Das Erbe des Lichtbringers

By Alopex_Lagopus

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Der finale Kampf zwischen Gut und Böse, dem Lichtbringer und dem Hexenmeister steht unmittlebar bevor. Allerd... More

Vorwort
Prolog
Kapitel 1| Der Beginn des ganzen Desasters I
Kapitel 1| Der Beginn des ganzen Desasters II
Kapitel 1| Der Beginn des ganzen Desasters III
Kapitel 2| Die Ankunft
Kapitel 3| Party Hard I
Kapitel 3 | Party Hard II
Kapitel 3 | Party Hard III
Kapitel 4 | Nur geträumt? I
Kapitel 4 | Nur geträumt? II
Kapitel 4 | Nur geträumt? III
Kapitel 5 | Blacky
Kapitel 6 |Das Böse triumphiert - kurzfristig
Kapitel 7 | Morgenstund ist ungesund I
Kapitel 7 | Morgenstund ist ungesund II
Kapitel 7 | Morgenstund ist ungesund III
Kapitel 8 | Das Welpenformular I
Kapitel 8 | Das Welpenformular II
Kapitel 8 | Das Welpenformular III
Kapitel 8 | Das Welpenformular IV
Kapitel 9 | Die Entscheidung
Kapitel 10 | Magie
Kapitel 11 | Das Los eines Magiers
Kapitel 12 | Nachspiel
Kapitel 13 | Auf Trüffelsuche?
Kapitel 14 | Suche nach Gott
Kapitel 15 | Sozialstunden
Kapitel 16 | Winfried van Harzel I
Kapitel 16 | Winfried van Harzel II
Kapitel 17 | Ganz pragmatisch gedacht
Kapitel 18 | Die Wette
Kapitel 19 | Feuerspiele
Kapitel 20 | Wie Pech und Schwefel
Kapitel 21 | Harmagedon!
Kapitel 22 |Socialising I
Kapitel 22 | Socialising II
Kapitel 23 | Ein eingelöstes Versprechen I
Kapitel 23 | Ein eingelöstes Versprechen II
Kapitel 23 | Ein eingelöstes Versprechen III
Kapitel 24 | Dünne Luft
Kapitel 25 | Besuch bei den Senters I
Kapitel 25 | Besuch bei den Senters II
Kapitel 26 | Zu gut für diese Welt
Kapitel 27 | Die Hoffnung stirbt zuletzt
Kapitel 28 | Ein längst überfälliges Gespräch I
Kapitel 28 | Ein längst überfälliges Gespräch III
Kapitel 29 | Der Zeugenzeuge I
Kapitel 29 | Der Zeugenzeuge II
Kapitel 30 | Magierversammlung
Kapitel 31 | Dicke Luft I
Kapitel 31 | Dicke Luft II
Kapitel 32 | Der Bann der hundert verlorenen Seelen
Kapitel 33 | Der Stau I
Kapitel 33 | Der Stau II
Kapitel 34 | Zahltag I
Kapitel 34 | Zahltag II
Kapitel 35 | Nur ein Spaß I
Kapitel 35 | Nur ein Spaß II
Kapitel 35 | Nur ein Spaß III
Kapitel 36 | Erwachen
Kapitel 37 | Schuld und Schmerz I
Kapitel 37 | Schuld und Schmerz II
Kapitel 38 |Spießrutenlauf I
Kapitel 38 | Spießrutenlauf II
Kapitel 39 | Feuerprobe I
Kapitel 39 | Feuerprobe II
Kapitel 39 | Feuerprobe III
Kapitel 40 | Schluss mit Lustig
Kapitel 41 | Konfrontation I
Kapitel 41 | Konfrontation II
Kapitel 42 | Rückzug I
Kapitel 42 | Rückzug II
Kapitel 43 | Observation Hexenmeister
Kapitel 44 | Die Schatten werden länger I
Kapitel 44 | Die Schatten werden länger II
Kapitel 44 | Die Schatten werden länger III
Kapitel 44 | Die Schatten werden länger IV
Kapitel 44 | Die Schatten werden länger V
Kapitel 44 | Die Schatten werden länger VI
Kapitel 45 | Der Tupperdosendiebstahl I
Kapitel 45 | Der Tupperdosendiebstahl II
Kapitel 46 | Der Anfang vom Ende I
Kapitel 46 | Der Anfang vom Ende II
Kapitel 46 | Der Anfang vom Ende III
Kapitel 47 | Schattentanz I
Kapitel 47 | Schattentanz II
Kapitel 47 | Schattentanz III
Kapitel 47 | Schattentanz IV
Kapitel 47 | Schattentanz V
Kapitel 48 | Das Erbe des Lichtbringers I
Kapitel 48 | Das Erbe des Lichtbringers II
Kapitel 48 | Das Erbe des Lichtbringers III
Kapitel 49 | Verantwortung und Konsequenzen I
Kapitel 49 | Verantwortung und Konsequenzen II
Kapitel 50 | Ein neuer Morgen
Epilog
Ausblick und Danksagung

