Lavýrinthos

By Roiben

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"Ängstigt euch nicht vor dem Tod, denn seine Bitterkeit liegt in der Furcht vor ihm." - Sokrates Viellei... More

Vorwort
Prólogos
1.1 Moíra - Schicksal
1.2 Moíra - Schicksal
2.1 Tragoúdi - Gesang
2.2 Tragoúdi - Gesang
3.1 Dóry - Speer
3.2 Dóry - Speer
4.1 Neró - Wasser
4.2 Neró - Wasser
5.1 Psalída - Ranke
5.2 Psalída - Ranke
6.1 Óneiro - Traum
6.2 Óneiro - Traum
7.1 Ámmos - Sand
7.2 Ámmos - Sand
8.1 Aínigma - Enigma
8.2 Aínigma - Enigma
9.1 Aetós - Adler
9.2 Aetós - Adler
10.1 Trélla - Wahnsinn
10.2 Trélla - Wahnsinn
11.1 Thermótita - Hitze
11.2 Thermótita - Hitze
12.1 Skotádi - Dunkelheit
12.2 Skotádi - Dunkelheit
13.1 Fóvos - Angst
13.2 Fóvos - Angst
14.1 Apóleia - Verlust
14. 2 Apóleia - Verlust
15.1 Diamáchi - Streit
15.2 Diamáchi - Streit
16.1 Skiá - Schatten
16.2 Skiá - Schatten
17.1 Ékstasi - Trance
17.2 Ékstasi - Trance
18.1 Kynigós - Jäger
18.2 - Kynigós - Jäger
19.1 Ypéfthynos - Schuld
19.2 Ypéftyhos - Schuld
20.1 Archí - Anfang
20.2 Archí - Anfang
20.3 Archí - Anfang
21.1 Stagónes - Tropfen
21.2 Stagónes - Tropfen
22.1 Dexiá - Recht
22.2 Dexiá - Recht
23.1 Mystikó - Geheimnis
23.2 Mystikó - Geheimnis
24.1 Ptósi - Sturz
24.2 Ptósi - Sturz
25.1 Ktíni - Bestien
25.2 Ktíni - Bestien
26.1 Pónos - Schmerz
26.2 Pónos - Schmerz
27.1 Elpída - Hoffnung
27.2 Elpída - Hoffnung
28.1 Asfáleia - Sicherheit
28.2 Asfáleia - Sicherheit
29. Omorfiá - Schönheit
Danksagung & Nachwort

30. Epílogos

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By Roiben

Heiße Luft strich über seine Wange, als Dias vorsichtig die Augen aufschlug. Er hatte mit Dunkelheit gerechnet, stattdessen wurde er mit strahlendem Licht begrüßt. Die unerwartete Helligkeit brannte in seinen Augen, sodass selbst die beruhigende Schwärze in seinem Kopf mit weißen Flecken versehen war. Von irgendwoher konnte er das Rauschen von Wasser vernehmen und leises Vogelzwitschern. Als wäre er draußen. Als wäre er nicht mehr im Labyrinth.

Vorsichtig öffnete Dias die Augen wieder und hob eine Hand, um seine Augen abzuschirmen. Er sah endloses Blau über sich, durchzogen von weißer Wolle. Nein. Keine Wolle. Wolken. Das waren Wolken und er blickte auf den Himmel. Er lag auf einem ebenen, glatten Marmorboden, dessen warme Steine angenehm auf seiner Haut waren. Wo er war wusste er nicht. Er wusste nur, dass das Marmor in geringer Entfernung steil hinabfiel und den Blick auf das schimmernd weiße Kreta freigab, welches weit, weit unter ihm lag. Er befand sich auf einer schwebenden Plattform.

Mit einem Mal war er hellwach und setzte sich viel zu schnell auf. Ein pochender Schmerz bohrte sich hinter seinen Augen in sein Hirn. Der Rest seines Körpers schien in Flammen zu stehen. Bronze blitzte in seinem Sichtfeld auf und er schrie.

„Dias!" Eine vertraute Stimme drang an seine Ohren und im nächsten Moment schlangen sich zwei schlanke Arme um seine Schultern. Ein bebender Körper presste sich an seinen. „Oh Dias, wir dachten schon, du wärst tot!" Vaia krallte ihre Finger in seinen Rücken und schluchzte. „Das muss ein wahres Geschenk der Götter sein."

„Wa – wo sind wir?", fragte Dias mit krächzender Stimme. Er räusperte sich. Sein Rachen kratzte und sein Mund war unglaublich trocken.

„Ich weiß es nicht." Vaias Gesicht erschien wieder in seinem Sichtfeld, als sie sich von ihm löste. Ihre Augen waren feucht und Tränen liefen ihr die Wangen hinab. „Sotiris und ich – wir haben gehofft und versucht, dich wieder wachzurütteln, aber du hattest das Bewusstsein verloren und dann war dein Herzschlag irgendwann weg und dann –", sie stockte. „Weißt du noch, was passiert ist?"

