Kiss me in the Dark

By SolairesStories

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Seit Skyler eine Waise ist, versucht sie, alles in ihrem Leben in Dark Tree Hill unter Kontrolle zu haben, be... More

Epilog + Dark Tree Hill
New Guy in Town
Never Wodka with Wine
Fuck
The Calm Before the Storm
Safeword
The Hotel
Thank you for Nothing
The Beginning of the End
Losing my mind
Velvet Dreams
Sleep tight, Lullaby
Make a Wish
Thank you, Tess
Tell me maybe
Nemo and Dory
I miss you Two
What have I done?

Greys Anatomy Style

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By SolairesStories

Skyler


Ich habe verschlafen.

Ich schaue mich so langsam wie möglich zu dem Mann neben mir um.

Sein blondes Haar fällt ihm neckisch in die Stirn und seine vollen Lippen sind leicht geöffnet. Ihr sinnlicher Schwung erinnert mich an die Nacht, die wir miteinander verbracht haben und Wärme schießt durch meinen Körper.

Er sieht so unschuldig aus.

Etwas, das er sicherlich nicht ist.

Ich sollte dringend hier verschwinden, bevor er aufwacht.

Ich wackle mit den Füßen, bis ich die Decke abgeschüttelt habe und mit den Zehen den kalten Steinboden berühre. Die Sonne scheint warm auf meine kalten Füße und wirft pflanzenförmige Schatten auf mein Bett, weil es schon fast Mittag ist. Jason schläft immer so lange wie möglich. Wenn meine Eltern in ihrem Geld baden könnten, würde ich es vermutlich auch nicht anders machen. Ich hingegen muss leider aufstehen, um meine Schicht im Makao anzutreten. Wunderbar.

"Die heißeste Sushi Bar der Stadt". Wie wahr. Es ist heiß, laut und ein Mix aus Sushi Bar und Diskothek.

Die besten Konditionen um die Ellbogen auszufahren und alle Kurven außer Reichweite zu bringen.

Aber es ist ja nicht so als hätte ich viele Alternativen.

Wenn ich nicht so eine Versagerin wäre, hätte ich studiert, so wie meine Eltern es sich gewünscht haben und würde jetzt als Assistenzärztin in einem naheliegenden Krankenhaus voluntieren.

Blöd gelaufen.

Ich halte die Luft an und versuche mich leise davon zu schleichen. Dabei schnappe ich mir schnell ein leichtes Seidentop und meine High Waist Jeans vom Stuhl. Genau jener epische Stuhl, auf dem sich die Kleidung des gesamten Hauses zu stapeln scheint. Man kennt diesen Stuhl. Wir alle haben ihn.

"So willst du doch nicht raus gehen oder?". Seine leise Stimme ertönt vom Bett. Also ist er doch wach.

Ein kalter Schauer wandert über meinen Rücken, weil ich genau weiß, wie diese Unterhaltung enden wird. Und ich habe absolut keine Zeit für eine stundenlange Diskussion über meinen Ausschnitt oder meine Schenkel. Ich bin sowieso schon viel zu spät dran.

"Natürlich nicht, du Dummie.", antworte ich und ziehe mir schnell ein Sweatshirt über das süße spitzenbesetzte Top, als ob es draußen nicht fast dreißig Grad wären. Und das mitten im Herbst. Nun ist jeder verräterische Fleck meiner Haut bedeckt. Gott sei Dank.

„Ich meine es Ernst, Baby. Niemand soll diesen Anblick genießen außer mir. Du weißt, was ich davon halte.", nuschelt er ins Kissen und linst aus halb geschlossenen Augen zu mir herüber. Ich kämpfe dagegen an ihm eine schnippische Antwort zu geben, dass ich nicht sein Eigentum bin, aber ich verliere den inneren Kampf gegen meine Vernunft.

"Bist du jetzt glücklich?", frage ich und verdrehe dabei die Augen.

„Ich wäre noch glücklicher, wenn du zurück ins Bett kommen würdest.", flüstert er dunkel und seine Hände wandern unter die Bettdecke. Ich kann ihn nicht ausstehen, wenn er sich so benimmt.

"Keine Zeit, sorry." Ich täusche ein entschuldigendes Lächeln vor und werfe ihm einen Luftkuss zu. Er schließt die Augen wieder und ich quetsche mich durch den Spalt in der Tür. Hastig eile ich die lange Treppe des Autumn Hauses hinab und versuche mich in die Küche zu schleichen.

"Ich hasse diese kleine Arschgeige."

Ich höre die rauchige Stimme meiner Grandma, bevor ich sie überhaupt sehen kann. Ich schließe kurz die Augen und bete die Götter an mir Geduld zu schenken. Sie macht aus ihrer Abneigung Jason gegenüber keinen Hehl. Ich weiß nicht einmal weshalb. Er ist immer höflich. Er bringt ihr Blumen, er kocht für uns, er hilft wo er nur kann und trotzdem hat sie nicht mehr als ein kurzes Nicken für ihn übrig, wenn überhaupt.

Sie scheint etwas zu wissen, was ich nicht weiß.

Und ihre Ohren haben eigene Ohren. Kleine süße Ohren, die durch die Flure laufen und versuchen unsere Geheimnisse aufzudecken, darauf wette ich. Sie belauscht uns immer. Jeden in diesem verdammten Haus. Sie ist die allwissende Göttin von ganz Dark Tree Hill.

Deshalb bekommt sie aber auch jede unserer Auseinandersetzungen mit. Jede davon ist in den Augen meiner Grandma eine zu viel. Wenigstens eine Sache, wo wir einer Meinung sind.

