Uralte Fassung (1): Twos - Di...

By MaraPaulie

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Achtung: Alte Fassung. Neue ebenfalls auf Account zu lesen. Nicht jedes Märchen beginnt mit »Es war einmal... More

Vorwort
Prolog
Kapitel 1 - Ticket der Freiheit
Kapitel 2 - Home Sweet Home
Kapitel 3 - Die Tallos
Kapitel 4 - Die verrückte Tanja
Kapitel 5 - Tränen aus Eis
Kapitel 6 - Verräter und Bruder
Kapitel 7 - Das Wintermädchen
Kapitel 8 - Die Herrscher der Gezeiten
Kapitel 9 - Grosser, böser Wolf
Kapitel 10 - Vom Märchen in rot
Kapitel 11 - Von Schnee im Haus und Rosen aus Feuer
Kapitel 12 - Erbe der Toten
Kapitel 13 - Von Verrückten und dem Labyrinth
Kapitel 14 - Der Bruder mit dem Schuppenkleid
Kapitel 15 - Des Winters Blut
Kapitel 16 - Der Junge, der mit der Sonne tanzt
Kapitel 17 - Augen ohne Liebe
Kapitel 18 - Die Völker aus den Büchern
Kapitel 19 - Trauriger Mörder, lass mich gehen
Kapitel 20 - Feuerraben
Kapitel 21 - Der Löwe und der Wolf
Kapitel 22 - Der Traum von Familie
Kapitel 23 - Der Pirat und die Prinzessin
Kapitel 24 - Von Barbaren und Märchen aus der Besenkammer
Kapitel 25 - Von toten Jungen und Mädchen aus Licht
Kapitel 26 - Der Lichterlord und die Antwort zum Hass
Kapitel 27 - Rote Raben und Bücher voller Schicksal
Kapitel 28 - Wer lauert in der Dunkelheit?
Kapitel 29 - Von Schläfern und Schlüsseln
Kapitel 30 - Geheimnis ohne Zeit
Kapitel 31 - Namen von Macht
Kapitel 32 - Zum Lied des irren Geigers der Dämon mit dem Teufel tanzt
Kapitel 33 - Vom Meer zu den Wolken
Kapitel 34 - Geschichten, die ein Vöglein zwitschert
Kapitel 35 - Sturmgläser, tanzende Piraten und Jungen, die vom Himmel fallen
Kapitel 36 - Klyuss' Kinder
Kapitel 37 - Blau wie der Mohn, grün wie die Hoffnung und rot wie Blut
Kapitel 38 - Das Schicksal der Verfluchten
Kapitel 39 - Gejagte der Vergangenheit
Kapitel 40 - Blut fremder Brüder
Kapitel 41 - Spiel der Könige
Kapitel 42 - Es jagt und tanzt der Geistesblitzt
Kapitel 43 - Die Wahrheit wurde von einem Lügner erschaffen
Kapitel 44 - Vom Mörder, der die schwarze Orchidee fand
Kapitel 45 - Von Herrschern mit dem Flammenhass und Helden kleiner Klingen
Kapitel 46 - Wer wir sind und was wir tun
Kapitel 47 - Einmal Monster, immer Monster
Kapitel 48 - Das Versprechen von niemals und immer
Kapitel 49 - Das Wort 'böse'
Kapitel 50 - Der Herzkasper
Kapitel 52 - Das Gedicht des Todes
Kapitel 53 - Die Reise der Wahrheit und des Sinns hinter allem
Kapitel 54 - Von Geschwisterbanden und letzten Zeilen
Kapitel 55 - Der Tempel der Orakel
Kapitel 56 - Mondkind
Kapitel 57 - Die erste aller Schöpfungen
Kapitel 58 - Vom Intrigieren, Dechiffrieren, Konferieren und fiesen Viren
Kapitel 59 - Glücksjagd und Königsmord
Kapitel 60 - Schattenlicht und Bernsteingold
Kapitel 61 - In der Schwebe
Kapitel 62 - Patron und Paladin
Kapitel 63 - Von Luftschlössern und Monstern unterm Bett
Kapitel 64 - Deine wunderschönen Lügen
Kapitel 65 - Von Namen und Masken
Kapitel 66 - Das blinde Recht
Kapitel 67 - Das blinde Herz
Kapitel 68 - Das blinde Glück
Kapitel 69 - Verfluchtes Kind mit Gold gekürt
Kapitel 70 - Als niemand schlief
Kapitel 71 - Der Gewissenlose
Kapitel 72 - Phönix
Kapitel 73 - Ein Goldstück für deine Gedanken
Kapitel 74 - Kriegsherr Regen
Kapitel 75 - Der Herrscher über alle Macht
Kapitel 76 - Alles ist gut
Kapitel 77 - Die Feinde des Schicksals
Kapitel 78 - Und wenn sie nicht gestorben sind...