„Ich glaube ja", erwiderte er. Langsam versuchte er sich aufzusetzen, rutschte aber wieder zu Boden, als die Kraft aus seinen Armen ihn verließ. Sein Blick glitt an Vaias Körper vorbei. Erneut hatte er das Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren.

Dort, wo sein rechtes Bein sein sollte, war nichts weiter als ein mit weißen Bandagen umwickelter Stumpen. Der Atem blieb ihm in der Kehle stecken, noch bevor ein unkontrollierbares Zittern ihn überkam. Ein eisiger Schauer unter seine Haut. Sein Magen überschlug sich.

„Was ist das?", hauchte er entsetzt und versuchte das Bein zu bewegen. Das, was davon noch übrig geblieben war, wackelte kurz. Er hatte noch immer das Gefühl, seine Zehen zu spüren. Die nicht mehr da waren. Sein Knie tat weh, obwohl es nicht da war. „Vaia, was ist das?"

Das Mädchen biss sich heftig auf die Lippe. Sie musste seinem Blick nicht folgen, um zu wissen, was er meinte. Ihre Schultern fielen in sich zusammen. „Ich weiß es wirklich nicht", sagte sie vorsichtig. „Es gab ein Beben, kurz nachdem dein Herzschlag ausgesetzt hat und dann wurden wir von der Dunkelheit umschlossen und –", Vaia sah ihn mit einem schmerzerfüllten, mitleidigen Blick in den Augen an, „und als ich wieder zu mir kam, sah dein Bein schon so aus. Aber dein Herz hat wieder geschlagen."

Dias versuchte erneut sich aufzusetzen, aber die Kraft verließ ihn, kaum dass er sie gesammelt hatte. Er sackte zusammen. Sein Blick glitt nach oben, wo der strahlend blaue Himmel von weißen Tupfern durchzogen war. Im Augenwinkel konnte er die Sonne brennen sehen. Er konnte nicht draußen sein. Er musste tot sein.

„Sind wir tot?", fragte er.

„Ich glaube nicht", erwiderte Vaia leise.

„Wo ist Sotiris?"

„Er", Vaias Antwort blieb unvollständig, als ein panischer Schrei den Himmel zerriss.

„Dias!"

Der Junge wusste nicht, woher er die Kraft nahm, aber er setzte sich kerzengerade auf. Den Schwindel schüttelte er ab. Diese Stimme kannte er. Er wusste, wer das war. Sein Herz hämmerte. Sein Genick brannte. Der Atem in seiner Brust war eisig.

Sotiris kam auf sie zugerannt, sein Gesicht rot vor Anstrengung und Freude und die entblößte Brust in ebenfalls weiße Bandagen gehüllt. Er stolperte auf dem marmornen Stein und wäre beinahe gestürzt, konnte sich aber noch fangen und rannte schneller. „Dias!", schrie er mit tränenbesetzter Stimme.

Vaia sprang gerade rechtzeitig zur Seite, da nahm der andere Jungen ihren Platz ein und fiel vor Dias auf die Knie. Seine Brust hob und senkte sich rapide. Sein schneller Atem streifte Dias' Haut. Sotiris hob eine zittrige Hand. Seine Finger legten sich hauchzart auf Dias' Wange, als wären sie lediglich ein Lufthauch.

„Du lebst", hauchte er leise. „Du lebst. Ich –", er brach ab. Weitere Tränen flossen ihm aus den Augenwinkeln.

„Ich lebe", erwiderte der Junge krächzend. Er spürte das vertraute Brennen in seinen Augen, als er Sotiris' Gesicht genauer anblickte. „Du lebst auch."

Statt zu antworten, nickte Sotiris hastig. Seine Finger drückten sich fester auf Dias' Wange.

Dias' Haut brannte unter der Berührung.

„Ich dachte schon –", fing Sotiris leise an, brach aber ab, als ein krampfartiges Keuchen ihn husten ließ.

„Geht's dir gut?", fragte Dias besorgt und legte seine Hand auf Sotiris' verletzte Brust. Er konnte die Schnitte unter den Bandagen spüren.

„'S is' nichts", keuchte der andere Junge. Er holte tief Luft und schloss für einen Moment die Augen. Sein Körper beruhigte sich sichtlich. Das unscheinbare Zittern verschwand aus seinen Schultern. „Nur ein paar Schmerzen."

„Sind alle Überlebenden da?", donnerte eine gewaltige Stimme durch den Himmel.

Dias zuckte so stark zusammen, dass er einen immensen Druck in seinem rechten Bein verspürte und drauf und dran war, aufzuspringen. Es dauerte einige Momente, bis er realisierte, dass er das nicht konnte. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

„Jetzt schon", erwiderte eine weitere Stimme. Inmitten eines breiten Lichtkegels erschien eine ansehnliche, junge Frau, die einen Jungen an der Hand hielt, dessen Augen fest zusammengekniffen waren. Die Frau sah, fand, Dias, sehr gewöhnlich aus, mit ihren hellbraunen Haaren, dem hellen Teint und dem freundlichen Gesicht.

„Vier", sagte die donnernde Stimme. „Das sind mehr, als ich erwartet habe."

