Jagd der Nebelflüsterer- Die...

By MorganKingsman

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B A N D I - Jagd der Nebelflüsterer ✥✥✥ Mord stand nicht auf Gwinns Agenda. Ab... More

1- "Was willst du tun? Ihre Balkonpflanzen austrocknen lassen?"
2- "Aber worin wäre dann der Spaß?"
2- "Raumverschönerung."
3- "Brunnentauchen ist meine Lieblingsbeschäftigung!"
3- "Waren das deine Kräfte?!"
4- "Ich glaube du brauchst eine Brille"
4 - "Hey! Fensterkletterer!"
5- "Wer ist Gwinn?"
6- "Sie ist ein Kind, Calean! Ein Kind!"
7- "Der Grund ist wirklich dämlich..."
7- "Stell dich nicht dumm"
8 - "Verzeih mir?"
8- "Du bist außer Kontrolle!"
Epilog

9- „Du kannst mir helfen, Essen aus der Küche zu stehlen"

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By MorganKingsman

„Ich habe alle nötigen Informationen. Holt mich heraus."

(Brief im Lager der Vogelfänger. Hastig gekritzelt)

✥✥✥

          „Ich denke, die Vogelfänger haben es auf Garcy abgesehen." Ich ließ meine Fingerknöchel knacken.

Das Büro des Schulleiters sah noch genauso aus, wie zu meiner Ankunft hier. Bücherstapel über Bücherstapel, die mir ihre Geheimnisse verbargen. Und in ihrer Mitte der Mann, der es nicht einmal für nötig befand von seinem Pergament aufzusehen.

„Und ich habe gehört, dass du und Calean zuletzt gemeinsam in den Wald geritten seid. Obwohl wir eine Ausgangssperre verhängt haben." Eine kurze Pause breitete sich aus, gefüllt von dem Kratzen seiner Feder.

Mein Magen sank auf den Boden.
„Sir, Sie verstehen nicht. Ich habe die hier auf ihrem Kissen gefunden." Aus meiner Jackentasche zog ich die blaue Feder und legte sie wie eine explosive Alchimistenkugel auf seinen Brief.

Für einen Moment hielt er inne und bedachte meinen Fund mit einem ärgerlichen Blick.
„Ein geschmackloser Schülerstreich."

Was? Nein!
„Es ist dieselbe, die wir für Amila gefunden haben. Einer der Vogelfänger war wieder in diesem Haus!"

„Und was für Beweise hast du dieses Mal?", herrschte er mich an. Seine Hände zitterten vor schlecht kontrolliertem Zorn und verteilten Tinte überall auf seinem Schreiben. Elayn hatte erzählt, dass die Rebellen der Hand des Lichts seine Entlassung besprachen, nach der ungerechten Verurteilung und dem Verlust eines anderen Schülers.

„Dieses Mal?", echote ich kleinlaut.

Meine Reaktion nahm ihm ein wenig den Wind. Mit einem tiefen Atemzug legte er die Feder weg und sah mich hinter seiner Brille hervor an.
„Ich will nicht wieder jemanden Unschuldigen einsperren."

„Ich habe keine Beweise. Ich will, dass sie mich zu meiner Schwester lassen und sie nicht im Unterricht verbarrikadieren." Ich wurde mit jedem Wort verzweifelten. Er nahm mich nicht ernst. War ihm nicht klar, dass das Leben eines weiteren Mädchens auf dem Spiel stand? Musste ich erst Caleans Rede wiederholen mit den Details, was die Vogelfänger mit ihnen machten?

„Gwinn, so sehr mich deine Sorge rührt, aber es ist wichtig, dass wir einen Sinn von Normalität wahren. Und das schließt einen regelmäßigen Unterricht ein. Also wenn du dich nützlich machen möchtest, geh hinunter zum Stall und tue deine Arbeit. Oder falls es dir hilft, besuche selbst eine Klasse." Er griff nach dem Sandfässchen und streute es über sein Werk.

