(POV. Nagisa)
Ich umklammerte zitternd den Griff des grünen Messers. Die gelblichen Funken, welche gerade noch den Himmel und die Gestalten meiner Mitschüler mit warmen Licht erhellt hatten, waren in die Luft gestiegen und erloschen. Jetzt war alles um uns herum dunkel.
Unter mir lag kein gelber, breit grinsender Oktopus mehr, sondern ein leeres Gewand. Und zu hören war keine fröhliche, sanfte Stimme, sondern lediglich das erste Schluchzen und Schniefen der anderen.
Unser Lehrer der uns das ganze letzte Jahr zur Seite gestanden, belehrt, erzogen und beraten hatte, war weg. Es schien undenkbar, dass er noch vor weniger als einer Minute lebendig unter mir lag.
Jedenfalls... bis ich ihm das harmlos wirkende Gummimesser ins Herz gebohrt und ihn getötet hatte.
Ich hatte Widerstand gespürt. Nicht wie bei meinem Traum. Es war echt. Sein Herz, das schlug und mit jedem Zentimeter, mit welchem ich es tiefer in ihn bohrte, schwächer protestierte.
Ich hatte die ersten Funken gesehen, die wie Blut aus dem Schnitt quollen. Wie er sich langsam aufgelöst hatte und buchstäblich sein Leben an uns vorbei in den Himmel stieg.
Und jetzt war er fort. Er würde nicht wieder kommen. Nie wieder unsere Köpfe tätscheln, oder mit uns schimpfen, oder uns mit seinem aufgedrehten Geschwätz in den Wahnsinn treiben. Wie ein gewaltiger Tsunami donnerte die Erkenntnis auf mich ein.
Ich hab Koro-Sensei getötet.
Er ist tot, wegen mir.
Wegen mir.
In meiner Kehle staute sich ein seltsames Ziehen an. Ich spürte, dass ich weinte, aber das reichte nicht mehr. Das Gefühl musste raus. Jetzt.
Ich kniff meine nassen Augen zusammen, bevor ich nach Luft schnappte, mich krümmte und anfing zu schreien. Die Tränen wurden mehr und ich klammerte mich an dem Messer fest, welches immer noch in Koro-Sensei Krawatte steckte.
Sein Tod schien mit einem Mal auch zu meinen Mitschülern hindurch zu sickern, denn auch sie ließen ihren Frust auf einen Schlag aus. Ich war der Lauteste. Ich schrie und heulte, bis mir der Kopf weh tat.
Es war egal, dass mich die anderen hören konnten. Wir saßen alle im selben Boot. Wir hatten das recht zu trauern, und zwar alle.
Erst als mein Heulen heiserer wurde und ich nur noch hicksend zwischen meinen Mitschülern saß, öffnete ich das erste Mal die Augen. Es gab viele, die sich immer noch nicht beruhigt hatten. Die meisten trösteten sich gegenseitig.
Andere wiederum saßen alleine, abgeschottet vom Rest der Klasse und man sah lautlose Tränen auf ihren Wangen. Wie auch Karma. Er starrte nach unten, seine Unterlippe zitterte und seine Schultern bebten, als er einen Schluchzer unterdrückte.
Das war das erste Mal, dass ich ihn weinen sah. Er sah so verzweifelt, so wütend und verletzt aus, dass es mir nur noch einen weiteren Heulkrampf verpasste. Hilflos kroch ich auf ihn zu.
Vorbei an der weinenden Kayano, vorbei an Maehara und Isogai. Karma sah mich an, als ich vor ihm kauerte und wollte sich von mir wegdrehen, aber ich hielt ihn an den Schultern fest und zog ihn in meine Arme.
Er schluchzte neben meinem Ohr und presste mich an sich. Wir redeten nicht. Und wir trösteten uns auch nicht. Ich glaube, das war besser so.
Koro-Sensei... war tot.
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[Uiuiui. Ich habe für dieses Kapitel extra nochmal die Szene geguckt, und ich muss sagen, meine nicht vorhandenen Zimmerpflanzen wurden reichlich mit Salzwasser gegossen. Ich kann einfach keine weinenden Leute sehen :')]
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Mit offenen Mund lief ich hinter meinen Klassenkameraden her und sah mich in der festlich geschmückten Sporthalle um. Bunte Banner, auf welchen Sätze standen wie "Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss!" oder "Rockt die Tanzfläche!" hingen an den Wänden und ließen mich schmunzeln.
Solche Sprüche könnten glatt von Koro-Sensei kommen...