„Freu dich doch mal", sagte die Frau lächelnd. Sie ließ die Hand des Jungen los, der einen Schritt zurückstolperte. „Vier von vierzehn haben es überlebt. Wir sollten sie beglückwünschen."

Sotiris ließ von Dias ab und drehte sich um, aber im gleichen Moment krallte er die Finger seiner anderen Hand in dessen Gewand. „Wer seid ihr? Wo sind wir? Wer redet da noch?"

Die Frau wandte sich den drei anderen Kindern überrascht zu, als hätte sie tatsächlich vergessen, sie wären ebenfalls da. Dann stemmte sie eine Hand in die Hüfte. „Zeus", sagte sie streng. „zeig dich und sei nicht unhöflich."

Ein lautes Brummes ertönte, gefolgt von einem donnernden Geräusch, dann explodierte ein weißlicher Blitz auf dem Boden zwischen ihnen. Aus den daraus erfolgenden Dampfschwaben stieg ein breitgebauter Mann mit weißem Haupthaar und Bart. Sein Blick knisterte wie bei einem Gewitter und sein weißer Chiton spannte sich über seine muskulösen Arme. Er sah unzufrieden aus. „Kommandier mich nicht herum."

„Ach, sei ruhig", winkte die Frau ab. „Wo sind denn die anderen überhaupt?"

„Sie sollten jeden Moment da sein", knurrte Zeus der Göttervater. Er starrte auf die drei Kinder vor sich. „Wer hat das zu verantworten?", fragte er und deutete mit einem aggressiven Kopfnicken auf Dias' bandagiertes Bein.

„Das war ich", ertönte eine melodische Männerstimme. Ein Mann mit goldener Haut und goldenen Haaren erschien neben Zeus. Er blickte traurig drein. „Sein Herz hat noch geschlagen, als die Nacht in den Morgen brach. Ich tat, was ich tun musste."

„Du hast sein Leben gerettet", sagte Zeus und knirschte mit den Zähnen. „Dafür habe ich dir nicht die Erlaubnis erteilt, Apollo."

„Verzeiht, Vater", erwiderte Apollo mit ruhiger Stumme. „Sie haben heldenhaft gekämpft. Ich fürchtete um ihr Leben, also habe ich sie geheilt."

Zeus brummte laut, aber bevor er etwas sagen konnte, trat die Frau neben ihn. „Lass gut sein", sagte sie kühl. „Apollo hat nichts falsch gemacht. Diese Kinder haben das Labyrinth überlebt und das ist es, was zählt."

„Ist es das?", knurrte der Göttervater und ein Blitz zuckte durch seine weißen Haare, als wären sie eine Gewitterwolke. Sein Blick verengte sich, als er auf Dias, Sotiris und Vaia schaute. „So wie ich das sehe, ist der Junge kaum mehr als ein Krüppel. Was für ein Held soll er schon sein?"

Der Gott hätte Dias genauso gut einen seiner Blitz ins Herz rammen können, es hätte keinen Unterschied gemacht. Hitze schoss ihm in die Wangen und er spürte, wie Sotiris' Finger sich etwas fester in sein Gewand krallten. Noch traute sich keiner von ihnen zu reden. Im Angesicht von drei Göttlichen fühlte sich Dias' Stimme wie ein unbedeutender Regentropfen an.

„Vater", sagte Apollo vorsichtig. „Ich konnte ihn nicht sterben lassen."

„Du hast richtig gehandelt, Apollo", übertönte die Frau Zeus' wütendes Knurren und lächelte den Gott der Heilkunst an. „Ich hätte es ebenso getan, wenn ich die Wahl gehabt hätte." In ihren Augen funkelte eine mütterliche Wärme, als sie zu den Kindern sprach. „Ihr könnt sehr stolz auf euch sein."

„Es – es tut mir leid", sagte Vaia mit einem Zittern in der Stimme. „Aber ich verstehe nicht, was hier passiert."

Die Frau kicherte. „Das dachte ich mir fast. Um es ganz simpel auszudrücken, habt ihr die sieben Tage und Nächte im Labyrinth überlebt. Ihr habt die unterschiedlichsten Prüfungen gemeistert und euch würdig erwiesen." Sie warf einen Blick über ihre Schulter, wo der andere Junge allein stand und mit großen Augen in die Ferne starrte, als wäre er überhaupt nicht anwesend.

„Aber", fing das Mädchen vorsichtig an, „das soll es gewesen sein?"

„Was soll was gewesen sein?", fragte die junge Frau freundlich und geduldig.

„Nun, das Labyrinth", erwiderte Vaia. Sie deutete fahrig nach unten, wo sie ihr vergangenes Gefängnis vermutete. „Wir sind einfach draußen. Ganz ohne große Prüfung. Ohne letzten Kampf. Einfach so."

„Einfach so", wiederhole Apollo und rümpfte die Nase. „Anstatt dich demütig zu zeigen, erwartest du mehr? Eure Aufgabe bestand immer darin, sieben Tage und sieben Nächte im Labyrinth zu überleben. Das habt ihr getan. Eure Aufgabe ist erfüllt."

„Und was heißt das?", fragte Vaia leise.