„Aber was ist mit der Feder?", bohrte ich weiter.

„Vergiss die Feder!" Die Worte knallten durch das kleine Zimmer und ließen mich einen Schritt zurück stolpern.
„Wir müssen alles daransetzen, mit dem Botschafter der Hand des Lichts den ersten Nebelflüsterer zu finden. Das heißt: keine merkwürdigen Vorkommnisse mehr. Keine Vogelfänger. Und keine unerlaubten Ausflüge in den Wald! Wenn ich dich oder Calean auf einem Pferd außerhalb des Trainingsplatzes sehe, könnt ihr euch beide eine neue Bleibe suchen!"

Mein Mund fiel auf, dann schloss er sich wieder. Tausend Antworten lagen auf meiner Zunge, doch ich schaffte es nicht eine einzige von ihnen zu formulieren. Er wird mir nicht helfen. Die Erkenntnis schob mich aus seinem Büro hinaus auf den Gang. Ich war wieder alleine.

„Und? Wie hat es geklappt?"

Ich zuckte zusammen. Elayn lehnte gegenüber der Bürotür an einer der Säulen und sah mich erwartend an. Sie hatte ein Messer in den Händen, das sie immer wieder in jede Richtung drehte.

Ich schluckte.
„Er glaubt mir nicht."

Ihr Gesicht verdunkelte sich und ihr Griff um die Klinge wurde fester.
„Warst du wieder höflich? Gwinn, wenn du es jedes Mal auf die nette Art versuchst, wird dich nie jemand ernst-...", sie stoppte, zog eine Grimasse und fuhr ruhiger fort, „Das heißt, er wird nicht nach dem Informanten suchen?"

Wir hatten uns darauf geeinigt, dass eine Verbindungsperson in unserer Schule die einzige Antwort auf die Frage war, wie zwei blaue Federn ungesehen verteilt worden waren. Ein Außenseiter wäre jedem aufgefallen.

Ich seufzte.
„Im Gegenteil. Er will es totschweigen, damit wir nicht weiter die Gunst der Rebellen verlieren."

„Das ist Grabmul-Mist. Wir-... ohhhh. Hallo Maze."

Schwungvoll drehte ich mich in die Richtung, in die sie sah.
„Maze!" Ich wusste nicht, ob ich mich freuen sollte, denn er stiefelte den Gang hinunter, beide Hände in den Hosentaschen vergraben und keine Amila weit und breit. Er war Teil des letzten verbliebenen Suchtrupps gewesen. Waren sie alle wieder zurück?
„Habt ihr...?"

Er schüttelte den Kopf. Eine vernichtende Geste.
„Es tut mir leid. Wir waren die ganze Nacht unterwegs, aber nichts. Sie verwenden irgendeinen Zauber, der meine Fähigkeiten abblockt und..." Sein Atem stockte und brach mir das Herz. Er sah verloren aus. Jünger und frustrierter, als ich ihn kennen gelernt hatte.

„Hey, hey", vorsichtig nahm ich ihn in den Arm, „Wir werden einen anderen Weg finden." Seine Kleidung war kalt von dem Wetter draußen, seine Bartstoppeln rau an meiner Wange.

„Wie?", er machte sich wieder los von mir, ohne die Geste erwidert zu haben, „Es bräuchte einen verdammt starken Magier, um diesen Schild zu durchbrechen oder einen Such-Zauber zu wirken. Wir haben hier niemanden, der dazu in der Lage wäre." Ärger tränkte jedes seiner Worte. Mit entschlossenen Schritten marschierte er zur Bürotür und hob die Faust zum Klopfen.

„Caleans Schwester", sagte Elayn.

Wir beide drehten uns zu ihr um.

Wer?

Maze ließ seine Hand wieder sinken. Er sah erst zu mir, ehe er sich an Elayn wandte.
„Was hast du gesagt?"