Kapitel 28 | Ein längst überfälliges Gespräch II

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By Alopex_Lagopus


Am Freitag sollte sein Tag jedoch anders verlaufen. Zunächst einmal war Frau Wasabi wieder da – ein Umstand, von dem Miles noch nicht wusste, ob er ihm gefiel oder nicht. Sie fragte natürlich nach, ob die Vertretung von Herrn Trivial in Ordnung gewesen wäre und ob er das neue Thema bereits angefangen hätte. Miles' Klassenkameraden verneinten und so kam die Diskussion von letzter Woche über das Massaker der Knuffel-Gasse wieder hoch.

Das Thema war in der vergangenen Woche so oft durch die Medien gegangen wie eine Kuh eine Mahlzeit verdaute, aber anscheinend mit wenig neuen Erkenntnissen, wie Miles dachte, der selbst keine Nachrichten verfolgte.

Wie vorhergesehen schienen die Spuren auf eine mysteriöse Sekte hinzudeuten. Und weil Frau Wasabi Frau Wasabi war, ließ sie die Diskussion in der Klasse zu und nahm nacheinander die einzelnen Schüler dran.

Währenddessen beschoss Miles sie mit finsteren Blicken. Er hatte ihr Gespräch vor den Sommerferien nicht vergessen und nahm ihr ihre Reaktion nach wie vor übel.

„Ich sage es noch einmal", fuhr Miles irgendwann dazwischen und ohne sich zu melden. „Das war ein Mann. Ein schwarzer Magier, der anscheinend gläubige Menschen hasst!"

Wie nicht anders erwartet lachten einige, aber Frau Wasabi ging darauf ein.

„Was macht dich da so sicher?", fragte sie.

„Weil ich den Typ gesehen hab, darum!", erwiderte er biestig.

Wieder lachten seine Mitschüler, während Martin sich zu ihm umdrehte.

„Uh, Miles sieht schon schwarze Magier!", witzelte er.

„Ja, ich kann ein paar Dinge wahrnehmen, die Typen wie dir verborgen bleiben", konterte er biestig. „Vermutlich wirst du auch nicht die Faust sehen, die nächste Pause auf dein Gesicht zusteuert!"

Die folgende Unruhe zwang Frau Wasabi zum Eingreifen. „Miles, ich glaube, das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, hier eine Show abzuziehen", wies sie ihn zurecht. „Sowieso haben wir nicht die Zeit, noch länger über das Thema zu diskutieren. Wir können aber nächste Woche gerne wieder darauf eingehen, schließlich hält dieser Vorfall die ganze Stadt in Aufruhr. Lasst uns also bitte zu unserem neuen Unterrichtsthema kommen."

Und so folgte der Unterricht seinem gewohnten Lauf. Ihr neues Thema war die französische Revolution, ein Thema, dass Miles überhaupt nicht zusagte. Schließlich hatten doch nur die Franzosen damit etwas am Hut. Also folgte er mit seiner üblichen Semi-Aufmerksamkeit dem Geschehen, bis die Pausenglocke endlich das Ende der Stunde verkündete.

„Gut, vergesst nicht, welche Texte ihr zur nächsten Woche lesen sollt", teilte Frau Wasabi ihnen noch mit. „Ich wünsche euch einen guten Start ins Wochenende. Miles, kommst du bitte noch mal zu mir."

Miles, der bereits seine Tasche gepackt und gerade dabei gewesen war, zu seinem Kumpel Däx aufzuschließen, hielt inne.

„Scheint, du bekommst schon wieder Ärger, Loser!", wisperte ihm Martin zu, als er ihm im Vorbeigehen absichtlich anrempelte.

