SLOWTOWN

By agustofwind

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❝While I'm doing my time due to circumstance, cross that bridge, face the consequence.❞ Sie arbeiten so gut z... More

EPIGRAPH ㅡ slowtown
PROLOG ㅡ the existential importance of slowtown for jeon jeongguk
KAPITEL EINS ㅡ the korean job
KAPITEL ZWEI ㅡ long island getaway
KAPITEL DREI ㅡ camilla
KAPITEL VIER ㅡ brother
KAPITEL FÜNF ㅡ kiss the blood off my hands
KAPITEL SECHS ㅡ cittàlenta
KAPITEL SIEBEN ㅡ the prodigal son
KAPITEL ACHT ㅡ addio
KAPITEL NEUN ㅡ the end of a friendship
KAPITEL ZEHN ㅡ speakeasy
KAPITEL ELF ㅡ birthright
KAPITEL ZWÖLF ㅡ the unholy trio
KAPITEL DREIZEHN ㅡ into that good night
KAPITEL VIERZEHN ㅡ a ghost of christmas past
KAPITEL FÜNFZEHN ㅡ the calm before the storm
KAPITEL SIEBZEHN ㅡ slowtown
EPILOG ㅡ the existential importance of slowtown for kim taehyung
GOODBYE ㅡ leave the city

KAPITEL SECHZEHN ㅡ sic semper tyrannis

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By agustofwind

Der letzte Tag des Jahres hatte entschieden, sein Ende gebührend einzuläuten. Meteorologen in sämtlichen New Yorker Radiostationen sprachen von einem historischen Silvestertag, der gegen sechs Uhr morgens mit einem kräftigen Regenschauer begonnen hatte und so intensiv über die Stadt gepeitscht war, dass mehrere historische Tannen im Battery und Central Park enormen Schaden genommen hatten.

Noch ehe Botanikbegeisterte der Stadt den entstandenen Schaden ausgiebig betrauert hatten, da hatte sich ein scharfer Polarwind, der über Michigan aus Kanada gekommen war, über die Stadt gesenkt und die ohnehin schon herausgeforderte Stadtverwaltung einige tiefgreifende Schicksalsschläge gegen das örtliche Telefonnetz erleiden lassen.

Um zehn Uhr morgens schon war von diesen destruktiven Launen des Wetters kaum mehr etwas zu erkennen, denn die Wintersonne schien vom Himmel, als habe sie nie etwas anderes anderes getan – angeblich waren Wind und Regen über Long Island hinweg in den Atlantik gezogen, um in ein paar Tagen das europäische Festland zu erreichen und Paris und London auf die Nerven zu fallen.

Jeongguk musste ehrlich sagen, er interessierte sich wenig für das, was aus den Radiostationen und Lokalzeitungen zu ihm durchdrang – auch die paar bärtigen Verschwörungstheoretiker am Straßenrand, die sich mit ihren vertrauten DAS-ENDE-NAHT-Schildern auf den Gehwegen aufstellten und sie arglosen Touristen oder angepissten New Yorkern ins Gesicht hielten, ließen ihn insofern kalt, dass er die Melodramatik seiner Stadt zu gut kannte.

New York war der Sumpf der irrationalen Wahnsinnigen, der salonfähigen Verrückten und allgemein derjenigen, die für jede Okkasion ein passendes Schild auf dem Dachboden herumstehen hatten. Das Wetter als Vorboten eines Schicksals zu erklären, das sie, wie sie hofften, von der aktuellen politischen Landschaft befreien würde, sah ihnen ähnlich. Sie waren so skurril in ihrer absoluten Desillustioniertheit, dass Jeongguk sie schon vor langem ins Herz geschlossen hatte.

Was Jeongguk jedoch viel mehr interessierte als das Wetter war die Tatsache, dass Taehyung sich seit gestern Abend nicht mehr bei ihm gemeldet hatte, und er langsam, aber sicher kurz davor war, seinen Verstand zu verlieren. Es war das eine, den eigenen Freund fast vierundzwanzig Stunden lang nicht zu erreichen – und das ganz bedeutsame andere, wenn diese Kommunikationsdürre auf eine fast verzweifelte, atemlose Umarmung folgte, die Jeongguk nicht einmal in seinen Träumen losließ.

Als er gerade dabei war, Manhattan zugunsten von Bayville zu verlassen – das erste Mal, dass er die Fahrt nach Long Island in dem schwarzen McLaren antrat, den seine Freunde ihm zu Weihnachten geschenkt hatten, wählte er zum dreizehnten Mal in Folge Taehyungs Nummer, nur, um von dem vertrauten, frustrierenden Ton begrüßt zu werden, der jedes der vergangenen zwölf Male bedrohlicher und aufgeladener geklungen hatte.

„Ach, komm schon, Taehyung", murmelte Jeongguk, während er in den Tunnel unter dem Freeway einfuhr.

Sora oder Areum hatten oft darüber geklagt, dass Taehyung ihre Anrufe grundsätzlich wegdrückte oder ignorierte – aber Jeongguk wusste, dass Taehyung immer abgehoben hatte, wenn er angerufen hatte; oftmals nach nur wenigen Sekunden, ganz gleich, wie beschäftigt er gewesen war. Jeongguk war sich bewusst, dass dieses Verhalten aus der inhärenten Angst geboren war, dass Jeongguk vielleicht seine Hilfe benötigte – und er durch Zögern oder willentliche Nichtbeachtung ihn vielleicht in eine Situation brachte, die für Jeongguk in keiner Hinsicht als förderlich zu betrachten war.

Dass Taehyung jetzt nicht abhob, konnte zwei mögliche Ursachen haben – entweder war er so vollkommen von seiner verdammten Aufgabe eingenommen, den Anführer der Cosa Nostra vor seinem Bruder in die Finger zu bekommen, dass er sein Handy irgendwo in einem möglichen Safe House vergessen hatte – oder, und die Möglichkeit sorgte dafür, dass Jeongguk das Gefühl in seinen Fingern verlor, wann immer seine verräterischen Gedanken es wagten, die Situation auch nur den Bruchteil einer Sekunde lang in Betracht zu ziehen, oder er war... so schwer verletzt, gefangen oder vielleicht sogar... tot, dass Jeongguks Anrufe ins Nichts gingen.

Er erlaubte sich selbst nicht, seine Gedanken darauf zurückkommen zu lassen, weshalb er, wie aus einem lang verschütteten Reflex heraus, Areums Nummer wählte, die nach dem zweiten Freizeichen abhob.

„Jeonggukkie, Kleiner, was ist los?" Sie klang etwas gehetzt und Jeongguk konnte im Hintergrund Stimmen vernehmen, die nach Eunjin oder Sora klangen. Die Jüngste der Kims würde Bayville Manor bereits am folgenden Morgen wieder für Paris verlassen – und Jeongguk hatte ihr versprochen, sich gebührend von ihr zu verabschieden

„Hast du von Tae gehört?", fragte er anstelle einer Begrüßung und Areum seufzte tief auf.

„Nein, hab' ich nicht. Aber das letzte Mal, dass Tae mir eine Nachricht geschrieben oder mich angerufen hat, war vor zwei Jahren. Und das auch nur, weil er meine Hilfe gebraucht hat."

„Hmm", machte Jeongguk enttäuscht. „Okay."

„Sag nicht, dass du zunehmend in Panik verfällst. Er wird okay sein, Jeonggukkie."

„Ich lasse mich sicher nicht von einer dummen Hoffnung leiten, wenn ich nicht ganz genau weiß, wo er ist, oder dass es ihm gut geht. Das konnte verheerend sein. Ich bin sein verdammter Sicario. Was für eine endlos dumme Idee, was für eine hirnlose Idiotie, ist das bitte, mich von ihm fernhalten zu wollen, während er die vermutlich gefährlichste Aufgabe seines bisherigen Lebens absolviert?"

„Beruhig dich", sagte Areum leise und Jeongguk hörte, wie sie den Raum verließ; denn die Stimmen im Hintergrund wurden immer leiser, bis sie kaum mehr zu hören waren. „Es bringt niemanden von uns etwas, wenn du jetzt den Verstand vor Sorge verlierst. Er ist von den Männern seiner Mutter umgeben; keiner von denen wird zulassen, dass ihm etwas passiert."

„Die sind auch nicht allmächtig", spuckte Jeongguk aus und er beschleunigte sein Auto, um an einem ewig langsamen LKW vorbeizuziehen. „Ich hätte bei ihm sein sollen. Fuck, wenn er zurückkommt, werde ich ihm ein Feuer unterm Hintern anzünden dafür, dass er versucht hat, mich aus der Sache rauszuhalten. Im Vergleich zu ihm tue ich mein gesamtes Leben lang nichts anderes. Er könnte meine Hilfe wirklich gebrauchen, dieser Idiot."

„Schau, Jeongguk, ich bin die erste, die bei haltlosen Beleidigungen gegen meinen Bruder einstimmt, aber... ich glaube ehrlich, dass er weiß, was er tut. Es geht hier um alles. Und du darfst nicht vergessen, dass er den Usurpator schon einmal beinahe besiegt hätte."

„Und er hat nur deshalb versagt, weil er nicht schießen konnte. Weil er nicht gewagt hat, ihn zu töten, obwohl das alles gerade gerückt hätte." Er sog tief die Luft ein und biss sich so fest auf die Unterlippe, dass er Blut schmeckte. „Das beweist mir nur, dass er dieser Scheißaufgabe nicht gewachsen ist. Der Führung des Clans, meine ich. Mein ganzes Leben lang wollte ich nichts mehr, als dass er endlich von Hyun-sik übernimmt, weil ich genau wusste, dass er alles zum Besseren wenden wird und plötzlich–"

„Und plötzlich wird dir bewusst, dass deine eigenen Wünsche Taehyung vielleicht dazu verleitet haben, dass er versucht, jemand zu sein, der er nicht ist."

