POSTKARTENSOMMER

By livschreibt

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❝Den Ort, an den ich will, gibt es nicht.❞ ❝Dann musst du wohl die Reise so schön wie möglich machen.❞ Phoeni... More

WIDMUNG
VORWORT
POSTKARTE 1: Klingt nach einem Roadtrip
POSTKARTE 3: Hervorragende Schuhwahl
POSTKARTE 4: Toast zum Frühstück
POSTKARTE 5: Kirschkernspucken
POSTKARTE 6: Mit dem Herzen hören
POSTKARTE 7: Nette Worte
POSTKARTE 8: Gewitterwolkenworte
POSTKARTE 9: Selbstzweifel sind die besten Kunstfälscher
POSTKARTE 10: Bilderbuchmoment und Gutenachtgeschichte
POSTKARTE 11: Korallenriff
POSTKARTE 12: Rote Gummibärchen
POSTKARTE 13: Sommermüdigkeit
POSTKARTE 14: Der freie Platz auf der Picknickdecke
POSTKARTE 15: Eingeknickte Buchseiten
POSTKARTE 16: Zeitstillstand
POSTKARTE 17: Manchmal ist das Leben eine Postkarte
POSTKARTE 18: Geschichten schreiben
POSTKARTE 19: Den Ort, an den ich will, gibt es nicht
POSTKARTE 20: Gartenzaun und Luftballons
POSTKARTE 21: Wie Zuhause
POSTKARTE 22: Kanten abschleifen
POSTKARTE 23: Angeknabberte Fingernägel
POSTKARTE 24: Schlangenlinien
POSTKARTE 25: Radioknistern
POSTKARTE 26: Magnete
POSTKARTE 27: Postkarte voller Wahrheiten
POSTKARTE 28: Hochseile

POSTKARTE 2: Baby-Karotten, Sprühkäse und Freiheit

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By livschreibt

Bereits zwei Tage später sitze ich mit gepacktem Koffer auf den Stufen unserer Veranda und warte darauf, dass Yule mich abholen kommt.

Er hat es ernst gemeint, als er sagte, er wolle so bald wie möglich aufbrechen, und ich habe absolut nichts dagegen. Hier in Ashtown gibt es nichts zu tun - die Strassen sind leer und die ausgefallenen Namen der Starbucks-Getränke im Supermarkt das einzig interessante. Ich bin also heilfroh, endlich hier rauszukommen.

Yule ist spät dran und ich beginne aus Langeweile, den knallroten Nagellack, von dem mir meine Mom immer sagt, er würde sich mit meinem kupferroten Haar beissen, von den Nägeln zu kratzen.

Erst, als ich Motorengeräusche höre, blicke ich auf und sehe ein riesiges weisses Auto die von Bäumen gesäumte Strasse entlangfahren und vor unserer Einfahrt zum Stehen kommen.

Hinter den getönten Scheiben kann ich zwar nicht erkennen, ob es tatsächlich Yule ist, doch da hier so wenig los ist und ich den Wagen noch nie gesehen habe, nehme ich es einfach an.

Ich rapple mich auf und greife nach meinem extragrossen To-go-Becher, den ich mit koffeinfreiem Kaffee gefüllt habe, und zerre meinen Koffer die Treppe hinunter, um Yule entgegen zu gehen.

Er steigt aus und kommt um das grosse Auto herum, die Hände in die Taschen seiner Jeans geschoben. Er sieht nicht anders aus als an dem Abend vor zwei Tagen, an dem wir diesen Plan ausgeheckt haben - beziehungsweise an dem ich ihm meine Gesellschaft einfach aufgezwungen habe.

Sein dunkles Haar ist nach wie vor nachlässig gestylt, als wäre er sich lediglich einmal mit der Hand hindurchgefahren, und er trägt einen Hoodie, der für die milden Temperaturen genau perfekt ist.

»Guten Morgen!«, rufe ich überschwänglich und lasse meinen Koffer neben mir auf den Boden fallen, um Yule zur Begrüssung zu umarmen.

Ich schlinge meine Arme um ihn, doch er macht keine Anstalten, meine stürmische Begrüssung zu erwidern, sondern bleibt einfach stocksteif stehen. Ich grinse über seine Schulter hinweg vor mich hin.

Das kann ja was werden mit uns beiden.

»Morgen«, erwidert er und seine Stimme klingt müde, obwohl er nicht aussieht, als hätte er zu wenig geschlafen - zweifellos ist seine müde Stimme seinem fehlenden Optimismus geschuldet, doch das werde ich noch ändern. Unsere neugewonnene Freiheit ist viel zu schön, um sie nicht in vollen Zügen zu geniessen.