Zeus knurrte sauer und antwortete in einem düsteren Ton: „Das heißt, dass ihr kleine Helden seid. Ihr habt sowohl die mechanischen Bestien des Labyrinthes besiegt, als auch göttliche Prüfungen gemeistert." Er wandte sich mit dunklen Augen an die Frau. „Aphrodite, wo bleibt Hephaistos?"

Die Göttin der Liebe warf dem älteren Gott einen Blick mit hochgezogener Augenbraue zu. „Sehe ich so aus, als wüsste ich zu jeder Zeit, wo mein Mann sich herumtreibt?", fragte sie. „Hast du ihn hergerufen?"

„Nein", erwiderte Zeus und hob eine Hand, um sich den Nasenrücken zu reiben.

Die schnelle Bewegung reichte aus, damit Dias erneut zusammenzuckte und beinahe nach hinten stürzte. Eine kleine Hand legte sich an seinen Rücken, aber Vaia sah ihn nicht an. Ihr Blick war weiterhin auf die drei Gottheiten gerichtet, die wie übergroße Richter vor ihnen standen.

„Er hat gesagt, er würde dazukommen", meinte Zeus.

„Dann kommt er bestimmt", erwiderte die weibliche Göttin. „Gedulde dich ein wenig."

„Ich will mich aber nicht gedulden", brummte der Göttervater.

„Verzeiht", sprach Vaia erneut, die Stimme nur ein leises Zittern. „Aber ich fürchte, ich habe immer noch nicht verstanden, was hier passiert."

„Ihr", fing Apollo langsam an, „habt die Gefahren des Labyrinthes von Kreta bestanden und seid damit einen Schritt näher, echte Helden zu sein, die wir Olympier suchen."

Vaia erbleichte. Ihre Finger krallten sich zitternd in ihr eigenes Bein, sodass die Knöchel weiß hervorstachen. „N-Nur wir?"

„Nur ihr", bestätigte Apollo. „Vier von vierzehn." Sein Blick huschte zu dem abseitsstehenden Jungen.

„Aber meine Schwestern –", fing sie an, doch der Gott unterbrach sie.

„Wenn sie nicht hier sind, sind sie tot." Einen Lidschlag lang sah er ein wenig bedrückt aus, aber es legte sich eine kühle Maske über sein Gesicht, als er sich Vaia zuwandte.

Ihre Schultern bebten, aber sie biss sich fest auf die Lippen, um nichts zu sagen. Das Schluchzen ließ ihren Körper zittern und ihre Augen wurden rot und feucht.

Dias wollte etwas tun, aber mehr als Vaias Hand zu ergreifen, konnte er nicht. Ihre Nägel drückten tief in sein Fleisch, als sie sich an ihn krallte.

„Während eures Aufenthaltes im Labyrinth haben wir euch im Auge behalten", fuhr der Gott der Heilkunst fot. „Ihr wart die neuen Anwärter auf den Platz der Helden und ihr habt die Hürde überstanden. Nachdem die Grenze der Zeit überschritten wurde, holten wir euch aus dem Labyrinth."

„Aber wieso?", fragte Sotiris. Seine Finger drückten fest in Dias' Schulter. „Wieso habt Ihr uns rausgeholt?"

„Sollen wir dich wieder reinstecken?", knurrte Zeus als Antwort und ließ den Jungen zusammenzucken.

„Zeus", mahnte Aphrodite mit ruhiger, aber kühler Stimme. „König Minos hat es euch doch erklärt, oder nicht? Sieben Tage und sieben Nächte müsst ihr überleben."

„Das weiß ich", erwiderte Sotiris schnell.

Dias biss sich auf die Zunge, um anhand der Unhöflichkeit des anderen Jungen nicht laut zu stöhnen.

„Dabei bin ich aber nie davon ausgegangen, dass wir einfach rausgelassen werden. Ich dachte, wir müssen selbst den Ausgang finden."

Aphrodite lächelte süßlich, als sie ihn mit funkelnden Augen anblickte. „Dann wärt ihr gestorben. Es gibt keinen Ausgang."

„Was?", erhob Dias jetzt ebenfalls die Stimme. „Aber wie sind –"

„Göttliche Bronze", unterbrach Apollo ihn. „Die Tore, durch die man euch gelassen habt, verschließen sich zu Stein, kaum dass sie geschlossen werden. Es ist eine uralte Macht, die Hephaistos ins Labyrinth fließen ließ, als er es zusammen mit Dädalus erbaut hat."

„Und wie ist Dädalus entkommen?", fragte Vaia neugierig.

„Durch den Eingang", erklärte Aphrodite. „Die Idee mit der göttlichen Bronze kam ihnen erst, als sie den Minotaurus darin eingesperrt hatten. Sie wollten sichergehen, dass die Bestie auch ja nicht ausbrechen kann, also hat mein Mann einige Nächte hindurchgearbeitet, um diese speziellen Türen zu schaffen."

„Also ist man zum Tode verdammt, wenn man das Labyrinth betritt? Es gibt keinen anderen Weg heraus?", fragte Dias leise. Sein Bein schmerzte furchtbar, als würden die Zähne der Chimaira noch immer in seiner Haut stecken. Aber sein Bein war nicht mehr da.