„Du wolltest es doch genauso", schnaubte er und Areum seufzte noch einmal tief auf.

Ich wollte an seiner Stelle sein, Jeongguk. Meine gesamte Kindheit und Jugend an habe ich ihn dabei beobachtet, wie ihm alles in den Schoß gelegt wird und er das alles negiert, nur, um seine Zeit, seine endlosen Möglichkeiten dir zukommen zu lassen." Er hörte ihre Schritte auf dem Kies knirschen und er vermutete stark, dass sie durch die Haustür nach draußen getreten war. „All das, was er so gelangweilt zurückgewiesen hat, war das, wonach ich mich verzehrt habe. Er hat nur Glück, dass ich ihn so sehr liebe. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er ein Yoongi gewesen wäre. Wenn er nicht der selbstloseste, gutherzigste Mensch wäre, den ich kenne."

„Glaubst du wirklich, du wärst zu Fratrizid fähig? Zu Brudermord?"

Areum schwieg einige Sekunde lang und Jeongguk war froh, dass sie ihn mit ihren Worten so weit ablenkte, dass seine Gedanken kurz Halt davor machten, sich Taehyung in jeder möglichen ausweglosen Situation vorzustellen.

„Heute würde ich dir mit einem klaren Nein antworten. Ich würde weder Taehyung noch Yoongi für Macht töten. Aber es gab Zeiten in meinem Leben, in dem ich es vielleicht getan hätte. Du unterschätzt, wie sehr ich das alles wollte."

„Wollte?", antwortete Jeongguk fragend. „Willst du es nicht mehr?"

„Ich will Frieden." In Areums Stimme klang eine endlose Müdigkeit mit, die Jeongguk mit Mitleid erfüllte. „Die vergangenen Monate haben mich viel gelehrt, du hast mich viel gelehrt. Die Situation meines Bruders, die Korruption seiner Seele war in jeder Hinsicht ein Weckruf für mich – ein Wachwerden aus möglichen destruktiven Tendenzen, mit denen ich präzedenzlose Macht zu erreichen versucht hätte. Ich habe gesehen, dass Macht viel wert ist, aber nicht alles."

„Und wenn dein Vater dir sein Erbe anböte, würdest du es noch annehmen?"

„Mein Vater würde eher sterben. Ich glaube nicht, dass er mich als etwas anderes als seine ältere Tochter sieht, die er immer noch nicht verheiratet hat."

„Aber rein hypothetisch. Würdest du annehmen, nach allem, was du gesehen hast, was sie tut? Macht, meine ich."

„Als ich ein kleines Mädchen war, habe ich davon geträumt, eines Tages auf dem Thron zu sitzen. Meine Geschwister, meine Cousins unter mir zu sehen – wissend, dass ich über ihre Leben bestimmen kann. Ich glaube, ich wollte ein Loch in mir füllen, von dem ich bis vor kurzem nicht wusste, dass es existiert." Sie stieß langsam die angehaltene Luft aus und Jeongguk konnte sie förmlich vor sich sehen, wie sie auf dem Kiesweg vor dem Herrenhaus stand, ihre Arme ineinander verschränkt, um ihre Körperwärme bei sich zu behalten, während sie versuchte, Ordnung in ihrer beider Gedanken zu bringen.

„Ich glaube aber auch, dass ich nicht mehr das gleiche ahnungslose, naive Mädchen bin, das dachte, dass all ihre Probleme durch die narrenfreien Kaprizen von Macht gelöst werden können. Deswegen... will ich Frieden."

„Ich glaube nicht, dass der in dieser Familie jemals existieren kann."

Sie gab ein humorloses Lachen von sich. „Du hast recht. Aber man kann ja träumen, oder?"

Darauf antwortete Jeongguk vorerst nicht, während er noch einmal Spur wechselte und vom anderen Ende der Leitung hörte, wie Areum mit dem Fuß im Dreck scharrte. Sie schien über die Fragen, die er ihr gestellt hatte, ehrlich nachzudenken – und Jeongguk bemerkte, dass er von ihren Antworten mehr als überrascht war.

Allerdings musste er zugeben, dass Areum in den vergangenen Monaten seit Taehyungs Rückkehr nicht so gehandelt hatte, wie er sie in Erinnerung hatte. Es war fast, als habe sie sich von der Idee entliebt, dass Macht dieses formbare, willige Konzept in ihren spitzfindigen Händen war – sondern dass diese so in Ehren gehaltene, hoch geschätzte Macht seinen Träger veränderte. Sie hatte es anhand ihres Bruders beobachtet; der plötzlich seine Ideale und Träume dafür verraten hatte, die Position auszufüllen, die diese geerbte Macht ihm auferlegte.

„Glaubst du wirklich, dass... ich es war, der Tae dazu gebracht hat, das Erbe zu wollen?"

„Nein", sagte Areum schnell. „Das zu sagen, war unüberlegt von mir. Ich glaube, dass mein Bruder abgewogen hat und ihm seine Freiheit zu teuer schien."

„Weil... ich ihm nicht folgen wollte?"

„Vielleicht, Jeongguk. Ich glaube, er wäre in diesem Augenblick wirklich bereit gewesen, alles mit dir zurückzulassen."

Ein tiefer, brennender Selbsthass ergriff von ihm Besitz. „Wenn ihm etwas passiert, dann ist das einzig meine Schuld. Weil ich ihn gezwungen habe, zurückzukommen."

„Du hast ihn zu gar nichts gezwungen", antwortete Areum und Jeongguk meinte, sie lächeln zu hören. „Du hast ihn höchstens motiviert. Tae lässt sich von niemanden von etwas zwingen. Er hat gesehen, dass diese... Freiheit nichts ist, dass er ohne dich haben möchte. Na, und? Das ist nicht deine Schuld."

„Indirekt aber–"

„Damit fangen wir gar nicht erst an", tadelte sie ihn sofort. „Taehyung ist Herr seiner eigenen Entscheidungen. Wenn du anfangen würdest, dafür einstehen zu wollen, würdest du nicht mehr fertig werden mit all der Schuld, die du auf dich laden musst. Ja, du bist vielleicht die Liebe seines Lebens, und ja, ich glaube ehrlich nicht, dass er ohne dich leben wollte – aber... das geht von ihm aus."

„Ich werde mich immer davor verantwortlich machen, dass ich damals nicht einfach über meinen Schatten gesprungen bin. Wären unsere Rollen vertauscht gewesen, Taehyung wäre ohne zu zögern mit mir abgehauen."

„Ich glaube, du musst dir bewusstwerden, dass du Taehyungs größter Fehler bist."

Jeongguk gab ein ungläubiges Geräusch von sich, aber Areum war noch nicht fertig.

„Warte lass mich ausreden", fügte sie hinzu. „Ich habe darüber sehr lange nachgedacht und ich glaube, ich habe endlich verstanden, was meinen Bruder so... macht, wie er ist."

„Wie ist er denn?" Er spürte den Knoten in seinem Hals, der sich immer dann ausbildete, wenn seine Gedanken auf Taehyung zurückkamen; und die Tatsache, dass er nach den Jahren immer noch der Angst aufsaß, ihn nicht wirklich verstanden zu haben.

„Er ist... zu intelligent für sein eigenes Wohl. Das ist sein erstes Problem. Er hinterfragt alles, das in seinem Leben geschieht, so lange, bis er glaubt, darin den Keim des Bösen erkannt zu haben, sodass er es sich von stoßen kann. Ich... bin mir ziemlich sicher, dass er ein wenig wie ich ist, in dem Belang, dass er zu Liebe nur sehr schwer fähig ist. Das ist der Grund, wieso keine Beziehung in seinem Leben, kein Verhältnis mit einem von uns, oder unseren Eltern, wirklich tiefgreifend ist. Ja, er vergöttert Sora, und ich denke, dass er auch Seokjin und mich ehrlich... ins Herz geschlossen hat, aber er... liebt nur dich."

„Das stimmt n–"

„Hey, keine Unterbrechungen, Kleiner. Ich versuche, dir das hier zu erklären, ohne den Faden zu verlieren." Jeongguk hörte, wie das Knirschen wieder ansetzte, als sie nun offensichtlich nervös auf dem Kiesweg auf- und abzutigern begann.

„Er liebt dich deshalb, weil du ihm etwas gegeben hast, wozu keiner von uns fähig war. Du hast ihm die Möglichkeit gegeben, zu entkommen. Demjenigen zu entfliehen, das bereits als Kind bedrohlich über ihm geschwebt ist. Wann immer er mit dir war, da war er der einzige Taehyung, der er gerne war. Du warst sein Heimathafen, seine Sicherheit, sein... Wolkenschloss. Das ist nur eine Weile gut gegangen; denn irgendwann hat sein Leben angefangen, in eure Sicherheit hineinzusickern, hat begonnen, seine Klauen nach euch auszustrecken, nach eurem unschuldigen Entkommen und dich korrumpiert. Denn er hat es nicht rechtzeitig geschafft loszulassen. Vielleicht hat er geglaubt, dass euch länger bleibt, bevor unser Vater versteht, was für endlose Möglichkeiten in deiner Hingebung liegen; Tatsache ist nur, dass er eine Entscheidungen getroffen hat. Er hat entschieden, selbstsüchtig zu sein. Sein gesamtes, kleines Leben wurde von Händen geformt, die er nicht kannte, die er hasste – die unseres Vaters, seiner Berater, den Erwartungen, die an ihn gestellt wurden – und er konnte nicht mehr. Er hat eine einzige, kleine, selbstsüchtige Entscheidung getroffen, die ihm sein ganzes Leben lang folgen würde."

Sie atmete langsam aus, und Jeongguk war sich nicht sicher, ob sie sich überhaupt noch aktiv dessen bewusst war, dass sie mit ihm sprach. Es schien vielmehr als folgte sie einem langen Gedankengang; einer theoretischen Abwandlung, an der sie so lange überlegt hatte wie ein Philosophieprofessor an seiner These.

