How To Kill A God - Step One:...

By Xenoe1

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Ein misslungener Überfall verbannt Kassandras Schwester in eine unbekannte Sphäre. Ihr wird Hilfe versprochen... More

Prolog
Von Kassandra
Von Kolander

Durch's Portal

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By Xenoe1

Am Abend desselben Tages rüttelte der Wind an den bunten Büschen und Spitzbäumen auf Ral Kadur. Mit Erwachen des Waldes steigerte sich das Rascheln und Pfeifen zu einer wilden Sinfonie.

Der stark überwucherte Waldboden und die Farne waren bereits in Schatten getaucht. Die Abendröte der von den Wipfeln verschluckten Sonne färbte den Himmel in tief orangenen Schimmer. Die Wolken leuchteten hier in Blau, dort in Lila. Irritiert kniff ich die Augen zusammen.

Warum leuchtet hier alles so grell?

Erst zum zweiten Mal war ich auf Ral Kadur, doch die exotische Sphäre mit ihren lebendigen Wäldern und knallig leuchtenden Farben war mir in Erinnerung geblieben. Ral Kadur. Heimat der Voodoo-Jünger. Sarea schnaubte. Die sollen bleiben wo der Regen fault. Wir sind hoffentlich schnell wieder auf Ferun.

Dichtes Unterholz schützte mich vor direkter Sicht. Alleine kauerte ich geduckt am Hang, die Wiese unter mir in fahles Grau getaucht. Ich streckte das Bein aus, lockerte meine Muskeln. Zum wiederholten Mal fummelte ich an meiner zähen Lederweste herum. Den minimalen Schutz bei größtmöglicher Bewegungsfreiheit hatte ich mit zusätzlichen Kettenteilen um Schultern und Brust ergänzt. Dazu trug ich einen breiten Kettenhemdring über der ledernen Hose, ähnlich einem sehr kurzen Rock. Immer wieder zog ich die Riemen fest, vertraute ihnen nicht. Hinter Zweigen und Sträuchern versteckt durchdrang ich die hereinbrechende Nacht.

"Er ist da unten."

Am frühen Abend hatten wir das Dorf auf Ferun erreicht. Vor etwa einer Stunde war ich aus dem Portal gekommen. Wie von Kolander aufgetragen hatte ich mich zwischen Portal und alter Poststation auf die Lauer gelegt. Niemand war gekommen. Zwischendrin hatte es auf der tropischen Sphäre angefangen zu regnen wie aus Zubern. Jetzt endlich kam jemand den Weg entlang.

Einer der drei Magier. Ich spüre seine Macht. Die Dorfbewohner sagten, er käm meist am frühen Abend. Warum ist er so spät? Vielleicht der Regen? Bin selbst durchnässt wie ein Waschbär. Hat zum Glück wieder aufgehört.

Doch das Warten hatte sich gelohnt, da war er. Auf dem Weg zum Portal. Getrennt von den anderen beiden Dienern Zoiks, welche wohl in der alten Poststation warteten.

Allein im Wald, hier auf Ral Kadur. Das kann gefährlich sein, he, he.

Abwesend schlug ich nach einer Ranke, welche sich um meinen Knöchel legen wollte. Ließ den Magier nicht aus den Augen. Immer wieder prüfte ich, ob ihm noch jemand folgte. Wohin ihn seine Schritte führten.

"Eilig hat er's. Vielleicht weil er so spät ist."

Wenn er noch ins Dorf will, muss er sich beeilen. Die Sonne geht schon unter. Hm. Wenn er so weiterläuft ...

Der Trampelpfad war im Abendlicht nur eine Lücke im Meer der Farne und Gräser.

... Kommt er genau vor mir vorbei! Der Pfad führt direkt am Hang entlang!

Wie hatte ich das nicht bemerkt? Lautlos verfluchte ich meine Unachtsamkeit. Das ereignislose Warten hatte mich unvorsichtig werden lassen.

Aber hier hinter den Sträuchern, am flachen Hang über ihm, sollte ich ausreichend geschützt sein.

Wagemut und Tatendrang stimmten murmelnd bei, wenig überzeugt. Sollte. Könnte. Vielleicht.

