Lavýrinthos

By Roiben

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"Ängstigt euch nicht vor dem Tod, denn seine Bitterkeit liegt in der Furcht vor ihm." - Sokrates Viellei... More

Vorwort
Prólogos
1.1 Moíra - Schicksal
1.2 Moíra - Schicksal
2.1 Tragoúdi - Gesang
2.2 Tragoúdi - Gesang
3.1 Dóry - Speer
3.2 Dóry - Speer
4.1 Neró - Wasser
4.2 Neró - Wasser
5.1 Psalída - Ranke
5.2 Psalída - Ranke
6.1 Óneiro - Traum
6.2 Óneiro - Traum
7.1 Ámmos - Sand
7.2 Ámmos - Sand
8.1 Aínigma - Enigma
8.2 Aínigma - Enigma
9.1 Aetós - Adler
9.2 Aetós - Adler
10.1 Trélla - Wahnsinn
10.2 Trélla - Wahnsinn
11.1 Thermótita - Hitze
11.2 Thermótita - Hitze
12.1 Skotádi - Dunkelheit
12.2 Skotádi - Dunkelheit
13.1 Fóvos - Angst
13.2 Fóvos - Angst
14. 2 Apóleia - Verlust
15.1 Diamáchi - Streit
15.2 Diamáchi - Streit
16.1 Skiá - Schatten
16.2 Skiá - Schatten
17.1 Ékstasi - Trance
17.2 Ékstasi - Trance
18.1 Kynigós - Jäger
18.2 - Kynigós - Jäger
19.1 Ypéfthynos - Schuld
19.2 Ypéftyhos - Schuld
20.1 Archí - Anfang
20.2 Archí - Anfang
20.3 Archí - Anfang
21.1 Stagónes - Tropfen
21.2 Stagónes - Tropfen
22.1 Dexiá - Recht
22.2 Dexiá - Recht
23.1 Mystikó - Geheimnis
23.2 Mystikó - Geheimnis
24.1 Ptósi - Sturz
24.2 Ptósi - Sturz
25.1 Ktíni - Bestien
25.2 Ktíni - Bestien
26.1 Pónos - Schmerz
26.2 Pónos - Schmerz
27.1 Elpída - Hoffnung
27.2 Elpída - Hoffnung
28.1 Asfáleia - Sicherheit
28.2 Asfáleia - Sicherheit
29. Omorfiá - Schönheit
30. Epílogos
Danksagung & Nachwort

14.1 Apóleia - Verlust

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By Roiben

Die Stille, die dann einkehrte, war die grausamste, die Eos je erlebt hatte. Der riesige Raum erdrückte ihn. Die Angst schnürte ihm die Luft ab und alles, woran er denken konnte, war, dass er zu schwach gewesen war.

Vor ihm lag ein toter Junge und er hatte nichts unternehmen können, um ihm zu helfen. Um ihn zu retten. Lediglich tatenlos zugesehen, dazu war er fähig gewesen.

Eos ballte seine Hände zu Fäusten, rammte seine Fingernägel tief in seine Haut, bis sie sich in sein Fleisch gruben, bis warmes Blut hervorquellte.

Castor sah in keiner Weise so aus, als würde er friedlich schlafen. Seine Augen waren weitaufgerissen, im letzten Abschnitt seines Lebens mit Furcht gefüllt, dunkelrotes Blut bedeckte seine verzerrten Mundwinkel, seine Finger waren blutig gekratzt, die Fingernägel eingerissen und stumpf. Seine Lippen waren von dem Versuch, die Steine aus der Wand zu beißen, vollkommen zerstört, der Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen. Er sah grausam aus.

In den letzten Minuten seines Lebens hatte er gelitten, hatte die schrecklichsten Schmerzen ertragen, während sein Körper von innen heraus gebrannt hatte und war ihnen schließlich erlegen und nun lag er vor ihnen. Tot. Geschunden. Hilflos.

„E-Es ist nicht fa-fair", schluchzte Calypso atemlos. Ihre Hände hielt sie vor ihrer Brust verkrampft und wiegte langsam vor und zurück, als würde es den Schmerz erträglicher machen, der ihr Herz zerriss.

„Nichts ist fair", brachte Lyra hervor, die sich als einzige der drei Lebenden noch auf den Beinen hielt.

