Die Verlierer - Könige der Pl...

By traumjaegerin

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[TEIL 1] Man soll sich seine Freunde nah halten und seine Feinde noch näher. Das ist Jays Devise, denn immerh... More

1 | Gewinnen
2 | Mutig oder verdammt dumm
3 | Alkoholische Freiheiten
4 | Keine Regeln
5 | Alles nur ein Spiel
6 | Saufen und scheitern
7 | Respektlos
8 | Kleinkriminell
9 | Kippen, Vokabeln, Planlosigkeit
10 | Respekt durch Freundschaft
11 | Mathe und MDMA
12 | Saufen im Kinderzimmer
13 | Kontrollverlust
14 | Von Katzen und Katern
15 | Nur bis Physik
16 | Zwischen Gewalt und Ganja
17 | Chancen und Niederlagen
18 | Federico geht saufen
19 | Jenseits von Moral
20 | Warum Schwänze verdammt praktisch sind
22 | Auf anderen Planeten
23 | Kein Platz für Freundschaft
24 | Das Gesocks und seine Paläste
25 | Unbesiegbar
26 | Gemeinsamkeiten
27 | Ballerspiele und Gangsterfilme
28 | Ekstase
29 | Blaues und rotes Licht
30 | Gefrorene Kirschtorte
31 | Ehrgeiz
32 | Fast Freunde
33 | Ritalin und Rumcola
34 | Genauso grob, genauso rücksichtslos
35 | Zukunftsvisionen
36 | Koste es, was es wolle
37 | Distanz
38 | Woran denkst du beim Wichsen?
39 | Keine Könige mehr
40 | Sternenscheiß
41 | Kotze im Papierkorb
42 | Niemals entschuldigen
43 | Viel zu schön
44 | Ekelhafte Sommernächte
45 | Dreiste russische Schönheiten
46 | Voll schwul, Alter
47 | Am besten keine Gefühle
48 | Gewaltfrei
49 | Keine Kompromisse
50 | Das machen Freunde nicht
51 | Wodka Melone
52 | Niemals
Tausend-Follower-Special
Ankündigung

21 | Titten oder Teleskope

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By traumjaegerin

Tommys Wutanfall war ein verficktes Spektakel. Natürlich ließ ich es mir nicht nehmen, mich in die Küche zu bewegen, nachdem er in die Wohnung zurückgestürmt war.

»Ich kann's nicht glauben. Weil sich so ein paar Hurensöhne mal'n Augenblick lang ihr mickriges Selbstbewusstsein aufpolieren wollten.« Wütend donnerte er seine Faust auf den Küchentisch, so fest, dass der dreckige Geschirrstapel darauf klirrend ins Wanken geriet.

Seine Aussage trieb mir fast ein Grinsen ins Gesicht. Wenn er wüsste ..

»Vielleicht zahlt die Versicherung ja auch ...« Meine Mutter strich ihrem Stecher beruhigend über den Unterarm, auf dem sich sein verblasstes Tattoo befand, das so verkackt war wie sein ganzes Leben.

»Als wär' das alles! Wenn ich Pech hab, bin ich auch noch meinen Job los, weil ich viel zu spät da war!«, schnauzte er sie an und ich konnte mein Glück kaum fassen. Es war ja alles noch viel besser als gedacht gekommen.

»Was'n los?«, fragte ich desinteressiert und warf einen Blick in den Kühlschrank. Natürlich herrschte dort mal wieder gähnende Leere.

»Irgendwelche dreckigen Asozialen haben mir die Reifen zerstochen«, erklärte er und kniff die Augenbrauen zusammen.

»Tragisch.« Ich machte keinen Hehl aus meiner Schadenfreude. Der Idiot würde ohnehin nie darauf kommen, dass ich etwas mit dieser Sache zu tun hatte. »Sei froh, dass sie nicht dich abgestochen haben. Soll auch vorkommen.«

»Kannst du missratener Bengel dir überhaupt ausmalen, was für Konsequenzen das haben wird?«, herrschte er mich an und sah von seiner Zigarette auf, die er eben zu drehen begonnen hatte. Auf seinem Hemd waren feuchte Schweißflecken unterhalb der Achseln zu sehen.