Es ist ein typischer Sommermorgen hier - das Sonnenlicht strahlt sanft auf die Strasse hinab und so langsam kommt Leben in die selbst um diese Uhrzeit noch verschlafene Strasse. Hin und wieder hört man das Lachen eines Kindes oder das Rascheln der leichten Brise in den Baumkronen. Vögel zwitschern. Aus der Ferne weht das Geräusch eines Rasenmähers herüber, doch ansonsten ist es ruhig und friedlich.

Eigentlich hätte man das Leben in Ashtown als idyllisch bezeichnen können. Und das ist es auch ohne Zweifel. Doch die Idylle bringt die Menschen dazu, auf ihrem Liegestuhl unter dem Kirschbaum liegen zu bleiben, statt aufzustehen und einen Blick über den Gartenzaun zu werfen, um zu sehen, was es dahinter sonst noch zu entdecken gibt.

Yule und ich sind nun in Begriff, nicht bloss über den Gartenzaun zu sehen, nein, wir klettern darüber.

»Ein grösseres Auto hast du nicht gefunden?«, frage ich, als ich von ihm ablasse, und deute auf den GMC hinter ihm.

»Sei dankbar, so hast du mehr Platz, sollte ich dich in den Kofferraum stecken, wenn du mich nervst.«

Ich verdrehe die Augen. »Deine gute Laune ist ansteckend.«

»Das hör ich oft.«

Obwohl sein Tonfall wie immer trocken ist, schafft er es immer wieder, mich mit seiner sarkastischen Art zum Lachen zu bringen. Es geschieht unabsichtlich. Er setzt es nicht darauf an, mich zum Lachen zu bringen. Und das ist etwas, das ich an ihm mag.

»Einen grösseren Koffer hast du nicht gefunden?«, fragt Yule schliesslich, indem er meinen Tonfall nachahmt und deutet auf den Überseekoffer zu meinen Füssen, der viel zu gross und mit Stickern aus allen möglichen Ländern beklebt ist.

Es war der einzige, den ich finden konnte und in dem alles Platz gefunden hat, und er gehört meiner Schwester Sedona.

Sie ist mein Vorbild, weil sie nach ihrem High-School-Abschluss auf Weltreise ging und entgegen aller Einwände unserer Eltern ihr Ding durchgezogen hat. Jetzt, mit zweiundzwanzig, leitet sie ein erfolgreiches Startup, das nachhaltige Kleidung produziert. Ich bewundere sie dafür, und ihren Koffer auf dieses Abenteuer mitzunehmen, scheint mir richtig.

Ich lasse mich nicht von Yules spöttischen Worten beirren und öffne den Kofferraum.

»Da ist nur das Nötigste drin«, sage ich über meine Schulter hinweg.

Das Nötigste (plus zehn zusätzliche Paar Socken - man kann ja nie wissen), bloss, dass sich mein Nötigstes eben nicht auf eine Hose und zwei Oberteile beschränkt, wie das bei Yule offensichtlich der Fall zu sein scheint. Er hat nämlich lediglich einen Rucksack in den Kofferraum gepackt.

»Verstehe«, sagt er langsam, aber nicht ganz überzeugt. »Siehst du, zum Glück haben wir einen grossen Kofferraum.«

»Halt das mal.« Ich reiche ihm meinen Kaffeebecher und hieve dann den Koffer in den Kofferraum, der zwar wirklich gross ist, doch einen erheblichen Anteil seines Platzes einbüsst durch meinen Koffer. Vielleicht sollte Yule sich nochmal überlegen, ob ich wirklich auch noch Platz darin finden würde.

🌲

Yule erlaubt mir, die Musik auszuwählen und ich bin erstaunt über dieses grosszügige Angebot. Ich hätte ihn so eingeschätzt, dass er einfach alles bestimmen würde, doch er scheint erstaunlich locker zu sein, was das betrifft.

Es erinnert mich daran, dass wir, obwohl ich beschlossen habe, mehr Zeit am Stück mit ihm zu verbringen, als ich es je mit einer meiner Freundinnen getan habe, uns eigentlich nicht kennen.

Ich weiss nichts über Yule. Ich weiss nicht, ob er schnarcht (eine sehr wichtige Information, da wir die Nächte im selben Raum verbringen werden). Ich weiss nicht, ob er miteinstimmt, wenn ich das Radio aufdrehe und anfange, mitzusingen (sofern man das, was ich tue, als singen bezeichnen kann). Und ich weiss auch nicht, wie er sein Frühstücksei isst.

