Out of the system

By Naihlea

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In einer Zukunft in der alle Menschen in riesigen Städten zusammengesperrt leben. Brechen fünfzehn junge Erwa... More

Angekommen

Aufbau

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By Naihlea


Das Hämmern des Regen weckte mich. Es war wohl noch früh und durch den Spalt zwischen den zwei Wandmatten zog ein kalter Wind. Unwillkürlich kuschelte ich mich tiefer in meinen Schlafsack, weich und warm, und versuchte noch einmal einzuschlafen. Gelang mir aber nicht. Also drehte ich mich so langsam und geräuschlos wie irgendwie möglich auf den Bauch und stemmte mich mit dem Oberkörper auf die Unterarme hoch. Dabei durchzuckte mich ein stechendes Gefühl. Mein halber Unterarm war von einem Schnitt durchzogen, den ich gestern nicht entdeckt hatte. Ich würde mich wohl irgendwie darum kümmern müssen.

Es schliefen noch alle. Sie sahen so friedlich aus mit den geschlossenen Augen und entspannten Zügen. Ich lag zwischen Amber und Serya, Elons Arm lag über ihrer Hüfte. Die beide waren vor unserer Flucht schon ein Paar gewesen, die Reise hatte sie noch enger werden lassen.

Während ich sie so betrachtete lauschte ich dem Regen und seinem Trommeln. Wenigstens war die Blache dicht. So liess ich einige Minuten verstreichen.

«Na Sonnenschein, auch schon wach?», Kjells wirren braunen Haare standen in alle Richtungen ab, als er mir müde zugrinste.

Ich lächelte und nickte. «Aber leider funktioniert das mit dem Sonnenschein nur bei dir und nicht beim Wetter», grummelte er und vergrub das Gesicht theatralisch im Schlafsack.

«Wollen wir trotzdem mal Frühstück machen?» fragte ich und der wirre Braunschopf nickte.

Also krabbelten wir so vorsichtig wie irgend möglich über die anderen nach draussen. Yasin erwachte als einziger und kam auch gleich mit. Eilig schlüpften wir in unsere Jacken. Hochwertige Anfertigung, schweinisch teuer und mit irgendwelchen neuen Technologien versehen, die sie hundert Prozent wasserdicht werden und unglaublich warb geben liess während sie doch nicht viel mehr wog als ein T-Shirt. Aber das Geld hatte sich gelohnt, auch wenn ich nicht wusste, wer in der Stadt bitte eine solche Jacke brauchte, hier draussen rettete sie uns das Leben. Im Regen war es nicht möglich, das Feuer zu entfachen um unseren üblichen Brei zu kochen. Als auch die anderen nach und nach aufwachten, beschlossen wir heute einen ersten Ruhetag einzulegen, da wir es nicht für klug hielten, bei diesem Regen, zu sähen oder zu graben. Also Zauberte Malia von irgend Kräcker her die wir uns als Frühstück in unserem Unterschlupf teilten.

«Was ist das denn?», fragte Iwen, nahm meine Hand und drehte meinen Unterarm so, dass er den Schnitt sehen konnte. Jetzt sah er irgendwie noch übler aus, als beim Aufwachen. «Das sieht entzündet aus, seit wann hast du das?».

«Ich weiss nicht», antwortete ich, «seit gestern vermutlich.»

«Ich schau mir das nachher mal an okay?», er sah mich besorgt an.

In der Stadt war er daran gewesen, Medizin zu studieren, ein langer mühsamer Weg, er hatte sich mit zwölf dazu entscheiden müssen und war jetzt seit acht Jahren an der Ausbildung in Medizin. Darum war er auch hier für unsere Gesundheit zuständig. Und diese Aufgabe passte zu ihm, er kümmerte und sorgte sich wohl am meisten um alle. Ein fröhlicher, humorvoller und wahnsinnig sozialer Mensch. Er hatte kein Bisschen in das System der Stadt gepasst, es hatte ihn kaputt gemacht und zerstört.

«Sehr gerne, danke», sagte ich und erwiderte sein Lächeln.

Nachdem wir gegessen hatten verzogen sich die meisten zurück in die Schlafsäcke um noch eine Runde zu schlafen, Yasin blieb draussen, wobei keiner wusste was er tat, er sprach nicht viel, war der der sofort am meisten anpackte. Kjell unterhielt sich leise mit Nayla und Keita versuchte aus irgendwelchen Rankenfasern ein Seil zu drehen, einen Versuch war es wert.