Kapitel 79 - Lucky Strike
Kapitel 80 - ...dann leben sie noch heute
Epilog
Authornotes
Charakterverzeichnis
Illustrationen

Kapitel 51 - Freund oder Feind, alt oder neu, beide bleiben ewig treu

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By MaraPaulie

Kapitel 51

Freund oder Feind, alt oder neu, beide bleiben ewig treu


~Sabrina~

Der Herzkasper drehte den grossen, beinahe schon antik aussehenden Schlüssel in dem rostigen Schloss. Es klickte und die Tür war offen. Zum Glück war das Metall noch nicht so stark verrostet, als dass man das Schloss nicht mehr hätte öffnen können.
Der Narr stiess die Gittertür auf. Die Scharniere jaulten auf wie verwundete Tiere. Es musste ein halbes Jahrhundert her sein, dass sie geölt worden waren...
»Mylady«, schnurrte der Herzkasper, trat einen Schritt zurück um ihr Platz zu machen und verbeugte sich. »Tretet ein.«
»Pfff«, antwortete Sabrina und schritt an ihm vorbei. Sero hoppelte hinterher, die Fackel noch immer mit seinen weissen, flauschigen Pfoten umklammernd.
Auf der anderen Seite des Gitters sah es nicht wirklich anders aus. Es war noch immer der gleiche dunkle, nasse und gruselige Tunnel, wie zuvor.
»Wohin gehen wir jetzt?«, fragte Sabrina misstrauisch, nachdem der Herzkasper die Gittertür hinter sich zugezogen und wieder abgeschlossen hatte.
»Ich sagte doch, ich werde dich zu Cernunnos bringen«, antwortete er und liess den Schlüssel in einer seiner Hosentaschen verschwinden.
»Was und wo ist dieser Cernudelirgendwas?«, plätte Faritales und stemmte die Krallen in die Speckhüften.
Der Narr nahm Sero die Fackel ab und hielt sie sich vors Gesicht, damit das Licht schaurige Schatten über seine Haut tanzen liess. Mit weit aufgerissenen, tränenden Augen und einem breiten Grinsen zischte er: »Ihn zu beschreiben ist ein Ding der Unmöglichkeit. Man muss ihn gesehen haben, um zu verstehen, was ich meine. Er befindet sich im dunkelsten und dreckigsten Verlies des Zeitpalastes!«
Er wirbelte herum und stolzierte los. Etwas genervt lief Sabrina ihm hinterher. Seinen Dolch hatte sie noch immer mit aller Kraft umklammert, denn man konnte ja nie wissen, was in der Dunkelheit lauerte...
»Heisst das, du führst uns zum Verlies?«, fragte sie etwas bedrückt und starrte in die Schatten. Sie war vollkommen paranoid und sah überall unbekannte Monster, die es kaum erwarten konnten, ihr das Fleisch von den Knochen zu reissen. Dauernd glaubte sie aus den Augenwinkeln etwas vorbeihuschen zu sehen. Verflucht, sie musste sich zusammenreissen! Als Nervenbündel würde sie nicht lange überleben. Himmel, wieso konnte diese verfluchte Traumreise nicht einfach endlich aufhören?
Der Narr hingegen watschelte sorglos mit seinen dämlichen Schiffschnabelschuhen durch den Tunnel. Das helle Bimmeln der Glöckchen, mit denen er behangen war wie ein Christbaum, hallte von den Wänden wider. Er antwortete gelangweilt: »Nein, vorerst führe ich euch in die Küche.«
»Warum das denn jetzt?«, fragte der Dämon aufgekratzt.
»Weil man uns nicht einfach so zu den Gefangenen ins Verlies hinablassen wird. Wir brauchen einen Vorwand, einen Plan, ja, einen Trick!«, erklärte der Namenlose eifrig.
»Und den willst du in der Küche finden?«, fragte sie skeptisch.