Die sah nicht glücklich über ihren eigenen Vorschlag aus. Verlegen kratzte sie sich am Kopf.
„Wie ist deine Beziehung zu Calean?"

Oh super, gleich zu dem unangenehmen Teil. Jetzt war ich auch nicht mehr glücklich.
„Er hasst mich."

Neben mir machte Maze Anstalten sich wieder umzudrehen, „Blödsinn. Wenn, dann hasst er mi-..."
Ich knuffte ihn in den Arm.

„Schusch, Maze", gewann Elayn langsam an Fahrt, „Calean hat eine ältere Schwester, die bei der Hand des Lichts aufgenommen wurde, wegen ihrer außergewöhnlichen magischen Talente. Wenn er sie fragen würde..." Sie ließ den Satz unvollendet, wie eine unausgesprochene Frage nach einem Plan.

„Wenn ich zu ihm raus reite...", ich kam ins Zögern. Einmal, weil Sir Kenrik mir das vor nicht ganz zehn Minuten verboten hatte, aber vielmehr, weil das bedeutete...

„Kenrik wird dich sowieso nicht im Unterricht haben wollen, du kannst im Moment nichts für sie tun", dachte Elayn den Satz für mich zu Ende.
„Und falls sie doch raus gelassen wird, werden wir nach ihr sehen", versprach sie feierlich, das Messer in die Höhe hebend, „Jetzt beeil dich!"

„Und was soll ich tun?", erkundigte sich Maze, überfordert von der Geschwindigkeit, in der sich unser Plan entwickelte.

„Du kannst mir helfen, Essen aus der Küche zu stehlen", erklärte ich hochzufrieden. Endlich etwas, in dem ich gut war.

✥✥✥

„Calean? Nicht erschrecken, bin nur ich." Behutsam schob ich die Tür zu der Hütte auf.

Er war genau dort gewesen, wo ich ihn erwartet hatte.
Im Halbdunkel saß Calean zwischen fünf Kindern und hörte mit einem merkwürdigen Gerät die Brust eines kleinen Jungen ab. Seine weiße Haut glänzte kränklich im schalen Licht, das sich durch das staubige Fenster quälte.

Calean ignorierte mich, während die Kinder mit riesigen Augen beobachteten, wie ich die Tür hinter mit schloss und einen Korb vor mich stellte.
„Ich habe ein paar Vorräte mitgebracht. Aus den Winter-Äpfeln kann man ein wundervolles Mus stampfen, den ich Garcy immer gemacht habe, wenn es ihr nicht gut ging."

Er murmelte etwas zu dem Kind und wandte sich sofort an das Nächste. Der Junge schlüpfte hektisch in sein Hemd und kämpfte für einen kurzen Moment mit den richtigen Öffnungen seines Pullovers, ehe er zurück zu den anderen krabbelte.

Sie sahen müde aus, in ihrem Lager aus braunen Decken und Fellen. Bei ihrem Anblick knickte meine Entschlossenheit ein. Ich hatte Calean ein Friedensangebot mitgebracht, aber dieses Mal würde ich seine Entscheidung respektieren. Es gab immer einen anderen Weg. Wenn ich uns diesen verbaut hatte, dann war es so.
„Ich kann mehr besorgen, falls..."
Er sah nicht einmal auf, fest entschlossen meine bloße Existenz zu leugnen.

Ich seufzte. Diese Kinder hatten Schreckliches erlebt. Sie brauchten Ruhe und Liebe. Ich sollte sie nicht stören.
Mit einem kleinen Winken an die Kinder gerichtet, öffnete ich wieder die Tür.

„Ich habe noch nie Mus gestampft." Seine Worte mischten sich mit der kalten Winterluft vor mir und ließen mich innehalten. Einen Herzschlag lang war ich mir nicht sicher, ob er mit mir gesprochen hatte.

Doch dann kämpfte sich ein dankbares Lächeln auf meine Lippen und ich drehte mich halb zu ihm um.
„Es ist nicht schwer. Ich kann es dir zeigen, wenn du möchtest."