Ich schlug die Kühlschranktür wieder zu. »Nö. Juckt mich auch nicht sonderlich.«

»Jonathan, versuch' doch mal zu verstehen ... das ist echt eine schlimme Lage jetzt«, laberte meine Alte rum, dabei sollte sie doch längst gecheckt haben, dass es in diesem Viertel allenfalls geheucheltes Mitgefühl gab.


Lexie vermied es in der nächsten Zeit, nach Hause zu kommen. Es juckte mich nicht sonderlich, wo sie sich rumtrieb und mit wem, ich war sowieso beschäftigt genug. Damit, mir im Görli nochmal Gras zu besorgen, zum Kickboxen zu gehen und den Wichsern aus der Schule klarzumachen, dass ich derjenige war, der das Sagen hatte.

Am Ende der Woche ging ich doch noch zu ihrem Zimmer. Kaum, dass ich eingetreten war, flog mir ein Kissen in die Fresse, gefolgt von einem wütenden »Verpiss' dich, Jay!«

Ich kickte das Kissen zur Seite. »Alter, wie wär's mal mit chillen?«

»Bis gerade hab' ich noch gechillt ... ich kann nur ganz gut auf meinen tollen Bruder verzichten, den's null juckt, was mit mir ist«, blaffte Lexie mich an, schmiss ihren MP3-Player ins Eck und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Juckt mich doch«, meinte ich und ließ mich aufs Bett sinken. Ein gequältes Fauchen war zu hören, dann sprang die Katze erschrocken auf den Boden.

Lexie versuchte, mich von ihrem Bett hinunterzuschubsen, doch ich drehte ihre Arme grob zur Seite und drückte sie so in die Laken, dass sie sich nicht wirklich wehren konnte. »Tut es nicht, überhaupt nicht!«

»Oder was denkste, warum Tommys Reifen zerstochen sind?«, fügte ich hinzu und ließ sie wieder los.

»Du hast damit zu tun?« Lexies Augenbrauen wanderten nach oben.

Ich griff nach der No-Name-Cola, die geöffnet auf ihrem Nachttisch stand und kippte den Inhalt hinunter. Langgezogen rülpste ich. »Scheinbar.«

Meine Schwester warf mir einen nachdenklichen Blick zu und sah dann auf ihren Daumen, von dem sie einen Hautfetzen abriss. Aus der Wunde trat Blut, das sie achtlos am Spannbetttuch abwischte, eine rote Spur neben irgendwelchen Essensresten.

Einen Moment lang war ich mir unsicher, ob sie wirklich so reagieren würde, wie ich erwartete. Dass sie glaubte, ich hätte sie rächen wollen oder so einen Bullshit.

Es konnte nämlich ganz praktisch sein, sie auf meiner Seite zu haben.

Dann tauchte ein leichtes Grinsen auf Lexies Gesicht auf, mit einem Mal wirkte sie ziemlich erleichtert. »Hey, das hat er ja mal voll verdient!«

Ich nickte zustimmend und schmiss die Flasche nach einem letzten Schluck in eine Ecke des Zimmers. Konnte ruhig sie aufräumen.

Lexie beschwerte sich nicht, sondern boxte mir gegen die Schulter. »Ich wusste doch, dass du gar nicht so scheiße bist.«

Menschen konnten so verdammt berechenbar sein. So leicht zufriedenzustellen, wenn man ihnen nur das Gefühl gab, sie hatten, was sie wollten.


Wer auch immer sich ausgedacht hatte, unsere ganze verschissene Stufe in einem Reisebus zusammenzupferchen und auf einen Schulausflug zu schicken, musste ein Hurensohn sein. Ging nicht anders.

»Gib' her!« Ich riss Maxim die Colaflasche, die ich mit Rum aufgefüllt hatte, aus der Hand. Ohne mich hätten die Wichser ja noch nicht einmal Alkohol dabei.