Das alles sind äusserst wichtige Dinge, die man definitiv über einen Menschen wissen sollte. Ich setze mir die Dinge in Gedanken auf die Liste mit Fragen, die ich ihm noch stellen möchte.

Wir entscheiden uns dagegen, den Proviant im Supermarkt in Ashtown zu kaufen, sondern wollen erst aus der Stadt raus, bevor wir uns darum kümmern werden.

Supermärkte in anderen Ortschaften sind aufregender, obwohl sie im Prinzip genau gleich aufgebaut sind. Doch das Gefühl, auf einem Parkplatz aus dem Auto zu springen und von völlig fremden Leuten umgeben zu sein, die alle ihrem Alltag nachgehen, während man selbst alles als ein Abenteuer empfindet, macht viel mehr Spass, als wenn man alles schon kennt. Ausserdem sehen die genau gleichen Dinge an neuen Orten immer viel besser aus als in einer gewohnten Umgebung.

Keine Ahnung, ob Yule das auch so sieht oder ob er einfach keine Lust hat, seinen ehemaligen Mitschülern, die einen Sommerjob bei Safeway haben, zu begegnen.

»Yule?«, frage ich nach einer Weile, in der wir schweigend gefahren sind und mittlerweile den Stadtrand fast erreicht haben. Eine Tafel zeigt an, wie viele Meilen es noch bis Seattle sind.

Statt einer Antwort gibt er nur ein brummendes Geräusch von sich und dreht seinen Kopf dabei nicht in meine Richtung.

»Kann ich dich was fragen?«

»Du fragst doch sowieso, egal, was ich jetzt antworte, oder?«

Yule lernt schnell.

»Ja.« Ich grinse. »Sowas nennt man Konversation betreiben. Du hast noch nicht so viel Erfahrung darin, aber das ist okay«, sage ich grosszügig und Yule verzieht das Gesicht.

»Du dafür eine Menge. Ich werde mir in den nächsten Wochen einiges bei dir abschauen können, Phoenix.«

»Siehst du, wir ergänzen uns perfekt.«

Er schnaubt. »Mir wird auf jeden Fall nicht langweilig werden, das ist schon mal sicher.«

»Also, die Frage.«

»Ja.«

»Wenn du was Neues willst und dir das Leben in Ashtown zu langweilig ist... Warum gehst du dann nicht nach Seattle? Warum gehen wir nicht zuerst nach Seattle? Dort gäbe es bestimmt was Neues zu entdecken.«

»Seattle ist eine Stadt«, sagt er und zuckt mit einer Schulter, als wäre das die Antwort auf die Frage, die ich gestellt habe.

»Nur, weil es mehr Menschen gibt und alles viel lauter, schneller und hektischer ist als in einem kleinen Ort, ist es nichts Neues. Reizüberflutung. Das ist es.«

Ich lege den Kopf schräg und denke eine Weile über seine Worte nach. Ich bin erstaunt darüber, was für eine Sicht er auf die Dinge hat, obwohl es mich eigentlich mittlerweile nicht mehr überraschen sollte.

Jeder andere, den ich kenne, hätte zugestimmt, dass es in einer Stadt Neues zu entdecken gibt. Vor allem, wenn man aus einem Ort wie Ashtown kommt.

Und ich hätte genau das auch gesagt - viel mehr Möglichkeiten auf kleinstem Raum. Aber das, was Yule sagt, stimmt auf eine Weise auch. Irgendwie ist es eben doch dasselbe, auch wenn alles viel grösser ist und alles besser erscheint.

»Ich will was Sanftes«, sagt er langsam und sieht mir dabei einen winzigen Moment lang in die Augen. »Goldenes Licht, das zwischen den Bäumen des Waldes hindurchschimmert. Ich will leises Meeresrauschen. Ein Reh, das neben der verlassenen Strasse grast. Ich will Eis essen und dabei zusehen, wie die Sonne untergeht.«

Und während er diese Worte ausspricht, sehe ich die Poesie in seinen Augen. Sehe, wie sich der Gewitterwolkenblick verzieht und an seine Stelle etwas tritt, das glitzert wie das sanfte Licht im frischen Morgentau.

Meine Mundwinkel wandern nach oben bei der Schönheit seiner Worte, die etwas in mir hervorrufen, das ich diesen Sommer noch ganz oft spüren möchte.