Betont ruhig atmete ich tief durch, entspannte meine Sinne. Als Abissaij hatte ich nicht nur schnellere Reaktionen, ich spürte auch Lebensfunken in der Umgebung. Das Problem war, konnte ich etwas fühlen, konnte es mich vielleicht auch fühlen. Darf nicht auffallen. Aber wenn Gerole und Alax meine Kräfte nicht gespürt ham, dann der hier hoffentlich auch nicht.

Noch zwei Dutzend Meter war er entfernt. Schnell ging er, seine Körperhaltung angespannt. Blickte ruckartig hinter sich, nach links und rechts.

Er ist außer Atem. Ist aufgeregt, nervös. Spürt er mich? Aber dann wäre ich schon ein Häufchen Asche.

Immer näher kam er. Er trug farbenfrohe Gewänder unter seinem Wollmantel. Abwesend murmelte er vor sich hin, redete mit sich selbst. Leise Worte, angespannt herausgepresst, vor der Geräuschkulisse der Natur nicht zu verstehen.

Noch ein Dutzend Schritte, dann wäre er dort, wo mir der Pfad am nächsten lag. Mein feines taktisches Gespür flüsterte aufgeregt, ich könne mit einem kurzen Sprint schnell hinter ihn kommen. Kurz beriet ich mich mit meiner Vorsicht, die sich bereits tief zurückgezogen hatte. Von Geduld weit und breit keine Spur mehr.

Wenige Schritte noch. Jetzt durfte er mich nicht bemerken. Meine Sinne ganz flach atmete ich langsam aus, beruhigte mich. Riskierte einen Blick. Die meisten Sonnenstrahlen erloschen, war sein Gesicht nur ein grauer Fleck.

Meine Hand glitt langsam zum Schwertgriff. Mit der anderen abgestützt wippte ich auf den Fußballen. Mein Herz pochte. Nervosität und Furcht wichen dem Feuer in meinen Adern. Mein Blickfeld verengte sich, meine Tätowierungen brannten. Mühsam versuchte ich ruhig zu bleiben. Kniff meine nun schimmernden Augen zusammen. Noch wenige Herzschläge, dann könne ich den Hang hinab.

Soll ich leise zwischen den Sträuchern hin und her huschen, hinter ihm? Oder gleich herab stürmen, in vollem Lauf?

Nein, belehrte mich Sarea, er wird dich hören. Du willst ihn überraschen.

Das leuchtete mir ein. Bedacht also, leise um die Büsche und schnell hinter ihn. Die Klinge an den Hals, auf dass ich aus guter Position mit ihm reden kann. Und ihm die Kehle durchschneiden, wenn er was plant. Auf die Fallranken achten, die hier auf Ral Kadur wachsen.

Da war er – mir am nächsten. Regungslos erstarrte ich zur Salzsäule. Ahnungslos schritt er vorbei. Mit einem verächtlichen Grinsen erhob ich mich aus der Hocke.

Schöner Zauberer bist du.

Schlagartig blieb er stehen, ein unverständlicher Ausruf mit halb erhobener Stimme. Blitzartig versank ich hinter dem Busch. Er blickte sich um, links, rechts.

Die Augen weit aufgerissen verschmolz ich mit den dichten Zweigen, panisch wurden gute Ratschläge wild durcheinandergeworfen. Sofort angreifen! Weglaufen? Nein, hierbleiben! Greif an! Ich vergaß sogar zu fluchen.

Er hat mich gespürt! Zu früh hatte ich meine Kräfte frei gelassen, und jetzt hat er mich!

Aber keine Welle roher Macht warf mich zurück, kein Blitz riss mich entzwei. Der Zauberer trat vom Weg ab, mir genau entgegengesetzt in die Farne hinein. Den Rücken zu mir, ging er auf einen der hohen Pilze zu.

Verunsichert reckte ich meinen Kopf hervor. Was gibt es da? Er stand einfach vor dem Pilz.

Plötzlich, ein prasselndes Geräusch.

Oh. Männer.

Als er fertig war, trat er wieder auf den Weg. Hastete weiter. Unmöglich konnte ich mich jetzt noch unauffällig nähern.