»Ganz genau...«
Sie schüttelte frustriert den Kopf und knurrte: »Hör mal, ich habe echt keine Lust auf Spielchen. Veräppeln kann ich mich selber. Sag mir einfach, wieso wir in die Küche gehen. Wo soll die überhaupt sein, diese Küche?«
»Du bist wirklich schrecklich ungeduldig. Dabei dachte ich immer, eine Eisprinzessin wäre so ruhig und gelassen. Wie die Kälte, die sie erschaffen. Still und heimlich kriecht sie an dir hoch, frisst sich in dein Fleisch und krallt sich in deine Knochen. Kälte, Eis und...«
»Halt die Klappe«, unterbrach sie den Redefluss des Narren. »Erspar mir diesen Mist. Ich will einfach nur wissen, was hier los ist, okay? Grosse Reden über meine fabelhafte Kälte schwingen kannst du auch später noch...«
Sie hatte mittlerweile einen runden Raum erreicht. Die kuppelförmige Decke war hier höher. Zusammen mit dem Tunnel, aus dem sie gekommen waren, führten drei weitere in neue dunkle, modrige Gänge.
»Was ist das hier für ein Ort?«, fragte Sabrina, als sie das Skelett eines Kronleuchters im fahlen Licht der Fackel aufblitzen sah. Kein einziger Kristall hing mehr an den verbogenen und staubigen Armen des Leuchters. Die Kerzen waren zu Stümpfen abgebrannt und der Wachs klebte in erstarrten Rinnsalen an dem Metall.
»Ich weiss es nicht genau«, antwortete der Herzkasper. Er durchquerte den Raum, der die Grösse einer Turnhalle hatte, und begann, die Fackeln, die an den Wänden angebracht waren, anzuzünden. Erst jetzt bemerkte Sabrina, dass der Kronleuchter nicht das einzige Relikt einer längst vergessenen Zeit war, das hier in dem düsteren Raum vor sich hin verstaubte. Der Rahmen eines Spiegels lehnte an einer der Wände, umgeben von staubigen Scherben. Ein Gemälde, dessen Leinwand von Schimmel zerfressen war, lag auf einem umgekippten Tisch. Pilze sprossen aus dem morschen Holz eines Schranks.
Mittlerweile hatte der Herzkasper alle Fackeln - es waren insgesamt acht - angezündet und der Saal war hell erleuchtet.
»Es sieht fast so aus, als wäre das hier früher ein Teil des Palastes gewesen. Was hier wohl passiert ist?«, murmelte Sabrina.
»Es sieht nicht nur so aus, es war tatsächlich so. Durch diese Gänge gelangte man vor unzähligen Jahrtausenden an in den verschollenen Teil des Palastes. Wenn man genau hinsieht, erkennt man noch die uralten Wandmalereien«, erklärte Sero, der andächtig über eine der Wände strich.
»Woher weisst du denn so was?«, fragte der Narr amüsiert. Er zog ein Taschentuch aus der Hemdtasche seines Narrengewands und wischte sich damit die Tränen von den Wangen.
Sabrina lief zu Sero und kniete sich neben ihn und untersuchte die Wand ebenfalls. Hier und da fand sie einen Mosaikstein, dort ein Stück Stein, dass noch nicht von Moos bedeckt war und die Farbe sich von der Wand löste. Etwas betroffen meinte sie: »Ich habe davon gelesen. Die Glaskaiserin und der Kupferkönig haben im unterirdischen Teil des Palastes gelebt. Doch dann hat der Kupferkönig die Kontrolle verloren. Er hatte eine unglaubliche Macht, die ihn schliesslich auch zerstörte. Er wurde von den anderen Urherrschern seiner Kräfte beraubt und in die sterbliche Welt verbannt. Die Glaskaiserin sollte auf ihn achtgeben und dafür sorgen, dass er wieder der Alte wird, doch irgendwie sind beide verschollen. Irgendwann hat man dann den unterirdischen Palast zuschütten lassen.«
Sero lächelte sie traurig an und erklärte: »Ich habe vor vielen, vielen Jahren in der Stadt Lexika gelebt. Sie liegt im Westen der Insel Oz und ist überall in der Welt als Zentrum des Wissens bekannt. Es ist die Stadt der Wörter, der Intelligenz, der Erinnerungen und der Erfindungen. In Lexika gibt es mehr Bücher als Sand am Meer. Dort war ich als Bibliothekar angestellt. Ich habe damals mehr gelesen als gesprochen. So erfuhr ich auch von dem unterirdischen Teil des Palastes. Ich habe nie mehr darüber herausgefunden, als das, was auch du gerade eben gesagt hast, Herrscherin. Es muss früher noch mehr Informationen über diesen Ort gegeben haben, doch die sind seit dem grossen Brand in Lexika verschwunden. Eine Schande ist das! Als ich schliesslich von der Herzkönigin versklavt und hierhergebracht worden war, hatte ich oft versucht, einen Eingang in den unterirdischen Teil des Palastes zu finden, doch es ist mir nie gelungen. Nur diese Geheimgänge sind von dem verschollenen Palast übrig geblieben.«
Ein versunkener Palast. Begraben unter der Erde. Abgeschirmt von der Welt. Wieso hatte man ihn verschüttet?