„Hol dir einfach einen runter!", zischte er zurück und bedeutete Däx, schon mal vorzugehen. Mit grimmiger Miene schlurfte Miles nach vorne, während sich der Raum hinter ihm leerte.

„Und?", fragte er patzig. „Was habe ich jetzt wieder getan?"

Frau Wasabi hielt beim Packen ihrer eigenen Tasche inne. „Gar nichts, Miles. Ich bin heute mit dem Auto hier und wollte dir anbieten, dich zu deinem Sozialkurs an der Hochschule mitzu..."

„Danke, ich verzichte", erwiderte er unwirsch.

„Ich gebe da heute nämlich einen Anfängerkurs." Sie warf ihm eine bedeutsamen Blick zu. „Außerdem wollte ich mit dir reden."

Miles verstand den Wink. Jetzt wusste er, wer Angewandte Magie unterrichten würde.

„Na schön", sagte er herausfordernd und verschränkte die Arme.

„Gut", erwiderte sie. „Allerdings wirst du ein paar Minuten warten müssen, ich habe noch eben etwas zu erledigen, das dauert nicht lange. Nur so lange, dass die meisten schon weg sind und es dir nicht peinlich sein muss, in meinem Auto gesehen zu werden." Sie zwinkerte wissend und lächelte erstmals, seit das Gespräch begonnen hatte.

„Meinetwegen", entgegnete er mürrisch und wandte sich ab. Auf dem Flur stieß er auf Däx, der vor dem Klassenraum auf ihn gewartet hatte.

„Und?", fragte er. „Haste Ärger?"

„Nein", antwortete Miles. „Sie hat mir nur angeboten, mich zum Sozialtraining zu fahren, weil sie selbst zur Hochschule muss."

Däx hob die Augenbrauen. „Ach, hat sie Mitleid mit dir?"

„Ja, ich sag's dir, die steht auf mich", brummte er.

„Klar", erwiderte Däx ironisch und wechselte das Thema. „Sollen wir Martin mal eins aufs Maul geben, eh? Gebrauchen könnte der 's."

Miles nickte. „Nur zu gern. Anscheinend denkt er, er kann sich alles erlauben, weil ich plötzlich auf Akkurats persönlicher Abschussliste stehe."

„Womit er sich geschnitten hat, eh?"

„Ganz genau!"

Däx schwieg eine Weile, aber dann schien er eine Entscheidung zu fällen und fragte:

„Das mit dem Typ, den du gesehen hast, war doch ein Scherz, oder? Du hast mir nicht erzählt, dass du letzte Woche da warst."

„Ein Scherz?", fragte Miles, der selber nicht wusste, wie er nun antworten würde. „Klar, war das ein Scherz, was sonst?"

„Klar", grinste Däx.

Und damit hätte ich meinen besten Freund wieder belogen ...

Miles lächelte gezwungen und verabschiedete sich von seinem kubanischen Kumpel, bevor er sich auf den Weg zum Hinterausgang machte. Draußen war es windig und Nieselregen kündigte ungemütliches Herbstwetter an. Er zitterte. Obwohl er einen dicken Pulli trug, war die Luft unangenehm kühl. Gegen seinen Willen freute er sich nun doch, nicht mit dem Skateboard in die Stadt zu müssen.

Er suchte sich ein windgeschütztes Plätzchen im Eingang und beobachtete, wie sich die Schülertrauben auf dem Hinterhof langsam auflösten. Er brauchte nicht lange warten. Nur nach wenigen Minuten öffnete sich die Tür zum Schulgebäude erneut.

„Siehst du? Schon fertig!", sagte Frau Wasabi gut gelaunt. „Wir können los."

Immer noch missmutig schob Miles die Hände in seine Hosentaschen und folgte seiner Geschichtslehrerin über den Hof zu den Schulparkplätzen. Sie steuerte auf einen älteren und blaulackierten Ford Ka zu, ein Dreitürer, der darauf hindeutete, dass sie anscheinend nicht oft viele Leute durch die Gegend fuhr – und wenn, dann sehr selten: Als er die Tür öffnete, sah er bereits erste Roststellen im Rahmen.