"Ich weiß Oma.", seufze ich.

„Wie oft muss ich dir noch erklären, dass du nicht dieses furchtbare Wort benutzen sollst?", fragt sie mich mit einem seichten Lächeln in ihrem ebenmäßigen Gesicht und hält mir eine Tasse Kaffee hin. Sie trägt einen jadegrünen Seiden-Morgenmantel und ihre Lippen sind bereits rot geschminkt. Vielleicht erwartet sie jemanden. Es wäre nicht das erste Mal. Sie sieht mit ihren Anfang siebzig einfach großartig aus. Ich hoffe wirklich, dass ich genügend von ihren Genen abbekommen habe, denn jeder würde gerne wie sie aussehen, wenn er alt wird.

"Archer, deine Eier werden kalt!", schreit Grandma durchs gesamte Haus. Ich denke der Rest der Bagage wird spätestens jetzt aufstehen. Es ist an der Zeit für mich zu flüchten.

"Ich wette, genau das ist gestern auch passiert." Meine Schwester betritt die Küche mit einem fetten Grinsen auf den Lippen, das ihr ganzes Gesicht zum Leuchten bringt. In einer Hand hält sie wie immer irgendeinen schweren Schinken, in den sie sogar während des Laufens ihre Nase steckt. Sie schnappt sich Archers Eier und schiebt sie auf seinen Lieblingsteller. Sie stibitzt sich einen Bissen und schließt genüsslich die Augen, um Grandmas kulinarischen Künste zu genießen. Bei Grandma zu leben fühlt sich an, wie in einem riesigen Bed & Breakfast zu wohnen. Das gesamte Jahr über, mit allen Vorzügen und Nachteilen. Es ist der Himmel auf Erden, aber mit viel mehr Essen und ohne die Jungfrauen.

„Was hat er angestellt?", frage ich grinsend.

„Vor der gesammelten Mannschaft eine Wetter verloren.", erwidert Zara mit zuckenden Mundwinkeln.

Sie schaut dabei nicht einmal von ihrem Lehrbuch auf.

"Ich sterbe..." Archers Stimme klingt wie die eines Zombies und er sieht auch nicht viel besser aus als einer. Sein Afro steht zu allen Seiten ab und seine Haut ist viel zu blass für seinen normalerweise dunklen Teint. Er sieht aus als wäre er schon mindestens einmal gestorben.

"Männergrippe?", frage ich grinsend.

"Tequila", antwortet meine Schwester für ihn und grinst dabei diebisch. Diese kleine Hexe. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie ihn selbst so abgefüllt hat, nur um ihn zu quälen. Er lässt sich in seinem Stuhl zusammenfallen und schaufelt sich die Eier in den Mund. Währenddessen krault meine Schwester liebevoll seinen Nacken und trinkt ohne mit der Wimper zu zucken meinen Kaffee.

Das Sonnenlicht spiegelt sich auf ihrer goldenen Hand und sie lässt sie leuchten. Sie sieht so glücklich und zufrieden aus, als sie sich zurücklehnt und das Gesicht der Sonne entgegenstreckt. Neben ihr sieht Archer aus wie der wandelnde Tod.

„Was ist gestern passiert?", fragt Archer gequält und schließt die Augen.

„Du hast deinen nackten Hintern aus dem Uber gestreckt, geschrien du seist der Herrscher der Welt und hast danach das ganze Bad voll gekotzt.", bemerkt Zara trocken und nippt an meinem Kaffee.

An meinem Kaffee.

„Noch einen Schluck und ich bin gezwungen dich zu ermorden, Zara.", knurre ich und schnappe ihr die Tasse aus der Hand.

„Hier trink das, danach wirst du dich besser fühlen, Darling.", sagt Grandma und stellt ein kleines Glas mit klarer Flüssigkeit vor Archer ab. Sie kneift ihm liebevoll in die Wange und lächelt. Er stürzt dankbar die Hälfte des Glases in einem Zug herunter, bevor er seine Augen weit aufreißt und sich panisch eine Hand vor den Mund hält.

"Was zur Hölle ist das?" Dann rennt er los.

"Er wird das in Zukunft wohl nicht mehr tun oder?", fragt Grandma, immer noch lächelnd.

"Was hast du da rein getan?", schreit Zara giggelnd. Die Erziehungsmaßnahmen meiner Grandma sind legendär, und man kann immer wieder froh sein, wenn man gerade nicht das Ziel von ihnen ist.

„Tequila", antwortet Grandma trocken und wir können nicht aufhören zu prusten. Sie ist der Teufel.

Wir haben immer noch Tränen in den Augen als Archer zurückkommt und ziemlich grün um die Nase herum aussieht.

„Ich hasse dich.", hustet er in Grandmas Richtung.

„Du liebst mich, Darling.", singt sie. Archer lässt seinen Kopf in den Schoss meiner Grandma fallen und stöhnt. Sie streicht ihm liebevoll das Haar aus der Stirn und kneift ihm in die Wange.

"Tue ich."

Zara kippelt mit dem Stuhl nach hinten und nimmt sich einen Löffel und das Nutella von der Arbeitsplatte. Dann klettert sie vom Stuhl auf die Marmorplatte, die meine Grandma so liebt und schwingt ihre Beine hin und her. Während sie spricht schaufelt sie sich mehrere Löffel Nutella in den Mund.

"Kommst du heute auch zu Darcy's Party?", fragt sie zwischen zwei Löffeln.

Ich schüttle den Kopf.

"Ich bleibe lieber hier. Jason trifft sich mit den Jungs und wir wollen uns vorher noch kurz sehen.