Sabrina stand auf und lief an der Wand entlang. Sie liess ihre Finger über den nassen Stein streichen.
»Egal was hier einmal war«, rief der Herzkasper, » heute werden diese Gänge von den Bediensteten genutzt. Von diesen Gängen aus kommt man in den grossen Speisesaal, wo die Dunklen ihre Sitzungen abhalten, in die Küche, den Garten oder was davon noch übrig ist, in die Ställe, in den Ballsaal und in den Wohnkomplex der Bediensteten. Und nun beeilt euch ein bisschen, bevor die Essensverteilung an die Gefangenen vorüber ist!«
Sabrina gelangte an einen Schrank, der so moderig roch, dass sie sich die Nase zuhalten musste. Trotzdem war sie neugierig, ob in dem Möbelstück vielleicht noch etwas aufbewahrt wurde. So streckte sie die Hand nach den Schranktüren aus, um eine davon zu öffnen. Ihre Fingerspitzen berührten das Holz und...
»Halt! Was tust du denn da?!«, rief ihr Sero noch zu, doch da war es schon zu spät.
Das Jahrhundertalte Möbelstück zerfiel unter ihren Fingern zu Staub. Eine erstickende, graue Wolke schoss ihr entgegen und raubte ihr den Atem. Sabrina stolperte rückwärts, fiel hin, hustete und rieb sich den Staub aus den Augen. Auch Faritales, der den Staub natürlich genauso abbekam wie sie kreischt und röchelte vor sich hin.
»Himmel, Kind! Diese Gegenstände hier sind älter als jedes Märchen«, murmelte Sero und reichte ihr ein Taschentuch. Blind und halb erstickend griff sie danach und wischte sich übers Gesicht. Plötzlich fühlte sie etwas Kaltes an ihren Lippen und sie stiess es weg.
»Was... was... das?«, stiess sie japsend hervor und kroch rückwärts.
»Nicht doch, Prinzessin. Das ist Wasser!«, antwortete der Narr beschwichtigend. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und erneut spürte sie das kalte Ding, dass wohl eine Flasche sein musste, an ihren Lippen. Sie griff danach und liess sich das Wasser in den Mund laufen. Sofort wurde es besser. Als nächstes schüttete sie sich die Flüssigkeit ins Gesicht.
Keuchend sass sie da und begann vorsichtig, zu blinzeln. Erst brannten ihre Augen, doch nach einer Weile ging es wieder.
Ihr Blick fiel auf Faritales, der sich, heftig nach Luft schnappend, auf dem Boden wälzte. Sein Körper war vollkommen mit grauem Staub bedeckt. Schnell krabbelte sie zu ihm und liess auch ihn von dem Wasser trinken. Gierig schluckte der Dämon, doch bevor er alles austrinken konnte, nahm sie ihm die Flasche wieder weg und lehrte ihm den Rest über den Kopf.
»Danke, Sabrina«, röchelte er. »Was musst du elendiger Unglücksrabe auch immer alles anfassen!«
»Woher sollte ich wissen, dass das blöde Ding gleich zu Staub zerfällt und uns vergast. Normalerweise vergammelt Holz und löst sich nicht einfach in Luft auf!«
»Nicht hier«, widersprach ihr der Herzkasper und schnappte sich seine Feldflasche zurück, die er wieder an seinen Gürtel festband. »All die Gegenstände, die du hier siehst, sind mit einem Zauber belegt worden, damit sie nicht zerfallen.«
Sabrina erinnerte sich an eine der Ratssitzungen bei den Rebellen. Amiėle hatte ihr damals erklärt, dass die Lebensmittelvorräte der Rebellen verzaubert seien, damit sie nicht verderben konnten. Also war ein solcher Zauber auch hier angewandt worden. Nur wieso?
