Das Spiel 'Ich Habe Noch Nie...' ging ungefähr so: Jemand sagt - zum Beispiel - dass man noch nie nackt baden gegangen ist und alle die das schonmal gemacht haben, müssen aus ihrem Becher Bier trinken.
Da ich schon beschwipst genug war, konnte ich den Geschmack des Biers nicht schmecken. Wenn ich wieder nüchtern war, dann würde ich das als meine Ausrede nehmen.
Ich hasste dieses Spiel eigentlich, deswegen kam mir das selber so überraschend vor. Was aber noch überraschender war, war Trenton.
Er war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte mich am Handgelenk gepackt. "Was tust du" hatte er mahnend geflüstert.
Seine Lippen waren nah an meinem Ohr und ich hatte seinen Atem spüren können. Unwillkürlich hatte ich eine Gänsehaut bekommen und betete inständig, dass Trenton sie nicht sah.
Aber moment mal. Sorgte sich Trenton um mich? Ich hatte die Leute, die um mich sorgen wollten so satt.
"Ich brauche keinen Aufpasser. Ich bin alt genug" lallte ich. Trenton sah mich finster an.
Inzwischen hatte sich eine Menge gebildet und sie setzten sich alle hin.
"Trenton" sagte Dean überrascht. "Hätte nicht gedacht, dass du heute kommst. Spielst du mit?" Irgendetwas bedrohliches lag in Deans Stimme.
Trenton schaute zu mir und ich hob meine Schulter und lächelte unschuldig. "Ich mach das nur wegen dir" raunte er.
Er kniff seinen Mund zusammen und nickte.
Oh Mann. Er war echt sexy, wenn er wütend aussah.
Ich schmunzelte. "Setz dich neben mich. Ich bin nämlich cooler als die anderen."
"Bist du betrunken" fragte er missmutig und ignorierte geschickt meinen vorigen Kommentar.
"Vielleicht ein bisschen" lallte ich und er seufzte. Anscheinend hatte er mich durchschaut und wusste, wie dicht ich war.
Ich bekam einen Plastikbecher in die Hand gedrückt und Trenton nach mir.
Schlecht gelaunt sah er auf den Becher in seiner Hand.
"Schau den Becher nicht so an. Du siehst so aus, als würdest du ihn gleich umbringen wollen" flüsterte ich.
"Das tue ich vielleicht nachher noch" sagte er und grinste leicht.
Einer von Deans Freunden legte eine Bierglas in die Mitte und drehte dieses. Anscheinend spielten wir eine 'Ich habe noch nie' Version mit Bierglas.
Die Öffnung zeigte auf ein Mädchen das ich nicht kannte.
"Ich habe noch nie" sagte sie und überlegte. "Ich habe noch nie im Auto Sex gehabt."
Okay. Da war ich raus. Ich hatte noch nie Sex gehabt. Wenn sie den ganzen Abend lang solche Fragen stellen würden, dann würde ich mein Becher niemals leer bekommen. Vielleicht in 120 Jahren.
Zu meiner Überraschung setzte Trenton den Becher nicht an seine Lippen.
Er war gut aussehend. Er war sehr gut aussehend. Und damit meinte ich abnormal gut aussehend.
Außerdem war er ein BadBoy und von den meisten Badboys erwartete man solche Aktionen.
Trenton war vielleicht einfach nicht die 'Meisten'.
Dean setzte an und viele seiner Freunde auch.
Das Mädchen lehnte sich nach vorne und drehte die Flasche. Die Öffnung zeigte wieder auf jemanden den ich nicht kannte.
"Ich hatte nie Angst vor Sex gehabt" sagte er.
Und da setzte ich den Becher an meine Lippen. Ich hatte sehr wohl Angst davor. Eigentlich durchgehend. Ich meine, was wenn ich etwas falsch mache, oder mich plötzlich davor drücke.
Ich wollte mir aber eigentlich keine Gedanken um Sex machen, solange ich es nicht musste.
Niemand trank, außer Dean und mir. Verwundert hob ich meine Augenbrauen. Dean sah mich schmunzelnd an.
Die Flasche wurde immer und immer wieder gedreht und schließlich landete ihr Öffnung auf mir.
Ach verdammt. Ich wusste, dass ich mich selber in den Schlamassel reingeritten hatte, denn ich war diejenige, die das Spiel vorgeschlagen hatte. Trotzdem hatte ich gehofft, dass diese Flasche mich für einen Abend verschonen würde.
Mein Becher war nur noch halb so voll. Ich hatte doch mehr erlebt, als ich dachte.
"Ich" stotterte ich und auf einmal war meine ganze Selbstsicherheit verschwunden, die ich noch von dem ganzen Alkoholrausch vor fünf Sekunden gespürt hatte. "Ich habe noch nie" lallte ich und überlegte. Verdammt!
