Das Internat 💋

By Manilasmind

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"Du bist das Aufregendste was mir in meinem Leben je passiert ist. Ich liebe dich, November, aber das hier da... More

Die Ankunft
Erste Bekannte
Die Einladung

Das Frischlings-Ritual

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By Manilasmind

Es ist kurz nach Acht und Lilly hat es nach ein paar langen Sekunden endlich geschafft, die Tür zum Dach zu öffnen. Ich habe mir einen großen Hoodie übergeworfen, weil ich keine Lust habe, mich in meinen ersten Tagen hier direkt zu erkälten und quetsche mich durch den Spalt.


Kaum, dass das Quietschen der Tür ertönt, als wir sie hinter uns schließen, sind von oben hektische Schritte und leises Flüstern zu hören.


„Macht euch mal nicht ins Hemd", ruft Lilly hoch und als die Jungs ihre Stimme erkennen, hört das Getrappel auf.


Sie lacht und schüttelt den Kopf. „Das passiert jedes Mal", sagt sie zu mir und geht die Treppe hoch, „als wüssten sie nicht selbst, dass wir kommen."


Oben angekommen entdecke ich ein paar unbekannte Gesichter. Alle Jungs der Pokerrunde am Vortag sind da, aber auch drei weitere, die ich hier noch nicht gesehen habe. Zumindest sind sie mir vorher noch nicht aufgefallen. Auch sie sehen gut aus und ich frage mich, wie das bloß möglich ist. Werden alle Elite-Kinder als unwiderstehliche Schönheiten geboren?


„Da seid ihr ja", sagt Lucas und lächelt. Er sitzt lässig auf dem verschlissenen Sofa, noch ein Platz neben ihm frei.


Lilly steuert auf Connor zu, der in einem klapprigen Campingstuhl sitzt und setzt sich auf seinen Schoß. Ich bleibe einen Moment unschlüssig stehen und setze mich dann auf den einzigen freien Platz neben Lucas. Das wird Lilly sicher gefallen...


Wir quatschen ein bisschen über dies und jenes, bis Graham schließlich einen Joint auspackt und ihn herumreicht. Wenn meine Eltern mich jetzt sehen könnten, würden sie sicher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber sie sind nicht hier, also strecke ich Lucas mein Gesicht hin und er klemmt den Joint grinsend zwischen meine Lippen.


„Okay, ich bin dafür, dass wir ein Spiel spielen", schlägt Kyle nach einer Weile vor und sieht erwartungsvoll in die Runde.


„Meinst du das Frischling-Ritual?" Graham scheint aus seinem Halbschlaf zu erwachen und ist plötzlich wieder ganz da.


Kyle nickt und grinst.


Lilly verdreht die Augen. „Das Frischling-Ritual ist unnötig", stöhnt sie und sieht mich mitfühlend an. „Glaub mir, du musst es nicht machen, wenn du nicht willst. Ich habe mich damals auch geweigert und lebe immer noch."


„Was um aller Welt ist es denn überhaupt?", frage ich und bin auf das Schlimmste gefasst. Ich habe nicht vor, zu passen, aber wenn ich irgendeinem Lehrer einen Streich spielen muss und dann dabei erwischt werde, kann ich mich eigentlich auch direkt selbst Ms. Howard ausliefern.


„Du hast die Wahl", sagt Graham dramatisch du hebt die Finger, um mir meine Optionen aufzuzählen, „Erstens: du läufst rüber zum Haus der Lehrer, klopfst wie wild geworden an eine der Türen und heulst ihnen was von Heimweh vor. Zweitens: Du stellst dich in die Eingangshalle und singst so laut du kannst „Anaconda" von Nicki Minaj, oder drittens..." Er macht eine kunstvolle Pause. Was immer es ist, es kann hoffentlich nicht noch schlimmer sein, als sie vorherigen Optionen.


„du machst mit einem von den hier anwesenden rum. Nur Connor würde ich nicht wählen, Lilly kann manchmal ziemlich eifersüchtig werden", vollendet Kyle den Satz.


Lilly wirft ihm einen giftigen Blick zu und ich ziehe skeptisch die Augenbrauen hoch.


„Gleich hier und jetzt?", frage ich und gehe in Gedanken noch einmal die Optionen durch.


Kyle nickt.


„Ach, kommt schon, Leute", sagt Lucas und verschränkt die Arme vor der Brust, „ sie muss das doch nicht machen. Dass sie uns im Pokern abgezogen hat, sollte doch schon genügen, um uns zu zeigen, dass sie ein Teil von uns ist."


Ich werfe ihm einen dankbaren Blick zu.


„Aber so ist nun mal die Regel", merkt Ronnie an, „ich werde sicher nicht akzeptieren, dass ich direkt an meinem ersten Tag einen Heulkrampf bei Mr. Gringer vortäuschen musste, während ein paar andere hier ganz unbeschadet davon kommen dürfen." Ich muss lachen, als ich mir den kräftigen Ronnie vorstelle, wie er sich bei einem fremden Lehrer ausheult und schluchzt, dass er wieder zu seinen Eltern nach Hause will.


„Also gut", sage ich schließlich und zucke mit den Schultern. „ich nehme Option Nummer drei." Und bevor ich Zeit habe, es mir doch noch anders zu überlegen, fasse ich Lucas am Kinn, drehe sein Gesicht zu mir und küsse ihn.