„Klein, aber mein", lächelte Frau Wasabi, während sie ihre Tasche auf die schmalen Rücksitze verbannte und Miles bedeutete, es ihr gleichzutun. Der Junge zögerte kurz und überlegte, ob er im Nachhinein nicht doch lieber ablehnen sollte – er bezeifelte, dass das Auto TÜV hatte. Eine kalte Windböe, die seine Glieder schlottern ließ, erleichterte ihm die Entscheidung. Mürrisch warf er seinen Rucksack auf die Rückbank und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Seine Lehrerin musste seine Gedanken erraten haben, denn sie sagte:

„Ich weiß, der kleine Ford sieht nach nichts aus, aber bis jetzt hat er mich noch nie im Stich gelassen. Wir wollen ja auch nicht weit."

Miles schloss die Tür und schnallte sich an. „Können wir den Smalltalk überspringen?", fragte er barsch.

Frau Wasabi, die gerade im Begriff war, den Motor zu starten, hielt kurz inne, dann nickte sie bestätigend und der Ford heulte auf.

„Also", fuhr sie fort und manövrierte den Wagen geschickt aus der Parklücke. „Was hast du in der Knuffel-Gasse gesehen, Miles?"

„Wie wäre es, wenn Sie mir vorher verraten, was das vor den Sommerferien sollte?", stellte er eine Gegenfrage.

Seine Lehrerin hielt kurz an und musterte ihn prüfend. „Du bist sauer auf mich", stellte sie fest. „Aber so richtig!" Bevor Miles jedoch gezwungen wurde, darauf eine Antwort zu geben, legte sie den Gang ein und dirigierte den Ford vom Schulgelände. „Weißt du Miles, ich könnte jetzt viele Dinge sagen. Zum Beispiel, dass ich mich momentan in einer etwas schwierigen Lage befinde und mit einigen Dingen aufpassen muss, aber ich weiß, dass das keinen Zweck hat. Also nur so viel: Mein Verhalten, welches ich nach dem Schattenangriff am nächsten Tag auf dem Schulhof an den Tag gelegt habe, war dir gegenüber unfair und absolut nicht angebracht. Was ich gesagt habe, tut mir leid."

„Ach?", kommentierte er nicht überzeugt. „Mit 'schwierige Situation' meinen Sie doch bestimmt, dass sie gleichzeitig Lehrerin an einer ganz normalen Schule, in einem zweiten Leben jedoch eine Hüterin sind und Kurse für Angewandte Magie an der Hochschule unter einem interessant klingenden Tarntitel wie Blümchenmuster häkeln geben?"

Der Sarkasmus prallte wirkungslos ab.

„Nicht direkt, aber das trifft es im Kern", seufzte sie. „Blacky hat dir anscheinend einen guten Einstieg in ... dein zweites Leben gegeben, wie du es nennst."

„Ah, nur im Kern, also?", fragte Miles beleidigt. „Stimmt ich bin zu beschränkt, um es im Ganzen zu verstehen, richtig? Oder habe ich auch das nicht gerallt?" Vorwurfsvoll starrte er sie an.

„Jetzt wirst du wieder unfair, Miles. Aber schön, ich erzähle es dir. Vorher nur eine Frage: Magst du Fastfood? Du brauchst bestimmt noch etwas zu essen und da vorne können wir uns etwas für die Fahrt mitnehmen. Geht auf mich."

Sie deutete auf einen an der Hauptstraße gelegenen Drive In zu ihrer Rechten.

„Bestechung also?" Miles warf ihr einen misstrauischen Seitenblick zu. Essen, welches er nicht von seinem Taschengeld bezahlen musste ... „Na schön, ich nehm zwei Chickenburger, einmal mittlere Pommes mit Ketchup und eine mittlere Cola. Also?"

Frau Wasabi nickte und bog in die Einfahrt, um die Bestellung aufzugeben. Miles fiel auf, dass sie für sich selbst nichts hinzufügte, nahm dies aber wortlos hin. Erst, als sie sich danach in die Autoschlange einreihten, brach sie die Stille.

„Gut, dann pass auf: Wie du weißt, ist es mein Job als Hüterin, junge Magier aufzuspüren – so wie dich. Deswegen bin ich Lehrerin und versuche möglichst in allen Jahrgängen zu unterrichten, damit ich viele Schüler kennenlerne. Dieses Vorgehen ist bei Hütern nicht unüblich. Bei dir war ich mir fast sicher und in den Ferien hatte ich vorgehabt, dich zu prüfen, aber der Vorfall mit deinem Alkoholrausch und dem Schatten kam meinen Plänen etwas zuvor."