„Er hat sich entschieden, in deinem Leben zu bleiben. Mein Bruder war nie dazu gemacht, diese Macht zu übernehmen. Sie hat ihn zerrissen, seinen kleinen Freigeist – und die einzige Art, wie er sie auszuhalten vermochte, war durch dich. Das war der größte Fehler seines Lebens... du warst es. Denn als die Jahre vergingen, wurde ihm bewusst, dass er dich zerstört hatte. Dein Leben; deine Chance auf etwas so Gutes, wie es ihm niemals vergönnt werden würde. Ja, sein Leben war nun ertragbar; aber nur, wenn er die Schuld dessen verdrängte, was er dir angetan hatte."

Sie hielt inne und Jeongguk wünschte sich nichts sehnlicher, als neben ihr zu sitzen und seine Arme beruhigend um ihren Körper zu schlingen.

„Ich... glaube nicht, dass Taehyung ohne dich am Leben wäre, Jeongguk. Er wäre lieber gestorben, bevor er es vor dir zugegeben hätte, aber wenn wir in dieser Familie immer ausweichend sagen, er hatte auf dem Internat keine gute Zeit, dann meinen wir, dass er... schwer depressiv war. Das einzige, das ihn erhalten hat, war der Gedanke an dich. Die E-Mails, die ihr euch heimlich geschickt habt, die Wochenenden, die ihr euch im Dachboden verbarrikadiert habt; ich glaube wirklich, dass sie das einzige waren, das ihn gerettet hat. Er war wie ausgewechselt, wenn ihr zusammen wart; weil du in dieser Zeit und vermutlich auch darüber hinaus sein Grund zum Leben warst, Jeongguk."

Ein unbegreifliches, unfassbares Grauen machte sich in seinem Brustkorb breit und wollte sich durch die Länge seiner gesamten Adern ziehen, bis er darin nichts mehr spürte als lähmende Kälte. Er konnte nicht erklären, wie hoch seine Abscheu vor sich Selbst in diesem Augenblick wiegte – die Tatsache, dass er so nachlässig gewesen war, nicht zu verstehen, durch was für eine Phase sein bester Freund damals gegangen war, erfüllte ihn mit einem Gefühl, das er nicht in Worte fassen konnte.

„Er hatte Glück genug, dich zu haben, Jeongguk. Aber für ihn war es nie ein Gottesgeschenk, niemals eine Gabe des Schicksals, dich an seiner Seite zu wissen, sondern... die Tatsache, dass er ein Leben gegen ein anderes getauscht hatte. Deines gegen seins." Sie machte eine Pause und Jeongguk war sich nicht sicher, ob sie nicht vielleicht mit den Tränen kämpfte. „Deswegen bist du sein größter Fehler. Weil er damals, im Alter von sieben, acht, eine Entscheidung getroffen hat, die dich, in seinen Augen, ruiniert hat."

Eine lange Weile sagte niemand etwas; Jeongguk meinte, die Wellen der Lagune in der Ferne durch das Telefon zu hören, während er selbst mit höchstmöglicher Geschwindigkeit über die Interstate raste.

„Er... hat mich nie gefragt, wie ich darüber denke", begann er schließlich. „Ob ich glaube, dass er mein Leben verwirkt hat."

„Weil er sich in seiner Überzeugung sehr sicher ist."

„Die Wahrheit ist einfach, dass ich niemals, nicht in meinen dunkelsten Augenblicken, auch nur im Ansatz gesagt hätte, dass er mein Leben zerstört hätte. Taehyung ist genug. Er ist alles, das ich jemals wollte. In diesem Leben, in der Misere unserer Existenz sagen zu können, ich sei glücklich, sagt doch schon alles aus."

Areum schwieg einige Sekunden, dann sagte sie: „Einer der Gründe, wieso ich mir vorgenommen habe, niemanden jemals zu lieben, ist, weil ich mein gesamtes Leben lang euch beide vor Augen hatte. Ich wusste schon, dass ihr euch mehr liebt als irgendetwas anderes, bevor ich wirklich Sätze formulieren konnte. Ich habe euch dabei zugesehen, wie ihr euch von Freunden, zu besten Freunden, zu Seelenverwandten zu Geliebten gewandelt habt – und ich wusste, dass ich niemals jemanden finden würde, der mich so liebt, wie du Taehyung, oder Taehyung dich. Und weil ich... immer die beste sein will, immer... das meiste haben möchte, habe ich entschieden, niemals mein Herz davonzugeben. So k-kann ich nicht darin enttäuscht werden, nicht ihr beide zu sein."

„Areum...", begann Jeongguk.

„Ich weiß, es ist dumm", seufzte sie. „Ich habe in letzter Zeit viele meiner dummen Ideale abgelegt und vielleicht... werde ich auch diese Angst einmal überwinden."

Jeongguks Finger krampften sich um das Lenkrad. Sein Herz pochte schmerzhaft gegen seinen Brustkorb; aber ihm wurde bewusst, dass es sich nicht nur wegen Taehyung wund und aufgerieben anfühlte.

Areum war in den vergangenen Monaten zu einer Freundin geworden, die sein Leben jeden Tag bereicherte; die selbstlos und gütig war auf eine Art, die niemals vortäuschte – die ehrlich war, wenn er es gerade hören musste. Ihm war niemals wirklich bewusst gewesen, wie sehr sie diese Familie eigentlich zerstört hatte – die andauernde Konkurrenz zu ihren Geschwistern; die Nichtachtung ihres Vaters, den sie verzweifelt mit Stolz zu erfüllen suchte.

„Areum, du... bist die intelligenteste Person, die ich kenne", sagte er schließlich und er spürte, wie seine Sicht kurz verschwamm, als er versuchte, die Tränen zurückzublinzeln. „Ich liebe dich endlos und ich–"

„Scheiße, Mann, du Idiot, ich heule", unterbrach sie ihn mit einer erstaunlich nasalen Stimme, die davon sprach, wie sie ihren Kopf in den Nacken zurücklegte und versuchte, die unwillkommenen Anzeichen ihrer Emotionalität zurückzuzwingen. „Du kannst das nicht einfach machen."

„Dir sagen, wie verdammt großartig du bist?".

„Nein, mir zu sagen, dass du mich liebhast." Sie zog geräuschvoll die Nase hoch und jetzt konnte Jeongguk die Tränen in ihrer Stimme hören. „Du bist... die erste fucking Person, die das zu mir sagt."

„Wie bitte?"

„Ja, Mann. Meine Familie ist nicht wirklich gut mit Gefühlsbekundungen. Und... ich bin so biestig, dass niemand es jemals gewagt hätte, mir das zu sagen. Nicht einmal Sora, weil sie Angst hat, dass ich sie auslache."

„Du bist so..."

„Abgefuckt? Ich weiß." Sie tupfte sich offensichtlich gerade mit dem Ärmel ihrer Jacke über ihre Nase. „Ich weiß, Kleiner. Ich bin ein menschliches Desaster. Ich bin Taehyung ohne Jeongguk."

„Du bist nicht wie er."

„Stimmt. Ich bin wie er und wie Yoongi. Ich bin genau zwischen ihnen angesiedelt und eine wundervolle Blaupause all ihrer Charaktereigenschaften, die sich nicht vereinigen lassen."

„Areum, stopp. Hör auf."

„Aber es ist wahr", erwiderte sie nachdrücklich. „Es gibt kein Gericht dieser Welt, was mir das Verhalten verzeihen würde, unter dem ich dich habe leiden lassen."

„Wenn du wieder damit anfängst, lege ich auf."

Sie sog tief den Atem ein und schien sich offensichtlich wieder zu fassen, denn in der nächsten Sekunde klang ihre Stimme ruhig und gleichmäßig. „Es tut mir leid, Kleiner. Ich wollte dich nicht damit belasten, wenn du dir Sorgen um Taehyung machst, das war selbstsüchtig von mir. Ich sollte ohnehin wieder hineingehen, Eunjinnie und Sora fragen sich bestimmt schon, wo ich hin bin."

„Wir reden noch", antwortete Jeongguk streng. „Ich bin in zwanzig Minuten da."

„Mach dich bereit, keinen Parkplatz zu finden. Die Eskorte der Jeong und Chois ist wieder im Land, um das Ergebnis dieses wundervollen Wettstreits zu verfolgen."

Jeongguk stöhnte laut auf. „Nein, ehrlich?"

„Oh, ja. Und von Tae und Yoongi fehlt noch jede Spur. Sie machen es wirklich spannend." Sie seufzte auf. „Also, bis dann, Kleiner."

Noch ehe er etwas erwidern konnte, hatte Areum aufgelegt und ließ ihn mit der lähmenden Stille im Inneren seines Autos zurück, die er nur durch das substanzlose Plärren des Radios zu füllen wusste.

Sie hatte nicht übertrieben; als er eine gute Viertelstunde später auf die Lagunenstraße von Oyster Bay abbog, parkten sich die zwei Reihen an schwarzen Autos so wie in der Nacht, in der Taehyung und Yoongi vor allen Versammelten dem Selbstmordkommando ihres Wettstreits zugestimmt hatten.

Jeongguks Gedanken waren so schwer mit Areums Worten, dass er froh war, sein Auto mehrere hundert Meter von der Einfahrt wegstellen zu können – nur, um den leichten Schneefall durch die Winterkälte auf das Haus zuzuschreiten, das in der Dunkelheit mit seiner hell erleuchteten Fassade herausstach. Von Taehyungs Lamborghini war keine Spur und obwohl Jeongguk nicht erwartete, dass er seinen Sportwagen für solch einen Ausflug verwendete, wurde sein Herz schwer.