„Sollte kein Gott bereit sein, euch herauszuholen, dann ja", sagte Apollo ruhig. „Das Labyrinth ist nicht dafür gemacht, um wiederherauszufinden."

„Weiß König Minos davon?", fragte Sotiris. Die Kälte in seiner Stimme ließ Dias erschaudern. In den Augen seines Freunde brannte das Eis.

„Ich gehe davon aus", erwiderte Zeus mit einem knappen Nicken. „Es ist nicht das erste Mal, dass er die Tore des Labyrinthes für einen Sterblichen öffnete."

„Also gibt es kein Gold? Keine Belohnung, kein Festmahl?", drückte Sotiris weiter. „Es war von Anfang an eine Lüge, nichts weiter?"

Aphrodite biss sich auf die Lippe und mied ihre Blicke, als sie langsam antwortete: „So kann man es nennen, ja. Ich weiß, dass ihr sicherlich nicht sehr gut auf den König zu sprechen seid –"

Mit eine wütenden Knurren unterbrach Sotiris die Göttin: „Ich werde ihn umbringen!", sagte er laut und stand auf. „Ich werde ihm den Hals umdrehen."

„Das wirst du nicht tun", donnerte Zeus. „Oder ich werde dich augenblicklich zu Staub verwandeln."

„Wieso?", fragte der Junge aufgebracht. Sein ganzer Körper zitterte vor Wut.

Dias griff nach seiner Hand und versuchte ihn wieder runterzuziehen, aber Sotiris schüttelte sie ab.

„Ihr wollt mir also sagen", fing er an und verkrampfte am ganzen Körper, „dass wir mit leeren Versprechen in das Todesloch gelockt wurden, im vollen Wissen der Olympier, damit wir sterben können? Wir sind Kinder!"

„Ihr habt überlebt", sagte Apollo.

„Das ist nicht Euch zu verdanken", knurrte Sotiris wütend.

Vaia sog zischend die Luft ein. „Sei ruhig", flüsterte sie.

Der Gott der Heilkunst bedachte ihn mit einem kalten Blick. „Es ist mir zu verdanken, dass dein Freund überhaupt noch am Leben ist", sagte er. Jedwede Melodie war aus seiner Stimme verschwunden. Er sprach mit der Stimme eines Totenchors. „Ich habe ihn im letzten Moment gerettet. Ich habe dich und ihn gleichermaßen geheilt. Du möchtest mir also weißmachen, ihr hättet ohne meine Hilfe überlebt?"

Sotiris knirschte mit den Zähnen, aber blieb stumm.

„Du solltest die Geduld einer Gottheit niemals herausfordern, Junge", sagte Zeus mit einem Halblachen in der Stimme. „Wir können euch genauso schnell das Leben nehmen, wie es euch gerettet wurde. Noch schneller sogar. Ein Fingerzeig", meinte der Göttervater und hob zur Veranschaulichung seinen rechten Zeigefinger in die Luft. Ein schwacher Wind wehte ihnen um die Haare.

Mit einem Keuchen fasste sich Sotiris an die Brust und fing an zu würgen.

Dias packte alarmiert seine Hand. „Was ist? Deine Wunde?"

Statt zu antworten, rang der Junge mit der Luft. Sein Mund stand offen und er sah aus, als müsste er sich jeden Moment übergeben. Sotiris' Gesicht nahm zuerst die Farbe von Marmor an, dann wurde er langsam blau.

„Aufhören!", rief Dias panisch, als er realisierte, was geschah und wollte aufstehen. Sein fehlendes Bein drückte einen heftigen Schmerz durch seinen gesamten Körper und er rutschte erneut weg. „Hört auf!"

Zeus nahm seinen Finger wieder runter und Sotiris tat einen kräftigen Atemzug, gefolgt von einem keuchenden Husten, der ihn in die Knie neben Dias zwang. Der halb liegende Junge schlang seine Finger in Sotiris' Haar und drückte seinen Kopf vorsichtig zu sich herunter. Schwerfällig kam der andere Junge wieder zu Atem. Sein Körper wurde von einem Schaudern eingenommen und er schluckte schwer.

„Teste mich nicht", sagte Zeus gefährlich leise.

Aphrodite wandte den Blick wieder zu ihnen, der Blick warm, aber doch nicht warum genug, damit sie die Tat ihres Vaters entschuldigen würde. „König Minos hat ein gutes Recht auf euer Leben", sagte sie leise. „Euer Leben begleicht eine Schuld. Er hätte euch auch köpfen lassen können."

„König Minos warf uns in Labyrinth, damit wir vom Minotaurus verspeist werden", ergänzte Vaia vorsichtig. Sie schaffte es nicht, ihre Trauer aus ihrer Stimme zu verbannen.

„Ja und Nein", antwortete Apollo, aber unterbrach sich, als ein dichter Feuerrauch in ihrer Mitte erschien. „Hephaistos", sagte er mit Ungeduld in der Stimme.