Ist das gerade wirklich passiert? Meine beste, nein, einzige Gelegenheit bisher?

Auch Sarea klang enttäuscht. Wehrlos hat er dagestanden, buchstäblich die Hosen unten, und du sitzt tatenlos herum.

Verflucht! Er soll das Portal nach Ferun nicht erreichen. Er soll es für uns öffnen, aber von dieser Seite aus.

Wenn er bis ins Dorf kommt, bemerkt er Kolander. Dann ist er entweder nur noch beeinträchtigt am Leben, oder er haut durchs Portal ab. Macht es dicht und warnt seine zwei Kumpel. Dann war's das mit dem schnellen Weg zu Splitter. Egal, noch war nichts verloren. Der Pfad schlängelte sich um die Hügel, ich konnte ihm folgen und mit einer Abkürzung vor ihn kommen.

Soweit es ging blieb ich in Sichtweite. Mit einer Hand hielt ich meine Rüstung ruhig. Die hilfreichen Kettenteile gingen einher mit leisem Klirren und Klimpern, dass ich gerade nicht gebrauchen konnte. So hüpfte ich zwischen den Sträuchern den Hang entlang. Bunte Spitzblätter strichen über mein Gesicht, die Stiefel im Dickicht versunken. Meine Augen hielt ich auf die dunkle Form des Magiers gerichtet, bemüht, nicht über eine Fallranke zu stolpern und mich flach auf die Nase zu legen. Eine Frage wurde immer lauter geflüstert. Warum immer ich?

Die Antwort – Kolander.

Am frühen Abend hatten wir das kleine Dorf auf Ferun erreicht. Durch das Portal könnten wir nach Ral Kadur reisen, von wo uns ein großes Portal an viele Orte bringen könnte. Auch zum Aufbewahrungsort Splitters. Könnte, weil es natürlich nicht ging.

Drei Gefolgsleute Zoiks hatten sich auf Ral Kadur eingenistet, nahe dem großen Portal, in einer verlassenen Poststation. Nach Streitigkeiten mit den umliegenden Dörfern hatten die drei Magier die Portale nach Ral Kadur blockiert. Für Kolander ein Beweis, die drei würden auf Gerole warten, der seine dunklen Kräfte natürlich zum Diebstahl Splitters einsetzen wollte. Ja, natürlich. Was auch sonst.

Erfreut hatte Kolander zur Kenntnis genommen, ich traue mir dennoch zu, in die fremde Sphäre zu wechseln. Ausweichend hatte ich etwas von weil-halt-Abissaij-und-so genuschelt. Glücklicherweise hatte er keine weiteren Fragen gestellt. Zu sehr war er beschäftigt gewesen, mir Ratschläge - Anweisungen - zu geben. Da er zurückbleiben müsse, schicke der tapfere Templer mich. Ich solle von Ral Kadur aus das Portal öffnen, damit er nachkommen könne. Also den Bann brechen, das Ritual stören, den Äther entzerren, wassauchimmer. Klar, kein Problem. Wie stellt er sich das vor? Ich leg einfach einen großen Hebel um?

Ungeduldig hatte er vorgeschlagen, ich könne ja auch mit den drei Folgern Zoiks reden. Solle ihnen von Gerole erzählen, so tun, als sei ich von ihm geschickt worden. Ein paar Einzelheiten unserer kurzen Reise einstreuen, es glaubwürdig machen. Zur Not solle ich sie bedrohen, oder einfach umbringen. Ohne die Magiequelle würde sich die Sperre des Portals wohl auflösen.

Sagt er so leicht. Meine Begegnung mit Gerole hat kein so gutes Ende genommen. Täuschen, zwingen oder morden, glaube keine der Möglichkeiten findet bei Geroles Kumpels großen Anklang. Aber oy, sie sind hier unerwünscht und haben alle Aufforderungen, das Gelände zu räumen, grob missachtet. Ich versuch zuerst mit ihnen zu reden. Wenn sie nicht hören, selber schuld. Moral war für mich etwas, dass man nicht essen konnte. Ist eh meine letzte Reise, warum sich jetzt noch Gedanken machen?