Calean wog das Angebot nicht alleine ab. Er warf dem Mädchen vor ihm einen fragenden Blick zu, die Augenbrauen hochgezogen.
„Brauchen wir Winter-Apfelmus?"

Sie nickte so vehement, dass ich einzelne Locken aus ihrem Zopf lösten und in ihr Gesicht fielen. Ihre Begeisterung für die Süßspeise steckte die anderen Kinder an, die sich zu schwachen ‚Ja!'-Rufen hinreißen ließen.

Das war das erste Mal, dass ich den Fensterkletterer lächeln sah. Es stand ihm. Wirklich.

Ich schloss die Tür wieder und half ihm die Vorräte zwischen den Kindern zu verteilen und zu entscheiden, was sich länger halten lassen würde und verstaut wurde. Die Tätigkeit lenkte mich für einen Moment davon ab, weshalb ich gekommen war.
„Was fehlt ihnen?"

Calean schnitt kleine Brocken Käse ab und verteilte sie in gierig ausgestreckte Hände.
„Die Vogelfänger setzen harte Prioritäten. Bis jetzt mussten sie stark rationieren, wenn sie Gewinn mit den Kindern machen wollten. Das heißt, nur die offensichtlich großartigen Talente wurden gefüttert, oder bekamen nachts eine Decke", er zögerte kurz, „Und viele von ihnen hatten schon vorher nichts. Der König plündert ihre Dörfer, auf der Suche nach seiner Tochter. Er verwandelt Menschen in Monster."

„Niemand kann etwas anderes, als ein Mensch sein", murmelte ich still, „Was wir tun, wenn wir mit dem Rücken zur Wand stehen, zeichnet uns nicht aus."

Calean runzelte die Stirn und mir ein Stück Käse hin, das ich dankbar entgegennahm.
„Wie lange warst du mit Garcy alleine?"

Ich wusste, dass mehr hinter der Frage steckte, aber ich ging nicht darauf ein.
„Fünf Jahre", kaute ich ihm vor, „Und ich weiß bis heute nicht, wie ich uns beide am Leben gehalten habe."

„Vermutlich auf die gleiche Weise, wie du an diese Lebensretter gekommen bist", er deutete auf den Korb, „Ich bin beeindruckt. Mich haben sie in der Küche jedes Mal erwischt."

Das glaubte ich sofort.
„Maze hat mir geholfen. Er ist eine wunderbare Ablenkung."

„Maze?", überrascht zog er die Augenbrauen hoch, fing sich jedoch schnell wieder und konzentrierte sich stattdessen darauf, den Käse einzuwickeln, „Maze bricht für dich ganz schön viele Schulregeln. Erst das private Training und jetzt das. Wollte er nicht wissen, wofür du drei Laibe Brot brauchst?"

Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich bin eben ein Mädchen mit großem Appetit."

Er schnaubte, was vermutlich seine Art des Lachens war, und richtete sich auf.
„Komm, ich bring dich heim."

Gemeinsam verabschiedeten wir uns von den Kindern, deckten sie warm zu und schärften ihnen ein, dass sie nicht alle Vorräte auf einmal essen sollten.

Draußen vor der Tür kam ich jedoch ins Stocken.
„Ähm... weißt du was, reit du ruhig vor. Ich denke, seit den letzten Ereignissen laufe ich lieber."
Ich warf seinem braunen Wallach einen langen Blick zu, der nicht unbemerkt blieb.

„Du hast nicht ernsthaft Angst zu reiten? Dir ist bewusst, wie ungeschickt das für deine Arbeit ist, oder?"

„Ich will nicht noch ein Pferd verschrecken."

„Wirst du nicht. Du setzt dich hinter mich und ich lenke." Und damit war für ihn die Diskussion beendet. Geschickt schwang er sich in den Sattel und reichte mir eine Hand, um mich dahinter zu ziehen.