Der Gott der Schmiedekunst manifestierte sich vor den Kindern, den Rücken zu ihnen gewandt. „Verzeih meine Verspätung", sagte er an Zeus gerichtet, dann drehte er sich um. Er hielt einen schmalen, bronzenen Gegenstand in der Hand, den Dias nicht ganz erkennen konnte.

Die Augen Hephaistos fingen an zu glühen, als er die Kinder erblickte. „Ihr habt es überlebt", sagte er mit einer überraschenden Wärme in der Stimme. „Ich hatte gehofft..."

Zeus schnaubte leise, aber Hephaistos überging ihn.

„Apollo sagte mir, was geschehen ist, deswegen bin ich zu meinen Schmieden geeilt." Der Schmiedegott ging auf die Kinder zu und mit jedem Schritt wurde er kleiner, sodass er die Größe eines normalgewachsenen Mannes hatte, als er vor ihnen stehenblieb. Sein Blick fiel auf Dias' verlorenes Bein. „Ich hoffe, es passt."

Der bronzene Gegenstand, den der Gott ihm entgegenhielt, hatte ungefähr die Größe eines kleinen Baumes und war so breit wie eine ausgespreizte Hand. Ein kugelförmiges Bronzestück hielt zwei bronzene Metallröhren aneinander, während die obere wesentlich kürzer als die untere war. Am Ende hing ein plattes Metallstück, welches ebenfalls mit zwei kleineren Bronzekugeln an die Röhre angebracht war. Zudem endete die kleinere Röhre in einer Kuhle mit schmalen Ketten.

„Was ist das?", fragte Dias mit trockenem Mund, auch wenn er die Antwort schon kannte.

Hephaistos lächelte und ging in die Knie. „Ein neues Bein. Du hast es dir verdient."

Ein dicker Kloß bildete sich in Dias' Hals, als er die Bronzekonstruktion in Hephaistos' Hand betrachtete. „Das habt Ihr für mich hergestellt?" Er schluckte schwer.

Ein trauriger Ausdruck huschte über die Augen des Gottes. „Ich wünschte, ich hätte es nicht herstellen müssen", erwiderte er. „Aber ja. Sieh es bitte als mein Geschenk an."

„Wird er dann wieder laufen können?", fragte Vaia mit dünner Stimme und bleichem Gesicht.

Sotiris, der langsam wieder zu Atem gekommen war, blickte mit tränenden Augen auf. „Danke", würgte er hervor.

„Dank mir nicht", erwiderte der Schmiedegott. „Es war schließlich meine Kreation, die ihm das Bein nahm."

Dias schluckte die aufkommenden Tränen herunter. „Danke", sagte auch er, woraufhin Hephaistos ihn beinahe liebevoll anblickte.

„Das ist ja alles schön und gut", sagte Zeus ungeduldig. „Aber das erklärt nicht, warum du darauf beharrt hast, dass wir sie retten. Sie wären gestorben, wenn Apollo nicht eingegriffen hätte."

„Ich weiß", sagte Hephaistos und erhob sich. Er drehte den Kindern wieder den Rücken zu und sah seinen Vater an. „Aber wir brauchen sie. Helden wie sie", fügte er schnell hinzu. „Du hast es selbst gesagt. Götter werden immer sterbliche Helden brauchen. Erst wenn wir sie nicht mehr brauchen, werden wir vergehen."

Zeus richtete seinen donnernden Blick auf Hephaistos. Einen Moment lang hielt er ihn aufrecht, dann schnaubte er laut. Ein Blitz zuckte über seinen breiten Arm. „Es haben nicht einmal die Jungen überlebt, die ich beobachtet hatte", sagte er grimmig. „Diese Brüder hätten es weit bringen können."

„Sie sind tot", erwiderte Aphrodite, gänzlich ohne Wärme in der Stimme. „Dummheit und Eitelkeit nahmen ihnen das Leben. Sie wären keine guten Helden gewesen."

„Soll dieser Bursche etwa ein Held sein?", fragte Zeus und deutete mit einem Kopfnicken auf Dias, dem die Hitze ins Gesicht stieg. „Oder dein stummer Junge dahinten?" Er blickte über die Schulter.

Dias hatte fast vergessen, dass dort noch jemand war. Hinter dem breiten Oberkörper Zeus' war der Junge kaum zu sehen, der zusammen mit Aphrodite gekommen war.

Die Göttin der Liebe reckte das Kinn. „Für ihn bürge ich. Ich nehme mich seiner komplett an", sagte sie süßlich. „Du musst dir keine Gedanken um ihn machen."

Bei diesen Worten drehte sie sich ebenfalls um und ging zu dem einsam dastehenden Jungen. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte etwas, aber Dias konnte nicht hören, was es. Der Gesichtsausdruck des Jungen wandelte sich von einem überraschten Schock zu einem freudigen Grinsen. Er nickte eifrig.

„Ich glaube, er war auch im Labyrinth", murmelte Vaia leise.

Dias nickte, sagte aber nichts. Er packte Sotiris' Hand etwas fester.

Zeus ließ seinen donnernden Atem ertönen. „Damit bleiben zwei", sagte er laut. „Ein Junge, ein Mädchen. Zwei Helden für die nächsten Jahre."