Jetzt bog sich der Weg, der Zauberer verschwand hinter den Spitzbäumen und Pilzen. Hechelnd strich ich mir verschwitzte Strähnen aus der Stirn, stakste in großen Schritten den Hügel hinauf. Querfeldein, und vor ihn kommen. Nach dem Hinterhalt ist vor dem Hinterhalt.

Soll ihn mit meinen Kräften finden? Nein. Wenn ich Magie ausstrahle wie ein Leuchtfeuer muss ich ihn nich mehr finden. Er findet mich.

Die letzten Strahlen der knallig orangen Abendsonne endgültig verblasst, versank der Wald in trügerische Schwärze. Tiefhängende, lange Spitzblätter versperrten mir die Sicht, ich drückte mich um dicke Pilzstämme. Mit den letzten Sonnenstrahlen verschwand noch etwas anderes – Farben.

Ungläubig hing mein Mund offen, während die Umgebung grauer und grauer wurde. Bäume, Pilze, Waldboden, meine Arme und Kleidung, alles verschwamm zu verwaschenem Grau und Beige.

"Gut – das ist neu."

Mühsam verdrängte ich die Wunder dieser fremdartigen Sphäre und konzentrierte mich auf meine bevorstehende Aufgabe.

Der Weg sollte parallel zu mir liegen. Da drüben. So ungefähr.

Etwas unsicher war ich mir schon. Führt er hier entlang? Dort? Irgendwo unterhalb ... Wo genau bin ich hergekommen?

Ich seh nur düstere Bäume. Grau in Grau, alles mau.

Langsam wurde es mir zu dumm. Irgendwo muss dieser verdammte Zauberer doch sein!

Soviel zu deiner Geduld.

Ich stakste weiter nach oben. Erst mal die Böschung rauf für mehr Überblick. Zur Not könnt ich ihm in den Rücken fallen, wenn er grad das Portal benutzt. Wenn ich schnell bin. Oder ich lass ihn einfach nach Ferun. Soll doch Kolander seinen gefiederten Arsch bewegen. Warum muss ich die Drecksarbeit machen?

Vorsichtig erhob ich mich, dicht an einen efeuumrankten Baumstamm gepresst. Grauschwarzer Wald vor schwarzgrauem Himmel. Vom höchsten Punkt des Hügels blickte ich in den Wald, suchte den Pfad, die Wiese von vorhin.

"Ich hab ihn doch nicht verloren?" Hab ich?

Plötzlich explodierten meine Sinne. Gleich darauf ein kleiner Baum, kein Dutzend Armlängen entfernt. Splitter regneten herab. Erschreckt wie ein kleines Häschen warf ich mich klingend und klappernd zu Boden, sprang sogleich wieder auf, kroch panisch den Hang entlang. Scheiße! Verfluchte Tiefe!

"Ahh!"

Und wieder, diesmal eine ungezielte Druckwelle. Unter knackenden Ästen und zerbröselnden Blättern rollte sie heran. Kurz strauchelte ich, aber sie war zu ungenau, kam aus zu großer Entfernung. Schweißverklebte Strähnen fielen mir ins Gesicht, die Anwesenheit des Magiers brannte sich in meine Sinne wie ein hellstrahlender Geysir inmitten einer toten Nacht. Am Waldrand, nahe der Wiese! Stoßartig pulsierte heißes Blut durch meine Adern, keuchend pumpten meine Lungen, ein und aus.

Jetzt ein Machtblitz, zischend fraß er sich durch die Luft, verglühte den Sauerstoff auf seinem Weg. Weit von mir entfernt schlug er in einen Riesenpilz, sprengte ihn auseinander. Er folgt stürmischen Mächten, schwer zu beherrschen. Ungelenk, unkontrolliert. Über dem Donnern eines Faltgriffs, der willkürlich zwischen Bäumen, Farnen und Büschen umhersprang und kleine Äste knacken ließ, brüllte er in die Nacht hinaus.

"Was zur Tiefe!?"

Etwas war falsch. Seine Stimme war schrill, überschlug sich, als er unverständliche Worte spie. So eindrucksvoll seine spontane Beschwörung höherer Magie auch war, so wirkungslos und ungezielt verpuffte ihre Wirkung.

