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By normalsilentgirl

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❝ Weißt du was, Kleine? Ich bin keineswegs dein Romeo und du im Umkehrschluss nicht meine Julia. ❞ , grinste... More

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By normalsilentgirl

C.

Mit quietschenden Reifen brachte ich meinen sichtlich mitgenommenen Wagen zum halten, was eine deutliche Schwierigkeit aufgrund der umherlaufenden, angehenden Studenten darstellte. Jeder von ihnen schien als Außenstehender betrachtet äußerst bepackt und orientierungslos, welches mir ein winziges Schmunzeln entlockte. Mein Lenkrad hielt ich immer noch erstaunlich fest umklammert, was jedoch an meiner deutlichen Erleichterung und dem immer noch hohen Adrenalinpegel musste.

„Ich habe es geschafft, finally.", murmelte ich glücklich zu mir selbst, alleinig um mich zum Antritt meines Weges und somit zum Verlassen meines Autos anzutreiben. Sobald ich jenen säuberlich gepflasterten Campus betreten werde, hatte ich mein Endziel erreicht und somit ebenfalls einen neuen, spannenden Lebensabschnitt zum Greifen nahe vor mir.

Obwohl dies schon seit einiger Zeit fester Bestandteil meiner Träume gewesen war, hatte dieser Neuanfang trotzdem etwas bedrohliches, Bedrängnis erregendes. Das Stipendium anzunehmen war nun gekoppelt an das essentielle Aufgeben des Ladens meiner Eltern und ein Lossagen von jeglichen Anforderungen, die meine Schwester für mich hegte. Enttäuschungen waren im Bezug darauf also definitiv unvermeidbar und selbst wenn ich mich heimlich damit abgefunden hatte - leicht war das Verhältnis zu meiner Familie keineswegs nach meinem plötzlichen Aufbruch.

Seufzend begann ich nach meiner Handtasche zu kramen, welche bei einigen aufwendigen Überholmanövern wohl das gesamte Auto durchquert hatte.

Als ich das cappucionobraune Leder zwischen meinen Fingerspitzen spürte, fischte ich meinen wichtigsten Gegenstand erleichtert von einem der Rücksitze.

Bereit, mein Gefährt zu verlassen kletterte ich wie zuvor über die umfunktionierte Ablagerungsstätte, die früher als Beifahrersitz gedient hatte. Dies geschah aber nicht ohne dass ich einen zweifelnden Blick auf die übrig gebliebenen Bücher warf, welche verräterisch zu wackeln begannen.

„Lass mich nicht erneut im Stich, Rowling.", wisperte ich den wertvollen Werken eindringlich zu und vollzog einen etwas größeren Schritt, welcher mich direkt auf die geordneten Pflastersteine brachte.

Als ich mir erleichtert durch die kastanienbraunen Enden meines langen Haares fuhr und eine Strähne energisch hinter eines meiner Ohren strich, hörte ich rund zwei Meter hinter mir eine glasklare Stimme: „Wenn du nicht jedes Lebewesen im Umkreis von einem Kilometer kaltblütig ermorden willst, solltest du deine Karre demnächst auf einer Mülldeponie parken.", witzelte diese argwöhnisch.

Überrascht und völlig überfordert aufgrund der feindseligen Worte drehte ich mich um. An einer grauschimmernden Laterne lehnend und das hektische Geschehen sichtlich amüsiert beobachtend, lehnte ein rabenschwarzhaariges Mädchen in meinem Alter, welches mit etwas Fantasie glatt die auferweckte Version eines modernen Schneewittchens verkörpern konnte.

In einer Hand hielt sie eine qualmende Zigarette, was sie jedoch keineswegs davon abhielt mich aufmerksam und ohne jegliches Zeichen von Scheu eindringlich zu mustern.

Überlebte man in dieser Einöde nur mit Schlagfertigkeit und einem gesunden Maß an "Lass mich in Ruhe oder es knallt" Mentalität?, schoss es mir verwundert durch den Kopf als ich mir eine halbwegs intelligente und unaufdringliche Erwiderung überlegte. Gleichzeitig schulterte ich meine Handtasche und öffnete den Kofferraum, um bereits einen bepackten Umzugskarton aus den engen Fängen meines Autos zu befreien.