„Sie sind zu jung", widersprach Apollo. „Lass sie noch ein wenig wachsen, dann können sie wahrliche Helden sein. In beiden schlummert das Potential, dass wir brauchen."

Sotiris verkrampfte sich und auch Vaias Finger gruben sich tief in Dias' Fleisch. Beider Atem drang in abgehackten Stößen an seine Ohren. Er wusste nicht, was hier vor sich ging, aber er wusste, er würde Sotiris nicht gehen lassen. Auch mit dem Wissen, dass er damit den Zorn der Götter auf sich zog, sprach er. „Ihr könnt sie nicht einfach nutzen, als wären sie Spielfiguren."

„Schweig still, Junge", rief Zeus. „Sei froh, dass du am Leben bist!"

„Ich lasse nicht zu, dass Ihr meine Freunde benutzt", sagte Dias laut.

„Dias", zischte Vaia erschrocken.

„Willst du meine Geduld testen?", erwiderte der Göttervater. Er verengte die Augen zu Schlitzen. Ein Blitz leckte über seine Finger und blieb einen Moment wie eine weißliche Klinge dort verwahrt.

„Ich will nicht unhöflich sein", sagte Dias, im vollen Wissen, dass er gerade mehr als nur unhöflich war, „aber Ihr könnt nicht über das Leben meiner Freunde bestimmen. Sie sind noch Kinder. Wir sind noch Kinder. Helden sind erwachsen und haben etliche Prüfungen gemeistert."

„Diese Prüfungen liegen noch vor ihnen", sagte Apollo kühl. „Das heißt aber nicht, dass sie noch keine Helden sind."

„Ihr habt es selbst gesagt", antwortete Dias und richtete seinen Blick auf den Gott der Heilkunst. „Ohne Eure Hilfe wären wir jetzt tot. Das zeigt doch sehr deutlich, dass wir keine Helden sind."

„Möchtest du also, dass wir euch umbringen?", fragte Zeus mit einem hohlen Lachen. „Das würde sich arrangieren lassen."

Vaias Hand löste sich aus Dias' Fingern. Sie zuckte heftig zusammen, aber ihr Blick war mit einer seltsamen Aggression auf den Göttervater gerichtet.

Dias sah ihr an, dass ihr eine Erwiderung auf der Zunge lag.

„Zeus", unterbrach Hephaistos stattdessen mit lauter Stimme. „Der Junge hat Recht."

„Du stellst dich auf die Seite der Sterblichen. Erneut?", zischte der Göttervater mit gefährlich leiser Stimme. Die Luft knisterte wie bei einem aufkommenden Gewitter. Donnergrollen erklang in der weiten Ferne.

„Nein", erwiderte der andere Gott. „Ich sage lediglich, dass der Junge Recht hat. Seht sie doch an." Er deutete mit der Hand hinter sich. „Diese Kinder sind keine Helden. Es sind Kinder, Vater."

„Sie haben göttliche Prüfungen bestanden", donnerte Zeus. „Dann sind sie auch bereit, weitere zu bestehen."

„Oder sie sterben und erreichen nie ein Alter, in welchem sie Euch mehr von Nutzen wären. Lasst ihnen Zeit zu wachsen", sagte Hephaistos. „Erwachsene Helden werden viel mehr tun, als Kinder, die mehr Glück als Können hatten."

Dias spürte, wie Sotiris' Hand in seiner zuckte, aber er kniff dem anderen Jungen in den Arm, damit er nichts sagte. Hephaistos war auf ihrer Seite und Sotiris sollte es ihnen nicht durch gekränkten Stolz verscherzen.

Zeus stierte seinen verkrüppelten Sohn lange an, eher er sich an Apollo wandte. „Was sagst du?", meinte er tonlos.

Apollo legte den Kopf schief, eine beinahe ehrwürdige Geste. „Es ist wahr, dass mit dem Alter das Können wächst. Noch sind wir in keiner Lage, in der ein Held von dringenden Nöten wäre. Lasst ihnen ein paar Jahre und die beiden können uns gut dienen. So ungerne ich mit diesen beiden", er deutete mit einem Kopfnicken auf den Gott der Schmiedekunst und die Göttin der Liebe, „einer Meinung bin, so sehr haben sie auch Recht."

Der Göttervater schloss die Augen und seufzte laut. „Schön!", sagte er grimmig. „Sollen sie ein paar Jahre bekommen."

Hephaistos Schultern entspannten sich sichtlich. Er wandte sich wieder den Kindern zu. Sein Lächeln war schmal, aber echt.

„Mehr kann ich nicht tun", murmelte er mit traurigen Augen. Sein Bart zitterte.

Dias wollte sagen, dass das schon mehr war, als er erwarten konnte, aber die Worte blieben in seinem Hals stecken. Er nickte stattdessen kaum sichtlich und drehte den Kopf zu Sotiris.

„Was passiert jetzt?", fragte Vaia leise.

„Ihr geht nach Hause", erwiderte Aphrodite. „Fürs Erste, versteht sich. Ihr seid Helden des Olymps und auch, wenn ihr es nicht wollt, es wird die Zeit kommen, da werden wir euch rufen und dann müsst ihr diesem Ruf folgen. Euer Leben kann dank unserer Kraft weitergehen. Ihr schuldet uns eure Kraft."

