Molli und Trolli

By Marie-LouiseK

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,,Einsteigen, Mädchen! Los geht's!

,,Mami warte! Ich muss noch etwas holen!", rief ich und lief wieder ins Haus zurück, die Treppe hinauf, dann den Gang entlang und schon stand ich vor einer Tür. Meiner Zimmertür. Saphirblau, meine Lieblingsfarbe, doch ich hatte sie mit vielen Postern beklebt. Aber nicht von Popsängern oder Schauspielern (die fand ich nicht so interessant), sondern von Schokoladen, Keksen, Gummibärchen und lauter so ungesundes Zeugs. Doch das allerbeste war das Poster in der Mitte. Es war auch das größte von allen und zeigte eine Packung von Trolli's Glühwürmchen. Meine Lieblingsgummis. Übrigens, daher kommt auch mein Name. Ich meine, meine Eltern hatten mich nicht nach einem Haribo benannt, sondern nach der heiligen Franziska von Rom, deshalb sollte ich ja eigentlich Franzi genannt werden, doch das war eben anders gekommen. Denn sobald ich meine ersten Zähne gehabt hatte, habe ich haufenweise Süßigkeiten gegessen. Doch am liebsten hatte ich meinen Bauch mit Trolli's Glühwürmchen gefüllt. Mit ihren bunten Farben und ihrem zuckrigen Geschmack haben sie mich jedes Mal im Geschäft angelacht, und so hatte sie meine Mutter manchmal für mich gekauft.

Ich liebte sie abgöttisch, was aber nicht hieß, dass ich dick war, ganz im Gegenteil. Mami sagte immer, dass ich eine perfekte Figur hätte, auch wenn sie nicht verstand, wie ich das mit dem vielen naschen schaffte. Ja, und so war es dann eines Tages gekommen, dass die Verkäuferin im Supermarkt mich wieder einmal mit einem Packerl Glühwürmchen gesehen hatte und sagte:

,,Da kommt ja unsere Trolli!"

Das allein wäre ja nicht so dramatisch gewesen, wenn diese Frau keine kräftige Stimme gehabt hätte, sodass alle anderen Kunden im Geschäft ihre Bemerkung mitangehört hatten. Doch es war natürlich gekommen, wie es kommen musste und seither wurde ich von jedem nur mehr ,,Trolli!" gerufen. Also eigentlich hatte ich einer harmlosen, netten Verkäuferin in einem Supermarkt, die es nur lieb gemeint hatte, meinen Namen zu verdanken.

Schnell drückte ich die Türklinke hinunter und befand mich in meinem tollen Zimmer. Die Wände sah man beinahe nicht mehr, weil ich sie mit so vielen Sachen beklebt hatte. Trotzdem schimmerte hin und wieder ein helles Blau unter den Bildern hindurch. Zielgerade ging ich auf mein Bett zu, das vor einem weißen Schafteppich in einem Eck des Zimmers seinen Platz hatte. Doch für Gemütlichkeit war keine Zeit und so griff ich unter mein Bett und zog einen Schuhkarton hervor. Schnell öffnete ich ihn noch ein letztes Mal und sah mir sein Inneres an. Zufrieden nickte ich, schloss den Karton und lief mit ihm unterm Arm wieder die Treppe hinunter, zur offenen Haustür hinaus und zu unserem blauen Fünfsitzerauto. Hastig und unbemerkt drückte ich den Karton unter meinen Sitz auf der linken Fensterseite. Mami saß schon am Steuer und sobald ich die Autotür geschlossen hatte, gab sie Gas. Dann beugte sich ein Gesicht zu mir hinüber und flüsterte: ,,Hast du sie?"

,,Ja", flüsterte ich zurück.

Und an diesem Teil der Geschichte sind wir auch schon bei Molli, meiner Schwester, angelangt. Sie hatte ihren Spitznamen daher, dass sie als kleines Kind sehr mollig gewesen war. (Jetzt sah sie genauso aus wie ich) Eigentlich hieß sie Marietta. Sie hatte strahlend blau-graue Augen, so wie ich, karottenrote Haare, so wie ich und auch sonst sah sie wie mein exaktes Spiegelbild aus. Klar, konnte ich da nur sagen, weil wir ja Zwillinge waren. Als wir klein gewesen waren, haben wir uns wie ein Ei dem anderen geglichen und kein Mensch, nicht einmal unsere Eltern, hatten uns auseinanderhalten können. Deshalb hatten sie uns immer verschiedenfärbige Kleider angezogen. Später in der Volksschule war es jedem unserer Lehrer und Mitschüler genauso ergangen. Das hatten wir natürlich ausgenützt, in dem wir immer in die Rolle des anderen gewechselt waren, was uns riesigen Spaß gemacht hatte. Doch mit der Zeit hatten unsere Eltern unsere Unterschiede erkennen können, auch wenn das nur eine Hand voll gewesen waren. Trotzdem hätte uns keiner auseinanderhalten können, der uns nicht schon von Geburt an kannte und uns jeden Tag sah. Jetzt, am Anfang des 2.Gymnasiums, erwartete uns eine neue Schule in den Alpen von Österreich in einem Ort in der Nähe von Heiligenblut. Im 1.Schuljahr waren wir noch hier in Wien in einer Schule gewesen, doch die Lehrer waren schlecht  gewesen und hatten uns beide gehasst: Wieso, wussten wir beide nicht genau. (Wahrscheinlich weil wir so gute Noten gehabt hatten. Nein Scherz, wir hatten sehr schlechte gehabt). Jedenfalls hatte sich der Schulwechsel sehr gut getroffen, da unsere Eltern ihre Praxis in einen anderen Ort verlegen wollten.