„Wenigstens ist nur mein Auspuff triefend schwarz und nicht meine Lunge.", zuckte ich übertrieben gleichgültig mit den Schultern und warf ihr von der Seite einen zweifelnden Blick zu.

Schneewittchen-Kopie grinste jedoch nur über beide Ohren und schüttelte gönnerhaft den Kopf, was aufgrund ihrer verletzenden Ausdrücke von vorher einen ziemlich grotesken Eindruck auf mich machte.

Man fährt lediglich 50 Kilometer durch das Land und trifft unaufhaltsam auf eine völlig andere Art Mensch?, ging mir verblüfft durch den immer noch pochenden Schädel.

Entweder waren diese Menschen außergewöhnlich direkt oder ohne jeglichen Zweifel abgrundtief unverschämt. Wahrscheinlich waren diese Individuen sogar eine Kombination aus Beidem, welches mich mehr und mehr verstörte.

Als mir eben jene Erscheinung ihre Hand mit einem deutlich freundlicheren Gesichtsausdruck hinhielt, schüttelte ich diese erst nach ein paar trägen Sekunden der Ungläubigkeit: „Ich bin Sage, deine Zimmergenossin und zudem noch selbsternannte Aufpasserin in Bezug auf nächtliche Feierrituale.", erklärte sie mir mit einem lockeren Grinsen auf den kirschfarbenen Lippen, welche ebenfalls deutlich praller erschienen als die der durchschnittlichen Schönheit vom Lande.

Da mein Mund schon eine Weile verwirrt offen stand und ich unfähig war, einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn mich auf schlaue Weise vorzustellen, brachte ich nur ein verhaltenes „Cassandra Reyes, schön dich zu treffen und so" zustande, für das ich mich selbst hätte erneut verfluchen können.

Jene Amazone vor mir kicherte jedoch wie ein besonders wohl gestimmtes Glockenspiel und strich sich eine verirrte Haarsträhne aus dem puppengleichen Gesicht, als sie mit funkelnden, grasgrünen Augen erneut das Wort ergriff: „Tristan von der Verwaltung hat mir freundlicherweise dein Kennzeichen, sowie deine fertig angelegte Studiumsmappe vorgelegt, sodass ich dich optimal abpassen konnte. Gute Kontakte sind in Forthill das A und O, kann ich dir verraten.", zwinkerte sie mir zu, wobei ihre langen Wimpern wie Schmetterlingsflüge anmutig zu flattern begannen.

Natürlich hatte dieses Mädchen erstaunlich wunderbare Kontakte, ging es mir durch den überforderten Kopf, als ich nun endlich einen meiner Umzugskartons aus dem Wagen hievte und scheinbar torkelnd auf meinen Armen austarierte.

Rasch hatte auch Sage ihre Zigarette auf dem pompösen Pflaster ausgedrückt und inspizierte neugierig mein Reisegepäck und essentielle Überlebenshabseligkeiten.

„Einen Kühlschrank? Immer wieder einen Lacher wert, was manche Menschen in 'jedes Zimmer ist voll und ganz eingerichtet' hineininterpretieren.", stellte sie kopfschüttelnd und leise kichernd fest, während sie mit Hilfe ihrer schlanken Finger unsichtbare Anführungszeichen zur Hervorhebung des Zitates in die Luft malte.

„Zumindest werden wir beide wohl kaum verhungern. Außerdem kannst du dich absolut glücklich schätzen dass du nun eine Mitbewohnerin hast, welche sich aktiv um deine Essensvorräte kümmert.", stellte ich mit zusammengepressten Lippen fest und wagte mich an ein zaghaftes, entgegenkommendes Lächeln, welches schon seit einiger Zeit bitter nötig für meinen verkrampften Gemütszustand war.