Ich setzte mich mit Iwen zum Ausgang, weil er dort das beste Licht hatte. Sanft berührte er meinen Unterarm und sah sich den Schnitt genauer an. Leise plauderte er mit mir, während er mit einem Stofflappen behutsam die Wunde abtupfte und auswusch. Dann tröpfelte er irgendwas darauf und strich eine Salbe über den Schnitt. Seine Handlungen wirkten so konzentriert und liebevoll, dass ich unbewusst zu Lächeln begann. Dann wickelte er meinen Unterarm in einen langen Stoffstreifen, der als Verband diente. «So jetzt passt du aber auf dich auf bitte», sagte er mit gespielt kommandierendem Unterton.

«Mach ich», flüsterte ich und er schenkte mir ein herzliches Lächeln.

«Also ich glaube ich schlafe auch noch ein Bisschen und ich denke dir würde das auch ganz gut tun», meinte Iwen. Ich sah zu meinem Schlafsack. Doch meine gestrige Schlafstelle war bereits von Serya und Elon besetzt.

«Schlafen klingt gut, aber irgendwie wird mein Schlafsack gerade von anderen gebraucht», sagte ich mit einem Kopfnicken zu den beiden.

«Bei mir ist noch genug Platz», flüsterte Iwen und deutete zu seinem Schlafsack. Also krabbelten wir um Elle herum und quetschten uns in die freigebliebene Lücke. «Schlaf gut», flüsterte er und lächelte. Daraufhin schlief er fast sofort ein. Ich betrachtete sein Profil, mit den geschlossenen blauen Augen und dem Blondschopf. Es sah aus, als ob er beim Schlafen lächeln würde und ich dachte vor dem Einschlafen nur an seine behutsamen Berührungen.

Den weiteren Tag verbrachten wir mehr oder weniger schlafend. Nur einmal wurden wir von Malia geweckt, die einen Salat aus jungen Blättern und kleinen Nüssen, die ich beide nicht kannte, zubereitet hatte. Wir hatten es nach über drei Wochen wohl alle mehr als nötig gehabt, uns einmal richtig auszuruhen.

Als ich die Augen schloss, kamen mir die Bilder aus der Stadt wieder hoch. Meine «Familie», das hiess eigentlich nur mein Vater und ich hatten der zweiten Klasse angehört. Er leitete eine Firma, die Elektrochips herstellte. Ich hätte sie übernehmen sollen. Wie so viele Sprösslinge der zweiten Klasse, und klassischerweise hatte ich dazu die allerhöchste wirtschaftliche Ausbildung besucht. In einer Gesellschaft die auf die absolute Leistung und einzig und alleine auf Geld und Macht aus war, hatte es dazu gehört, besser sein zu wollen als jeder andere seiner Stufe. Die unteren Klassen wurden scham- und skrupellos ausgebeutet. Ich hätte genauso in dieses System gehört, wäre da nicht Amber gewesen. Jeder hatte sie gekannt, sie war eine Vorzeigezweitklässlerin gewesen. Ehrgeizig, erfolgreich, klug, eine Führungsperson. Ich hatte zu ihr aufgesehen, wie es so viele getan hatten. Aber sie war nie die gewesen, für die wir sie gehalten hatten. Schon mit fünfzehn hatte sie sich dieser Gruppe angeschlossen, die mehrheitlich aus Jugendlichen aus der Fünften und Vierten, teilweise auch Dritten Klasse bestand. Bei einem Dinner hatte man mich neben ihr platziert. Ich konnte mich nur zu gut an die Nervosität erinnern, die ich verspürt hatte. Amber war drei Jahre älter als ich und einfach jeder wollte so sein wie sie. Wie erwartet hatte ich sie nicht wirklich interessiert, sie hatte mich den ganzen Abend über so gut wie komplett ignoriert. Erst als ich eigentlich schon fast hätte gehen wollen, und zwei junge Männer der zweiten Klasse mit mir zu diskutieren angefangen hatten. Zu Beginn eine ganz normale Diskussion wie man sie unter möglichen künftigen Geschäftspartnern führen musste, wie uns immer eingetrichtert wurde. Doch dann drifteten wir zur Frage ab, ob es Korrekt war, die Arbeiter aus den unteren Klassen für schlechte Löhne arbeiten zu lassen. Die beiden hatten es in Ordnung gefunden, da die Arbeiter ja keinerlei anderweitige Ausbildung besassen und sie keine anspruchsvollen Arbeiten verrichteten. Ich hingegen hatte darauf hingewiesen, dass es ihnen gar nicht möglich war, eine Ausbildung zu absolvieren und sie teilweise so wenig besassen, dass sie ihre Familien nur knapp ernähren konnten. Die anderen beiden Zweitklässler hatten über meine Naivität gelacht, mich als Sozialistin und Gutmenschen beleidigt. Doch dann war Amber hinzugetreten. Was genau sie gesagt hatte, wusste ich nicht mehr, so überrascht war ich, dass sie sich für mich einsetzte, doch es hatte gewirkt, die beiden drehten sich ohne ein weiteres Wort um und gingen. Zuerst hatten mich die Ängste geplagt, was mein Vater dazu sagen würde, doch Amber hatte es geschafft, mir sämtliche Zweifel zu nehmen. Sie hatte mit mir die selbe Diskussion geführt, die wir vorhin zu dritt angebrochen hatten. Nur hatte sie genau meine Meinung vertreten.