Damit wären wir auch schon beim nächsten Thema: Unsere Eltern und ihr Beruf.

Sie waren nämlich Zahnärzte. Das war immer schon so gewesen. Bei unseren Großeltern, Urgroßeltern und überhaupt bei unsere ganze Generation. (Molli und ich hatten uns aber geschworen, einen anderen Beruf zu wählen. Sie wollte Pianistin werden und ich Profisportlerin.) Ich wusste, nach was ,,Zahnarzt" klang. Und an alles, was du gerade vielleicht denken wirst; da würde ich dir zustimmen. Außer bei unseren Eltern, denn die waren eine Ausnahme. Ich glaube, trotz meiner und Mollis täglichen, schlechten Erfahrungen waren sie die besten Zahnärzte, die ich kannte. Dennoch hätte ich es auf jeden Fall besser gefunden, wenn unsere Eltern einen anderen Beruf hätten, zum Beispiel Süßigkeitenfrabrikanten.Und wenn ihr Beruf unbedingt mit „–arzt" enden musste, dann doch wenigstens Tierarzt. Denn als Zahnarztkinder hatte man es echt nicht leicht. Wenn du einmal das Vergnügen hättest, bei einem Zahnarzt zu wohnen, würdest du höchstwahrscheinlich dasselbe Schicksal wie meine Schwester und ich jeden Tag erleiden müssen. Denn Zahnärzte schauen jeden Tag nach, ob du deine Zähne auch schön geputzt hast und wenn auch nur ein kleiner Essensrest zwischen deinen Zähnen klebt, ist das für sie schon wie ein kleiner Weltuntergang. Völlig sinnlos der ganze Aufstand! Dann folgt eine Viertelstunde lang eine Zahnreinigung.

Trotz ihrer Fürsorge bei unseren Zähnen hatten sie Humor, sodass jeder ihrer Patienten sie gerne hatte. Durch ihre Arbeit verdienten sie auch sehr gut, weshalb sie uns auch immer alles gaben, was wir wollten. Und das konnte sehr nervig sein, auch wenn es lieb gemeint war. Also verschenkten wir viele unserer überflüssigen Sachen an Kinder, die am Straßenrand saßen oder an Freunde, die nicht so viel besaßen, was diese natürlich sehr freute.

Die Fahrt verlief sehr still. Molli hatte die Ohrstöpsel im Ohr und hörte Musik und ich las ,,Percy Jackson ", meine absolute Lieblingsreihe. Mami starrte geradeaus auf die Fahrbahn. Wahrscheinlich dachte sie schon an das Abschiednehmen. Das war für sie immer sehr dramatisch!

Wir fuhren ca. vier Stunden, bis das erste Schild in Sicht kam, wo eine Wegbeschreibung zum „Internat Schloss Adlernest" stand. In dem Internat war Papi als Schüler gewesen und er hatte noch alles gut in Erinnerung. Außerdem war er ein guter Freund des Direktors. Er hatte ihn in einem Email gefragt, ob er seine beiden Kinder, also uns, beim Internat anmelden könnte. Nach der Einwilligung des Direktors war alles sehr schnell gegangen, bis wir jetzt schließlich im Auto auf dem Weg dorthin waren.

Gerade fuhren wir einen Berg hinauf und zwischen dem Wald hindurch, bis wir schließlich durch die Bäume lugen konnten und unser Ziel sahen. Das Schloss erhob sich in einer gewaltigen Größe auf dem Berg in ungefähr 500 Metern Entfernung. Mit seinen vier Türmen, der großen grünen Fläche um das Schloss herum und der Schlossmauer, die das Schloss umgab, musste ich mich an „Hogwarts" von „Harry Potter" erinnern. Doch je näher wir unserem Ziel kamen, desto deutlicher erkannte ich die Unterschiede. Papi hatte uns zu Hause Bilder von seiner Schulzeit gezeigt. Es sah genauso aus wie damals: groß, alt, mächtig, furchteinflößend, gespentisch. Ich liebte so etwas. Rein aus meinem Gefühl heraus wusste ich, dass ich mich dort schnell wohlfühlen würde. Wenn mich jetzt jemand gefragt hätte, ob ich aufgeregt sei, hätte ich,, Nein" geantwortet. Das war eine meiner Eigenschaften. Ich war nie nervös oder aufgeregt. Nicht am Zeugnistag, vor einem Spiel oder bei sonst einem besonderen Ereignis. Meine Mami bewunderte mich immer dafür.