Ich weiß nicht, wann wir es zeitlich die nächsten Wochen schaffen werden uns zu treffen. Er hat auf der Arbeit viel zu tun."

"Arbeitet er nicht bei seinen Eltern?", nuschelt Archer, den ich für tot gehalten habe, in seinen eigenen Arm, den er über seine Augen gelegt hat.

„ Wenn du damit meinst, dass er faul auf seinem Arsch herum sitzt und Daddies Geld ausgibt, dann hast du Recht.", wirft Zara, unbeeindruckt von meinem Todesblick, ein.

„Du bist doch nur neidisch.", werfe ich in ihre Richtung ein. Sie lacht.

„Auf was? Auf sein Arschgesicht oder darauf, dass er für den goldenen Stock in seinem Arsch noch nie einen Finger krümmen musste?", antwortet sie. "Ich habe meinen goldenen Ritter bereits gefunden."

"Danke Babe.", seufzt Archer und reibt ihre Hand. Ich bin so genervt davon Jason immer vor meiner Familie verteidigen zu müssen. Warum können sie nicht einfach glücklich für mich sein?

Immer wieder behaupten sie, sie wollen nur dass ich glücklich bin. Aber was wenn Jason mich glücklich macht? Warum können sie das nicht einfach akzeptieren?

Als Zara das Glänzen in meinen Augen sieht, weiß sie, dass sie zu weit gegangen ist.

"Skyl..."

„Are we ready to rumble?", brüllt eine neue Stimme durch die Küche. Dieses Haus ist eine Irrenanstalt.

Mein Kopf dreht sich so schnell herum, wie während eines gut ausgeführten Exorzismus und schaut gleich darauf in Codys' verboten glückliches Gesicht.

"Komm einfach.", seufze ich und ziehe ihn von meiner wahnsinnig gewordenen Familie weg.

"Bereit für die Arbeit?.", fragt er und wirft mir seinen Arm über die Schulter, als wir gerade an der riesigen Monstera in der Eingangshalle vorbeilaufen. Habe ich schon erwähnt, dass bei meiner Grandma zu leben sich anfühlt, wie dauerhaft in einem Bed & Breakfast zu wohnen? Vielleicht habe ich dabei vergessen zu erwähnen, dass das auch bedeutet, dass sie Streuner sammelt. Wie Cody hier.

Seine Eltern sind Believers. Nicht wie die Justin Bieber Fans, sondern eher wie diese verrückten christlichen Menschen, die es nicht ertragen können, wenn ihr Kind anders ist. Nun ja, schwul zu sein ist weitaus mehr, als nur einfach anders zu sein. Es ist als würde man der leibhaftige Teufel werden, wenn man sie fragt. Als meine Grandma gehört hat, dass mein Arbeitskollege jetzt ein Aussätziger ist, hat sie seinen Eltern sofort einen langen Brief geschrieben und ihm eines der leeren Zimmer in unserem Haus angeboten.

Nun muss ich Codys Sex Eskapaden regelmäßig live miterleben und verbringe ungewollt Tag und Nacht mit meinem Arbeitskollegen. Manche würden denken, dass es eine Bürde ist, aber dieser Mann ist alles wofür ich lebe. Er ist humorvoll, hat die freundlichste Seele und natürlich die witzigsten Party Geschichten. Wenn es da draußen eine Person gibt, dessen Leben nie langweilig wird, dann ist es Cody.

Ohne Grandma hätte er vermutlich nie den Mut aufgebracht zu studieren und sich offen zu seiner Sexualität zu bekennen.

Draußen schlägt uns frische Herbstluft entgegen und ich schließe kurz die Augen und atme tief ein. Dann folge ich Cody die Kiesauffahrt hinab, vorbei an den wilden Brombeersträuchern, um denselben Weg wie jeden Tag zur Arbeit zu gehen. Er dreht sich zu mir um und grinst, streckt die Hand aus und ich beschleunige meine Schritte und nehme sie.

Ein neuer Tag.

Eine neue Chance.

„Schnell, schließ die Tür hinter dir ab!", rufe ich Cody panisch zu, als die letzten Gäste soeben torkelnd den Laden verlassen haben. Cody hechtet vor und dreht den Schlüssel um.

„Geschafft." Er wischt sich imaginären Schweiß von der Stirn. Ihn scheinen die Schichten nie so auszulaugen wie mich.

Für mich war die Schicht hart, stressig und superlaut. Ich musste mehrere grabschende Hände zur Seite schieben und über den Küchen Counter schreien. Zweimal, weil der Tisch sein "Sushi sofort haben möchte oder wir werden eine schlechte Rezension verfassen." und mindestens hundert Mal weil mein Chef sich nicht einmal die Mühe gemacht hat zur Arbeit zu kommen. Also haben all die verwirrten Jungs immer wieder nur mich angeschaut, um das Chaos zu regeln und ihnen ihr Trinkgeld am Ende der Schicht auszuzahlen. Als die meisten von ihnen endlich mit ihrer Arbeit fertig sind und das Makao verlassen, dreht Cody die Lautstärke der Musik noch einmal auf und wir beginnen mit unserem täglichen Ritual. Singen und tanzen wie die Verrückten, obwohl wir nichtmal dann einen Ton treffen würden, wenn unser Leben davon abhinge. Der Einzige der noch mit uns in der Küche steht ist Bill und der ist unsere Verrücktheiten mittlerweile gewöhnt. Er wischt den Küchen Counter ab und grinst in seinen vollen Bart hinein, während er uns dabei beobachtet, wie wir uns die Anspannung des Tages aus den Beinen tanzen. Ich weiß gar nicht, wann das angefangen hat. Nicht das tanzen. Das machen wir seit wir uns kennen. Sondern, dass ich immer die Kontrolle über die Situation an mich reiße, wenn alle anderen herum rennen wie kopflose Hennen. Ich kann das Gefühl einfach nicht ertragen, nicht alles unter Kontrolle zu haben. Nicht zu wissen was in den nächsten paar Stunden passieren wird. Und so endete ich als inoffizieller Vize-Boss des Makao. Was bedeutet, dass ich jeden einzelnen Tag der Woche hier verbringen muss. Jeden Tag, auch Samstagabends. Auf Wiedersehen soziales Leben und Party Freunde. Hallo gestresste Mutter von 15 Jungs, inmitten eines chaotischen Restaurants.