Ist er irr geworden? Sieht er mich nicht? Kann ich es wagen ihn anzugreifen, solange seine Zauber mich nicht finden?

Verstört lugte ich hinter einem Wacholder hervor. Ein Kugelblitzgewitter von ungeahnter Kraft, allerdings direkt vor ihm entfesselt. In sicherer Entfernung zu mir entluden sich die Blitze, mit zu großer Macht gespeist fraßen sie sich selbst auf, bevor sie Schaden anrichteten.

Dann, jähe Stille. Ich brauchte kurz, um zu begreifen, dass es vorüber war. Das Tal so dunkel als ob nie etwas gewesen wäre. Totenstille, alle Tiere der Nacht verstummt. Nur mein Herz pochte wild als wolle es von selbst weglaufen, die Linien auf meinem Arm brannten. Keine Zauberei mehr, keine hell leuchtende Präsenz, nur die Luft roch nach verbrannter Erde und kokelndem Holz.

Zitternd strich ich meine Haare zurück, wischte über meine schweißnasse Stirn. Was ist grad passiert? Er ist ... weg.

"Was zum ...?" Wie ist das möglich?

Eins und eins zusammenzählend musste ich mir eingestehen, er hatte wohl gar nicht gegen mich gekämpft. Scheinbar ist ihm eine andere Gefahr begegnet – außer mir. Im wild wuchernden Ral Kadur nicht unmöglich.

"Die Voodoo-Priester vielleicht?"

Aber die leben woanders und Ral Kadur is riesig.

"Oder vielleicht ein Wolf?"

Ich hatte davon gehört, aber keine Ahnung was das war.

Oder hat sich der feine Herr Templer doch erbarmt mir Gesellschaft zu leisten, irgendwie?

Nun, scheinbar gab es nur noch zwei Folger Zoiks hier. Ob das Portal schon nutzbar ist? Niemand hatte mir sagen können, wie genau der Durchgang zwischen den Sphären versperrt worden war. Also weiter zur alten Poststation, zu den anderen beiden. Und selbst nicht sterben. Verdammtes Ral Kadur.

Auf etwas wankenden Knien erhob ich mich und schritt den Hügel herab. Im Moment spürte ich niemanden, traute mich aber auch nicht, weit hinaus zu fühlen. Ein Tier? Oder doch was andres? Oder hat Kolander irgendwie Hilfe geschickt?

Unmöglich zu sagen. Außerdem, ist ja nicht so, dass ich Hilfe nötig hab. Auch diesen Magier hatte ich ja quasi fast besiegt. Unbemerkt, gut vorbereitet, hatte ich ihn genau dagehabt, wo ich ihn wollte. Momente vom Zuschlagen war mir Etwas zuvorgekommen. Ja, so wird's Kolander erzählt.

Schließlich war ich wieder unten auf dem Pfad. Da drüben war der Magier gefallen, zu einer Seite lag das Portal, zur anderen ging es zur Poststation. Nichts weit und breit. Behutsam spürte ich mit meinen Sinnen hinaus. Keine Magie, keine Lebensfunken. Wer oder was auch immer den Zauberer zerlegt hatte, war nicht mehr hier. Oder nicht zu spüren. Ich kniff die Augen zusammen, die Nacht schwarz und undurchdringbar. Graue Bäume, graue Sträucher. Beige schimmernde Riesenpilze.

Ich duckte mich ein wenig tiefer. Zwar stand ich in freiem Feld, nur von niedrigen Farnen umgeben, aber es schien sicherer als hoch erhoben herum zu stehen. Ich spürte – nichts.

Absolut verflixt gar nix.

War ich alleine?

Ist dieser Hurensohn noch am Leben?

Behutsam setzte ich mich in Bewegung, weg vom Ort des Geschehens. Liegt er dort? Oder da hinten? Die Neugier, ob er wirklich von uns gegangen war – und was er wohl Interessantes bei sich trug – wurde knapp von meiner Vorsicht überstimmt. Nicht, dass er nur drauf wartet, ob ich mich nähere. Oder was auch immer ihn überwunden hat, noch dort ist. Nein, erst zur Poststation – der Rest ergibt sich. Entweder ich war wieder alleine, dann müsste ich mir was ausdenken.