Das Auto vor ihnen rückte auf den nächsten Platz in der Schlange und Frau Wasabi setzte hinterher.

„Gut, ich kam noch rechtzeitig. Aber dann bist du mir zusammengebrochen. Ich konnte dich schlecht dort liegen lassen, also habe ich dich nach Hause gebracht."

„Und mich bei meiner Mum und bei all Ihren Kollegen angeschwärzt!", setzte Miles hinzu. „Mit einer erfundenen Story über aufgeschlitzte Autoreifen."

Die Hüterin schwieg und ließ die Kupplung kommen, um eine weitere Autolänge nach vorne zu rücken.

„Ja", gab sie schließlich zu. „Das habe ich aber nicht getan, um dich in Schwierigkeiten zu bringen, Miles", schob sie sofort hinterher, „sondern, erstens, weil ich dich so wesentlich besser an die Hochschule bekam – verzeih mir, aber freiwillige Extrakurse am Nachmittag wären bei dir sehr auffällig gewesen –, zweitens musste ich wie deine Lehrerin handeln, denn ich vermute, dass ich beobachtet werde und hätte es nicht gebrauchen können, wenn irgendwie durchsickert, dass ich für dich eine Extrabehandlung einlege und drittens, hast du nichtsdestotrotz eine Bestrafung für deine Sauferei verdient! Da kommen wir nicht einfach an und sagen ‚Glückwunsch! Als Belohnung wirst du jetzt in die Geheimnisse der Magie eingeweiht'. Das geht nicht, verstehst du?"

Miles schwieg. Bestrafung, pah! Der Kater und der Schatten haben gereicht!

Die restliche Zeit in der Warteschlange sagte keiner der beiden ein Wort und nur das Tuckern des Motors sowie der dumpfe Bass der Stereoanlage des Wagens hinter ihnen spielten ein munteres Duett. Schließlich fuhren sie am Schalter vor und Frau Wasabi kurbelte das Fenster hinunter, um das Essen entgegenzunehmen und zu bezahlen.

„Bitte sehr, Miles", sagte sie und reichte ihm die Tüte.

„Danke", erwiderte er monoton und machte sich über den Inhalt her, während Frau Wasabi zurück in den fließenden Verkehr der Innenstadt bog.

„Jetzt muss ich aber wissen, was du in der Knuffel-Gasse gesehen hast, Miles. Es ist sehr wichtig!"

„Gar nichts habe ich gesehen", schmatzte Miles zwischen zwei Bissen.

Frau Wasabis Kopf fuhr herum. „Was soll das heißen, nichts!?"

„Genau das, was ich gesagt habe", präzisierte er und nahm einen Schluck von seiner Coke. „Ich war letzte Woche in der Gasse und habe einen Haufen Polizisten gesehen. Außerdem waren bestimmt fünf Schatten dort, weswegen ich mich auch wieder verzogen hab. Ich war einfach neugierig auf den Tatort."

„Das heißt, du warst erst nach dem Massaker dort?", bohrte seine Lehrerin weiter. „Was war mit dem hochgewachsenen Mann, den du im Unterricht erwähnt hast?"

„Sie wissen das nicht?", fragte Miles nun ehrlich erstaunt.

„Was weiß ich nicht?"

Die Stimme seiner Lehrerin nahm nun einen beunruhigten Tonfall an, der Miles' Trotz ins Wanken brachte.

Etwas verunsichert fuhr er fort. „An meinem letzten Trainingstag in den Ferien haben ich und Blacky ihn gesehen. Er kam auf die Lichtung am Schloss und hat einen Zauber gemurmelt, woraufhin er verschwand. Blacky ist anschließend davongeeilt und hat mich angewiesen, nach Hause zu gehen. Ich wollte mit ihm kommen, weil ich mir sicher war, einen bösen Magier entdeckt zu haben. Ich wollte ihn begleiten und es den anderen Magiern erzählen. Ja, andere Magier wollte ich sehen ..."

Die Hüterin schwieg, während sie den kleinen Ford in die nächste Linksabbiegerspur einfädelte und ihn schließlich vor einer roten Ampel zum Stehen brachte. Ihr Blick war starr nach vorne gerichtet. „Blacky ist seit diesem Tag verschwunden und niemand hat von dem Auftauchen eines bösen Magiers etwas erfahren", sagte sie ernst.