Eos kniete neben Calypso auf dem Boden und sein Blick schwamm in Tränen. Scham kochte in ihm auf. Nicht, weil er weinte. Sondern, weil er sich so nutzlos fühlte. Castor war mutig gewesen. Er hatte einem wahnsinnigen Gott die Stirn geboten und auch wenn er den Preis, der viel zu hoch gewesen war, dafür gezahlt hate, so hatte er gesprochen und nicht geschwiegen. Er hatte sich nicht einschüchtern lassen. Castor war stolz auf sich gewesen, stolz auf seinen Namen. Er hätte seinem Namen alle Ehre machen können und er hätte ein Held werden können.

Aber jedwede Chance dafür war ihm geraubt worden.

Er war tot.

„Wir – ich hätte viel mehr machen müssen", flüsterte Calypso und ihre Stimme brach Eos das Herz. Sie klang so unendlich verloren. „Ich konnte doch Dionysos' Fluch – seinen Fluch brechen. Ich konnte sprechen", fügte sie leiser hinzu, der Klang ihrer Worte wie ein Windhauch.

„Wir haben getan, was wir konnten", sagte Lyra und Eos blickte auf. Ihre Hände waren in ihr Gewand gekrallt. Sie zitterte am ganzen Körper. Zwar waren ihre Augen nicht gerötet, aber wenigstens zeigte sie eine gewisse Gefühlsregung. Sie war vielleicht nicht Castors beste Freundin gewesen, aber sein unnötiger Tod ließ sie nicht kalt. „Die Macht eines Gottes übersteigt unsere bei Weitem. Castor hat – er hat – er war dumm."

„Sag das nicht!", wisperte Calypso.

Eos wünschte sich, sie hätte geschrien. Dann hätte er den Bruch in ihrer Stimme nicht so stark vernommen. Er hätte nicht hören müssen, wie etwas in ihr zerbrochen wäre. Und er hätte nicht sehen müssen, wie ein weiterer ihrer Dämme eingefallen wäre.

„Sag sowas nicht", flüsterte sie erneut.

„Ich will ihn nicht schmähen", erwiderte Lyra knapp angebunden. „Aber er hat diesen Pfad gewählt."

„Castor wollte nicht sterben", sagte Eos und blickte ihr tief in die Augen, seine Wangen von Tränen benetzt. „Er wollte leben."

„Wir alle wollen leben", antwortete sie. „Es ist grauenvoll." Sie nickte der Leiche des Jungen knapp zu. „Aber wollt ihr jetzt für immer trauern? Um ein Kind? Welches ihr nicht kanntet?"

Calypso hörte auf, sich vor und zurück zuwiegen. „Ich kannte ihn", hauchte sie. „Ich habe ihn hier kennengelernt. Du hast ihn kennengelernt. Er ist – er war angsterfüllt. Er wollte zurück in sein behütetes Heim. Zu seinen Eltern. Das kann er nicht mehr."

„Und genau das ist es auch, was uns hier von Anfang an erwartet hat", sagte Lyra und verengte die Augen. „Wir sind Opfer. Todgeweihte! Wir sollen hier alle sterben!"

„Sei ruhig!", rief Calypso. „Sei ruhig. Keiner soll sterben. Die Götter... die Götter", schluchzte sie und schlug sich eine Hand vor den Mund. Sie schloss krampfhaft ihre Augen, als mehr Tränen ihre Wangen hinunterflossen und auf ihren Schoß tropften.

„Die Götter haben das verursacht", erwiderte Lyra kühl und zeigte mit der ausgestreckten Hand auf Castors blutiges Gesicht. „Denkst du, die Götter kümmern sich darum, ob ein Junge stirbt? Sie sind immerhin schuld an seinem Tod! Und sie werden auch Schuld an deinem Tod haben, an seinem", sie deutete auf Eos, „an meinem und an dem meiner Schwestern! Wir sind den Göttern egal!", rief sie aus und trat einen Schritt an Calypso heran. „Versteh das doch, du dummes Mädchen."

„Die Götter sorgen sich um uns!", sagte sie lautstark. „Sie geleiten uns durch diesen Irrgarten und sorgen für unsere Sicherheit. Ich weiß es."

„Du weißt überhaupt nichts", antworte das andere Mädchen. „Wenn du nur einen Funken Verstand übrighättest, dann würdest du erkennen, dass das alles hier ein perfides Spiel ist. Wir sind Spielfiguren für die Unterhaltung der Götter. Wir sind ihre Bauern. Wir können geopfert werden, solange das Spiel damit weitergeht."