Ich blieb dümmlich neben ihm stehen.
„Calean, wirklich ich..."

„Du redest zu viel", erwiderte er mit einem strengen Blick, „Sitz auf, bevor wir beide erfrieren."

Widerwillig nahm ich seine Hand und ließ mich hochziehen. Eine Sache, die einfacher ging, wenn man nicht den Gesetzen der Natur gehorchen musste.

Mein Herz schlug bis zum Hals. Ich spürte die Atemzüge des Tiers unter mir, seinen stetigen Puls, der deutlich ruhiger war als mein eigener. Warum hatte ich nicht einfach nein gesagt? Ich musste lernen nein zu sagen.

„Gwinn?" Er drehte den Kopf ein Stück zu mir.

„Ja?" Meine Stimme hörte sich in meinen eigenen Ohren fremd an.

„Du musst dich festhalten."

Oh.
„Wo?"

„An mir."

Täuschte ich mich, oder hörte ich da Belustigung in seiner Stimme?
Zögerlich schlang ich beide Arme um seinen Oberkörper und er trieb das Pferd in einen zockelnden Schritt.

Sofort verkrampfte sich jeder Muskel in meinem Körper und meine eigene Kraft hob mich eine Handbreit vom Pferderücken hoch. Eine sehr anstrengende Position, die ich nur für die Hälfte des Rittes halten konnte, während mein Blick stur auf seine Schultern gerichtet blieb.
Gut möglich, dass ich ihn erwürgte mit meinem Klammergriff, aber er beschwerte sich nicht.

„Ich könnte dir Reitunterricht geben", schlug er vor, immer noch amüsiert, „Es sei denn, das bricht für dich nicht genug Regeln."

Mit einem leisen Plopp fiel ich zurück auf den Po des Pferdes und schreckte es kurzzeitig in einen Trab. Meine Kraftreserven waren erschöpft. Wenn ich jetzt fallen würde, musste er mich eben liegenlassen. „Oh wir brechen Regeln, keine Sorge. Sir Kenrik will uns nicht mehr außerhalb des Stalls auf einem Pferd sehen."

Um uns herum bemerkte ich die wachsenden Schatten der Bäume. Wir hatten deutlich mehr Zeit an dem Häuschen verbracht, als ich gedacht hätte. Die Abenddämmerung wich der Nacht und bald würden wir uns zurück ins Haupthaus schleichen müssen, oder im Stall schlafen.

„Ist das so? Willst du mir gerade beichten, dass du nur zu mir hinausgeritten bist, um mich schon wieder ins Verlies werfen zu lassen?"

Sprachlos starrte ich seinen Hinterkopf an.
„Wow, du hast sogar Humor! Ist gruselig." Ein kleines Lachen vibrierte durch seine Brust und wanderte über meine Arme zurück zu mir, „Aber nein, ich bin mit einer anderen Frage gekommen."

„Spann mich nicht auf die Folter."

Ich schluckte. Das konnte jetzt gut oder total daneben gehen.
„Elayn sagte, dass deine Schwester helfen könnte, Amila zu suchen."

Unter meinen Fingern spannte sich jeder Muskel an. Es war, als versteinerte er.
„Welche-...Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihr."

Na, wenn das Mal keine Lüge war.
„Wirklich? Und du könntest sie nicht-..."

Das Pferd und wir stoppten so abrupt, dass mein Gesicht in seinen Rücken gepresst wurde und prompt meine Antwort beendete.

„Scht! Da ist jemand."

Ich musste meinen Nacken verrenken, um über seine Schulter zu sehen. Jeder meiner Gedanken stoppte jäh in seiner Spur, als ich das Stallgebäude zwischen den Stämmen ausmachte und die vier vermummten Gestalten, die an einem Strick ein Kind hinter sich herzogen. Es war kleiner, mit leuchtenden weißen Haaren.