In der Woche darauf hatte ich plötzlich unerwarteten Besuch empfangen, Amber hatte in unserer Eingangshalle gestanden und gesagt, sie würde mit mir einen Spaziergang unternehmen. Darüber war Vater sehr erfreut, schliesslich gehörte Amber einer angesehenen, reichen und einflussreichen Familie an. Noch etwas wofür die gut waren die Familien, Geld, Besitztum und Macht wurde nicht irgendwohin verstreut, sondern konnte gezielt weitervererbt werden.

Doch Amber hatte mich nicht auf einen einfachen Spaziergang mitgenommen, durch den Hinterausgang eines Wolkenkratzers gelangten wir in einen Sektor der dritten Klasse und von dort aus hatten wir uns in einen Sektor der vierten Klasse geschmuggelt. Ich hatte die Sektoren der untersten beiden Klassen noch nie betreten, doch dieser Anblick hatte mich schier erschlagen. Es war nur die vierte Klasse, es gab noch eine tiefere, die fünfte Klasse, doch auch hier war der ganze Sektor so unterschiedlich von dem in dem ich lebte, dass ich auf der Stelle ein schlechtes Gewissen bekam, in derartigem Reichtum zu leben. Die Strassen waren kaputt und löchrig, ebenso die Häuser, die Fenster hatten erste Sprünge, sie alle sahen aus, als ob sie vor hundert Jahren das letzte mal gewartet worden wären. Das Ganze war zudem schmutzig, Abfall und Dreck bedeckten die Strasse, an den Häuser kletterten Algen hoch, viele Plätze bedeckt mit Schutt und Unrat. Mir verschlug es den Atem. Amber hatte mich nur kalt angesehen und mich zielstrebig zu einem baufälligen Haus geführt in dessen Keller wir auf diese Gruppe von Freunden trafen, die so anders waren, als alle anderen Menschen die ich je in meinem Leben getroffen hatte. Sie besassen eine beeindruckende Energie, waren offen, fröhlich, freundlich, sie scherzten und lachten und sie nahmen mich auf, auch wenn ich eine Zweitklässlerin und somit weit über ihnen einzuordnen gewesen war. Ich hatte ihren Diskussionen zugehört und hatte mitbekommen, wie übel die Ausbeutung der unteren Klassen wirklich war. Und dabei waren es so viele. Als sie nach dem dritten Weltkrieg ein neues System geschaffen hatten, hatten sie es so eingerichtet, dass auf einen Erstklässler zwei Zweitklässler, vier Drittklässler, acht Viertklässler und sechzehn Fünftklässler kamen. Nach diesem Abend konnte ich nicht mein Leben nicht mehr führen wie ich es vorher getan hatte. Ich gehörte bereits zu dieser Gruppe und so war es gekommen, dass ich mit ihnen geflohen war, aber dazu hatte es einiges gebraucht.

«Darf ich mal aufstehen?», eine männliche Stimme weckte mich. Und nach einigen Malen blinzeln erkannte ich auch, dass es sich dabei um Kjell handelte. Er grinste sein übliches Grinsen.