Bei Molli war das anders. Sie zeigte es zwar nie, aber ich als ihr Zwilling konnte immer sehen, wenn sie aufgeregt war. Auch wenn wir äußerlich wie eine Person und ihr Spiegelbild aussahen, im Inneren waren wir doch so verschieden wie zwei Paar Socken. Molli war die totale Musikvernatikerin.Sie kannte alle Songs und ihre Sänger, war schon auf vielen Konzerten gewesen, spielte Klavier und Geige und sang auch für ihr Leben gern. Außerdem hatte sie eine schöne Stimme. Ich dagegen war komplett anders. Oft saß ich im Zimmer und las. Wenn das mal nicht der Fall war, ging ich schwimmen, Tennis spielen, laufen oder mit Sportfreunden Hockey spielen. Danach setzten wir uns zusammen in eine Bäckerei, aßen Eis und naschten Süßigkeiten. Manchmal kam auch Molli zu uns. Sie war zwar auch sehr sportlich, aber längst nicht so sehr wie ich. Während sie bei Konzerten war und vorspielte, spielte oder schwamm ich meine Meisterschaften. Oft kam ich unter die besten drei und wenn nicht, machte das auch nichts, weil ich einen fantastischen Trainer hatte, der mich immer wieder ermutigte, weiter zu machen. Ich war sehr ehrgeizig und das half mir beim Sport enorm und auch wenn ich einmal verlor, tat ich das gut und gratulierte dem Sieger. Das war es, was einen zu einem richtigen Sportler machte, hatte mein Trainer gesagt. Unser Leben war also immer auf zack und nie langweilig. Jetzt würde es sogar besser werden, denn neue Schule bedeutete neue Lehrer und Mitschüler und das wiederum hieß neue Streiche = Spaß!

Schließlich fuhren wir die lange Straße hinauf, die sich in Schlangenlinien bis zur Schlossmauer schlängelte. Die Mauer erhob sich wie eine gewaltige und hohe Wand vor uns. Der Eingang war ein großes Tor mit zwei Seitenflügeln. Links und rechts davon standen zwei ungefähr zwei Meter große Adler aus Stein auf einem Steinsockel. Sie hatten ihre Flügel ausgebreitet, wie wenn sie gleich abheben wollten. Da sie aus weißem Stein waren, konnte man ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. Dennoch sah man, dass die beiden Vögel nicht einfach so dastanden. Klar, jedes gescheite Gehirn hätte das schon von Anfang an bemerkt und für alle die doch nicht so helle waren, erkläre ich's in Kurzform: das Internat hieß ,,Adlernest", logischerweise standen deshalb vor dem Schlosstor auch die Adler. Wahrscheinlich dienten sie auch zum Schutz dafür, das alles böse draußen blieb (und alle Schüler drinnen).

Am Tor musste ein Mechanismus befestigt sein, denn sobald Mami vor dem Tor stand, öffnete es sich, sodass wir mit unserem Auto durchs Tor fahren konnten und schließlich das Internat direkt vor uns hatten. Unserem jetzigen Ausblick zu Folge, müssten wir im Schulhof gelandet sein, denn vor uns erstreckte sich ein frischgemähter grüner Rasen, in dem einige große Bäume standen. Außerdem stand vor dem Schlossportal ein großer Springbrunnen, um den rundherum ein Schotterweg aufgeschüttet war. Neben dem Schloss auf der rechten Seite befand sich ein großer Parkplatz, auf dem Mami jetzt parkte. Alles in allem sah dieser Vorhof wie ein richtiger Schlosspark aus. Um den Springbrunnen herum, standen auch viele Bänke für die Schüler und wenn man sich jetzt das alles so betrachtete, würde man wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen, dass das eine Schule war.

Also das war so ein kurzes Bild vom Internat, vor dessen Portal wir gerade standen und klingelten. Natürlich diente auch dafür wieder ein Adler als Glocke. Nach ein paar Mal klingeln öffnete sich die Tür und ein hochgewachsener Mann Mitte dreißig blickte von der Türschwelle aus auf uns herab. Seine blauen Augen betrachteten uns erstaunt und er schien sich in seinem blauen Sakko und seinen braunen College nicht sehr wohl zu fühlen. ,,Wie kann ich Ihnen helfen?", fragte er uns freundlich.

,,Das hier sind meine Töchter, Molli und Trolli. Sie sind die neuen Schülerinnen hier", sagte Mami. Jetzt blickte der Mann noch verdutzter. ,,Aber das ist ein Jungeninternat! Hier gibt es seit zwanzig
Jahren keine Mädchen mehr. Ich dachte, die Karotten-Zwillinge wären Buben!"

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