Areum, Sora und Eunjin erwarteten ihn in der Küche, wo sie Iseul halfen, mehrere Tabletts mit Antipasti zu füllen. Jedes einzelne der Mädchen umarmte ihn so fest wie sie konnte – in solchen Zeiten war es immer gut, Bedeutung in die Umarmungen zu legen, denn man konnte ja nie wissen – und Areum küsste ihn zusätzlich auf die Wange, als habe das Gespräch zwischen ihnen niemals stattgefunden.

Jeongguk wurde wieder einmal bewusst, wie unwahrscheinlich Areums Anwesenheit in der Küche vor einem halben Jahr noch gewesen wäre und so konnte er nicht anders, als leise in sich hineinzulächeln, als er sie dabei beobachtete, wie sie Artischockenpaste auf getoasteten Baguettes verteilte. Sora, die den Elefanten im Raum so gut es ging, ignorierte, begann sofort ein Gespräch über das Wetter, die Tatsache, dass es nur noch zwei Stunden bis Mitternacht waren und dass sie das Feuerwerk kaum erwarten konnte, das zu Ehren ihrer Gäste veranstaltet werden würde.

„Ich kann nicht glauben, Grandpa wieder einmal zu Gesicht zu bekommen", sagte sie breit grinsend, während Iseul mit sorgenverzogenen Lippen auf die Uhr über dem Küchentisch blickte. „Es muss Jahre her sein, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe."

„Natürlich ist er hier", gab Jeongguk säuerlich zurück; so leise jedoch, dass es nur Areum hören konnte. Der ältere, vornehme Regent seines Clans war Jeongguk nur durch die Gleichgültigkeit in Erinnerung geblieben, mit der er Taehyungs Leben an einen sinnfreien Wettstreit verscherbelt hatte.

Sora und Eunjin stellten Prognosen über das nächste Jahr an; Resolutionen, die sie sich vorgenommen hatten und Jeongguk hätte ihnen so gerne zugehört; aber seine Gedanken waren voll mit Taehyung. Irgendwann gab er es auf, neben den drei Mädchen irgendwelchen Silbertabletts herzurichten und er machte sich daran, auf der anderen Seite der Küche ein paar Teller abzutrocknen, die angefallen waren.

„Hi", sagte eine zögerliche Stimme neben ihm und Jeongguk wurde aus seinen Gedanken gerissen, nur, um Jimin zu sehen, der in seiner Kellneruniform neben ihm stand und ihn zaghaft musterte. Sie hatten seit ihrer letzten Auseinandersetzung nicht mehr wirklich miteinander geredet, und unter anderen Umständen hätte es Jeongguk gewiss leid getan, dass ihre Freundschaft in letzter Zeit so gelitten hatte.

„Hey, Jimin", antwortete er also reserviert und machte sich daran, den Teller weiter abzutrocknen.

„Ich habe heute schon bestimmt drei sündhaft teure Gläser gebrochen", murmelte Jimin. „Ich glaube, das waren fast tausend Dollar insgesamt, die ich mit Kehrblech und Schaufel in den Abfall geworfen habe."

„Ich bin immer wieder überrascht, wie teuer man so einfache Gegenstände eigentlich machen kann." Er schnalzte missbilligend mit der Zunge und Jimin lachte leise.

„Du hast recht. Da erkennt doch nicht einmal mehr jemand, ob das jetzt Walmart oder Murano ist."

„Und der Alkohol schmeckt genauso gut."

Jimin verkniff sich ein Grinsen. „Davon können wir ja ein Lied singen. Weißt du noch, wie wir uns bei Areums Abschlussfeier mit den Resten dieses Portweins eingedeckt haben und uns hinter dem Schuppen hoffnungslos besoffen haben?"

Die Erinnerung an die laue Sommernacht, in der Taehyung den gesamten Abend lang mit schlechter Laune in seinem Zimmer verbracht hatte, während Areum ihren Schulabschluss gefeiert hatte, war ihm noch lebhaft in Erinnerung. Nicht zuletzt deshalb, weil er sich noch allzu gut daran erinnerte, wie er Jimin die teure Uniform zurückgehalten hatte, während dieser sich in den Ozean erbrochen hatte.

„Gute Zeiten", grinste er.

„Einfachere Zeiten."

Sie blickten sich einen Moment an, dann senkten sie beide gleichzeitig das Augenmerk auf die Teller, die sich vor ihnen stapelten.

„Es tut mir leid", sagte Jeongguk schließlich. „Ich hätte dir keine Vorwürfe dafür machen sollen, wegen... Yoongi."

„Und ich hätte mich nicht in Taehyungs und deine Angelegenheit einmischen sollen." Jimins Stimme klang ehrlich und als Jeongguk es wagte, den Blick zu heben, blickte ihn sein älterer Freund mit einem fast traurigen Lächeln an, das sich in seinen vollen, hübschen Lippen verfing. „Ich... hatte nur Angst um euch. Es schien euch individuell voneinander unglaublich fertig zu machen, dass ihr nicht miteinander gesprochen habt."

„Du hattest recht", erwiderte Jeongguk und drehte den Teller vorsichtig in seiner Hand. „Wir mussten... wirklich nur reden. Dann haben wir alles geklärt."

„Ich bin froh, dass zwischen euch beiden wieder alles in Ordnung ist." Jimin klang ehrlich erleichtert und für den Bruchteil einer Sekunde legte er seine Hand auf Jeongguks Schulter, der ihn müde anlächelte.

„Ich auch. Glaub mir."

Sie arbeiteten in stummer Eintracht nebeneinander her, und Jeongguk war froh, dass er neben seinem Freund stand und ihrer stupiden Arbeit nachging – während dieser alle paar Sekunden einen Blick durch das Fenster nach draußen warf, als hoffte er, genauso wie Jeongguk, dass eine gewisse Person sich aus der Dunkelheit hervortun würde. Jeongguk wollte den neugefundenen Frieden nicht dadurch gefährden, dass er Jimin auf seine Gefühle für Yoongi ansprach; auf das, was er vor einer Woche in der Küche belauscht hatte – weshalb er entschied, seine gesamte Gehirnkapazität darauf zu verlagern, keinen der Porzellanteller fallen zu lassen.

Es war beinahe halb elf, als sich aus dem anliegenden Salon, der den Lärm von dutzenden von Ehrengästen trug und verteilte, plötzlich ein unruhiger Tumult hervortat, der Jeongguk sofort dazu veranlasste, in der Bewegung innezuhalten.

In der nächsten Sekunde brach Seokjin durch die Küchentür, den Jeongguk noch überhaupt nicht wahrgenommen hatte, und rief in den weiten Raum hinein: „Irgendjemand ist gerade die Auffahrt hinaufgekommen, kommt schnell!"

Jeongguk warf den Teller halb in die Spüle, während die Panik jede seiner Nervenbahnen zu durchziehen begann und er hinter Jimin, der noch schneller gewesen war als er, aus dem Raum stürzte. Sie gerieten sofort in einen Stau an Menschen, die sich aus dem Salon in Richtung Eingangshalle drängten und einander bei schnelleren Vorankommen behinderten. Jeongguk kümmerte sich nicht darum, dass er vermutlich gerade ehrenwerten Persönlichkeiten seine Ellbogen in die Seite drängte und er kämpfte sich Stückchen vor Stückchen nach vorne – bis er an der Spitze der Kolonne angelangt war; Jimin immer noch einen halben Schritt vor ihm.

Die breite Tür zur Eingangshalle stand speerangelweit offen und Jeongguk hatte sich gerade nach vorne gekämpft, als sein Blick Taehyung fand, der hinter seinem Halbbruder durch die Tür trat. Er hatte eine tiefe Schramme im Gesicht und der dunkle Anzug, den er trug, hing in Fetzen von ihm hinab. Jeongguks Herz setzte ein paar Schläge aus, während er sich beherrschte, nicht vor aller Augen auf Taehyung zuzufliegen und ihn in seine Arme zu schließen.

„Oh, mein Gott", flüsterte Jimin in dieser Sekunde neben ihm und erst erkannte Jeongguk, worauf das gesamte Augenmerk dieser Halle gerichtet war.

Yoongi sah zehn Mal schlimmer aus als Taehyung. Jeongguk war sich fast sicher, dass sein rechter Arm gebrochen war, von der Art, wie er ihn eigenartig vom Körper abwinkelte – und ein kontinuierlicher Blutfluss bahnte sich seinen Weg aus einer tiefen Wunde an seiner Stirn; befleckte sein Hemd, das ehemals weiß gewesen war und Jeongguk erkannte ein Veilchen, das sich unter seinem einen Auge breitmachte.

Aber keiner schien sich für die Verletzungen zu interessieren, die Yoongi trug, oder für die Tatsache, dass Hoseok von Namjoon gestützt wurde, während Hyungwon mit einer beinahe gelangweilten Miene hinter ihnen durch die Tür trat und sie schloss, sodass die Eiseskälte nicht länger zu ihnen hineindringen konnte.

Alle Augen waren auf den schwarzen Stoffsack in Yoongis unverletzter Hand gerichtet – und Jeongguks Herz sank.

Er blickte Taehyung an, während Yoongi den Stoff beiseite schlug und einen unsauber abgetrennten Kopf an seinen dicken, schwarzen Haaren hervorzog. Bonannos leere Augen blickten gegen die Decke und Jeongguk fragte sich unwillkürlich, was er sagen würde, wenn er noch die Fähigkeit hätte zu sprechen.

Eine gesamte Halle starrte ihn wortlos an; es war so still, dass das regelmäßige Tropfen des Bluts auf die Steinfliesen das einzige Geräusch darstellte – ob es Yoongis, Hoseoks oder Bonannos war, hätte Jeongguk in diesem Augenblick nicht sagen können.

Er spürte eine Hand an seiner; und er musste nicht einmal seinen Kopf zur Seite wenden, um zu wissen, dass Areum neben ihm stand und zusah, wie ihr Bruder endgültige Kapitulation einräumen musste. Wie Taehyung neben Yoongi stand; aufrecht, ungebrochen und fast zufrieden – seine Hände leer und unbefleckt, während sein Halbbruder neben ihm die Trophäe in den Händen hielt, die den Rest seines Lebens sicherte.