«Hm, was?», ich verstand noch nicht ganz, was er von mir wollte. Dann fiel mir plötzlich auf, dass ich es im Schlaf geschafft hatte, meinen Kopf auf seinen Arm zu legen und meinen Arm auf seine Brust. Ich schreckte hoch. Wieso bitte hatte ich hier ungewollt mit Kjell gekuschelt? In meinem Schrecken rollte ich schnellst möglich auf die andere Seite wobei ich mit dem Ellbogen eine Punktlandung auf Iwens Nase landete. «Umpf», jetzt war auch er wach und blinzelte, während er sich übers Gesicht rieb. Vor einem Monat wäre mir diese Nähe noch unendlich peinlich und unangenehm gewesen, mittlerweile war es jedoch ganz normal gewesen. Wir hatten ja nur noch einander. Wir schliefen alle eng aufeinander, wir hielten zusammen, teilten alle Momente, es gab nicht mehr viel, für das ich mich vor diesen Menschen geschämt hätte. Aus dem einfachen Grund, dass ich mich an ihre Nähe gewönt hatte und sie mittlerweile sogar brauchte.

«Lass dich doch verarzten Iwen», scherzte Kjell und grinste, jetzt von meiner Last befreit.

«Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, ich bin hier selbst der Arzt», antwortete Iwen und rieb sich noch ein letztes Mal über die Nase. Dann begann er zu lächeln. «Aber euch einen guten Morgen.»

«Guten Morgen», gab ich zurück und wollte gerade zu einer Entschuldigung anheben, als Kjell fragte, ob ich mit ihm nach draussen käme. Ich folgte ihm. Ja er war mir an diesem ersten Abend einer von denen gewesen, die mir am besten in Erinnerung geblieben war. Das Grinsen, die grünen Augen, das kantige und doch schön geformte Gesicht und die unordentlichen braunen Haaren, ja er sah gut aus, das hatte ich mir an diesem ersten Abend schon gedacht.

Draussen empfingen uns die ersten Sonnenstrahlen und kündete einen geeigneten Tag an, um den Acker weiter zu bearbeiten. Nach Frühstück und Morgenbesprechung ging es auch bereits damit weiter, die vielen Samen in Reih und Glied einzupflanzen und weitere Wiesenfläche urbar zu machen. Die meisten von uns hatten keine Ahnung, was sie da genau säten, ich gehörte dazu, doch Lias hatte das Ganze ziemlich gut im Griff. In der Stadt hatte er im Lebensmittelanbau gearbeitet, auch wenn das herzlich wenig mit Landwirtschaft in Vorkriegsvariante zu tun hatte, oder mit dem, was wir hier betrieben. So verging auch dieser Tag wie im Flug und schon sassen wir wieder beim Abendessen zusammen. Nayla, die in der Stadt eine Viertklässlerin gewesen war, hatte ihren Lebensunterhalt als Handwerkerin verdient, sie hatte die Gebäude der Reichen unterhalten und gebaut, in den oberen Sektoren hatten wir nie Platz sparen müssen, der Platz war bei den unteren eingespart worden. So hatte sie auch jetzt die Leitung des Baus unserer Hütte übernommen. Arian, Yassin, Jarek und Kjell hatten ihr geholfen, neue Stämme zu schlagen, die etwa den Durchmesser von Elons Oberarm besassen, anzuspitzen und daraus einen Grundriss für unsere neue Unterkunft abzustecken.

Die Vorfreude auf Ernte und Haus liess uns aufgeregt plaudern und diskutieren. Eine leicht gespannte Stimmung, aber für einmal auf positive Weise.

So vergingen die Tage, wir gruben um, bauten, säten, sammelten essbare Pflanzen, schlugen und sammelten Holz und fielen am Abend hundemüde in den Schlafsack. Wir arbeiteten an dem was wir selber beeinflussen konnten und hofften, bald die goldenen Früchte unseres genmanipulierten, schnellwachsenden Korns ernten zu können.

Unsere Hütte wuchs, die Nägel die wir mitgenommen hatten, wurden in einem rasanten Tempo verbaut und sämtliche sich beim Bau bietenden Herausforderungen meisterten wir irgendwie, dank einer kreativen Idee und ganz viel Zusammenarbeit.

Wir waren schliesslich zwei Wochen und zwei Tage an unserem Platz, als Livas verträumte Stimme uns zum ersten Feld rief. Das Korn stand goldgelb da. Es war reif, wir hatten den ersten Nahrungsmittelengpass überwunden, wir konnten Ernten.

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