„Garcy." Ihr Name war mehr ein Atemzug in Caleans Ohr, doch er reagierte sofort. Mit einer Hand griff er meine Hände und hielt mich an sich fest, dann trieb er sein Pferd in den Galopp.

Wir umrundeten die Koppeln in einem Herzschlag- oder zumindest kam es mir so vor- aber die Diebe waren schneller. Aufgeschreckt von unserem Hufschlag, hechteten sich zwei sofort ins Gebüsch, während die anderen sich abmühten, Garcy davon zu tragen.

Sie trugen eiserne Vogelmasken mit langen, spitzen Schnäbeln und schwarzen Umhängen, die wie Flügel um sie herumflatterten. Ich konnte bereits die Löcher in ihren Stiefeln sehen, als Amila aus der Seitentür des Stalls, direkt vors Pferd stolperte.

Danach ging alles sehr schnell. Das Pferd scheute und Calean musste mich loslassen, um es wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Das war der Moment, in dem der Vogelfänger mit Garcys Seil mir am nächsten kam.

Ich nutzte den Schwung und was von meinen Kräften übrig war, um mich auf ihn zu stürzen, eine sehr heroische Tat, die im Gedränge niemand sah.
Unsere Köpfe schlugen zusammen und hauten aus ihm jegliches Bewusstsein heraus. Mit einem Stöhnen ließ er das Seil los und Garcy sammelte es ein, bevor es jemand anderes griff.

Ich dankte jeder Göttin einzeln, dass ich sie gefunden hatte bevor man sie unter Drogen gesetzt hatte. Dunkelheit züngelte am Rande meines Sichtfeldes, als ich versuchte, mich aufzusetzen. Mein Schädel pochte wie eine Kriegstrommel. Jeder Pulsschlag hämmerte wie Fäuste ins Gesicht und sandten mich prompt wieder rückwärts ins Gras.

Garcy schob ihren Kopf in das Kaleidoskop des Blätterdaches. Ihre Lippen formten eine Frage, doch die Laute wurden durch das Rauschen in meinen Ohren übertönt. Bei Erib, der Typ hatte einen harten Schädel gehabt!

Neben mir ging Amila in die Knie, einen Wortschwall ausstoßend, der eine einzige lange Beschimpfung war. Sie war hier. Sie hatte sich befreit. Die Diebe mussten für Garcy zurückgekommen sein, bevor sie Amila weiterverkauft hatten.
Mit Mühe schlug ich ihre tastenden Finger fort. „Bring Garcy hoch ins Haus."

Ich wusste nicht, ob ich schrie oder flüsterte, aber sie nickte. Garcy wehrte sich, schüttelte den Kopf, doch Amila zog sie mit einem eisernen Griff mit sich, zurück zu den Koppeln.

Mühsam und verdammt langsam kämpfte ich mich wieder auf die Füße. Ich ignorierte den schwankenden Boden, das Schwindelgefühl in meinem Kopf und die absolute Abwesenheit meiner Magie.

Ich fand Calean in ein Gerangel mit einem der Vogelfänger gestrickt, den Zweiten bereits zu Boden geschlagen. Seine Lippe war aufgeplatzt und in seinen braunen Haaren klebte Blut, aber er hatte die Hände abwehrend gehoben, während der Andere Schlag um Schlag auf ihn niederregnen ließ.

Ich machte einen schwankenden Schritt auf sie zu und hatte sofort alle Aufmerksamkeit.
Für einen Herzschlag verlangsamte sich die Zeit, in der Caleans Lippen meinen Namen formten, die Augen in einer stummen Warnung aufgerissen.

Dann traf mich ein harter Gegenstand am Hinterkopf und öffnete der Finsternis die Tore, um mich auszufüllen. Ich bemerkte nicht einmal mehr, wie ich auf dem frostigen Boden aufschlug.

✥✥✥

"Wir könnten alle zusammen Sternchen sehen"- Gwinn

Das wäre hier doch ein guter Moment, um die Geschichte zu beenden. Noch ein kleiner Epilog und *zack*!

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