"Was ist los, Skyler?", fragt Cody über die Musik hinweg, aber ich schüttle bloß mahnend meinen Kopf und lache über seinen Gesichtsausdruck und das übrig gebliebene Sushi, welches er auf seinem Kopf balanciert. Er nimmt es herunter und steckt eines in seinen Mund. Er schließt die Augen vor Genuss und wiegt sich im Takt der Musik.

"Entspann dich mal, Sky."

„Ich bin die Entspannung in Person.", murre ich.

„Du wüsstest nichtmal wie das Wort geschrieben wird, wenn du es im Duden suchen müsstest.", erwidert Cody grinsend. Er kennt mich von allen Menschen auf der Welt am Besten.

Er legt seine Arme von hinten auf meine Schultern und reibt seine Hüfte an meinem Po, immer noch zum Rhythmus der Musik tanzend.

„Hast du vergessen, dass du schwul bist?", fragt Bill trocken lächelnd und Cody antwortet:

"Mit Skyler um mich herum vergesse ich die ganze Welt. Männer inklusive."

Er zwinkert mir zu und macht Kuss und Stöhn Geräusche, bei denen sogar ich rot werde.

Ich lache leise und schiebe seine Hände schmunzelnd von meinen Hüften.

Ein Schauer läuft meinen Rücken herunter und ich schaue auf.

Jason steht in der Tür zur Küche und schaut uns an. Seine Augenbrauen sind amüsiert in die Höhe gezogen, aber irgendetwas Düsteres funkelt in seinen Augen auf.

"Hey Mann." Cody winkt ihm zu und bringt die letzten Putzsachen raus in den Hauptraum. Es ist noch eine frühe Nacht. Erst halb Eins. Alles in mir spannt sich an, als ich in Jasons dunkle Augen schaue. Sie ruhen ganz allein auf mir. Doch anstatt eine Szene zu machen, wie ich es erwartet habe, zieht er mich in einen langen Kuss und flüstert mir ins Ohr "Ich habe dich vermisst."

Die Anspannung in meinen Schultern löst sich augenblicklich und ich lächle ihn an.

„Ich habe dich auch vermisst, Süßer. Was machst du hier?"

„Ich wollte dich sehen." Sein Atem kitzelt an meinem Ohr und ich rubble lachend darüber.

„Seid ihr bereit zu gehen?"

„Ich dachte du gehst heute mit den Jungs aus?"

„Gehe ich auch. Aber zuerst wollte ich dafür sorgen, dass du sicher nach Hause kommst.", murmelt er und mein Herz setzt einen Sprung aus. Ich weiß nicht, womit ich diesen Mann verdient habe. Er ist wirklich alles. Der Mond, die Sonne, mein Atem und mein Herz. Ich schiebe meine Finger in sein weiches Haar und ziehe ihn zu mit herunter, presse meine Lippen auf seine und genieße den Geschmack von Pfefferminz und Sandelholz. Seine Lippen treffen zärtlich auf meine und er summt leise, während seine Hände meine Hüfte streicheln. Ich öffne meine Augen, während ich ihn küsse, beobachte ihn dabei, wie er sich in mir verliert und ich bin so dankbar für das Leben das ich habe. Dankbar ihn zu haben,

Er löst die Umarmung und erwischt mich dabei, wie ich ihn beobachte. Er grinst.

"Lass uns nach Hause gehen."

"Bist du so weit Cody?", rufe ich und zehn Sekunden später steht dieser wieder in der Küche und salutiert mir. Bill wirft seine Schürze ebenfalls in die Ecke. Wir löschen die Lichter und wünschen Bill eine Gute Nacht. Jason hat direkt vor dem Club geparkt und bringt uns heim.

Er hält vor der großen alten Villa meiner Grandma, bis Cody hineingegangen ist. Die Lichter im Haus brennen noch. Sie scheinen durch die Efeuranken vor den Fenstern wie Feenlichter.

"Bleibst du heute zu Hause?", fragt Jason und streichelt meine Fingerknöchel. Ich nicke und lasse meinen Kopf auf seine Schulter fallen. Atme seinen unvergleichlichen Duft ein und entspanne mich das erste Mal an diesem Tag.

"Wann trefft ihr euch?"

Er schüttelt sein Handgelenk, um auf die Uhr zu schauen.

„Vor zwei Stunden.", antwortet er ernst und ich muss lachen. Dieser Typ ist einfach unglaublich.

„Dann sieh zu, dass du verschwindest, damit ich dich nicht bewusstlos nach Hause schleifen muss, weil sie dich verprügelt haben."

Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und startet das Auto.

"Trink nicht zu viel.", rufe ich über den Motor hinweg und öffne meine Tür.

„Niemals.", schreit er zurück und fährt dann mit quietschenden Reifen davon.