"An einem illegalen Rennen teilgenommen" raunte mir jemand von Rechts zu.
"Ich habe noch nie an einem illegalen Autorennen teilgenomnen" sagte ich stolz. Eigentlich war das gar nicht mal so schlecht. Aber dann fiel plötzlich ein, wer mir geholfen hatte.
Trenton!
Ich drehte mein Kopf zu ihm und legte es schief.
Er grinste und trank seinen letzten Schluck. Dann hielt er seinen Becher hoch und johlte.
"Fertig" rief er und die Menge buhte ihn aus.
Er lachte und schmiss seinen Becher in die Mitte. Er hatte gewonnen und alle anderen verloren. Ich hatte das Gefühl, dass er immer gewann. Egal ob beim Rennen, oder bei Trinkspielen.
Ich stand auf und strich mein Kleid glatt. Oder eher Avas. Je nach Perspektive.
Plötzlich umgriff jemand meinen Handgelenk. "Was machst du?" Die Stimme war bedrohlich leise. Es war Will.
Sofort entriss ich ihm meine Hand.
"Ich kann machen, was ich will und du wirst mir nicht im Weg stehen."
"Das tue ich aber gerade" erwiderte er und grinste sarkastisch.
"Dann geh mir aus den Augen" sagte ich und versuchte in meinem Zustand einen klaren Gedanken, außer Wut gegenüber Will, zu fassen.
"Du bist ja völlig betrunken" sagte er und schaute mich fassungslos an.
"Ja und? Was dagegen." Zickig wollte ich mich umdrehen, aber dann merkte ich, dass Will immer noch mein Handgelenk hielt.
Alle hatten den Raum lärmend verlassen, sodass sie mich und Will nicht bemerkt hatten. Nur Trenton war geblieben. Er schaute mich undefinierbar an, dann huschte sein Blick hinüber zu Will.
"Natürlich habe ich etwas dagegen, wenn du dich bis zum Es-geht-nicht-mehr betrinkst."
"Wer bist du um so über mich zu bestimmen" frage ich sauer.
"Ich bin dein verdammter Bruder" sagte er.
"Aha" zugegeben hatte ich schonmal besser gekontert, aber gerade war das einfach nicht möglich.
"Kannst du dich nicht für einen Abend normal benehmen?"
"Ich benehme mich wie ein Teenager, der feiern geht. Was dagegen?"
"Cara" fing er an und ich bereitete mich innerlich schon auf seine 10 minütige Predigt vor.
"Es reicht" sagte Trenton auf einmal. Seine schneidende Stimme passte perfekt zu den Beschreibungen der Gerüchte über ihn ein. Jetzt sah er aus wie der böse Badboy von neben an, der mit Drogen dealte und illegale Autorennen fuhr. Was hatte ich bloß mit dem Drogen dealen?
"Ist er jetzt dein Beschützer geworden" fragte Will mit bedrohlicher Stimme.
"Beschützer? Ich dachte ich habe schon 2 Bodyguards zu viel. Dich und Zach! Warum lasst ihr zwei mich nicht einfach selber über mein Leben entscheiden. Wenn ich trinken will, dann trinke ich. Wenn ich ein Nerd sein will, dann werde ich es sein. Aber dazu habt ihr keine Gewalt über mich."
"Man sieht ja wozu es führt" sagte er. "Keine 5 Minuten lässt man dich aus den Augen und schon befindest du dich mit Trenton Hastings unter einer Decke."
"Bitte was?" fragte ich. Fassungslosigkeit überschüttete mich. Und Enttäuschung und Traurigkeit. Was hielt er von mir?
"Du..." sagte er. "Halt dein Mund" rief ich. "Wenn du noch ein Fünkchen Anstand besitzen würdest, dann hättest du so etwas nie gesagt und würdest sowas niemals sagen, Will. Hör auf dich wie ein schlechter eifersüchtiger Freund aufzuführen und benimm dich wie ein Bruder!"
Meine Stimme zitterte. Der Rausch war vorüber. Stattdessen riss Will an diesem Abend ein Loch in mein Herz, obwohl er eben noch eins zusammengeflickt hatte.
Ich ging aus dem Zimmer mit dem wenigen Enthusiasmus das ich noch übrig hatte und schritt aus dem engen kleinen Zimmer, worin ich 'ich habe noch nie' gespielt hatte.
Ich hörte Schritte und betete, dass es nicht Will war. Aber es war Trenton. Er legte behutsam eine Hand auf meine Schulter. "Ich fahre dich Heim" sagte er.
"Noch nicht Heim, aber weg von hier" sagte ich.
Er nickte. "Ich habe da so eine Idee."