»Schaukeln und die Pizza vom Vortag auf einem Rastplatz mitten im Nirgendwo essen«, sage ich und setze seinen Gedankengang fort. »Andenken und hässliche Magnete in einem viel zu teuren kleinen Laden kaufen. Mitten auf der Strasse stehen und sich keine Sorgen machen müssen, dass ein Auto kommt. Laut lachen und im Regen tanzen, ohne dass einen jemand kennt.«

Während ich spreche, breitet sich ein angenehmes Gefühl in mir aus. Es ist warm. Wie Sonnenstrahlen auf der Haut. Es ist das Gefühl von Sommer.

»Stundenlang Autofahren und dabei zusehen, wie sich die Umgebung immer wieder verändert.« Yules Stimme ist ruhiger geworden und ich weiss, dass er sich die Situationen gerade bildlich vorstellt. »Spontan eine andere Abzweigung nehmen und den schönsten Ort durch Zufall entdecken.«

»Wandern, obwohl ich wandern hasse, und es dann doch lieben, weil man die schönste Aussicht hat. Oder mit fremden Leuten reden und erfahren, wo es die besten Milchshakes im Ort gibt.«

»Siehst du - Seattle kommt dafür überhaupt nicht in Frage«, sagt Yule schliesslich. »Seattle ist regelrecht langweilig dagegen.«

Ich habe nichts einzuwenden. Seattle wäre tatsächlich langweilig, wenn man es so betrachtet - obwohl es für die meisten Leute aus unserer Stadt wie ein ferner Traum erscheint, einmal nach Seattle zu gehen. Trotz der kurzen Fahrzeit von knapp einer Stunde, sind die meisten noch nie da gewesen. Unsere Nachbarin Mrs Hobbs ist noch nicht einmal ausserhalb von Ashtown gewesen - und ist damit nicht die Einzige.

Ich lasse das Fenster herunter und strecke die Hand hinaus in die warme Sommerluft, drehe die Musik auf und beginne, mitzusingen. Laut und falsch und es ist mir egal. (Yule stimmt übrigens nicht mit ein - aber wen wundert das schon).

Genau so muss sich Freiheit anfühlen und nichts anderes ist diesen Sommer wichtig. Das ist der Plan, und anders als bei allen anderen Plänen, die ich bisher gemacht und nie länger als eine Woche verfolgt habe, bin ich bei diesem hier fest entschlossen, ihn durchzuziehen.

Pläne neigen dazu, eine gewisse Organisation zu erfordern. Dieser hier nicht. Und das ist der Grund, weshalb er so genial ist. Hier gibt es niemanden, der von mir erwartet, ihn durchzuziehen. Keine Fristen oder Kriterien, die es einzuhalten gilt. Das Einzige, was zählt, ist Spass zu haben, und ich bin mir sicher, davon werde ich eine Menge haben.

Der Fahrtwind wirbelt durch meine Haare und bläst mir die roten zerzausten Strähnen ins Gesicht und ich lächle unter ihnen, lehne mich in meinem Sitz zurück und geniesse die Fahrt.
So kann es beginnen.

🌲

Wenn ich Yule sagen würde, dass ich denke, dass das hier der beste Sommer meines Lebens ist, würde er mich vermutlich auslachen (obwohl ich mir nicht so recht sicher bin, ob er überhaupt im Stande ist, zu lachen). Er scheint irgendwie noch nicht so überzeugt von der Idee zu sein wie ich, trotzdem muss er ihr etwas abgewinnen können, andernfalls wäre er jetzt nicht hier, sondern wäre längst umgedreht oder hätte mich am Strassenrand abgesetzt.

Keins von beidem ist geschehen. Also schliesse ich daraus, dass er mich nicht ganz so unerträglich findet, wie er tut, und meinem überschwänglichen und enthusiastischen Geplapper etwas abgewinnen kann.

Und auch wenn Yule meine Meinung nicht teilen würde (noch nicht, auf jeden Fall) - ich bin mir sicher, dass das hier der beste Sommer meines Lebens wird. Und sei es nur, weil ich endlich all die Dinge im Supermarkt kaufen kann, die ich will, ohne dass meine Mutter mir über die Schulter sieht und die Baby-Karotten, die ich so gerne esse, als unnötigen Müll bezeichnet, oder mich darüber aufklärt, dass Sprühkäse kein richtiger Käse ist.

Also packe ich gleich beides in den Einkaufswagen, den Yule vor sich herschiebt, und lächle dabei glückselig vor mich hin.

»Sprühkäse ist kein richtiger Käse«, sagt Yule, während er meine fantastische Auswahl mit skeptischem Blick mustert.

So viel dazu.