Eos hätte es nicht verhindern können, selbst, wenn er gewollt hätte. Calypso war so schnell auf den Beinen, dass er kaum hinter ihrer Bewegung hinterherkam und dann erfüllte ein lautes Klatschen den Raum. Ihre ausgestreckte Hand zitterte in der Luft. Lyra hielt sich mit schreckgeweiteten Augen die rote Wange.

Das Echo von Calypsos Schlag erfüllte den gesamten Raum, klingelte in Eos' Knochen und seinen Ohren, ließ ihn die Augen senken.

„Poseidon sollte dich bestrafen", wisperte sie. „Nur dank ihrer Macht sind wir überhaupt am Leben."

„Und nur dank ihres Wahnsinns ist er tot!", schrie Lyra und trat auf Calypso zu. In ihren Augen brannte ein kaltblütiges, aggressives Feuer.

„Hört auf zu streiten", sagte Eos und erhob sich. Er zog Calypso an der Schulter weg von dem anderen Mädchen, aber sie wischte seine Hand fort.

„Wir – Ich – Ich bin – ", fing sie leise an und verschränkte ihre unkontrolliert zitternden Hände ineinander.

„Du bist naiv und geblendet", sagte Lyra, senkte ihre Stimme aber. „Wenn die Götter uns wirklich leiten würden, dann hätten sie kein so großes Opfer gefordert. Wir sind schon unseren Familien entrissen worden. Ist das nicht Strafe genug?"

Eos tat einen Schritt auf Calypso zu und legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter. „Sie hat Recht", raunte er leise, seine Stimme von der Trauer zerdrückt. „Castor ist durch die Hände eines Gottes gestorben."

„Aber sind denn alle Götter dadurch gleich wahnsinnig?", hauchte sie und blickte ihn nicht an.

„Nicht alle", sagte er leise. „Aber sie haben auch nichts dagegen unternommen."

„Das macht sie aber nicht schuldig", erwiderte sie gebrochen.

„Es macht sie nicht unschuldig", warf Lyra ein und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Wir haben es gesehen, wir waren Zeugen. Die Olympier haben die Macht, hier zu erscheinen und ihre Kräfte zu wirken. Wenn wir ihnen – wenn Castors Leben ihnen am Herzen gelegen hätte, dann hätte nur einer sich gezeigt und Dionysos aufgehalten."

Calypso schluckte heftig und wischte sich über die Augen. Sie bewegte sich langsam auf Castors Körper am Boden, so sie sich neben ihm auf die Knie ließ.

Eos und Lyra tauschten einen halb traurigen, halb wütenden Blick und er wusste, dass sie in diesem Moment dasselbe dachte. Sie hatten Castor nicht lange oder gut gekannt, aber er war ein Teil ihrer Gruppe gewesen. Sein Tod würde Rache erfordern.

„Was sollen wir mit ihm machen?", fragte Calypso leise und eröffnete somit den Raum für einen neuen Konflikt. „Wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen, oder?" Sie biss sich so heftig auf die Unterlippe, dass ihre sowieso schon blasse Haut noch blasser wurde, beinahe weiß. Ihre Augen allerdings waren rot und geschwollen.

„Willst du ihn etwa mitnehmen?", erwiderte Eos mit schmerzlicher Stimme. Die Erkenntnis, dass sie ihrem verstorbenen Kameraden nicht einmal die letzte Ehre erweisen konnte, nagte schwer an ihm. Sein Blick fiel auf Castors toten Körper. Es schien beinahe wie ein Traum zu sein. Ein schrecklicher Traum. Noch vor Augenblicken hatte er mit dem Jungen geredet. Sie hatten sich gemeinsam darüber unterhalten, wie sie die Sirene besiegen würden, sollte sie wiederauftauchen. Es gab so viel, worüber sie hätten sprechen können. Eos wusste nicht einmal, wer Castors Familie war. Wie würden seine Eltern vom Verlust ihres Sohnes erfahren? Würde Minos es ihnen sagen? Oder hatten sie sich schon längst damit abgefunden, dass sie ihr Kind verloren hatten, sowie Calypsos Familie?

„Ich – Ich weiß nicht", sagte sie erstaunt, als hätte sie so weit nicht gedacht. Sie blickte auf und ihre Augen blickten in seine, hatten aber nichts von der Schönheit inne, die Eos anfangs an ihnen bewundert hatte. „Es wäre doch falsch, wenn wir ihn zurücklassen würden."