Oder die unbekannten Angreifer waren ebenfalls zu den beiden anderen Dienern Zoiks unterwegs.

Dann waren sie entweder Verbündete, was die Arbeit einfacher machte. Oder ich würde warten, bis sie sich gegenseitig umbrachten, und mich in Ruhe um den Rest kümmern. Aus dem Hinterhalt, verstand sich. Zufrieden wiederholte Sarea ihre Lehren.

Alles eine Abfolge von Gabelungen. Entweder – Oder.

Behutsam hielt ich mich im Schatten der Bäume, haderte voller Selbstmitleid mit meinem Schicksal. Mein Glück, das alles. Portal, Götter, Zauberer. Die ganze Sache. Warum immer ich?

Immerhin, bei der Magie, die er eben freigesetzt hat, war es vielleicht gut, dass ich ihn verpasst hab. Andererseits, ich hätte das gewiss geschafft. Mit Bravour. Zweifel und Unsicherheit nagten an dieser Theorie, blieben aber stumm.

Stumm machte ich mich auf den Weg zur Poststation. Die anderen beiden sollten dort sein. Lassen sie mit sich reden? Aber erst schleich ich mich rein und kundschafte die Lage aus. Vielleicht kann ich sie im Schlaf überraschen? Mit einer Klinge an ihrer Kehle wär die Unterhaltung angenehm einseitig.

Etwas tippte mir auf die Schulter. Mein Herz setzte einen Schlag aus, wie vom Blitz getroffen fuhr ich herum. Mein gezogenes Kendar schwang abwehrend von links nach rechts, da tippte erneut etwas auf meinen Kopf. Das darf doch nicht wahr sein! Schon wieder?

Immer mehr Regentropfen fielen herab, groß und kalt. Das wild blühende Ral Kadur war größtenteils von Wasser bedeckt, woran mich die Sphäre scheinbar jede Stunde erneut erinnern wollte. Genervt trabte ich gesenkten Kopfes den Pfad entlang. Immerhin, die Regentropfen bringen etwas Farbe zurück in die Sphäre. Alles schimmert bunt.

Eine feuchte und gereizte halbe Stunde später zeichneten sich die Umrisse der Poststation zwischen den Bäumen ab. In meinen aus Langeweile geborenen Tagträumen war ich heroisch durch den Haupteingang geschritten. Begleitet von den Aufschreien meiner Feinde, mal furchterfüllt schrill, mal ehrfürchtig verzweifelt.

Nun saß ich zwischen den Büschen, das unheilvolle Gemäuer an den dunklen Nachthimmel geschmiegt. Der Hintereingang kommt mir deutlich gelegener vor.

Die Dorfbewohner auf Ferun hatten eine ergreifende Geschichte zu erzählen gewusst, wie ein mächtiger Diener Talburs die Quelle göttlicher Kraft verewigt hatte. Im damals noch dicht bewohnten Ral Kadur als Märtyrer geopfert, hatte er die Präsenz der Sphären manifestiert, aus der sich schließlich die Portale formten. Oder so ähnlich. Hab nicht genau zugehört.

Wie auch immer, die ehemalige Poststation sollte der Wohnsitz der Folger Zoiks sein. Hier hinten, nahe der gut erhaltenen Packstation, wollte ich mir Zutritt zum Hauptgebäude verschaffen.

Geschäftig sank ich in die Knie und schätzte die Entfernung ab. Gras und Farne, wenig Deckung. Mehrere Dutzend Herzschläge, schätzte ich. Bestimmt. Ungefähr.

Nach deutlich längerer Zeit auf allen Vieren hielt ich erschöpft inne, meine Arme geschunden und zerkratzt. Fallranken griffen nach mir und wollten sich festhaken. Der Boden stank nach kalter Erde, nasser Wiese und verfaulten Blättern. Ich roch an meinem Ärmel, rümpfte die Nase. Nicht nur der Boden.

Kurz streckte ich mich und schnaufte tief durch. Mit meinem Dolch kappte ich einige der hartnäckigen Ranken und sank erneut zu Boden, schlich weiter. An der niedrigen Mauer angekommen zog ich mich vorsichtig nach oben und lugte über den Rand. Im fahlen Mondlicht erkannte ich nicht viel, Bänke und ein paar Arbeitsgeräte standen umher. Turm und Haupthaus waren noch intakt.