Ich setze mich auf die Stufen der Villa und schaue in den Nachthimmel hinauf. Ich bin müde und erschöpft, aber glücklich. Ich habe eine lange Zeit gedacht, dass ich nie wieder glücklich sein würde.

Meine Eltern starben, als ich vierzehn war. Das war vor 10 Jahren. Ich habe keines meiner Ziele erreicht, die ich mir nach ihrem Tod versprach. Ich wollte Medizin oder Psychologie studieren, als ich kleiner war, so wie meine Eltern. Sie haben beide in einem lokalen Krankenhaus gearbeitet als Psychologin und Psychotherapeut. Sie wollten den Menschen helfen, das Leben klarer zu sehen. Aber das hat niemanden interessiert, schon gar nicht den Selbstmordattentäter der in dem Jahr das Krankenhaus Greys-Anatomy-Staffelfinale-ähnlich überfallen hat. Meine Mum hat sich vor ein Krebskrankes Kind geworfen, um es zu schützen, während mein Dad versucht hat, sie vor der Kugel zu schützen. Keiner von ihnen hat noch länger als zehn Minuten gelebt.

Im Fernsehen wird immer so getan, als können man jemanden noch retten, der eine Kugel in den Kopf oder die Brust bekommen hat. Lasst mich euch ein Geheimnis verraten: kann man nicht. Ihr könntet den Selbstmordattentäter fragen, wenn er nicht selbst von einem mutigen Security Angestellten mit zwei kleinen Kindern erschossen worden wäre. Dieser Tag klingt noch heute wie eine schlechte Folge einer dramatischen Serie für mich. Als ob jemand dieses absolut überdramatische und schreckliche Szenario einfach aus ihrer kranken Fantasie heraus geschrieben hätte. Aber es war keine Greys Anatomie Episode oder ein Thriller. Das war mein Leben. Und da stand ich nun damals. Ein vierzehnjähriges Mädchen ohne Eltern, aber mit einer sehr lebendigen Großmutter, die nicht einmal wusste, wie sie die Wut in mir kontrollieren sollte, geschweige denn mein Leben.

Vielleicht kommt aus dieser Zeit meine Kontrollsucht. Meine Eltern könnten es mir bestimmt erklären, wenn sie hier wären. Ich bin die letzten zehn Jahre einfach vor mich hingedriftet. Habe nur genommen, was das Leben mir geboten hat, ohne eigene Träume oder Wünsche zu haben. Die sind mit meinen Eltern vor zehn Jahren gestorben und nie zurück gekommen. Denn wenn man nichts vom Leben erwartet, kann es einen auch nicht enttäuschen. Ich fühle mich taub. Die meiste Zeit habe ich nicht einmal richtig Spaß. Aber diese Taubheit ist friedvoll. Es hat mich damals gerettet und hält mich auch heute noch zusammen.

Das würde die Therapeutin, die sich an mir die Zähne ausgebissen hat vermutlich ebenfalls anders sehen.

Ich schaue ein letztes Mal hinauf in den Nachthimmel, seufze leise und betrete mein Zuhause. Das Foyer ist immer noch hell erleuchtet und ich kann meine Grandma mit mehreren Leuten in der großen Küche hören. Ich werfe meine Tasche auf die große Kommode im Foyer und steige schnell die alten Treppen zu meinem Zimmer hinauf. Von hier aus kann ich die Sterne durch eine riesige Fensterfront, sehen, die sich über eine gesamte Wand erstreckt. Meine Grandma hat sie für mich machen lassen, als ich mich ins Malen verliebt habe und nichts Anderes mir half, außer die Sterne zu beobachten. Mehrere Handwerker haben Wochenlang daran gearbeitet die Wand sicher herauszunehmen und die alten Fenster einzubauen, die sie von einem anderen Haus abkaufte, bevor es platt gemacht wurde.

Ich ziehe den Papierkram, den ich von der Arbeit mitgebracht habe aus meiner Tasche und verteile sie auf dem Boden. Dann mache ich mich an die Arbeit. Ich würde viel lieber meinen Skizzenblock hervor holen. Aber wenn ich meine Zeit jetzt mit zeichnen vertrödle bekommen die Jungs diesen Monat kein Gehalt.

"Bist du partybereit?" Zara betritt mein Zimmer kaum Zehn Minuten später, ohne zu Klopfen und ihre Augen fliegen über die ganzen Papiere, die ich zu ordnen versuche. Ich sitze auf meinem weißen flauschigen Teppich, umgeben von Kissen, dass Haar in einem riesigen Knoten auf meinem Kopf aufgetürmt.

"Sehe ich fertig aus?", frage ich scharf. Ich habe ihr noch nicht für heute morgen vergeben.

Sie trägt ein kurzes goldenes Kleid, welches jede ihrer wunderschönen ausladenden Kurven betont. Ihre Riemchen High Heels könnten mir gehören, meine ich mich zu erinnern und ihre goldene Haut glänzt im Mondschein. Ihre schwarzen Locken hat sie zu einem hohen Afro aufgetürmt und sie sieht dabei umwerfend aus, ohne sich überhaupt großartig Mühe gemacht zu haben.

"Es ist Samstagabend und du sitzt hier, wie genau die Oma, die du später sein wirst, wenn du deinen Arsch nicht bald hoch bekommst. Nicht einmal Grandma ist so langweilig wie du."

"Danke. Solltet ihr nicht längst weg sein?", antworte ich freundlich und garniert mit einer dicken Portion Sarkasmus.