»Hat ja super geklappt«, brummte der Nachtmahr, der sich genervt den Staub abklopfte.
»Der Zauber ist schon alt. Magie hält nicht ewig. Dein Eis, junge Herrscherin, leuchtet, weil es von weisser Magie erschaffen wurde. Es hört auf zu leuchten, wenn es schmilzt, denn dann hört die Magie auf, zu wirken. Der Zauber, der die Möbel hier davon abgehalten hat, zu verwesen, muss schrecklich alt sein. Seine Energie ist abgenutzt und somit wird auch der Zauber schwächer. Schwach genug, um bei der kleinsten Berührung zu Staub zu zerfallen«, erklärte Sero.
Faritales rümpfte die Nase und maulte: »Hättet ihr uns das nicht früher sagen können? Ich habe sogar in den Ohren Staub!«
»Aber wieso sollte jemand dieses Zeug überhaupt verzaubern? Die haben doch sowieso alles zugeschüttet«, rätselte Sabrina und richtete sich auf. Sie nahm dem Herzkasper die Fackel aus der Hand und lief an die Stelle zurück, wo der Schrank früher gestanden hatte. Jetzt lag da nur noch ein Häuflein Asche.
Sabrina kniete sich nieder und fuhr mit der Hand durch den Staub. Sie zog einige silberne Gabeln, Löffel, Messer, Teller und Trinkbecher aus dem Haufen, warf diese jedoch achtlos zur Seite. Als nächstes ertastete sie eine Harfe ohne Seiten. Auch das Instrument wurde enttäuscht zu Boden geworfen.
»Da ist nichts!«, murmelte sie frustriert und schlug mit der flachen Hand auf das Staubhäufchen.
»Was hast du dir denn vorgestellt? Geheime Schätze? Eine Mumie in ihrem Sarg?«, witzelte Fari und kicherte.
»Haha. Lach du nur«, brummte Sabrina genervt. »Ich suche doch nur nach einer Erklärung, wieso jemand diese Möbel verzaubert hat. Warum hätte sich jemand die Mühe machen sollen?«
»Aus Lethargie?«, schlug der Herzkasper vor, der neben sie getreten war, um das Staubhäufchen auch anstarren zu können.
Sero kam zu ihr herübergehoppelt und meinte: »Ja, wieso? Das ist wahrlich eine gute Frage, junge Eisprinzessin, aber wir haben wirklich nicht genug Zeit und das nun...«
Sabrina schaltete ab. Es interessierte sie nicht, was der schlaue, jedoch auch etwas nervige Animanor jetzt schonwieder von sich gab. Hier stimmte irgendetwas nicht. In diesem Raum verbarg sich ein Rätsel, das sie nur noch finden und dann knacken musste! Nachdenklich starrte sie an die Wand... und entdeckte etwas.
»Was ist denn das?«, fragte sie und zeigte an die steinerne Wand. Schnell rappelte sie sich auf, um sich ihre Entdeckung genauer ansehen zu können.
Da waren Farben. Rot, weiss, schwarz, blau. Sie bedeckten die Wand da, wo zuvor der Schrank die Sicht darauf versperrt hatte.
»Sieht aus wie Höhlenmalereien oder so...«, murmelte der Dämon.
Sabrina trat einen Schritt zurück und hielt die Fackel in die Höhe, um besser sehen zu können.
Sero trat näher an die Wandmalerei heran. Er zog ein Monokel aus seiner Brusttasche und hielt es sich vors Auge, als wäre es eine Lupe. Fasziniert meinte er: »Dieses Bild... Es muss unglaublich alt sein. Es grenzt an ein Wunder, dass es noch so gut erhalten ist...«
Ja, es war gut erhalten. Die Farben blätterten zwar an einigen Stellen von dem Stein ab, doch im Grossen und Ganzen konnte man noch gut erkennen, was es darstellen sollte.