Ich verdrehe die Augen und stupse ihm spielerisch gegen die Nase. »Robinson, du hast absolut keine Ahnung wovon du redest. Vertrau mir - Baby-Karotten und Sprühkäse sind das Beste, was dir auf einem Roadtrip passieren kann. Mit Ausnahme von M&M's vielleicht - die retten Leben. Kannst du eine Packung holen?«

»Dass du M&M's auf die Liste der Lebensretter gesetzt hast, rettet gerade dein Leben«, erwidert er und ist schon um die nächste Ecke verschwunden.

Während ich auf ihn warte, inspiziere ich die Kühlregale und komme zu dem Schluss, dass wir uns definitiv eine Kühlbox anschaffen müssen. Also unterbreite ich Yule diese Idee, kaum ist er zurück, und er scheint keine Einwände zu haben, weshalb die Kühlbox nur wenig später in unserem Wagen landet.

Wir werden zwar nicht gerade durchs Death Valley, wo im Juli bis 50 Grad herrschen, fahren, trotzdem sind kühle Getränke immer eine angenehme Sache - selbst in Washington, wo gerade angenehme 25 Grad herrschen. Dass es allerdings nicht die beste Idee ist, auch die Karotten in dem langsam schmelzenden Eis aufzubewahren, weil sie dann weich werden, ist mir zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst.

Zurück im Auto - nach nur einer halben Stunde Fahrt hat mich die Grösse des GMC Yukon XL überzeugt (es hat sich doch als sehr angenehm herausgestellt, so viel Beinfreiheit und einen so breiten Sitz zu haben) - öffne ich eine kühle Cola und drehe mich zu Yule.

»Willst du einen Schluck?«

Er nimmt die Flasche entgegen. »Danke.«

Mit dem »Schluck«, den ich ihm angeboten habe, leert er die halbe Flasche, doch als ich ihn darauf aufmerksam mache, zuckt er nur mit den Schultern und erinnert mich dabei an meinen Dad.

»Wo geht's zuerst hin?«, fragt Yule schliesslich und trommelt mit seinen Fingern auf dem Lenkrad herum.

Eine berechtigte Frage. Seattle liegt noch nicht einmal hinter uns, obwohl das definitiv der Fall sein sollte - nach unserer Unterhaltung heute morgen sind wir uns beide einig, dass von allen Stationen auf diesem Roadtrip Seattle keine davon sein soll. So langsam sollten wir uns wirklich für eine allgemeine Fahrtrichtung entscheiden, wenn wir heute Abend nicht im Auto schlafen wollen.

Trotzdem habe ich keine Lust, mich festzulegen.

»Ich weiss nicht«, sage ich langsam und lasse meinen Blick über die Berge schweifen, die am Ende des riesengrossen Parkplatz am Horizont aufragen. »Lass uns einfach nicht zu viel nachdenken, okay?«

Washington hat so viel zu bieten - Meer, Wälder und Berge -, uns wird bestimmt nicht langweilig werden, ganz egal, wo wir landen werden.

»Einverstanden. Absolut einverstanden.« Yule nickt.

»Ich hab' genug nachgedacht. Ich will mich einfach treiben lassen eine Weile. Musik, Essen, Bäume, Meer, Sonnenuntergang. Du. Das ist alles, was ich diesen Sommer sehen oder hören will.« Er hält kurz inne.

»Dich vielleicht ein bisschen weniger, aber damit muss ich jetzt wohl klarkommen in den nächsten Wochen.« In seine Augen tritt ein schelmisches Funkeln und ich verpasse ihm einen empörten Stoss in die Seite.

»Ich verbreite wenigstens gute Laune. Was man von dir nicht unbedingt behaupten kann.« Mit der Flasche deute ich auf ihn und ziehe eine Augenbraue nach oben.

›Optimistisch‹ oder ›fröhlich‹ gehören nicht gerade zu den Wörtern, mit denen ich Yule beschreiben würde, aber er ist... interessant. Und ich kann nicht behaupten, in schlechter Gesellschaft zu sein. Ich bin froh, ihn auf diesem Abenteuer bei mir zu haben.

»Trotzdem war das hier deine Idee.«

🌲

Uuuund der Roadtrip kann beginnen. Was meint ihr, wie werden Phoenix und Yule miteinander klar kommen? 🤭

Und ganz ehrlich Leute, wenn ihr je die Chance habt, Sprühkäse und Baby-Karotten zu kaufen... ZÖGERT NICHT! 😁 (nicht in der Kühlbox aufbewahren!). Das war's auch schon mit meinem Roadtrip-Ratgeber.

Danke fürs Lesen. ♥️

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