»Ey, ich hab' gerade getrunken, das is' voll nicht fair!«, heulte er rum.

Draußen zogen Felder vorbei, schließlich ein einsamer Aldi, ein Bahnübergang und ein paar Fabrikhallen. Wir waren wirklich am Arsch der Welt gelandet.

»Willst du nochmal auf die Fresse, oder was?« Ich sah ihn aggressiv an und kippte den Alkohol den Rachen hinunter, dann holte ich mein Messer aus der Hosentasche, klappte es auf. Vergewisserte mich mit einem kurzen Blick, dass die Lehrer keine Notiz von mir nahmen, ehe ich die Klinge durch den blaugrünen Sitzbezug zog.

»Du bist heut' auch schon besonders scheiße drauf, kann das'?«, fragte Aykan von seinem Fensterplatz aus und beugte sich ein wenig vor, um mich an Samu vorbei anzugucken. Wir hatten die letzte Reihe in Beschlag genommen, was auch sonst.

»Soll sowas geben, das nennt sich Kater«, erwiderte ich. Den gestrigen Abend hatte ich zusammen mit Rashid, viel Alkohol und noch mehr Gras bei dessen Kumpel verbracht. Bei Stanislaw, der Kerl, bei dem ich vor ein paar Wochen auch auf der Party war.

»Soll auch Leute geben, die deswegen nicht rumpussen.« Aykan fuhr sich durch die gegelten Haare, in seinem Blick lag Überheblichkeit.

Ich wollte ihn gereizt anschnauzen – für wen hielt sich dieser Wichser eigentlich? –, doch da wurde es mir auf einmal wieder verdammt schlecht. Scheiß Busfahrerei.

Im nächsten Moment schmeckte ich schon die Magensäure in meinem Mund, spürte die Reste meines Frühstücks, die ich hochgewürgt hatte. Irgendso'n billiger Fertigkuchen mit zu viel Zucker, den ich jetzt auf meiner Zunge schmeckte, gemischt mit dem bitteren Geschmack der Magensäure und dem des Rums. Ekelhaft.

Verdammt, ganz unpraktischer Zeitpunkt.

»Jay, Alter, siehst aus, als hättest du'n Frosch verschluckt«, lachte Samu.

»Fresse«, zischte ich mit der Kotze im Mund und schluckte sie einfach wieder runter. Vielleicht ging es dann.

Natürlich nicht.

Eilig stand ich auf und ging durch den schmalen Gang zu der Bustoilette. Zog die klapprige Tür hinter mir zu und taumelte gleich gegen die Wand, weil der Hurensohn eines Busfahrers hart auf die Bremse trat.

Ich übergab mich in das kleine Klo, in dem die Reste von Scheiße klebten, die die schwache Spülung wohl nicht erwischt hatte. Warum zur Hölle chillte ich nicht einfach zuhause?

Ach ja, weil sich dort ein elendiger Parasit breitgemacht hatte. Tommy. Seit er gekündigt wurde, hing er nonstop bei uns rum und verbrachte seine Zeit damit, mir Vorschriften zu machen. Nicht, dass ich darauf etwas gab, aber nervig war es allemal.

Als ich die Tür wieder hinter mir schloss und die steilen Stufen nach oben stieg, fühlte ich Fedes Blick auf mir ruhen. Er saß im Mittelteil des Busses am Gang, neben ihm Bahar.

»Alles gut bei dir?«, fragte er und bot mir seine Wasserflasche an. Wahrscheinlich musste ich verdammt fertig aussehen.

»Könnte besser nicht sein«, sagte ich und grinste leicht. »Und ne, Mann, danke, aber wir haben Alk.«

»Definitiv 'ne gute Idee jetzt.« Belustigt zog er seine Augenbrauen hoch.

Warum zur Hölle machte sich dieser Streber überhaupt Gedanken um mich?