Im Mittelpunkt des Bildes sah man einen grossen, schwarzen, irgendwie tot aussehenden Baum. Seine Äste trugen keine Blätter und wirkten alt und knorrig. Der Stamm war dick und grob gezeichnet. Die Wurzeln waren so verworren, dass man sich beinahe in dem Chaos aus Ranken verlor. Mitten in dem Wurzelwerk war ein weisser Kreis gezeichnet worden, der von einer Art Heiligenschein umgeben war. Unter dem Baum prangte ein ebenso weisser... Stierkopf oder so. Über dem Baum schwebten ein Gebilde, das aus einem Mond und einer Sonne zusammengesetzt war, zwei verwischte, graue Punkte, in die mit schwarzer Farbe Gesichter getupft waren. Gesichter, die an traurige Smileys erinnerten. Links und rechts von dem Baum hatte jemand seine Handabdrücke hinterlassen. Vier Handabdrücke um genau zu sein. Zwei links und zwei rechts. Alle in verschiedenen Farben. Rot, grün, weiss und schwarz. Rund um Hände, Baum und den Stierkopf hatte man kleine, schwarze Strichmännchen gezeichnet, die wirklich sehr an die Höhlenmalereien der Steinzeit erinnerten. Die Männchen hatten alle die gleiche Haltung eingenommen. Ein Bein schräg nach unten, das andere war mit gebeugtem Knie an den Körper gezogen. Beide Arme nach hinten gestreckt, den Kopf in den Nacken gelegt. Jede fünfte Figur hatte einen langen Stock, zwei kleinere Äste oder irgendwelche runde Gegenstände in den Händen. Fast sah es so aus, als würden die Steinzeitmännchen Musik machen und dazu tanzen...
»Es sieht tatsächlich ein wenig aus wie Höhlenmalerei«, stimmte Sabrina Faritales zu, nachdem sie alles eingehend studiert hatte.
»Nein, nein, das sieht nicht nur so aus, das ist Höhlenmalerei!«, rief Sero und sprang mit seinen Hammelbeinen auf und ab.
»Aber wie kann das sein? Hier leben doch keine Steinzeitmenschen«, gab Sabrina zu bedenken, doch das Kaninchen schüttelte den Kopf und antwortete: »Wir dürfen nicht vergessen, dass die Urherrscher eigentlich aus einer Zeit stammen, in der die Fantasie gerade erst entdeckt worden war.«
»Krass! Das heisst ja, die Urherrscher waren Steinzeitmenschen!«, grölte Faritales und hielt sich den Bauch vor Lachen.
»Sie müssen aber Homo Sapiens gewesen sein, oder sehe ich aus wie ein Neandertaler?«, fragte Sabrina und grinste, woraufhin der Dämon sie mit zusammengekniffenen Augen musterte und meinte: »Du hast schon was von Ötzi...«
»Hey! Na und? Du siehst dafür aus wie eine Katze mit 'nem Chromosom zu viel!«
Natürlich wusste das Kaninchen auch hierzu eine Erklärung: »Es könnte natürlich sein, dass die Urherrscher einer anderen Menschenrasse angehört haben und diese sich trotzdem, parallel zu der sterblichen Welt, weiterentwickelt haben. Die Evolution geht ja bekanntlich die erstaunlichsten Wege. Andererseits ist es schwer zu sagen, ob die menschliche Rasse vor dem Homo Sapiens die Fantasie kannte. Sicherlich konnten einige Rassen bereits Dinge wie Werkzeuge erfinden, doch ob das schon als Fantasie bezeichnet werden kann... Ausserdem ist der Stein, auf dem dieses Bild hier gemalt wurde, nicht der gleiche, mit dem diese Wände hier verstärkt wurden.«
Faritales hopste von Sabrinas Schulter, flatterte zu besagter Wand und untersuchte das Gestein.
»Der ausgewaschene Hammelbraten hat Recht«, rief er gleich darauf. »Dann muss der Stein hier in die Wand hineinzementiert worden sein.«
»Oder der Palast wurde darauf gebaut«, schlug der Herzkasper vor.
Sabrina sah das Kaninchen bewundernd an und fragte: »Woher weisst du nur so viel über all dies?«
»Ich sagte doch, ich habe viel Zeit in den Bibliotheken Lexikas verbracht. Wie dem auch sei, wir sollten langsam wirklich los. Schliesslich sind wir alle unsterblich und haben alle Zeit der Welt, um das Rätsel, das sich hinter dieser mysteriösen Malerei verbirgt, zu lösen«, meinte Sero, der jedoch nicht verhindern konnte, dass sein Fell sich ein wenig vor Stolz aufplusterte.
