Mondlicht etwas schwächer – und das kam mir auch gut, denn dann sah er nicht, wie zittrig ich das Glas Wasser in der Hand hielt und seinem Blick auswich.

Ich nahm einen großen Schluck und seufzte im nächsten Moment, als das kühle Nass mit meiner Kehle in Berührung kam. Und bereute es im Moment darauf aber auch sofort. Liam wich nämlich zurück vom Fenster und schlich langsam zu mir herüber. Ich konnte es mir nicht nehmen, jeden seiner einzelnen Bewegungen zu inspizieren und als er nur kurz vor mir zum Stehen kam, verschluckte ich mich beinahe an dem Wasser.

»Entspann dich.«

Also wirklich, das war ja wohl mit der ungünstigste Zeitpunkt, in dem man sich entspannen konnte, oder? Aber ich versuchte es trotzdem und atmete erst ein und dann aus. Dadurch spürte ich, dass ich mich langsam wieder beruhigte, aber ein Blick in seine Augen, in dieses tiefe Braun, reichte schon, damit ich wieder unruhig wurde und sich meine Hände zu Fäusten ballten. War es aus Wut? Oder doch aus Trauer? Ich wusste es nicht.

Als Liam meine Hand berührte, fuhr er erst sanft mit seinem Daumen über meine Finger, bis er sie schließlich umgriff. Er holte mich gedanklich für einen Moment zurück zu Tylers Party – einem seiner guten Schulfreunde -, denn da waren wir in einer ähnlichen Situation gewesen. Und als hätte er meine Gedanken lesen können, lehnte er sich gegen die Kühlschranktür und ich stand nur einen Schritt von ihm entfernt – dabei bedacht, dass er noch immer meine Hand nicht losließ.

»Sieh mich an.«

Meinen Blick hob ich leicht an, denn wenn ich – genauso wie in diesem Moment -, ihm so nah war, dann wusste ich nicht, was ich denken sollte. Das Einzige, was ich in diesem Moment wusste, war nur, dass ich mich in seinem Blick verlieren würde.

»Liam, du-du weißt-«

»Hailey, ich-ich hab wirklich ziemliche scheiße gebaut, es tut mir wirklich leid, aber ich muss es dir jetzt sagen. Der Schmerz meiner Vergangenheit tut zwar weh, aber dich so zu sehen...das tut mir noch so viel mehr weh. Und ich hätte nicht gedacht, dass es etwas gibt, was mich mental noch mehr zerstören könnte, bis ich in deine Augen sah.« Liam schluckte schwer, sein Blick war erst auf meine Augen gerichtet, doch als er seinen kleinen Monolog zu Ende brachte, starrte er auf unsere Hände.

Er atmete tief aus und ich tat es ihm gleich. Diesmal war ich diejenige, die ihn mitzog. Ich wollte mehr, als nur seine einzigartige Stimme hören, die bei Nacht mich nur noch mehr erfüllte, als sonst schon. Noahs Küchenablage war wie ein großes U, weshalb ich mich ganz an den Anfang, also in die Nähe des offenen Küchenfensters setzte, und der Mond mit seiner Schönheit auf uns herabstrahlte.

»So ist es besser«, sagte ich und zuckte leicht mit dem Mundwinkel. Liams Blick flirrte erst hin und her, bis ich seine Hand etwas fester drückte, und er mich anblickte. Ich nickte, denn ich wollte es wirklich wissen. Ich wollte wissen, was passiert war und auch, ob ich ihm verzeihen kann.

»Du machst es mir alles andere als leicht, aber ich werde mein Bestes geben.«

Wenn ich nur gewusst hätte, was jetzt auf mich zukam, hätte ich vielleicht einen anderen Zeitpunkt gewählt. Oder einen anderen Ort. Oder beides.

»Mein Dad...ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt noch so nennen würde. Er...mag es nicht, wenn er nicht das bekommt, was er will. Im Klartext: Das was er will, passiert auch«, er schnaubte verächtlich, als er dies sagte.

»Und er wird wütend. Wirklich sehr wütend, wenn ich nicht das tue, was er will. Ich...ich habe mich meistens an das gehalten, was er gesagt hat. Manchmal waren es Kleinigkeiten, an die ich mich nicht gehalten habe, für dich er mich dann...geschlagen hat. Zum Beispiel, wenn ich-wenn ich...ihm widersprochen habe.«

Liam schaute mich nicht an. Seine Stimme klang dünn, nicht mehr so tief und rau, wie es mir gefiel, sondern brüchig. Seine Stimme ähnelte einem Glas, in das ein paar Risse gekommen waren.