Der Chickenburger wäre ihm beinahe im Hals stecken geblieben. Krampfhaft schluckte er die zerkaute Fastfoodpampe herunter.

„Er hat nichts berichtet?", hauchte er ehrlich erschrocken.

„Nein", bestätigte Frau Wasabi. „Deswegen muss ich jetzt alles wissen, was du gesehen hast? Was ist bei deinem Training passiert?"

Miles brauchte einen kurzen Moment, um sich den Tag ins Gedächtnis zu rufen. Dann schilderte er die Ereignisse des Trainingstages wahrheitsgemäß, bis sie schließlich auf einem Privatparkplatz hinter der Hochschule auffuhren.

„Was hat das alles zu bedeuten?", fragte er anschließend, als er seine Erzählung beendet und Frau Wasabi den Motor des alten Fords zum Schweigen gebracht hatte. „Ist dieser Mann wirklich eine Art böser Magier? Ich habe das im Unterricht mehr als Scherz gesagt."

Seine Lehrerin starrte nur weiter angestrengt auf die Armaturen. „Vermutlich", sagte sie schließlich. „Aber dein Vertrauter hatte schon recht. So auffällig kleidet sich kein Schwarzmagier. Da muss etwas anderes dahinterstecken." Sie machte eine kurze Pause, in der sie ihm ihr Gesicht zuwandte und ihn aus starren Augen musterte. „Du sagtst, er hat einen Zauber gesprochen? Wie war der genaue Wortlaut? Erinnerst du dich noch?"

„Nicht gänzlich", sagte Miles. „Es war irgendetwas mit Noctus, oder so."

„Bist du dir sicher?", bohrte sie nach.

Miles schwieg.

„Okay", sagte Frau Wasabi und schnallte sich ab.

„Was heißt hier ‚okay'?", fragte Miles und machte ebenfalls Anstalten, aus dem Auto zu steigen. „Natürlich bin ich mir sicher, es war etwas mit Noctus am Anfang, ganz bestimmt!"

„Immerhin etwas", brummte Frau Wasabi und reichte Miles seine Tasche vom Rücksitz, bevor sie nach ihrer eigenen griff.

„Ich lüge nicht!"

„Das habe ich nicht behauptet, Miles." Sie stieß die Tür des Wagens zu und schloss ab.

Miles schulterte seinen Rucksack und sah zu seiner Lehrerin hinüber. „Schön. Wie geht es also weiter?"

„Ganz einfach", erwiderte sie mit den Gedanken anscheinend schon mehrere Meter voraus. „Du gehst ganz gewohnt in deinen Kurs und teilst den anderen mit, dass ich etwas verspätet eintreffen werde. Ich muss diese Neuigkeiten weitergeben."

„Ich komme mit!", rief Miles, während er sich an Frau Wasabis Fersen heftete.

„Nein, tust du nicht!", wies sie ihn ab.

„Aber ich bin der Zeuge, ich habe ihn gesehen!"

„Miles", zischte Frau Wasabi und wirbelte zu ihn herum. „Diese Angelegenheit ist ein wenig zu groß für einen unerfahrenen Magier wie dich! Ich möchte dich so weit wie möglich aus der Sache heraushalten, um dich zu schützen, verstehst du das?"

„Nein!", protestierte er. „Warum werde ich eigentlich immer wie ein kleines Kind behandelt? Warum werden meine Bedürfnisse nie von anderen akzeptiert? Das ist ungerecht!"

Die Hüterin blickte schweigend auf ihn hinab, bevor sie leise erwiderte: „Ja, das ist es. Bis gleich, Miles." Und mit diesen Worten ließ sie ihn allein vor dem Eingang der Hochschule zurück.

______________________

Nochmal die Mitteilung: Es gibt zu dieser Geschichte ein Zusatzbuch, welches ihr auf meinem Profil findet. Es gibt auch schon einige neue Kapitel wieder :)

Außerdem hab ich meinen Japan-Blog gestartet. Bis zur eigentliche Reise ist es zwar noch etwas hin, aber ein bisschen lässt sich schon vorab erzählen. Fühlt euch eingeladen, mal vorbeizuschauen, wenn ihr Interesse habt :)

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