Auch die Anderen grinsten und flüsterten sich Dinge zu. Dabei ignorierten wir die Schüler der restlichen Klassen, welche uns auf Schritt und Tritt mit Blicken verfolgten.
Genau genommen hatte sich ja nichts verändert. Wir wurden immer angestarrt. Aber dieses Mal nicht höhnisch, sondern mit Neugierde und Interesse. Schließlich wollte jeder gerne wissen, was mit dem "Monster" passiert war.
Und jetzt, wo wir viel später als die anderen Klassen zur Abschlussfeier kamen (weil wir noch die 30 Milliarden Yen fürs Töten der Zielperson erhalten hatten), waren wir sicher gefundenes Fressen für dutzende Fragen und Bedrängungen.
Aber niemand kam uns zu nah. Es schien fast schon so, als seien sie respektvoller geworden. Auch wenn das neugierige Funkeln in ihren Augen nicht für sie sprach. Vielleicht hatten die Lehrer oder der Staat ihnen etwas derartiges aufgetragen.. Wer wusste das schon.
Die Musik spielte eine ausgelassene Melodie und schien die Anspannung in der Halle nach einiger Zeit zu vermildern. Ich hatte mir bereits ein Getränk aus einer Bowle geholt und zugesehen, wie die ersten Schüler auf die noch ziemlich leere Tanzfläche gingen.
Vorallem Nakamura, Yada, Maehara und zu meiner Überraschung auch Isogai und Kayano lachten und tanzten zusammen. Dadurch trauten sich immer mehr Schüler auf die Tanzfläche.
Wir vom Assassination Classroom hatten für's erste genug geweint. Jetzt war es Zeit zu feiern. Und es war erstaunlich, wie gut das tat. Irgendwie hatte ich das Gefühl, Koro-Sensei wäre noch bei uns. Würde über uns wachen, aufpassen dass wir keine Dummheiten machten...
Mein belustigtes Glucksen war durch die laute Musik kaum zu hören.
,,Ja ja, so sollte es sein", trällerte jemand neben mir und ich blickte in das Gesicht meines Freundes. Er hatte sich von der Krawatte befreit und in seine altbekannte schwarze Jacke gehüllt.
Dieses Outfit stand ihm viel besser. Es war mehr von ihm, als der strenge Anzug den wir bei der Zeugnisausgabe tragen mussten. Der traurige und frustrierte Blick von letzter Nacht war seinem Gesicht entwichen und ein Grinsen an seine Stelle getreten.
,,Wie?", fragte ich belustigt.
,,Wir sind das Zentrum der Aufmerksamkeit. Die End-Klasse, das beliebteste Gesprächsthema in der ganzen Schule", sagte er und gestikulierte dramatisch.
Ich lachte, nahm das Getränk entgegen, das mir hinhielt und wir stießen an. Einige unserer Freunde gesellten sich zu uns und wir hielten uns mit Gesprächen, Albernheiten und Getanze bei Laune.
Wäre Koro-Sensei jetzt hier... nein.
Nicht daran denken. Verdrängen, bis du alleine bist und dann alles raus lassen. Besser so, rief ich es mir ins Gedächtnis.
Der Tag war wirklich wunderschön und schrecklich zugleich. Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel geweint und so viel gelacht...
(POV. Karma)
Irgendwann, als es später wurde und immer mehr Lehrer die "Party" verließen, fingen die Schüler an sich seltsam zu benehmen. Sie wurden offener und kamen uns E-Klässlern nun doch etwas zu nah.
Ich brauchte nicht lange um zu begreifen woran das lag. Irgendjemand hatte Alkohol in die Bowlen gekippt.
,,Komm schon, Isogai! Trink, trink, trink!", lachte Maehara neben mir und zwängte dem Klassensprecher einen Becher der Bowle auf. Dieser hatte keine andere Wahl als zu schlucken und taumelte schon etwas im Stehen.
Rio und Maehara lachten, füllten den Becher nach und kippten ihm noch mehr hinterher. Offenbar hatten sie es sich vorgenommen, unseren Klassensprecher abzufüllen.
Vielleicht haben sogar sie den Alkohol in die Bowle geschmuggelt...? Ich würde es Rio zutrauen.
Tatsächlich holte ich mir ebenfalls was davon. Wenn ich ehrlich war, würde ich mich gerne auflockern um meinen Kopf frei zu kriegen. Und um aufzuhören, über Koro-Sensei nachzudenken. Es war wirklich lachhaft, wie sehr mir sein Verlust zu schaffen machte...