Sage reckte als Antwort triumphierend beide Fäuste in die Luft und nahm einen dramatisch langen Atemzug: „Hallelujah, was bin ich für ein Glückspilz! Die Zeit meines Lebens fängt endlich an und sogar mit eigenem Kühlschrank!" Um ihren Enthusiasmus hervorzuheben vollzog meine neue Mitbewohnerin und durchaus seltsame Bekanntschaft ein ausgelassenes Freudentänzchen, welches aufgrund der anmutigen Bewegungen und der Tatsache, dass ein neues Semester begann, viele forsche Blicke auf sich zog.

Im Gegensatz zu meiner Wenigkeit und Dasein als Mauerblümchen in Spe schien der schwarzhaarigen Schönheit die schlagartige Aufmerksamkeit jedoch keinesfalls aufzufallen oder gar zu beeinflussen. Während ich nervös und rot anlaufend unsere unmittelbare Umgebung nach möglichen Beobachtern ab scannte, schien das Mädchen neben mir einfach nur Spaß zu haben, was mich auf eine dubiose Art und Weise tatsächlich beeindruckte.

Erst als ein kantiger Zimmerschlüssel in mein Sichtfeld gelangte, fokussierte ich mich erneut voll und ganz auf meine baldige Mitbewohnerin, welche ihn aufgeregt vor meinem Gesicht baumeln ließ.

Unter den anderen Arm hatte sie bereits einen Stapel meiner Lektüren geklemmt, die sich als erneute wackelige Angelegenheit herausstellten.

„Ich schlage vor wir tragen zu aller erst deinen gesamten Eigentum mitsamt Kühlschrank in unser Zimmer und danach statten wir Mister Verwaltung einen feinen Besuch ab.", wies sie mich zwinkernd und ohne jegliche Akzeptanz für Widerrede an, bevor sie den Schlüssel zurück in der Tasche ihrer winzig kleinen Shorts versenkte und auf dem Absatz kehrt machte.

Wie sich meine anfängliche Vermutung bestätigte, setzte sie ihre Prioritäten nicht darauf nachzusehen ob ich ihr folgen würde, sondern lief gemächlich zur nächsten Eingangstür und grüßte eine Hand voll männlicher Kommilitonen, die sie bewundernd betrachteten. Dies geschah jedoch nicht ohne ein leises Fluchen ihrerseits, welches man schlichtweg auf den sperrigen Turm von Büchern in ihren dürren Armen beziehen konnte.

„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Cassandra. Würdest du mich freundlicherweise begleiten?", rief sie mir mahnend über die Schulter hinweg zu, was mich prompt zusammenzucken ließ und somit aus meiner erneuten Trance zurück ins Hier und Jetzt beförderte.

„Komme schon!", antwortete ich überrascht gestikulierend und schnappte mir erneut den größten Umzugskarton, nachdem ich mein verrostetes Gefährt abgeschlossen und die Umgebung erneut mit wachsamen Augen nach vermeintlichen Beobachtern gecheckt hatte.

Als Sage schon in der hölzernen Eingangstür verschwunden und bedeutungsvoll das Haupthaus betreten hatte, holte ich beruhigend Luft und ließ bedacht meine Zunge über meine Unterlippe wandern, nicht ohne wie vor wenigen Minuten erleichtert zu lächeln.

Ich war endlich bereit mein Zimmer und die allseits hoch angesehene Forthill Universität zu erkunden, welche mir in den nächsten Jahren ein ereignisreiches und unvergessliches Zuhause bieten würden. Das mein Herz immer noch panisch gegen meinen Brustkorb pochte, ja sogar hämmerte, und mein Magen vor Aufregung deutlich rebellierte, ignorierte ich wohl wissend.

Ich würde diese Jahre zu den bisher Besten meines jungen Lebens machen, niemand würde mir in Bezug darauf einen Strich durch die feststehende Rechnung machen können, wiederholte ich als immer wiederkehrendes Mantra in meinem Kopf und schwor mir selbst dies niemals und unter keinerlei Umständen zu vergessen.

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