Ein einzelnes, lethargisch langsames Klatschen ertönte plötzlich aus den hinteren Reihen der atemlosen Zuschauern, das prompt von den Wänden widerhallte, bis es sich zu einem einzelnen Donnersturm an spöttischen Beifall erhob. Die Menge hinter Jeongguk teilte sich und Hyun-sik trat aus der Mitte hervor, den Kopf schiefgelegt, die Hände so weit erhoben, dass jeder den Applaus sehen konnte, den er seinem Erben entgegenbrachte.

Taehyung trat einen beinahe unmerklichen Schritt in Yoongis Schatten zurück, als er seinen Vater erkannte und jede Zelle in Jeongguks Körper zog sich vor Schmerz zusammen, als er sah, wie Taehyung den Blick senkte; es kaum wagte, jemanden anzusehen.

Hyun-sik passierte Jeongguk, Areum und Jimin, die an der Spitze des Empfangskomitees gestanden hatten, und jeder Blick in der Halle war auf die paar Schritte gerichtet, die er benötigte, bis er vor Yoongi stand.

Jeongguk hatte ihn noch niemals so zufrieden gesehen, niemals so stolz. Er hatte nicht geglaubt, dass Kim Hyun-sik zu väterlicher Liebe fähig war, aber als er Yoongi musterte, der vor ihm stand, sein Gesicht in jedem Sinne des Wortes malträtiert und den Kopf seines ältesten Feindes in der Hand – da wurde Jeongguk gewusst, dass er sich getäuscht hatte.

Hyun-sik war des Stolzes fähig; der unverminderten Zuneigung für seine Nachkommen – aber diese wertvolle gehandelte Liebe hatte sich sein gesamtes Leben nur auf den Sohn bezogen, den er verloren hatte, noch ehe dieser ins Leben getreten war. Der Idealfigur, zu der er seinen namenlosen Erstgeborenen erhoben hatte. Derjenige, der als Mann zu ihm zurückgekehrt war – loyal, willig und gerissen, in dem was er tat. Und endlich, endlich, hatte Hyun-sik sich nicht mehr mit seinem kunstliebenden, empathischen Stellvertretererben zufrieden geben müssen, sondern hatte den Sohn in seine Arme schließen können, von dem er sein gesamtes Leben lang ausgegangen war, das er ihm gebührte.

Er tat etwas, das Jeongguk ihn noch niemals machen hatte sehen – in all den Jahren, die er Hyun-sik nun kannte. Er legte seine Hände um Yoongis Gesicht und küsste zuerst seine rechte, dann seine linke Wange, ehe er sich mit einem Ausdruck vollkommener Emotionalität zu den versammelten Gästen umdrehte.

„Das hier", sagte er und seine Stimme wurde von der Halle getragen, als sei sie nur für diesen Augenblick erbaut worden, „das hier... ist mein Sohn."

Er sagte nicht etwa Erbe, oder Nachfolger... sondern Sohn.

Jeongguks Blick fand erneut Taehyung, der auf den Boden starrte und vermied, seinen Vater anzublicken, während dieser seinen verhassten Halbbruder in die Position erhob, die ihm sein gesamtes Leben lang zugestanden worden war. Die Zukunft lief wie Sand durch seine Finger und er konnte nichts dagegen tun, als dabei zuzusehen.

Areum neben ihm gab ein ersticktes Geräusch von sich und ihre Finger schlangen sich um Jeongguks, während er ihre Hand drückte. In diesem Augenblick waren sie sich näher als jemals zuvor; vereint in ihrem Hass auf die beiden Männer, die den gerechtesten, gütigsten Menschen eines Postens enthoben, der jemals für diese Position in Betracht gezogen worden war.

Der Rest des Moments verlief in einer einzigen Trübung an ihm vorbei; wie die Jeong-Seite der Anwesenden in Applaus ausbrach, in Jubel, der von den Wänden widerhallte, während die Chois voller Missachtung auf ihren Erben blickten, der versagt hatte. Der tatsächlich so schwach war, wie sein Ruf es verheißen hatte lassen – der nicht einmal mit Hyungwon, dem Meister der Geheimnisse, siegreich hervorgehen konnte.

Hoseok wurde so eilig wie möglich aus dem Raum gebracht; Jeongguk konnte nicht sagen, was mit ihm nicht stimmte, aber die Tatsache, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte, sprach von der Gravität seiner Verletzung. In dem Trubel, der daraufhin ausbrach, als man sich langsam von dem Schock erholte, gerade einen abgetrennten Kopf mit eigenen Augen gesehen zu haben – der die Anwesenden langsam zurück in den Salon begleitete, in den diese langsam wieder verschwanden – in dieses Wirrwarr hinein, löste sich Taehyung von einer Sekunde auf die andere in Luft auf und Jeongguk, der eine Sekunde unachtsam gewesen war, löste sofort seine Hand aus Areums.

„Ich gehe ihn suchen", flüsterte Jeongguk ihr zu und sie nickte bloß, während sie sich von dem stetigen Strom ihrer Verwandten zurück zur Party schwemmen ließ – als sei niemals etwas passiert.

Den Bruchteil einer Sekunde lang kreuzte Jeongguks Blick den von Yoongi; das Veilchen, dessen Entstehungsgeschichte er liebend gerne hören würde – und es wirkte fast, als läge eine Art der Reue in seinem Blick. Als verhöhnte ihn Yoongi damit, dass es ihm leidtäte, alle seine sorgfältigen Planungen für die Zukunft zerstört zu haben.

Was passiert jetzt mit Taehyung, wogten seine Gedanken, als er das Treppenhaus in den ersten Stock hinaufeilte. Was passiert mit mir, jetzt, wo Taehyung nicht mehr Kartellführer wird?

Sein Herzschlag nahm eine unaussprechliche Frequenz an, während er die Treppenstufen hinaufjagte, den Flur entlang, den er mit verbundenen Augen zurücklegen könnte – bis er plötzlich vor Taehyungs Zimmertür stand, die einen Spalt geöffnet war.

Er legte vorsichtig seine Finger gegen das Holz und schob die Tür auf. Taehyung stand vor seinem Bett und zog sich den zerfetzten Stoff von seinem Körper. Er verzog das Gesicht, als der Anzug über seinen Arm strich und Jeongguk war sich beinahe sicher, dass er darunter blutete.

Als Taehyung ihn in der Tür erkannte, hielt er wie versteinert inne.

„Fuck", war das einzige, das er hervorbrachte und keine Sekunde später war Jeongguk gegen die Tür gedrängt, die infolgedessen ins Schloss fiel, Taehyungs heiße und fieberhafte Lippen auf seinen. Sein Atem verfing sich in seiner Kehle, während er überrascht die Lippen weitete und Taehyungs Zunge an seiner fühlte. Sein Freund war nie einer für Zurückhaltung gewesen, aber dieser Augenblick setzte allem Vorangegangenen die Krone auf; jede Keuschheit, in der er sich zuvor zumindest als Vorwand geübt hatte, war von ihm abgefallen – und er küsste Jeongguk so hemmungs- und kompromisslos, das es beinahe an Selbstsucht grenzte.

Irgendwann gelang es dem rationalen Teil von Jeongguks Gehirn seinen besten Freund von sich zu schieben und seine Hände auf Taehyungs Brust zu legen.

„Tae, was ist... los?" Seine Stimme klang heiser. „Was ist passiert?"

„Bitte", flüsterte Taehyung. „Zerstör' diesen Augenblick nicht. Ich will dich einfach küssen, ohne daran zu denken, wie es ist, wenn ich dich verliere."

„Nein. Nicht bevor du nicht mit mir redest."

„Was gibt es schon zu sagen? Yoongi hat gewonnen. So wie es alle vermutet haben. Er hat Bonanno zuerst erwischt. Ihm mit einem einzigen Schuss in den Kopf den Garaus gemacht und dann seinen Kopf mit einem ekelhaften Langmesser abgesäbelt." Taehyungs Tonfall spiegelte seine Worte in keinster Weise wider; er hätte mit dieser Gleichgültigkeit genauso gut über das Wetter sprechen können. „Jetzt ist Yoongi meines Vaters Erbe. So, wie es jeder wollte."

„Nicht ich."

„Jeongguk..."

„Nein", antwortete Jeongguk, während er einen Schritt zur Seite machte, sodass er außerhalb von Taehyungs Reichweite war. „Ich will, dass du ehrlich mit dir bist. Und mit mir. Nichts davon ergibt Sinn. Nichts davon bist du."

„Ich kann nicht, Jeongguk." Taehyung trat einen halben Meter zurück, während er das zerrissene Hemd von seinen breiten Schultern zog und es zu Boden fallen ließ. Erst jetzt erkannte Jeongguk, dass er tatsächlich noch eine zweite, unwesentlich tiefere Wunde auf seinem rechten Arm trug, die aus einem tiefen Schnitt konstant auf seine Haut blutete.

„Okay, erst mal flicke ich dich wieder zusammen", schnaubte Jeongguk mit einem Blick auf Taehyungs Arm. „Und dann reden wir."

„Und wann darf ich dich küssen? Der Gedanke daran ist das einzige, das mich durch die letzten Tage gebracht hat."

„Später." Er nahm Taehyungs Hand und zog ihn in das anliegende Badezimmer, für das man den Raum nicht einmal verlassen musste, ehe er ihn dazu brachte, sich auf den Badewannenrand niederzulassen.

„Hmm", machte Taehyung und Jeongguk erkannte, dass seine Augen dunkel waren vor Verlangen. „Das erinnert mich an irgendwas."

„Wüsste nicht, wovon du redest", schnaubte er, während er den kleinen Raum in Richtung Badezimmerschrank durchquerte, der Desinfektionsmittel und Verbände beherbergte; zumindest, wenn er sie das letzte Mal aufgestockt hatte.