„Er ist tot", meinte Lyra knapp. „Es gibt einfach nichts mehr, was wir für ihn tun können."

„Würdest du denn gerne hier einfach weiter liegen? Ohne irgendwas?", fragte Calypso leise.

Lyra schnaubte.

„Was soll ich mich denn darüber beschweren? Ich wäre dann tot. Dann könnte mir alles egal sein, weil meine Seele längst in der Unterwelt wäre. Das einzige, was mich dann interessiert, wäre, ob ich ins Elysium komme oder nicht", erwiderte das Mädchen mit einem stoischen Ausdruck, dem eine kurze Pause folgte.

„Kommt Castor nach Elysium?" Calypsos Stimme war hauchzart, kaum stärker als ein Atemzug und zerriss doch brutal die vorherrschende Stille.

„Ich – ich bin mir nicht sicher", erwiderte Eos langsam. „Ich glaube, es kommt darauf an, ob sein Tod heldenhaft angesehen wird, oder? Und wie er zuvor gelebt hat."

„Ich will wirklich nicht schlecht über ihn reden", sagte Lyra und schloss für einen Moment die Augen, „aber ich glaube nicht, dass er diese Ehre bekommt. Er ist ein Kind. Er hat nichts – nichts Großartiges erreicht oder getan."

„Das weißt du nicht", erwiderte Calypso.

„Genauso wenig wie du", stimmte sie ihr zu. Ihr Nicken wirkte müde auf Eos. „Deswegen will ich nicht wirklich darüber nachdenken. Lasst uns das tun, was wir können."

„Und was wäre das?", fragte Eos. „Wir können ihn nicht bestatten oder verbrennen."

„Ich weiß", erwiderte sie mit einem gequältem Gesichtsausduck. „Nehmen wir das an uns, was er hat und dann... dann müssen wir ihn zurücklassen."

„Du willst einem Toten", sie stockte und holte tief Luft, „einem Toten seine Besitztümer nehmen?"

Eos sah es ihr an, dass es sie alle Überwindung gekostet hatte, auszusprechen, dass er wirklich tot war. In ihren Augen konnte er das Entsetzten über diese Tat erkennen, die sich zitternd auf Lyra legten.

„Wir brauchen sie eher", antworte das andere Mädchen trotzig. „Hör zu, ich weiß, es ist nicht gerade der Brauch aber... wir sind in Not. Wenn wir nicht alles nehmen, was wir bekommen können, dann könntest du die nächste sein. Und du willst zu deiner Familie zurück, oder?", fügte sie flüsternd hinzu. Lyra hatte die Augen zu zwei Schlitzen verengt, aber es sah nicht so aus, als hätte sie das aus Wut getan. Wenn Eos sich nicht täuschte, dann glitzerten ihre Augenwinkel.

„Nein, ich... du hast ja Recht", murmelte das hockende Mädchen. Sie betrachtete einen ewig langen Moment das schreckliche Gesicht des toten Jungen, dann atmete sie rasselnd ein.

Mit langsamen Schritten entfernte Eos sich von seinen beiden verbliebenen Kameradinnen und hob mit spitzen Fingern das von Castor verlorene Schwert auf, welches irgendwann von ihm gefallen war, als Dionysos ihn so misshandelt hatte. Es fühlte sich falsch an, seine Waffe zu nehmen. Seine Finger kribbelten bei der Berührung des Ledergriffes. Er schluckte schwer, erinnerte sich aber daran, was Lyra gesagt hatte. Sie konnten alles gebrauchen, was sie bekommen konnten. Und sei es ein weiteres Schwert.

Als er neben Calypso zum Stehen kam, bemerkte er, dass sie dem Toten die Augen und den Mund geschlossen hatte. An ihren unkontrolliert zitternden Händen klebten ein paar Tropfen seines Blutes. Es wirkte noch immer nicht so, als würde er seelenruhig schlafen. Sein geschundener Körper verriet alles.

Lyra hatte sich den Proviantbeutel des Jungen genommen und reichte ihn Eos, der, seit sie seinen Beutel zerschnitten hatten, um seine Wunde zu verbinden, ohne Gepäck gereist war. Er schulterte ihn sich und band das zusätzliche Schwert an seinem Gürtel fest.

Sein Blick fiel auf Calypso, die neben Castor kniete, seinen Schild mit ihren Händen umklammerte und geräuschlos weinte.