»Wie auch immer.« Er schüttelte den Kopf und setzte erneut an.

»Die eine Sache, ja, daran erinnerte ich mich noch sehr genau. Ich-ich hatte ihm widersprochen...weil ich verdammt nochmal keine Lust hatte auf dieses scheiß Geschäftsessen von seiner Firma. Dieses ständige Fake-Lächeln und Fake-Verhalten, was ich da ständig aufrechterhalten muss, nervt mich bis zum Tod.« Plötzlich wurde seine Stimme viel lauter und wütender, weshalb ich meine andere Hand auf seine linke Schulter ablegte. Das wirkte wirklich wahre Wunder, da seine angespannten Schultern wie im Sekundentakt sanken.

Scheint so, als hätte auch ich eine bestimmte Wirkung auf ihn, von der ich nicht viel wusste.

»Um es nicht noch länger und komplizierter zu machen, als es eh schon ist...«

Er nahm seine linke Hand und strich sich seine dunkelbraunen Strähnen etwas aus der Stirn, damit ich freie Sicht auf sein rechtes Auge hatte. Erst runzelte ich verwirrt die Stirn, doch dann erinnerte ich mich an den Sunset Roadtrip vor einer Weile, und öffnete leicht den Mund. Ich fühlte gar nichts mehr. Absolut nichts, denn ich konnte mir ausmalen, was jetzt kam.

»Auch für diese Narbe, war mein...Dad verantwortlich. Na ja, die war dafür, dass ich ihm gesagt habe, dass ich definitiv kein Architektur studieren werde, und dass ich nicht mehr das machen werde, was er mir sagt. Ich wollte kein Leben mehr leben, dass nicht mal eins war. Existieren ist die eine Sache, wirklich leben... eine ganz andere.«

Es war still. Eine ganze Weile, bis ich mich endlich zu Wort traute. Trotz des eher schwachen Mondlichts, erkannte ich den Schmerz in seinen Augen, der wirklich schwer auf ihm wog. Das Glas, das am Anfang nur leichte Risse hatte, drohte zu zerbrechen.

»Ich-ich weiß gar nicht, was ich...was ich sagen soll.« Schwerschluckend wandte ich meinen Blick ab und musste erst sacken lassen, was ich gerade gehört hatte.

»Das war aber nicht einmal alles, Hailey.« Er schnaubte wieder, als wäre es lustig, doch damit versuchte er nur den Unterton in seiner Stimme zu vertuschen, der geradezu in Schmerz getränkt war.

»Ich war zwar erst sechszehneinhalb, aber es gab ein Mädchen, das-das mein Herz auf wirklich sehr schmerzvolle Weise gebrochen hat. Noch nie war ich vorher verliebt gewesen. Ich war ein typischer Partygänger, sehr beliebt an unserer Schule gewesen. Ein... ja, Bad Boy eben. Und die Sache mit meinem Vater, dann die schmerzvolle Trennung von ihr...Hailey, sie war die einzige Person in meinem Leben gewesen, der ich noch vertraut hatte. Das hat mir so dermaßen den Boden unter den Füßen weggerissen, dass ich auf gar nichts mehr in meinem Leben Lust hatte. Wirklich gar nichts.«

Meine Augen weiteten sich und gleichzeitig versetzten mir seine Worte einen Stich in den Magen.

»Nie wieder wollte ich eine ernsthafte Beziehung. Damals hatte ich mir geschworen, dass es meine erste und letzte richtige Beziehung sein würde.«

»Ich...das verstehe ich. Hintergangen zu werden fühlt sich sehr schlimm an.«

Das anfängliche Glas zersprang nun in mehrere Tausend Teile.

Er biss sich auf die Unterlippe und ich machte ein sehr undeutliches, jedoch erkennbares Schmunzeln auf seinen Lippen aus. »Dazu wollte ich jetzt kommen«, sagt er verlegen, als er sich an den Nacken fasste, »ob du mir jetzt glaubst, oder nicht, musst du für dich selbst entscheiden, aber ich hätte keinen Grund mehr, dich anzulügen, da ich es einfach zwischen uns verbockt habe.«

Meine Neugierde stieg an und jetzt war ich diejenige, die laut ausatmete. Er hatte meine Anspielung wohl bemerkt, aber wäre auch verwunderlich gewesen, wenn nicht.