Deshalb war mein Becher die Zeit über auch nie ganz leer. Nagisa war längst verschwunden und lachte mit Kayano auf der überfüllten Tanzfläche. Ich war nicht gerade jemand, der sich dort aufhielt.
Viel mehr genoss ich es, mit den anderen im Hintergrund Spaß zu haben und mich über diejenigen lustig zu machen, die nicht tanzen konnten. Gerade prusteten Maehara und ich los, als ein Schüler ausgerutscht und aufs Gesicht gefallen war, da kam Nagisa aus der schwitzenden Menschenmenge und füllte sich durstig Bowle nach.
Nakamura sah zu uns herüber und hatte sich scheinbar schon ihr nächstes Opfer ausgesucht. Sadistisch drückte sie seinen Becher nach oben und zwang ihn dazu, das Getränk zu leeren, bevor sie es nachfüllte. Nagisa sah den Becher irritiert an.
,,Was ist das? Irgendwie schmeckt die Bowle komisch."
,,Eh... ja, die wurde mit einem anderem Geschmack nachgefüllt, deshalb", redete sich Blondi raus und wir beide unterdrückten ein Kichern.
Nagisa legte nur den Kopf schief und trank weiter, als sie ihm Nachschub in die Hand drückte.
,,Das ist wirklich lecker", stellte er fest. Meine Augenbrauen schossen amüsiert in die Höhe.
Wie naiv er ist... Ich würde zu gerne sehen, wie er sich verhält, wenn er betrunken ist.
Nakamura machte das schon ziemlich bald möglich. Nach zwei Bechern war er so dicht, dass er kaum gerade stehen konnte. Ich stützte ihn belustigt.
,,So, jetzt musst du dich um ihn kümmern. Kayano-Chan!", flötete Nakamura und rauschte davon.
Sie hatte es sich wohl zum Ziel gemacht, heute so viele wie möglich abzufüllen. Vielleicht war es ihre Art über Koro-Senseis Tod hinweg zu kommen. Oder sie war einfach selbst nicht mehr ganz bei Sinnen.
,,Karma mir ist heiß... Ich will raus gehen, kommst du mit?", lallte Nagisa durch die Musik und schwankte auf die Tür zu.
,,Pass auf", lachte ich, als er gegen einen Schüler kam. Zum Glück konnte ich ihn noch vor einem Sturz bewahren, auch wenn mir mein Körper langsamer vorkam, als sonst.
Wir gingen nach draußen und atmeten die frische Abendluft ein. In der Halle war es ziemlich stickig geworden. Wie lang waren wir bereits hier? Ein, zwei Stunden vielleicht? Jedenfalls war es bereits dunkel.
Nagisa leckte sich über die Lippen und zog mich runter zu sich. Seine Zunge schmeckte nach Alkohol und Bowle und ich verkniff es mir so gut ich konnte, seinen Kuss zu erwidern. Wir waren auf dem Schulgelände.
Ich drückte Nagisa von mir und sah in sein enttäuschtes Gesicht. Genau in dem Moment öffnete sich die Tür erneut, und Isogai und Maehara stolperten nach draußen.
Hätte ich Nagisas Kuss auch nur eine Sekunde zu lang erwidert...
Ich unterdrückte ein Schaudern. Derweil musste der Klassensprecher gestützt werden und erfüllte den Schulhof mit einem nicht Isogai-haften Lachen.
,,Lass uns zu mir gehen... Meine Eltern sind nicht da", prustete auch Maehara, und schien Nagisa und mich überhaupt nicht wahrzunehmen.
,,Oke", stimmte Isogai zu.
Dann lehnte er sich plötzlich zur Seite und... küsste den Blonden.
Verblüfft sah ich den beiden Jungs zu und ignorierte Nagisa, welcher an meinem Ärmel zog und offensichtlich ebenfalls Aufmerksamkeit wollte.
Isogai und Maehara? Klassensprecher und Womanizer? Huh?
Sie machten für ein paar Sekunden auf dem Schulhof rum, bevor Maehara seinen (nicht mehr ganz so-) besten Freund losließ und vom Schulgelände wegführte. Sofort hatte ich eine Ahnung, was sie später alleine zusammen treiben würden.
,,Wusstest du von den Beiden?", fragte ich Nagisa.
,,Nein", sagte der unbeeindruckt.
Ich wich gerade noch seinen Lippen aus und schnaubte neckisch. ,,Komm. Wir gehen."
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Sorryy, mich hat gerade eine Maeiso Welle überfallen :)