Die Jungs jodeln und feuern uns an. Ich versuche mir ein Kichern zu verkneifen und mache unbeirrt weiter. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich ihn küssen muss, aber im Augenblick ist es mir auch egal, denn ich bemerke, wie gut es eigentlich ist. Ich hätte nicht erwartet, dass Lucas so gut küssen kann, aber als er mich um die Hüfte packt und auf seinen Schoß hebt, legt mein Herz für einen kurzen Augenblick einen Vollsprint hin.


Ich lasse meine Hände unter sein T-Shirt gleiten und fahre ihm den Rücken hinauf. Ich spüre seine starken Muskeln unter meinen Fingerspitzen und vergesse für einen Augenblick, wo wir hier gerade sind. Als es mir wieder einfällt, löse ich mich von ihm und klettere von seinem Schoß. Eigentlich sollte ich jetzt wohl peinlich berührt sein, zumindest wäre es mir früher so ergangen, aber in diesem Augenblick fühle ich nichts als Lebendigkeit, die durch meine Adern fließt und mir die Röte in die Wangen treibt.


„Das war ganz großes Kino", lobt Graham und grinst mich an. „Es freut mich, dich auf Northriver willkommen zu heißen."



Den restlichen Abend verbringe ich damit, Fragen über mein altes Leben in Deutschland zu beantworten. Ich erzähle von meiner Familie und meiner alten Schule, von meinen Hobbies und meinen alten Freunden. Als es nichts mehr gibt, was die Jungs fragen wollen, bin ich schließlich an der Reihe, die Fragen zu stellen. So erfahre ich, dass Ronnie aus einer armen Familie aus einem sozial benachteiligten Viertel von London kommt und nur aufgrund eines Sportstipendiums hier am Internat aufgenommen wurde, dass Kyles Eltern hingegen stinkreich sind und ihn immer vernachlässigt haben und dass Graham derjenige ist, der das Gras am Internat verkauft. Am Ende des Abends habe ich das Gefühl, über fast alle hier das Wesentliche zu wissen, nur über Lucas nicht.


„Sollten wir nicht langsam mal schlafen gehen?", frage ich, als es schon pechschwarz draußen ist und das Campinglicht, das in unserer Mitte steht, kaum noch ausreicht, um mich alle Gesichter erkennen zu lassen. „Morgen ist mein erster Schultag und den würde ich eher ungern verschlafen."


Lucas nickt zustimmend und steht auf. „Ich denke auch es reicht für heute. Ich bringe dich noch zu deinem Zimmer."


Ich verabschiede mich von allen in der Runde mit einem „wir sehen uns dann morgen" und Lucas begleitet mich runter bis zur Tür.


„Du musst mich nicht zu meinem Zimmer bringen", sage ich und lehne mich mit dem Rücken gegen die verschlossene Tür. „Ich weiß, dass es um diese Zeit nicht unbedingt die beste Idee ist, wenn du dich im Mädchenflur erwischen lässt."


Er stemmt beide Hände gegen die Tür und schließt mich somit ein. Mit seinen strahlenden Augen blickt er mich einen langen Moment an und kommt mir dabei ganz nah. Ein warmer Schauer läuft meinen Rücken hinunter und ich kann das Kribbeln bis in meine Zehenspitzen fühlen.


„Meinst du, ein bisschen Sozialstunden im Gewächshaus halten mich davon ab?"


Ich grinse kokett und zucke mit den Schultern.


„Deine Entscheidung." Mit diesen Worten drehe ich mich unter seinen Armen um und öffne die Tür. Er hilft mir scheinbar mühelos dabei, sie vollständig zu öffnen und lässt mich zuerst hindurchgehen, bevor er sie hinter uns schließt und neben mir hergeht.


„Wegen vorhin...", setze ich an, doch er schüttelt nur den Kopf und bedeutet mir, dass ich mich nicht erklären muss.


„Das war Teil des Rituals, ich weiß. Ist okay, du musst dich nicht verpflichtet fühlen oder so." Ich nicke und bin dankbar dafür, dass er mich versteht. Ich finde ihn wirklich unglaublich attraktiv, aber ich habe noch gar nichts über ihn erfahren und möchte nicht, dass er jetzt glaubt, wir hätten etwas miteinander.


Als wir an meiner Tür ankommen, blickt er mir noch einmal für ein paar endlose Sekunden in die Augen und lächelt. Ich rechne damit, dass er mich zum Abschied noch ein Mal küssen wird, doch das tut er nicht. Er respektiert meine Zurückhaltung abseits des Rituals und das imponiert mir sehr.


„Schlaf gut", sagt er und macht einen lockeren Schritt rückwärts. „Wir sehen uns beim Frühstück." Mit diesen Worten dreht er sich um und verschwindet in Richtung Treppe.


Ich schließe meine Zimmertür auf und versuche, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Die Tatsache, dass ich heute gekifft und mit einem wildfremden Jungen rumgeknutscht hatte, passte doch eigentlich überhaupt nicht zu mir. Zumindest nicht zu meinem alten Ich. Aber es hatte Spaß gemacht, unglaublichen Spaß sogar. Also was, wenn ich das Internat als einen Neunanfang sehen würde? Ich konnte noch einmal von vorn beginnen und die November sein, die ich tief im Inneren sein wollte. Das tun, wonach mir war und mich nicht davon einschränken lassen, was meine Eltern denken könnten. Hier hatte ich endlich die Möglichkeit, meine Jugend auszuleben und wild und frei zu sein. Und das wollte ich nutzen. Um jeden Preis.

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