„Du brauchst mir nicht zu danken. Vielleicht sollte ich Grandma lieber fragen, ob sie mit mir zu der Party geht. Oder du kriegst endlich deinen Arsch hoch und ziehst Sachen an, die du nicht von der Caritas gestohlen hast." Zara zerrt meine Klamotten aus meinem offenen Kleiderschrank und lässt sie auf den Boden fallen. Manchmal fühlt es sich eher wie ein Fluch an eine Schwester zu haben, nicht wie ein Segen. Aber so fühlt Geschwisterliebe sich vermutlich immer an. Man kann nicht mit, aber auch nicht ohne einander.

„Nope, nope, noppen nopedy, oh hell no...", murmelt sie währenddessen.

Ich lege mich auf den Teppich und beobachte sie.

"Warum willst du unbedingt, dass ich mit zu Darcy komme? Du hast doch den perfekten Archer bei dir."

„Ach komm Skyler, sei leise. Seitdem du mit Jason zusammen bist, kann ich an einer Hand abzählen, wie oft du mit uns ausgegangen bist. Du lebst wie eine Mumie."

"Ich hasse Darcy."

„Ist mir egal. Zieh das hier an und sei in fünf Minuten fertig."

Ich fühle mich wie ein Welpe, als Zara mich die Stufen hinab schleift, wo Cody meine Grandma anschreit "Trink, trink, trink!" und diese ein Glas mit, es sieht aus wie Chardonnay, herunter stürzt. Ich verdrehe die Augen. Wann wird sie endlich erwachsen werden?

Manchmal frage ich mich, wie sie es überhaupt geschafft haben kann meine Mum - und danach noch mich und Zara großzuziehen ohne dass einer von uns auf die schiefe Bahn geraten ist. Denn wenn wir mal ehrlich sind verhält sie sich nicht wie die meisten Grandmas auf dieser Erde.

Meistens liebe ich sie dafür. Sie ist mehr wie eine beste Freundin als wie eine Erziehungsberechtigte für uns gewesen. Aber manchmal wünsche ich mir auch eine richtige Grandma. Die mir Kekse backt, mir einen kratzigen Pullover strickt und mir sagt ich solle mich von den Männern Fernhalten, weil die nur Ärger bedeuten.

Mehrere von Archers und Codys Freunden sitzen an unserem riesigen Küchentisch. Die normalerweise wie aus einem Interieur-Magazin entsprungen aussehende Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld. Überall steht Alkohol und Grandma ist mittendrin. Wie hat sie es überhaupt geschafft Zara und mich hier großzuziehen?

"Oh Gott Skyler, du siehst unglaublich aus!" April, ein weiterer Streuner, ist schon ein wenig betrunken. Ihre Augen sind glasig und als sie mich anschaut klatscht sie die Hände ineinander. Ich gestehe, ich mag sie lieber, wenn sie betrunken ist. Dann ist sie weniger feindselig. April ist... ich würde es speziell nennen und wir kommen nicht immer alle so gut mit ihr zurecht. Aber sie ist trotzdem ein Teil unserer Familie.

„Ich sehe aus wie eine verzauberte Disney Prinzessin.", murmle ich.

„Du siehst aus wie eine verdammt bezaubernde Disney Prinzessin!", meint Matt, einer von Archers Freunden, todernst.

„Pack deinen Charme wieder ein, sie ist schon vergeben, erinnerst du dich noch?" April hält Matt den Mund zu und grinst mich an.

„Das hält mich nicht davon ab sie heiß zu finden.", nuschelt Matt, was ihm einen bösen Blick von Zara einbringt.

Ich trage grüne High Heels mit einem dicken Plateau von Zara, da sie meine einzigen High Heels trägt und ein graues, fließendes Seidenkleid, welches kurz über meinen Knien endet. Mein Haar fällt in unperfekten Locken auf meinen Rücken hinab, nachdem sie Stunden in einem Dutt verbracht haben. Zara hat mir einiges an Make-up ins Gesicht geschmiert, damit ich so aussehe, als würde ich kein Make-up tragen.

Es ist völlig verrückt.

Jemand hupt draußen.

"Das ist das Uber.", schreit Zara und die wilde Horde macht sich auf aus dem Haus zu stürmen.

„Tschüss Grandma." Ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange.

„Tu nichts, was ich nicht auch tun würde."

„Das ist ein Witz oder? Was gibt es denn, was du nicht tun würdest?", frage ich sie grinsend.

„Halt den Mund und hab Spaß, du kleines Monster.", seufzt sie und wirft mir einen Kuss zu.

Ich winke ihr zu und folge den anderen.

Ich kann sie "nichts." flüstern hören und ein breites Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht.

Der Club ist voll. Ich meine unüblich voll für Dark Tree Hill. Überall drängen sich Körper aneinander auf der Suche nach einer heißen Nacht, Wärme oder einfach dem kurzweiligen Vergessen und ich muss mich durch die Menge quetschen, um zu unserem üblichen Tisch zu kommen, den unser Freund alias Barkeeper Ben immer für uns reserviert. Genauso wie er es früher immer getan hat, als ich noch viel und oft mit Zara gefeiert habe. Die guten alten Zeiten. Auf dem Weg gratuliere ich Darcy brav zum Geburtstag, die glücklicherweise zu betrunken ist, um mich wieder zu erkennen.

"Will jemand Tequila?", fragt Ben über die laute Musik und mehrere Hände fliegen in die Höhe. Meine ebenfalls.