Zeus sagte nichts, aber schnaubte.

Aphrodite warf ihm einen beinahe giftigen Blick zu, dann sah sie zu dem Jungen an ihrer Seite. „Du musst dich jetzt entscheiden, Aineas. Gehst du oder bleibst du?", fragte sie mit ruhiger, sommerklarer Stimme. „Du bist mein, also kann ich dich mitnehmen."

Der Gott der Schmiedekunst wandte den Blick von seiner Frau und dem Jungen ab, ein schmerzhaft vertrautes Glänzen in seinen ungleichen Augen. Sein Bart erzitterte, als er sich auf die Lippe biss.

„Ich", fing der Junge namens Aineas langsam an, „gehe. Mit Euch", fügte er hinzu, seine Augen glänzten und seine Schultern waren angespannt. „Wenn Ihr mich wollt."

Aphrodite strahlte über beide Ohren. Es ließ sie hübscher aussehen. Menschlicher. „Aber natürlich! Du wirst es nicht bereuen, mein Junge. Ganz sicher nicht. Der Olymp bietet dir alles, was du brauchst."

Zeus machte ein abwertendes Geräusch, aber blieb weiterhin stumm. Er nickte in Hephaistos' Richtung.

„Bereit, nach Hause zu gehen?", fragte der Schmiedegott. Er ging vor den Kindern in die Knie. „Ich bringe euch zurück nach Athen."

„Nach Hause", wiederholte Sotiris leise. „Wir können wirklich gehen?"

„Natürlich", erwiderte der Schmiedegott lächelnd. „Es ist eure Belohnung."

„Wir können nach Hause gehen", sagte Sotiris ungläubig. Sein Blick traf den von Dias. Er biss sich auf die Lippen.

„Immerhin wolltest du mich deiner Mutter vorstellen", meinte Dias leise und lächelte, als der andere Junge sichtlich schluckte. Er schloss die Augen. Sein Herz schlug rapide gegen seine Brust. Allein der Gedanke daran, dass er tatsächlich wieder zurückkehren konnte, tauchte seinen ganzen Körper in Feuer. Seine Haut zuckte. Seine Finger bebten. Er konnte nach Hause.

„Sie wird dich lieben", murmelte Sotiris und im nächsten Moment küsste er ihn, als würde alles davon abhängen. Seine Lippen pressten sich hart gegen Dias' Mund und es war egal, dass vier Göttliche mit ihnen waren, es war egal, dass irgendwo unter ihnen Kreta im Sonnenlicht schimmerte, es war egal, dass sie Minos kein Schwert in den Rachen rammen konnten.

Was zählte, waren Sotiris zitternde Lippen auf seinen und das zarte Versprechen, was sie ihm damit erfüllten. Was zählte, war der Kampf, der hinten ihnen lag. Was zählte, waren seine warmen Finger, die sich in Dias' Haaren verfingen.

Die beiden Jungen lösten sich atemlos voneinander, die Wangen rot und die Lippen geschwollen, ein breites Grinsen ins Gesicht gemalt, als wären sie frisch bestrichene Leinwände.

Vaia wischte sich über die Augen. Sie lächelte zwar erleichtert, aber in ihrem Blick war die Trauer zu erkennen.

„Bring sie weg", sagte Zeus bevor er mit einem Donnergrollen verschwand. Lediglich der Geruch nach Gewitter blieb.

Apollo bedachte die Kinder mit einem letzten, nachdenklichen Blick, ehe auch er sich abwandte und ins Nichts trat. Sein goldenes Licht schimmerte noch für einen Moment.

Aphrodite hielt Aineas ihre Hand hin. „Lass uns auch gehen. Du hast viel zu sehen."

Der Junge ergriff sie freudig und gemeinsam zerging er mit der Göttin der Liebe in einer wahrhaften Explosion aus Licht.

Mit ihnen verschwanden Dias' Sorgen. Auf einmal fühlte er sich federleicht. Als könnte er alles tun. Er blickte Sotiris und Vaia an. Der Junge strahlte glücklich zurück. Vaia sah wehmütig drein, ihre Augen glänzten von unvergossenen Tränen, aber sie hatte ein Lächeln aufgesetzt. Vor sieben Tage hatte er nicht gewusst, dass die beiden existierten. Jetzt würde er sie nicht mehr loslassen.

Seine Finger schlossen sich um ihre Hände. „Irgendwann werdet ihr große Helden sein", sagte er leise.

„Du bist jetzt schon einer", erwiderte Sotiris und küsste ihn erneut. „Du hast gekämpft."

„Wie versprochen", antwortete Dias.

„Lasst uns nach Hause gehen", fügte Vaia an. Ihre Stimme war gedrückt.

Rache, fand Dias, konnte warten. Rache war nur eine weitere Gottheit, die sie beobachtete.

Sotiris' Finger zuckten in seinen und sein Lächeln war alles, was er sehen musste. Vielleicht hatte er auch nie mehr gebraucht.


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