„Komm", murmelte er leise und berührte sie sanft an der Schulter. Dieses Mal hob sie ihre eigene Hand und klammerte sich an seinen Fingern fest, als würden sie ihr den Halt geben, den sie benötigte, damit sie nicht zusammenbrechen würde. „Wir – wir sollten weiter."

„Ich weiß", erwiderte sie schwach und erhob sich langsam. Noch machte sie keine Anstalten weiterzugehen. Ihre Hand umklammerte Eos' Finger an ihrer Schulter und ihr Blick war auf das Gesicht des Jungen vor ihr gerichtet. Sie holte zittrig Luft.

„Was ist?", fragte Lyra, die einige Schritte zum Ausgang des Raumes gegangen war, jetzt aber innehielt und einen Blick zurückwarf. Der Eingang, durch welchen sie gekommen waren, wäre auch keine Option mehr gewesen. Er wusste nicht, wann es passiert war, aber die Öffnung war mit dichten Reben verschlossen. Violette und grüne Blätter wackelten sanft, als würde ein Sommerwind sie durcheinanderbringen. Dabei war es windstill.

„Ich will etwas sagen", meinte Calypso vorsichtig, als hätte sie Sorge, das andere Mädchen könnte ihre Worte gegen sie verwenden um einen weiteren Streit vom Zaun zu brechen. „Zumindest das bin ich ihm schuldig."

„Du bist ihm nichts schuldig", murmelte Eos, verstand sie aber. „Aber fahre fort. Sag, was du sagen willst."

Sie drückte seine Hand einmal, dann ließ sie ihn los.

„Castor, ich... es tut mir leid", fing sie leise an, ihre Stimme zaghaft und unentschlossen. „Wenn ich ein bisschen stärker gewesen wäre, dann hätte ich dir helfen können. Wenn ich ein wenig mehr Kraft gehabt hätte, dann hätte ich Dionysos Fluch brechen können, der auf uns lag, ich weiß es. Ich habe es gespürt. Mit jedem Stoß meiner Gedanken wurde er schwächer. Ich war zu langsam. Aber", sagte sie und langsam kehrte die Entschlossenheit in ihre Worte zurück, „aber ich verspreche dir – nein, ich schwöre beim Fluss Styx, dass ich nicht aufgeben werde. Ich werde mich nicht selbst dafür peinigen, dass ich dich nicht retten konnte. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber ich kann in der Zukunft eine Veränderung hervorbringen."

Eos schluckte. Er hatte gedacht, sie würde sich selbst die Schuld dafür geben, dass Castor gestorben war und sich dafür hassen, aber offensichtlich war Calypso weitaus stärker, als er sie eingeschätzt hatte. Der emotionale Schock war vielleicht noch nicht ganz überwunden, aber sie blickte nach vorn.

„Ich werde nicht aufgeben", wiederholte sie mit starker Stimme. „Nicht heute und auch nicht morgen. Ich schwöre es dir, ich werde dieses Labyrinth besiegen und nach Athen zurückkehren. Und dann werde ich deine Familie ausfindig machen. Ich werde ihnen erzählen, wie mutig und heldenhaft du warst und wir selbstlos du gestorben bist. Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren. Auch wenn ich ihnen ihren Sohn nicht wiedergeben kann, sie sollen wissen, dass du nicht – dass du nicht umsonst gestorben bist."

Sie seufzte leise, kaum hörbar und drehte sich dann von Castors Körper weg. Ihr Blick kreuzte den von Eos und beinahe hatte er das Gefühl, dass sie ihn auffordern würde, auch etwas zu sagen, aber dann lächelte sie kurz angebunden und unecht.

„Ich bin bereit."

„Dann lasst uns diesen gottverdammten Raum verlassen", knurrte Lyra und eine bestimmte Bitterkeit lag in ihren Worten, die Eos allzu gut nachvollziehen konnte. Die unbändige Wut, die für Dionysos Taten in ihm brannte, loderte auf.

Mit jedem Schritt, den sie auf den Ausgang zumachten, fühlte Eos einen winzigen Stich in seinem Brustkorb, als würde jemand mit einer Eisscherbe in sein Fleisch stechen. Er schloss für den Bruchteil einer Sekunde die Augen und warf dann einen letzten Blick über die Schulter. Castor lag noch immer tot auf dem Boden. Das Echo ihrer verlassenden Schritte weckte ihn nicht auf.

Sie ließen ihn wirklich zurück.

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