„Braucht man Luft zum atmen?", fragt Cody und stürzt den ersten Shot herunter. Die hölzerne Bar ist direkt hinter unserer Lounge und gibt uns so Zugriff auf die besten Getränke und das den ganzen Abend lang. Ich denke das ist der Grund, warum wir uns in der Vergangenheit an einige Abende hier nicht mehr erinnern können. Ich lächle bei dem Gedanken und stürze meinen Tequila herunter. Ben unterstützt uns dabei mit einem lauten "Cheers" wie ein Cheerleader.

Zara hebt ihr Glas und wirft Archer einen Kuss zu. Er zieht sie mit sich auf die Tanzfläche und sie folgt ihm lachend. Ich schaue den beiden nach, die immer glücklich sind, immer erfüllt von Liebe zueinander. Man sieht sie kaum jemals getrennt und dennoch bekommen sie nie genug voneinander. Ich bin ein wenig neidisch, aber das Gefühl verschwindet schnell, weil sie zwei der wichtigsten Personen in meinem Leben sind. Sie haben es verdient so glücklich zu sein.

Aber das hast du auch - wispert eine Stimme in meinem Inneren.

Aber das bin ich doch. Oder?

Archer wiegt Zara sanft im Takt der Musik, flüstert ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie lachen muss und gibt ihr einen Kuss auf die Stirn. Die beiden sind perfekt füreinander.

"Worauf wartest du?", schreit Zara mir über die Tische zu und zwinkert mir zu. Ich winde mich durch die Tische und Stühle und schließe mich ihnen auf der Tanzfläche an.

„Wir hatten schon lange keinen flotten Dreier mehr.", bemerkt Asher trocken und zieht mich in seine Arme.

Ich schlage seine Hand lachend weg und stupse Zara mit der Hüfte an.

Was würde ich nur ohne die beiden tun?

Schon nach zwei, drei Bewegungen merke ich, wie sehr ich es vermisst habe. Dieses sorgenfreie Gefühl, die Spannung in meinem Körper loszulassen, über nichts nachzudenken.

Ich stürze einen Shot nach dem anderen herunter, wann auch immer Zara sie mir reicht. Ich tanze mit Cody, mit Archer und mit April und lasse das gute Gefühl durch meine Adern fließen. Die Musik ist so laut, dass wir uns anschreien müssen und es wird nicht mehr lange dauern, bis wir alle keine Stimme mehr haben.

"Hast du den Typen an der Bar gesehen?", kreischt April und deutet in eine Richtung. Ich kann nur seinen Rücken sehen. Er hat langes braun-blondes Haar, dass er in einem Knoten auf dem Kopf trägt. Es wirkt als hätte er Tattoos überall auf seinen sehr muskulös aussehenden Armen verteilt und er kippt gerade einen bronze-farbenen Drink herunter. Allein. Ich sehe einige Mädchen die ihn angaffen, und dabei fast sabbern, also gehe ich davon aus, dass er sehr gut aussieht.

Jedoch scheint sich keiner zu trauen, näher an ihn heran zu gehen. Die Hocker um ihn herum sind leer und er starrt nur die Flaschen an der Bar hinter Ben an. Er schaut nichtmal auf, als dieser ihm einen neuen Drink serviert. Eine Aura der Unnahbarkeit umgibt ihn.

"Versuch doch dein Glück, aber die Wölfe sind zahlreich heute." Ich grinse sie an. Sie seufzt und schaut weiter in seine Richtung. Aprils Männergeschmack ist schrecklich. Sie steht immer auf dieselbe Art von Mann. Böse Jungs mit einer harten Vergangenheit und einer noch düstereren Zukunft. Kaum sind die Jungs in die Stadt gekommen, um sich vor ihrer Vergangenheit zu flüchten, sind sie eigentlich auch schon wieder weg - und lassen April mit gebrochenem Herzen zurück. Aber sie ist nicht gewillt aus ihren Fehlern zu lernen. Das sind sie doch nie, oder?

Ich bin so froh, dass Jason da anders ist. Seine Eltern sind reich und freundlich, also eine win-win Situation. Er sieht gut aus und ist gebildet. Er würde niemals eine Nadel unter seine Haut lassen, Drogen nehmen oder irgendetwas von dem tun, was die Typen für gewöhnlich tun, die April datet.

Dark Tree Hill ist eine kleine Stadt. Es wird Ben vermutlich höchstens zehn Minuten kosten alles über diesen neuen Typen herauszufinden, den alle Mädels so anstarren. Normalerweise sind die Menschen hier warmherzig und empfangen Besucher mit Freude, doch ich weiß nicht ob die Jungs ihn nicht als Rivalen ansehen. Immerhin ist er nicht von hier. Besucher bleiben nie lang und wir müssen die gebrochenen Herzen dann wieder zusammen setzen.

Plötzlich taucht Cody hinter April und mir auf.

"Erzähl mir nicht du schmachtest ebenfalls diesen neuen Typen an Sky. Ich bin enttäuscht."

Ich hebe bei dieser Bemerkung eine Augenbraue und Cody starrt einen Punkt hinter mir an, der ihm das Lächeln im Gesicht gefrieren lässt und es zu einer dunklen Grimasse verzerrt.

"Dein Freund ist hier." Dann nimmt er April mit sich zu dem Typen an der Bar und lässt mich alleine auf der Tanzfläche stehen.

Als ich mich umdrehe kann ich ihn ebenfalls sehen. Er steht ruhig zwischen all den tanzenden Menschen und starrt mich wütend an. Als ich ihm in die Augen schaue ist es, als würde die Zeit still stehen. Wie in diesen Momenten in denen man weiß, dass gleich etwas Schlimmes passieren wird. Als sie mich damals aus dem Unterricht ins Büro des Rektors gerufen haben, umgab mich dieselbe Stille.