Sabrina nickte. Wenigstens wusste sie jetzt, wieso jemand einen Zauber auf die sperrmüllreifen Gegenstände hier unten gelegt hatte. Um diese Wandmalerei zu verstecken. Nun deckte dies jedoch auch wieder neue Fragen auf. Was war so besonders an dieser Wandmalerei? Gab es noch mehr davon? Was hatte sie zu bedeuten?
»Prinzessin? Worauf wartest du?«, rief der Narr und holte sie damit wieder in die Wirklichkeit zurück.
Sabrina drehte sich zu ihren Begleitern um. Das Kaninchen sah besorgt auf seine Taschenuhr und nickte.
»Wir kommen zu spät!«, tadelte er sie und schüttelte den Kopf. Seine Schlappohren wippten mit.
»Ist ja gut, gehen wir weiter. Ab ins Verlies!«, meinte Sabrina lächelnd und lief auf den Herzkasper zu, der bereits lässig in einem der Tunneleingänge lehnte und auf sie wartete.
»Verlies. Ein Verlies! Wieso muss es unbedingt ein Verlies sein? Wieso können wir nicht einfach zu so 'nem Eisstand auf den Bahamas? Sabitz!«, murrte Faritales. Er flatterte wieder auf ihre Schulter und rutschte dort so lange herum, bis er eine bequeme Stellung eingenommen hatte. Dann sang er leise vor sich hin: »I'm on the highway to hell. On the highway to hell...«


~Mile~

»Waffe weg! Morgan, ich sagte, Sie sollen die verdammte Waffe weglegen!«, brüllte Mile. Wieso geschah das alles? Wieso jetzt? Wer hatte diese verhängnisvollen Gerüchte in die Welt gesetzt?
Morgan schüttelte den Kopf und brummte: »Mein ganzes Leben habe ich damit verbracht, Piraten zu jagen und zur Strecke zu bringen. Ich habe Eurer Familie, junger Lichterlord, viele Jahre gut gedient.«
»Gut gedient, bis bekannt wurde, dass du ein verdammter Sadist bist, Morgan. Danach hat man dich entlassen und seitdem bist du nur noch der unwichtige, langweilige und gedemütigte Seemann, der wegen seiner Gräueltaten gefeuert wurde. Und jetzt lass sofort meinen Bruder los! Er hat nichts mit all dem zu tun!«
»Die Gräueltaten begehst du, widerlicher Pirat. Du bist der Verräter!«
»Niemals! Ich bin kein Feind der Dunklen, das kannst du mir glauben. Herrjeh, ich hätte wissen müssen, dass der Tag kommen würde, an dem du hier aufkreuzt, um mich zu richten. Manche Feinde sind einem treuer als die besten Freunde!«, zischte Hook durch seine vor Wut zusammengebissenen Zähne.
Mile näherte sich mit vorsichtigen Schritten dem Seemann. Er wollte Morgan nicht durch eine zu schnelle Bewegung erschrecken. Die Situation war mehr als heikel und der ehemalige Freibeuter schien ziemlich labil zu sein. So ruhig wie möglich befahl er Morgan: »Hook hat getan, was Sie ihm gesagt haben. Er hat seine Waffe abgelegt. Nun lassen Sie Peter los, bevor Sie ihn umbringen!«
»Wenn ich das Balg jetzt loslasse, habe ich keine Geisel mehr. Ich bin nicht dumm, junger Lord. Piraten sind wie Ratten. Sie kennen keine Ehre oder Treue«, knurrte Morgan und presste Peter seine Pistole nur noch fester an die Stirn. Der Junge schlug nun kaum noch um sich. Er wurde schwächer...
Hook kniete sich auf den Boden, senkte den Kopf, hob die Hände in die Höhe und rief: »Bitte, Morgan. Du kannst Peter ja noch immer irgendwie festhalten, nur würg ihn nicht mehr.«
Der Seemann kniff die Augen zusammen und musterte den Piraten. Schliesslich brummte er: »Wenn euch beiden das Leben dieses Teufelsbraten wirklich so wichtig ist, könntet Ihr, Lichterlord, Euch als nützlich erweisen und den Piraten fesseln. Die Hände auf den Rücken. Aber wehe, wenn der Knoten nicht fest genug ist. Dann werde ich diesem Jungen eine Kugel in den Kopf jagen und Unsterblichkeit hin oder her, es würde viel, viel Zeit vergehen, bis er sich wieder vollständig regeneriert hätte!«
Ehe Mile Morgan widersprechen konnte, zischte Hook: »Mach schon, Mile. Mach den Schrank auf und sieh in eines der oberen Regale. Dort liegen einige Taue, wenn ich mich nicht irre.«
»Aber...«
»Bitte, beeil dich. Keine Zeit zum Diskutieren.«
Also eilte Mile zu besagtem Möbelstück, riss dessen Türen auf und schnappte sich eines der dünneren Taue. Er drehte sich zu dem Piraten um, der sich mittlerweile wieder aufgerichtet hatte und ihm bereitwillig seine Hände entgegenstreckte. Während Mile sich daran machte, dem Piraten das Seil um die Handgelenke zu wickeln, flüsterte er so leise wie möglich: »Bitte sag mir, dass du einen Plan hast.«
Kaum merklich schüttelte Hook den Kopf. Na klasse!