Der Regen ließ glücklicherweise nach. Durch einen schmalen Riss in der Mauer glitt ich in den Innenhof. Der Schutt vieler vergangener Jahre war Beiseite geräumt, ein kleiner Stall neu errichtet, weiter hinten thronte eine Latrine.

Ham sich hier häuslich eingerichtet. Das große Postgebäude war doppelstöckig, bestimmt zwei Dutzend Meter freies Gelände lagen zwischen mir und der Hintertür.

Meine Nackenmuskeln angespannt rollte ich die Seiten meiner Zunge, überlegte, was alles schiefgehen konnte. Draußen war niemand, was hieß, alle befanden sich im Haus. Oder im Schuppen oder dem Stall. Vielleicht im Turm?

Unmöglich konnte ich die ganze Nacht hier warten. Also rein ins Haus. Vielleicht an der Häuserwand hochklettern, und gleich in den ersten Stock? Gefahr erwartete man für gewöhnlich vom Eingang aus. Der damalige Architekt hatte jedoch auf antike Hochfenster gesetzt, lang und schmal. Totschick, aber nicht mal ich kann mich da durchquetschen.

Blieb also einzig die Hoftür. Ein sehr offensichtlicher Eingang. War er durch Zauber geschützt? Hatten sie den Boden mit Zoiks Macht gesegnet? Ich wollte mir ein Herz fassen, doch meine Beine weigerten sich. Besser noch ein wenig warten.

Gründlicher als nötig befreite ich mein Bein von einer mitgerissenen Fallranke. Das Kriechen knapp über dem Boden, meine Muskeln sind noch ganz verspannt, mein Rücken schmerzt. Wohlbefinden stimmte zu, besser noch kurz ausruhen, schließlich ging es in den Kampf. Auch der kleinste Fehler konnte tödlich sein. Ratlos zupfte ich an meinen nassen Haaren.

Außerdem, was war mit den Mördern des Magiers? War es nicht einfach ein Tier gewesen, kamen sich vielleicht noch hierher. Sollen sie sich hier rein trauen. Und alle Fallen auslösen. Was mischen sie sich in meine Angelegenheiten? Kolanders Drecksarbeit zu machen ist meine Sache.

Sareas lautlose Stimme maulte in meinem Kopf, ich solle endlich hinnemachen. Instinktiv drehte ich meinen Kopf zur Seite, öffnete den Mund - und klappte ihn wieder zu.

Ich muss meine Schwester nicht um Beistand fragen. Die ist nicht da. Tief atmete ich ein, stieß die Luft wieder aus. Normal hätten wir uns jetzt gegenseitig angestachelt. Bis sich die erste traut, rein zu gehen. Um vor der andern nicht feige dazustehn. Vorbei, die Zeit. Die Zähne fest zusammengebissen wischte ich mir Regentropfen aus den Augen. Die Zeit kann wiederkommen, tröstete mich Sarea. Du musst nur deinen Arsch bewegen.

Langsam fuhr meine Hand über die nassen Kettenteile an meiner Hüfte. Löste den kleinen Haken meines Kendars. Beruhigend sank das vertraute Gewicht in meine Hand, glitt die dünne, leicht gebogene Klinge heraus. Heißes Blut rauschte in meinen Ohren, feuerte mich an. Die eingeritzten Linien aus Asche und Magie glühten auf meiner Haut. Mein Blickfeld verengte sich, die Kontraste der grau-beigen Nacht deutlicher denn zuvor. Meine Augen schimmerten, eines blau, das andere grün. Los geht's.

Immer noch vorsichtig, aber zielstrebig stahl ich mich voran. Die Hinterhoftür war nur angelehnt. Kurz verharrte ich, lauschte erwartungsvoll. Ein kurzer, schmaler Gang, kein Lebensfunke. Keine Wachrunen waren zu erkennen, keine Schutzzauber zu spüren. Bevor mich abermals der Tatendrang verließ, schritt ich durch den Spalt, Klinge zuvorderst.

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