Sie fühlt sich bodenlos an.

Er ist mit nur zwei Schritten bei mir. Er wankt ein wenig und die Menschen machen ihm den Weg frei, weil er seine Wut um sich herum trägt wie einen dicken Mantel. Ich trete langsam rückwärts in die ruhigere Ecke des Clubs hinein und warte darauf, dass er mich erreicht.

Er benötigt nur wenige Sekunden dafür.

Wenn ich ernsthaft einen warmen Willkommensgruß samt Kuss erwartet habe, habe ich mich getäuscht.

"Hey Baby.", flüstere ich sanft lächelnd, doch er hat mich trotz der Musik gehört.

„Hast du nicht gesagt du bleibst heute zu Hause?", grollt er und packt mich am Arm. Hart. Ich starre ihn sprachlos an.

„Ich habe meine Meinung geändert. Und jetzt?", flutscht es mir heraus, ob wohl ich weiß, dass es die falsche Antwort ist.

„Du hättest mir Bescheid sagen können."

„Du hast es doch auch so schnell genug allein herausgefunden.", schieße ich zurück und lockere seinen Griff um meinen Arm. Doch er packt mich daraufhin nur noch fester. Ein Schmerz durchzuckt meinen Arm und ich schaue überrascht auf seine Finger. Ich kann nicht fassen, das er mir absichtlich wehtut.

„Macht es dir Spaß, wie all diese Typen dich anstarren? Genießt du es?", fragt er mich und nuschelt dabei, bis die Wörter ineinander verschwimmen. Er fuchtelt mit einem Arm herum und deutet auf mein Kleid und die High Heels. Er ist offensichtlich eifersüchtig. Doch wegen was?

Er versucht mich in Richtung des Ausgangs zu zerren, ohne nur das kleinste Wort darüber zu verlieren, was er damit erreichen möchte.

"Lass mich los, Jason. Was ist nur in dich gefahren?", schreie ich ihn wütend über die Musik hinweg an und versuche mich von ihm zu befreien, doch er packt mich noch fester. Mein Arm schmerzt mittlerweile heftig und ich werde bestimmt blaue Flecken von seinen Fingern bekommen. Ich kann eine Gruppe von seinen Freunden an der Bar erkennen, die alle in unsere Richtung starren. Hat er mich wirklich bewusst gesucht, oder war das Ganze hier ein Zufall?

Der Typ dem April gerade noch gehuldigt hat starrt ebenfalls zu uns herüber und er ist nicht der Einzige. So etwas passiert nicht oft in Dark Tree Hill, weil wir alle zusammen aufgewachsen sind. Wir beschützen einander. Wir verletzen uns nicht.

"Ich schwöre bei Gott Jason, wenn du mich jetzt nicht loslässt und deinen betrunkenen Arsch nach Hause bewegst, werde ich nie wieder ein Wort mit dir reden.", schreie ich ihn weiter über die Beats hinweg an und versuche ihn mit bösen Blicken dazu zu bewegen mir zu gehorchen. Endlich lässt er mich los und hält seine Hände beschwichtigend vor seine Brust.

„Ich geh ja schon Prinzessin, damit du deinen Spaß mit diesen Hur..."

"Verschwinde!", schreie ich und mein Blick sollte ihn längst getötet haben. Ich hasse es wenn er betrunken ist. Ich hasse ihn aus vollstem Herzen, wenn er betrunken ist.

Aber er bewegt sich kein Stück. Er steht einfach da, ragt über mir auf und starrt mich an. Ein dunkler Turm über mir, bereit einzustürzen und mich unter ihm zu begraben. Er blockiert mir den Weg aus der kleinen Ecke heraus in den Club und er weiß es ganz genau. Wenn er nicht geht, kann ich es ebenfalls nicht. Ich schubse ihn leicht gegen die Brust, versuche panisch mir Platz zu schaffen, doch er gibt nicht nach. Seine Augen funkeln mich an, als würde er es genießen mir überlegen zu sein.

Ich kann aus dem Augenwinkel sehen, wie der fremde Typ an der Bar sich erhebt und auf uns zukommen will. Doch April legt ihm eine Hand auf den Brustkorb und sagt etwas zu ihm.

"Skyler, ist hier alles in Ordnung?" Cody steht plötzlich neben mir, seine Hand warm auf meinem Rücken. Er streichelt sanft über meine Wirbelsäule und versucht mich damit zu beruhigen.

"Ja ist es, oder Jason?"

"Fick dich.", knurrt er und macht sich auf den Weg zu seinen Jungs. Dabei stolpert und wankt er gefährlich oft. Cody kichert neben mir.

"Sag es nicht." Ich versuche einen graden Schnitt durch dieses Thema zu machen.

"Ich hatte nicht vor irgendwas zu sagen Skyler. Du bist eine fähige und intelligente junge Frau. Du weißt selbst ganz genau, dass er nicht der Hauptgewinn ist.", antwortet Cody und zieht mich erneut hinter sich her auf die Tanzfläche. Selten ist Cody so ehrlich zu mir. Es schmerzt mehr, als ich gedacht hätte.

Ich sehe Jason nicht dabei zu, wie er den Club verlässt. Ich spüre es genau, als er weg ist. Codys Worte hallen in meinen Gedanken wieder.

Hat er recht? Trage ich, wenn es um Jason geht eine rosarote Brille? Ist das Liebe, oder etwas ganz anderes? Ich möchte nicht weiter darüber nachdenken, also lasse ich mich von der Musik und meinen Freunden davon tragen.

Vielleicht morgen.

Vielleicht.

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