„Oh, aber ich weiß es umso besser. Als du mich von dem Blut befreit hast, das nicht mein eigenes war. Ich hätte dafür sterben können, wie nahe du mir warst. Wie deine Finger über meine Haut gestrichen sind und ich mir gewünscht habe, das Blut sei überall oder es würde sich nicht hinunterwaschen lassen, einfach, damit du niemals wieder damit aufhörst."

Jeongguk drückte das Iodfläschchen auf einem Wattebausch aus und presste es mitleidlos gegen Taehyungs Wunde, der scharf die Luft einzog. „Du weißt gar nicht, was für Sorgen ich mir um dich gemacht habe. Damals und heute. Du bist so ein hilfloser Idiot."

Taehyung presste seine Knie so um Jeongguks Beine, dass dieser sich kaum bewegen konnte. Er führte seine Arme hinter Jeongguks Rücken zusammen, sodass dieser sich gegen ihn lehnen musste.

„Kannst du mal aufhören? Ich versuche nur, dir zu helfen."

„Weißt du, was mir viel mehr helfen würde?"

„Nein, ich küsse dich nicht, bis du nicht mir geredet hast. So lautet der Deal."

Taehyungs schmollte und Jeongguk musste sich zusammenreißen, ihm nicht nachzugeben. „Diesem Deal habe ich nie zugestimmt."

Er zog den Verband aus seiner Plastikverschweißung und wickelte ihn vorsichtig um Taehyungs Arm, der bei jeder Berührung seiner Wunde unwillkürlich zusammenfuhr. „Wieso... bist du so gut drauf? Taehyung, ich verstehe dich einfach nicht. Wir haben wirklich keinen Grund, jetzt in Feierlaune zu sein."

„Doch, den haben wir", murmelte Taehyung und keine Sekunde später war er wieder auf den Beinen. „Wir sind beide am Leben. Du und ich. Das ist mehr als genug."

Seine Lippen waren nur noch eine Handbreit von Jeongguks entfernt und als dieser schließlich augenverdrehend nachgab, lehnte Taehyung sich so sinnerfüllt in ihn hinein, als habe er nur darauf gewartet. Jeongguk versuchte die Tatsache zu übergehen, dass Taehyung nichts trug außer einer sehr in Mitleidenschaft gezogenen Hose, und keine Sekunde später hatte er Taehyung in die Mauer gedrängt, und dieser stöhnte auf, als Jeongguk seine Finger über seinen Oberkörper gleiten ließ, frenetisch und so ängstlich, als trüge er Sorge, dieser Augenblick möge sich in der nächsten Sekunde auflösen und ihn mit nichts als Luft in seinen Händen zurücklassen.

„Was ist überhaupt mit deiner Kleidung passiert?", murmelte er in Taehyungs Hals hinein, während er diesen mit einer Reihe von fiebrigen Küssen bedeckte. „Oder mit Yoongis Arm?"

„Keine Ahnung", flüsterte Taehyung zurück. „Ich glaube, das muss passiert sein, als wir vor Bonannos Bluthunden geflohen sind. Die haben Hoseok ziemlich übel erwischt."

„Fuck, ich bin so froh, dass du okay bist." Jeongguk löste sich von Taehyung, der ihn mit einem weichen Lächeln bedachte, während er mit seiner rechten Hand über seinen Nacken strich.

„Ich bin es jetzt."

„Gott, bist du schnulzig."

Taehyung warf lachend seinen Kopf zurück. „Ich versuche nur etwas mehr Mondänität in diese Tragödie von Beziehung zu bringen. Und du bist so wertvoll, dass ich dir am liebsten jede Sekunde sagen will, wie sehr ich dich liebe und wie fucking sinnfrei mein Leben ohne dich wäre."

„Jetzt übertreibst du wirklich."

Taehyungs Lippen schwebten über Jeongguks; ein paar wenige Millimeter darüber, sodass er den elektrischen Impuls eindeutig spüren konnte, der davon abgesondert wurde. „Oder du bist einfach emotional verbohrt."

„Das wissen wir schon lange, Tae."

Taehyungs Mund auf seinem benebelte seine Gedanken so weit, dass er nicht einmal hörte, wie draußen vor dem Fenster der erste Feuerwerkskörper in den Himmel gesandt wurde – wohl aber Taehyung, der bei dem Geräusch zusammenzuckte und sich vorsichtig von Jeongguk löste.

„Weißt du noch, vor einem halben Jahr auf dem Dach? Am Unabhängigkeitstag."

„Wie könnte ich vergessen? Ich habe eine halbe Stunde lang kontempliert, ob es irgendwelche Grenzen überschreiten würde, wenn ich mit einer deiner Haarsträhnen spiele."

„Und ich war einen halben Millimeter davor, dir meine Gefühle zu offenbaren. Zumindest glaube ich, dass ich das damals gemacht hätte. Wahrscheinlich hätte ich in der letzten Sekunde wieder den Schwanz eingezogen. So wie ich dir auch nicht an meinem vierzehnten Geburtstag gesagt habe, dass du die Liebe meines Lebens bist. Oder als ich vom Internat zurückkam und du mich hier in Bayville begrüßt hast, als sei es etwas Selbstverständliches. Oder als ich an Soras Geburtstag sturzbesoffen war und du mich aus dem Haus tragen musstest."

„Klingt nach einer endlosen Reihe von verpassten Möglichkeiten", schnaubte Jeongguk.

„Sei froh. Du hättest es nicht verkraftet." Er gab Jeongguk einen scherzhaften Schubs gegen die Schulter, bevor er sich einen Weg an ihm vorbei zurück in sein Zimmer bahnte und auf den Kleiderschrank zuhielt. Er zog einen flaschengrünen Strickpulli hervor, den er sich vorsichtig über den Kopf zog und Jeongguk lehnte sich in den Türrahmen, während er seinem Freund dabei zusah, wie er sich müde durch sein helles Haar fuhr.

„Was?", schnaubte dieser defensiv, als er Jeongguks Blick auf sich bemerkte.

„Grün ist einfach deine Farbe." Er spürte wie seine Kehle sich verengte. „Nicht, dass dir irgendeine Farbe auf dieser Welt nicht stünde. Ach, fuck, du hast mich schon wieder vollkommen eingelullt. Und du hast mir immer noch nicht gesagt, was passiert ist."

„Nachher, Jeongguk. Ich verspreche es." Er hob seinen Strickpullover ein Stück an und erst jetzt bemerkte Jeongguk, dass sich der Verlauf einer Pistole gegen den Stoff seiner Hose abzeichnete.

„Tae, woah", brachte er entsetzt hervor, während dieser seinen Pullover geradestrich, als gäbe es nichts Gewöhnlicheres als eine Welt, in der Kim Taehyung Waffen an seinem Gürtel trug. „Woher hast du die?"

„Ist noch von vorhin. Ich habe voll vergessen, sie abzunehmen." Er wollte sie wohl offensichtlich gerade hervorziehen, als es vehement an der Tür klopfte und sie beide sofort herumwirbelten.

„Ja?"

Die Tür schwang auf und Namjoon stand im Rahmen. Er wirkte weniger weiß als vor einer halben Stunde und Jeongguk vermutete, dass das der Tatsache geschuldet war, dass Hoseok wieder in Ordnung kommen würde. „Dein Vater will mit dir reden, Kim."

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, machte er auf der Stelle kehrt und verschwand im dunklen Korridor.

„Er ist so höflich", schnaubte Taehyung und schnalzte mit der Zunge, während er seine Arme nach Jeongguk ausstreckte, der ein paar Schritte auf ihn zumachte und seine Hand unter Taehyungs Kinn legte. „Ich verstehe ja, wieso er und Yoongi befreundet sind."

„Was kann dein Vater von dir wollen?", fragte Jeongguk und Taehyung sog tief die Luft ein.

„Mich vermutlich offiziell enterben. Was weiß ich. Was auch immer es ist, ich bin bereit. Bereiter als bereit."

Jeongguk legte den Kopf schief. „Bist du sicher?"

„Ich warte auf diesen Moment, seit ich sieben bin."

„Das meinst du nicht ernst."

„Na gut. Seit ich elf bin. Davor war mir das Konzept des Enterbtwerdens nicht wirklich bekannt."

Nur weil die Tür offenstand und man in diesem Haus nie wissen konnte, wer um die Ecke stand und lauschte, verzichtete Jeongguk darauf, Taehyung weiterhin zu widersprechen und er löste sich von ihm.

„Soll ich mitkommen?"

„Warum nicht."

Er legte seinen Arm um Jeongguks Schultern und zog ihn mit sich aus seinem Zimmer, während er die Tür hinter sich zutrat und den halben Korridor in Richtung des Büros seines Vaters zurücklegte. Die Tür war geschlossen und Taehyung zögerte einen winzigen Augenblick, ehe er seine Knöchel gegen das Holz preschen ließ; ein-, zwei-, dreimal.

Von der anderen Seite ertönte ein abwesendes „Herein!" und Taehyung öffnete die Tür, während Jeongguk unschlüssig hinter ihm verharren blieb.

Hyun-sik war alleine in seinem Büro; ein goldener Wagen stand neben seinem Schreibtisch, auf dem eine zentimeterhohe Schicht aus Tiefkühlfacheis verteilt war, auf dem Bonannos abgetrennter Kopf gegen die Decke schielte.

„Das ist einfach nur geschmackslos", sagte Taehyung mit einem Blick auf die Trophäe seines Vaters, und Hyun-sik, der bis zu diesem Augenblick noch auf einem Dokument herumgekritzelt hatte, hob den Blick.

„Du würdest das nicht verstehen", sagte er mit einem abschätzigen Tonfall, und sein Blick kreiste Jeongguk ein, der nach wie vor im Türrahmen stand. „Komm rein, Jeongguk. Das betrifft euch beide."