Eine Stunde später schleppten wir uns durch die endlosen Gänge des Technikmuseums. Was wir hier lernen sollten, keine Ahnung. Als würde ich auch nur eine Sekunde verschwenden und mir die Scheiße angucken. Oder dem Jaworski zuhören, der uns etwas zu den Ausstellungsobjekten erzählte.

Wenigstens hatte ich jetzt genug Alkohol intus, um mich nicht mehr absolut dreckig zu fühlen, und weil die junge Referendarin aus Philo dabei war, war auch für beste Unterhaltung gesorgt.

»Ich mein, als Lehrerin ist sie halt null geeignet, sollte vielleicht echt mal über'n Branchenwechsel nachdenken«, grinste ich. Natürlich laut genug, damit sie uns auch hören konnte. »Fickbar is' sie ja.«

»Tut Maxim in seinem Kopf wohl schon.« Grinsend deutete Aykan auf Maxim. Dessen Blick klebte an den Titten der Referendarin, die sich unter ihrem engen Top abzeichnete. Genügte wahrscheinlich, dass er gleich in seine Hose kommen würde.

»Und? Hast du im Internet schon nach Pornos mit unserer Julia gesucht?« Ich fing den verunsicherten Blick der Referendarin auf, den sie in unsere Richtung warf. Krampfhaft bemühte sie sich um eine aufrechte Haltung, doch mit ihrer verkniffenen Miene sah sie so aus, als würde sie gleich losheulen.

»Digga, was für Porno? Die würd' auch mein' Schwanz lutschen, da brauch' ich keinen Porno«, lachte er. Seine Zunge stieß beim Sprechen an.

»Ihr seid so notgeil«, seufzte Bahar verächtlich, während wir in den nächsten Raum gingen. Zoe ging neben ihr, doch seit ich ihr in die Fresse gespuckt hatte, riss sie die nicht mehr auf. Mir gegenüber zumindest nicht.

Hatte gerafft, dass es nichts brachte, sich mir entgegenzustellen.

Alle anderen würden das auch einsehen, es war nur noch eine Frage der Zeit.


Ich warf dem Jaworski kurz einen prüfenden Blick zu. Er wurde völlig von Federico in Beschlag genommen, der ihn mit irgendetwas zulaberte. War ja typisch für diesen Streber, dass er diese ganze Scheiße auch noch interessant fand.

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Es gibt hier wirklich interessante Sachen und wir gucken uns so'n paar alte Briefe an!«, protestierte Fede gerade.

»Wir sind aber hier, um die Funktionsweise von elektromagnetischen Feldern zu verstehen, nicht wegen des Teleskops, das hat nichts mit unseren Unterrichtsinhalten zu tun. Wir haben keine Zeit dafür«, erklärte der Jaworski genervt. »Außerdem werde ich eine Klasse, die so chaotisch ist wie diese, garantiert nicht unbeaufsichtigt hier rumrennen lassen.«

»Trotzdem«, widersprach Federico. »Es macht absolut keinen Sinn, dass wir die Chance nicht nutzen. Für meine Familie ist das viel Geld, dass ich überhaupt dabei bin, und -«

»Federico! Es reicht jetzt!« Sein strenger Ton ließ Schadenfreude in mir aufkommen. Obwohl Fede sich so sehr in der Schule anstrengte, liebten ihn doch nicht alle Lehrer. Tragisch.

Unbemerkt löste ich mich von der Gruppe und ging durch die langen Flure nach draußen, rauchte eine. Das Museum war ein hässlicher Klotz in einem genauso hässlichen Industriegebiet, das wie ausgestorben dalag. Beton auf Beton, noch nicht mal Graffiti darauf. Fast schon steril.

Zwei Zigaretten später stand ich wieder in dem kargen Eingangsbereich. Dort blieb mein Blick an diesem einen Typen hängen, der gerade die Betontreppen nach oben ging und einen flüchtigen Blick über die Schulter warf.

Er war die wahrscheinlich letzte Person, mit der ich hier gerechnet hatte.

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