»Also, an dem Tag der Abschlussparty meines Jahrgangs, hat das alle seinen Lauf genommen. Das mit meiner Ex-Freundin war schon über zwei Jahre her, und mein Bad Boy Image hatte ich seitdem völlig abgelegt. Das Einzige, was blieb, war, dass ich nichts Ernstes mit einem Mädchen wollte. Aber so, wie es kommen musste...hatten meine Freunde und ich eine Wette. Ich-ich bin da vollkommen unfreiwillig eingestiegen und war auch leicht angetrunken. Sie sagten mir, dass ich niemals mehr in der Lage wäre, ein Mädchen herumzukriegen. Und zwar absolut nicht, und...ach...«

Er schüttelte den Kopf und fasste sich dabei an die Stirn. Wahrscheinlich, weil er gleich noch etwas weitaus Unangenehmeres sagen würde.

»Sagen wir Mal so, mein altes Ego wollte sich das nicht gefallen lassen, und dadurch, dass ich betrunken war...ich weiß nicht wirklich, aber du bist mir den ganzen Abend nicht aus dem Kopf gegangen, Hailey. Und ganz ehrlich, am Anfang hatte ich nur die Absichten mit der Wette im Kopf, aber als ich dann wirklich gecheckt habe, wie dumm das überhaupt war...wie dumm ich war, und wir am Tag darauf dann auch noch ein inoffizielles Date hatten...ich war hin und weg von dir, Hailey.«

Man sah ihm an, dass die Worte, die er sich zusammensuchte, ihm nicht leicht über die Lippen gingen.

»Ich habe mich dafür gehasst, dass mein aller erster Gedanke der war, dich rumzukriegen und...dein Herz zu brechen...«

Er machte eine Pause und rückte ein wenig näher zu mir heran.

»Das einzige, worüber ich wirklich froh bin, ist, dass ich bei unserem allerersten Treffen bereits realisiert habe, dass es dir nicht darum ging, wer ich bin. Du kanntest meinen Ruf nicht, geschweige denn überhaupt jemanden wirklich aus meinem Jahrgang. Und...als du mir sagtest, dass dich interessiert, was Menschen wirklich glücklich macht, da habe ich zum ersten Mal daran geglaubt, dass in meinem Leben nicht alles so grau ist, wie es vielleicht scheint. Ich wollte dich, das wusste ich ab dann.«

Zugegeben, ich war vollkommen baff von dem, was mir Liam gerade erzählte, und konnte gar nicht anders, als ihn in eine lange und starke Umarmung zu ziehen. Er brauchte sie, das spürte ich, und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich seine Körperwärme nicht vermisst hätte und ebenfalls eine Umarmung nötig hatte.

Seine Augen wurden ab und an immer wieder glasig, und ich erwischte ihn dabei, wie er immer wieder mehrere Male blinzelte, damit ich nichts davon mitbekam. In diesem Moment schien seine Vergangenheit glasklar mir gegenüber. Er war gebrochen. Und zwar sehr viel mehr, als ich vermutet hatte. Und er hatte die viel schrecklicheren Details ausgelassen - mir zur Liebe.
Wahrscheinlich fühlte er sich unglaublich schwach, doch für mich war er paradoxerweise sehr stark. Er erzählte mir von dem Ursprung seiner physischen, aber auch all seiner psychischen Narben, und dafür war ich ihm mehr als nur dankbar.

»Ach so und«, setzte er an, als wir uns vorsichtig aus der Umarmung lösten und ich eine Augenbraue anhob, »damit du das mit meiner Ex-Freundin vielleicht ein bisschen besser verstehst, kannst du Alex fragen. Frag ihn gleich morgen, dann ist alles raus.«

»Und was sage ich ihm, damit er direkt weiß, wovon ich spreche?«

Er schaute mir tief in die Augen, bevor er ein einziges Wörtchen aussprach, was mir mein kleines Herz endgültig brach und die Tränen, die ich die ganze Zeit über so verzweifelt zurückhielt, endlich freien Lauf ließ.

»Rachel.«

Puhh. Das Kapitel hat wehgetan. Und zwar sehr. Ich habe alles in einem Rutsch geschrieben. Endlich ist alles raus (bis auf ein paar kleine Details). Also, was sagt ihr dazu? Hättet ihr das erwartet? Oder habt ihr sonst noch etwas, was euch auf dem Herzen liegt und ihr unbedingt loswerden wollt?

Schreibt mir in die Kommentare, was ihr wollt. Wirklich alles. Hinterlasst einen Stern, wenn ihr wollt. Ich bin für alles offen.

Danke fürs Lesen, bis demnächst.♥️

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