Jeongguk tat wie geheißen und schloss die Tür hinter sich. In diesem Augenblick wurde das Büro von einem grünblauen Schimmer bis in die letzte Ecke erhellt, als vor den Fenstern die Feuerwerkskörper in die Luft stoben und ihr Licht über das gesamte Anwesen verteilten. Der donnernde Schlag folgte nur eine Sekunde später und Jeongguk bemerkte, wie Taehyung seine Hände in der Lehne seines Stuhls verkrampfte.

Hyun-sik nahm fast eine halbe Minute lang keine Notiz von ihnen, dann schloss er die Mappe, legte den Kugelschreiber zur Seite ab und lehnte sich schließlich zurück.

Taehyung erwiderte seinen Blick trotzig und ein paar Sekunden lang wirkte Hyun-sik beinahe zufrieden. Dann sagte er: „Taehyung, wie erwartet, hast du versagt. Dein Erbe wird an Yoongi übergehen, und du fliegst noch heute Nacht nach Korea, um eine deiner entfernten Cousinen zu heiraten. Für Jeongguk habe ich–"

Stopp", sagte Taehyung, wie vom Donner gerührt. Sein gesamter Körper war plötzlich angespannt und Jeongguk spürte, dass er kurz davor war, die Contenance zu verlieren. „Das war nichtunsere Abmachung."

Hyun-sik lehnte sich vor. „Willst du dich etwa weigern? Ich habe dir doch schon ausdrücklich begreiflich gemacht, was passiert, wenn du dich mir widersetzt."

„Und ich habe deinen idiotischen Deal angenommen, damit ich danach frei bin."

Jeongguks Puls jagte in die Höhe. „Deal? Was für ein Deal?"

Hyun-siks eiskalte Augen kreisten seinen Sohn ein. „Taehyung, du glaubst nicht wirklich, dass ich dich einfach so gehen lassen kann. Du magst vielleicht nicht mehr mein Erbe sein, aber du bist immer noch ein Anlagegut. Ein wertvolles, noch dazu, das mir Frieden mit der Familie deiner Mutter garantiert."

„Du hast mir versprochen, dass ich frei bin, wenn ich absichtlich gegen Yoongi verliere", zischte Taehyung und er lehnte sich ein paar Zentimeter nach vorne, sodass ihm plötzlich eine ganz neue Aura der Autorität anlag, die Jeongguk selten einmal an ihm beobachtet hatte. „Du hast mir versprochen, dass ich gehen kann wohin ich will, und dass... du–"

„Dass ich Jeongguk auch von seinen Pflichten im Kartell befreie?" Hyun-sik lachte. „Einen meiner wertvollsten Männer? Nur, weil er dein Freund ist? Taehyung, selbst du solltest es besser wissen."

„Warte", warf Jeongguk ein und sein Kopf begann, furchtbar zu schmerzen. „Du hast Yoongi absichtlich gewinnen lassen?"

Taehyung antwortete nicht und plötzlich musste Jeongguk an den Abend des Maskenballs denken, als Bonanno Taehyungs Gnaden unmittelbar ausgeliefert gewesen war. Als er in den Raum gestolpert war und Taehyung einen Moment beinahe erleichtert ausgesehen hatte – weil er geglaubt hatte, Yoongi käme herein.

„Du konntest nicht schießen", sagte Jeongguk tonlos, „auf dem Ball, weil du auf Yoongi gewartet hast. Du wusstest, dass du nicht schießen kannst, weil dein Deal mit deinem Vater sonst nichtig wäre. Er wollte Yoongi, und du wolltest deine Freiheit."

Taehyung sah ihn nicht an. „Von der Sekunde an, in der Yoongi in unser Leben gekommen ist, hatte ich diese Hoffnung. Dass ich freikomme von alledem, das ich hasse. Mein Vater hat mich nach Korea geschickt in Vorbereitung seines Plans, der Yoongi als rechtmäßigen Erben in den Augen beider Familien anerkennt und mich als ausgestoßenen, aber freien Sohn."

„Wieso hast du mir nicht davon erzählt?"

„Weil ich es ihm verboten habe. Es war Teil unserer Abmachung", antwortete Hyun-sik an seiner statt. „Niemand durfte davon erfahren, nicht einmal du. Du bist zu unberechenbar, du sprunghaft in deinen Versuchen, Taehyung vor sich selbst zu schützen. Hättest du auch nur eine Nuance anders gehandelt, wären andere vielleicht... hellhörig geworden."

„Und deswegen war Yoongi auch auf dem Ball. Nicht, weil Hoseok sonderlich gute Spionagearbeit geleistet hat", murmelte Jeongguk. „Sondern, weil du ihn dort wolltest. Aber dann kam Blankenship und der Plan ist nicht aufgegangen."

„Weißt du, wie schwer es ist, Hyungwon Dinge zu verheimlichen? Es ist quasi unmöglich. Es hat mir alles abverlangt, einerseits diesen ehrgeizigen Erben zu spielen und gleichzeitig Yoongi alle Informationen zukommen zu lassen, die er benötigt, um mich zu schlagen." Taehyungs Finger krampften sich so tief in den Stoff des Stuhls vor ihm, dass seine Knöchel weiß hervortraten. „Ich musste grauenvolle Dinge zu dir sagen, um dich von mir fernzuhalten. Nur, wenn ich dich täuschen konnte, war mein Cover gut genug, um auch vor den anderen zu gelten."

„Du hast gute Arbeit geleistet", sagte Hyun-sik jovial. „Es ist fast schade, dass du niemals Interesse daran hattest, das Kartell zu übernehmen. Aber ich hoffe auch, dass du verstehst, dass ich dich nicht einfach gehen lassen kann."

„Du hast es mir versprochen!" Taehyungs Stimme war ein bloßes, heiseres Flüstern und Jeongguk brach beinahe das Herz.

„Habe ich dich nicht gelehrt, dass du niemanden zu vertrauen hast, außer dir selbst?" Hyun-sik lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fixierte seinen Sohn. „Du bist... so leicht zu manipulieren, Taehyung, sobald man einmal deine Schwachstelle ermittelt hat. Kaum, dass ich dir angedroht habe, dass Jeongguk bei einer Razzia genauso gut von einem Querschläger getroffen werden kann, warst du ganz dort, wo ich dich gebraucht habe. Ich hätte schon viel früher erahnen müssen, wie... wichtig er dir ist."

„Du hast mir versprochen, dass wir freikommen. Dass du Jeongguk nicht töten wirst, wenn ich dein dummes Spiel spiele." Taehyungs Kiefer pressten sich so fest aufeinander, dass sich seine Knochen scharf gegen seine Haut abzeichneten. „Dass du uns gehen lässt, und wir frei sind, solange wir versprechen, uns niemals mehr in der Nähe dieser Stadt zu zeigen."

„Taehyung, die Vereinbarung mit dir war nicht die einzige, die ich getroffen habe. Du wirst in der Familie deiner Mutter eine Schlüsselrolle einnehmen. Einer deiner Onkel wird anstelle deiner regieren und du lebst ein relativ unbehelligtes Leben als Repräsentant. Gute Verhältnisse zum Bayville-Kartell, das von deinem älteren Halbbruder geführt wird, und gute Verhältnisse zu den Jeongs, weil sie deinen Bruder unterstützen. Du musst zugeben, diese Zukunft ist... glorreich."

„Ich werde niemanden heiraten, den ich nicht liebe", zischte Taehyung. „Niemals. Eher sterbe ich."

„Wieso nicht? Weil du in deinen Sicario verliebt bist, wie ein... hirnloser, gefühlsduseliger Idiot?"

Jeongguk sog stark die Luft ein und Hyun-sik ließ ein wölfisches Lächeln sehen. „Habt ihr wirklich geglaubt, ich sehe das nicht? Sobald Taehyung angefangen hat, Jeongguks Leben einen höheren Wert zuzuschreiben, als dem seiner restlichen Hitmen, wurde mir bewusst, dass etwas nicht stimmen kann. Die letzten Wochen haben mein Misstrauen endgültig angeregt."

Er verschränkte die Hände vor sich auf dem Tisch. „Taehyung, diese Sache ist größer als ihr beide. Du willst deine Schwestern doch in Sicherheit sehen, oder? Heirate die Frau, die wir für dich ausgesucht haben und geh nach Korea. Ich verspreche dir, dass das Kartell mit Unterstützung der Jeongs und Chois Blankenship in der Luft zerreißen wird. Du musst nur ein kleines Opfer bringen. Jeongguk wird hier bleiben. Er kennt deine Domäne besser als jeder andere, er wird Yoongi unterstützen, wie er früher dich unterstützt hat und gemeinsam–"

Hyun-siks Worte gingen in einem plötzlichen Donnerschlag unter und zuerst dachte Jeongguk, dass draußen vor den Fenstern ein weiterer Feuerwerkskörper explodiert sei – zumindest, bis er bemerkte, dass Hyun-siks Stirn plötzlich von einem einzige, dunklen Punkt geziert wurde, aus dem keine Millisekunde später ein dünnes, rotes Rinnsal auf seine lange Nase tropfte, während die Hände vom Schreibtisch hinabrutschten.

Wie in einer Trance wandte Jeongguk seinen Kopf in Taehyungs Richtung, der die Pistole aus seinem Gürtel in seinen vollkommen ruhigen Händen hielt und auf seinen Vater blickte, dessen Kopf in diesem Augenblick zur Seite fiel.

„Nein", flüsterte dieser. „Genug."

Keine Sekunde später war Jeongguk bei Taehyung, der mit starren Blick seinen Vater fixierte – während draußen vor den Fenstern eine rotgelbgrüne Triade in den Himmel gemalt wurde. Er löste die Pistole aus Taehyungs betäubten Händen, sodass sie mit einem dumpfen Schlag auf dem Teppichboden landete.

„Fuck, Tae, fuck", flüsterte er, während er auf Hyun-siks leere Augen blickte, die geradeaus nach vorne starrten – auf seinen Sohn, der in diesem Augenblick die Pistole fallen gelassen hatte. „Was hast du getan?"

„Er hätte niemals aufgehört", flüsterte Taehyung. „Niemals aufgehört, mein Leben zu regieren und zu bestimmen. Er hätte uns auseinander gerissen, nur, um mich in meinem Schmerz zu kontrollieren. Ich... ich musste es tun."

„Fuck", flüsterte Jeongguk. „Wir müssen hier weg. Sofort. Wenn irgendjemand herausfindet, was wir getan haben, dann–"

Taehyung löste seinen Blick von seinem Vater und sah ihn aus erstaunlich klaren Augen an. „Ich weiß. Dann sind wir tot. Dazu wird es nicht kommen."

„Oh, Gott, Taehyung. Wieso... wieso hättest du nicht–"

„Er hätte nie aufgehört."

„Er war dein Vater!"

Taehyung löste seinen Blick von Jeongguk und zurück zu Hyun-sik, der grotesk aufrecht und steif in seinem Stuhl saß, als habe man ihn mitten in der Bewegung eingefroren. „Er war nicht mein Vater. Er war mein... Kerkermeister. Und er war ein Tyrann."

Er packte Jeongguks Hand und zog ihn aus dem Raum, sodass dieser nicht mehr auf das eigenartig verstörende Bild seines ehemaligen Capos blicken konnte, der vor einem bunt erleuchteten Himmel erstarrt war. „Wir haben nur Minuten, bevor irgendjemand nach oben kommt und ihn findet. Wenn das passiert, müssen wir schon auf halber Strecke in die Stadt sein."

„Wieso... wieso bist du so ruhig?", murmelte Jeongguk, während er die Tür zu Taehyungs Zimmer aufriss. Sein Freund folgte ihm auf dem Fuß und zog einen Rucksack aus dem Regal, den er mit mehreren Geldbündeln befüllte, die er unter seiner Matratze hervorzog. Jeongguk begann, die Schubladen nach Taehyungs Reisepass zu durchwühlen, den er einfach in seinen Rucksack warf.

„Schockadrenalin", antwortete Taehyung leise. „Wie wenn du dir das Bein brichst. Dein Körper unterdrückt alles andere, bis du dich in das nächste Krankenhaus geschleppt hast."

„Fuck", flüsterte Jeongguk. „Wieso musstest du ihn erschießen?"

„Was hätte ich sonst tun sollen? Zulassen, dass er mich nach Korea schickt?" Taehyung blickte ihn über das Bett hinweg ohne eine Spur der Unehrlichkeit an. „Ohne dich? Nachdem ich dich gerade erst..." Er unterbrach sich, indem er einen hastigen Blick über seine Schulter warf. „Wir haben keine Zeit. Tatsache ist, dass es passiert ist. Und jetzt müssen wir handeln."

„Mein Auto steht unten auf der Straße ", sagte Jeongguk. „Wenn wir das Haus unbemerkt verlassen können, schaffen wir es vielleicht zum Flughafen, ehe irgendjemand etwas davon bemerkt."

„Okay", flüsterte Taehyung, während er sich den Rucksack über die Schulter warf. „Das Feuerwerk sollte noch lang genug laufen, um sie alle abzulenken."

„Dann los."

Jeongguk öffnete die Tür zu Taehyungs Zimmer, ohne einen Blick zurückzuwerfen und sein Freund tat es ihm gleich. Sie waren beinahe am Kopf der Treppe, als eine Stimme sie herumfahren ließ.

„Einen Schritt weiter und ich erschieße euch beide."

Jeongguk wirbelte herum, nur, um Yoongi vor der geöffneten Bürotür seines Vaters zu erkennen. Er hielt die Pistole in der Hand, mit der Taehyung seinem Vater nur Minuten zuvor eine Kugel in den Kopf gejagt hatte.

Yoongi schien blasser und durchsichtiger denn je; aber eine Determination lag in der Art und Weise, wie er die Pistole anhob und sie auf Taehyungs Brust fixierte.

„Was hast du getan?", spuckte er aus.

„Das, was notwendig war." Taehyung wirkte ruhiger denn je, als er vorsichtig seine Hände hob, um seinem Bruder zu signalisieren, dass er unbewaffnet war. „Yoongi, bitte. Das betrifft dich nicht."

„Es soll mich nicht betreffen? Das ist unser Vater!"

Unser Vater?", fragte Taehyung langsam. „Hast du deine gesamte Kindheit damit verbracht, unter ihm zu leiden? Von ihm in eine Rolle gedrängt zu werden, die dir alles abverlangt hat? Weißt du wirklich, was es bedeutet, Kim Hyun-sik Vater zu nennen?"

Yoongi zögerte einen Augenblick, dann richtete er die Pistole gegen Taehyungs Kopf. „Du hast ihn getötet, Taehyung. Du bist ein Vatermörder."

„Ich wusste immer, dass es eines Tages dazu kommen wird", antwortete Taehyung leise. „Entweder tötet er mich, oder ich ihn. Und ich werde mein Leben nicht für seine Pläne aufgeben. Er hat kein Recht, über meine Glücklichkeit zu bestimmen, als sei diese nur eine weitere Facette in seinem gottgegebenen Plan."

„Was erwartest du, dass ich jetzt tue?"

„Du bist der neue Anführer dieses Kartells", antwortete Taehyung leise. „Lass mich gehen. Lass mich und Jeongguk gehen. Beginne deine Herrschaft nicht mit einem Akt der Grausamkeit. Beginne sie, anders, als unser Vater es jemals getan hat, mit einem Zeichen der Güte. Wir werden dir nichts tun. Wir werden niemals zurückkommen. Wir werden niemals versuchen, dich zu behindern, oder deine Herrschaft anzuzweifeln."

Er schluckte, während er einen Schritt auf seinen Bruder zumachte, der sich um keinen Millimeter bewegte. „Seit ich ein kleiner Junge bin, Yoongi, so klein wie du, als du gottverlassen und ohne deine Familie in China aufgewachsen bist, wünsche ich mir das. Ich will dieses Erbe nicht. Ich möchte nur meine Freiheit."

Er machte noch einen Schritt auf Yoongi zu, der langsam die Pistole sinken ließ, ein eigenartiger Ausdruck auf seinem Gesicht. „Ich verspreche dir, du wirst niemals wieder von uns hören. Es ist, als seien wir tot."

„Und was soll ich den anderen sagen?", fragte er. „Ich werde sie nicht anlügen."

„Du kannst ihnen die Wahrheit sagen. Dass unser Vater versucht hat, seine Tyrannei auf mein Leben auszuweiten und dass ich... ihn getötet habe. Meine Mutter verdient die Wahrheit. Sora und Areum verdienen zu wissen, was ich getan habe."

Yoongi nickte langsam und Jeongguk sah, wie er sich auf die Lippen biss. „Okay, Taehyung. Okay."

Er machte einen Schritt zurück und schloss die Augen. „Ich gebe euch fünf Minuten, dann ist das ganze Kartell hinter euch her. Wenn ihr euch gefangen nehmen lasst, dann werde ich mit euch verfahren, wie unser Vater das getan hätte."

Unbändige Erleichterung zuckte über Taehyungs Gesicht und er nickte. „Danke. Yoongi."

Sein Bruder nickte, ohne ihn anzusehen und in der nächsten Sekunde war Taehyung wieder bei Jeongguk, umschloss seine Hand mit seiner und gemeinsam rannten sie die Treppenstufen ins Erdgeschoss hinab. Die Eingangshalle war vollkommen desertiert und Jeongguk vermutete, dass sich sämtliche Gäste in Küche und Salon befanden, um das Feuerwerk zu genießen. Jeongguk riss die Tür auf und Taehyung eilte an ihm vorbei auf den Vorplatz; an Seokjin und Areums Autos vorbei und Jeongguks Herz blutete bei dem Gedanken, dass er seine zwei Freunde vielleicht niemals wieder sehen würde. Dass er sich nicht einmal von ihnen verabschieden konnte.

Aber als er den Druck von Taehyungs Fingern um seine spürte, wurde er abrupt auf den Boden der Realität zurückgeholt.

„Los", flüsterte er erstickt und Jeongguk wusste, dass er ihm bis ans Ende der Welt folgen würde, wenn es das benötigte, um ihn in Sicherheit zu wissen.

Während Bayville Manor in ihrem Rücken schrumpfte und schrumpfte; das glitzernde Gold, Rot und Grün der Neujahrsraketen ihren unsteten Weg erleuchtete, bis sie Jeongguks Auto erreicht hatten, trat oben im Büro des Capos ein junger Mann ans Fenster und blickte auf den Ozean. Der leblose Körper seines Vaters war noch nicht erkaltet, während die Gewissheit seinen Körper zu durchziehen begann.

Für beide Brüder nahm nun endgültig der Wunschtraum ihrer Kindheit, den sie resolut in ihrem eigenen Verstand gehegt hatten, bis er formfest geworden war, Gestalt an – und man kann nichts tun außer zu hoffen, dass er ihnen die Erfüllung bringt, nach der sie sich ihr Leben gesehnt hatten.

Der König ist tot. Lang lebe der König.


author's note

TAEHYUNG IS MY ABSOLUTE BABY AND NOTHING WILL EVER CHANGE MY OPINION, ich liebe ihn so so sehr, mein armes Baby ARGH

und ich liebe Yoongi, dieses riesensoftie

ok ES TUT MIR LEID dass ich zwei Wochen wie tot war, ich hatte zwei Klausuren (mitten im Semester, danke dafür) die ich jetzt aber hinter mich gebracht habe und SLOWTOWN IS BACK <3

Ich hoffe ihr habt mich und slowtown nicht allzu schmerzlich vermisst; wie dem auch sei; ich liebe euch alle bunches bYEEEE

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