»Dreh dich um«, verlangte Morgan barsch und Hook tat, wie ihm geheissen.
Hook stöhnte genervt und zischte: »Sie sitzen wirklich gut. Jetzt lass endlich meinen Bruder los!«
Mit einem süffisanten Grinsen stiess der Seemann seine Geisel zu Boden. Peter knallte auf die Dielen, wo er liegen blieb, hektisch nach Luft schnappte und vor sich hin röchelte. Lange blieb ihm dazu jedoch keine Zeit, denn gleich darauf packte Morgan ihn wieder am Kragen und zerrte ihn hoch. Die Pistole hing augenblicklich wieder an seiner Schläfe. Wenigstens konnte der Junge jetzt wieder atmen...
»Musste das sein?«, fragte Mile entnervt.
Morgan fixierte ihn mit seinem Blick und antwortete: »Bei allem Respekt, junger Lord, auf welcher Seite steht Ihr eigentlich? Dies sind Feinde der Rebellen! Ein Verräter, zudem Pirat und sein Bruder, der ein Verstossener ist. Wie könnt Ihr Euch für diese Verbrecher einsetzen?«
»Es sind nichts als Gerüchte, Morgan. Wann begreifen Sie das endlich? Gerüchte. Nut das Gerede von Leuten, die nichts Besseres zu tun haben, als Hetzjagten zu veranstalten und die Leute nervös zu machen«, versuchte Mile, den Seemann zu überzeugen. Immer wieder schielte er besorgt zu Peter, der wie ein nasser Sack in seinem Hemd hing, das wiederum von Morgan festgehalten wurde. Der Körper des mageren Jungen krampfte sich immer wieder, vom Husten und Japsen gebeutelt, zusammen.
»Oh, nein. Dieser junge Mann hier, den Ihr vor Euch seht, ist einer der berüchtigtsten Piraten der Meere. Er brandschatzte, mordete und raubte, wo er hinkam. Das Meer der verschluckten Himmel, der Golf von Lexika, das Tintenmeer, die singende See, die kochenden Meere von Geysiria, das Kap der tausend Echos, die Gewässer Miurolonos... Selbst am Bermudadreieck war man nicht sicher vor ihm. Dieser Wicht ist schlecht. Er hat uns an die Dunklen verraten, das weiss ich. Nicht nur, weil mir diese zwei Kerle das erzählt hatten, die der Junge mir geschickt hatte. Man kann Piraten nicht trauen. Ihr mögt diese Geschichten für Gerüchte halten, ich aber bin mir sicher, dass sie wahr sind. Wir müssen diesen Verräter beseitigen«, knurrte Morgan.
»Nein, Morgan!«, rief Mile und liess goldene Flammen in seinen Händen auflodern. »Das ist blinde Selbstjustiz. Solange es keine stichhaltigen Beweise gibt, sind die Geschichten, die Sie gehört haben, einfach nur Geschichten. Sie können nicht alles für wahre Münze halten, was Ihnen irgendwelche Trunkenbolde erzählen!«
Doch Morgan lachte nur freudlos. Er trat auf Mile zu, wobei er Peter wie eine Stoffpuppe hinter sich herzog, natürlich ohne ihm die Waffe vom Kopf zu nehmen. Schliesslich blieb er dicht vor Mile stehen. Der übelriechende Atem des Seemanns blies ihm ins Gesicht, als dieser sprach: »Geschichten? Junger Lichterlord, wir befinden uns hier in der Märchenwelt. Hier besteht alles nur aus Geschichten. Geschichten sind unsere Seelen. Druckertinte fliesst durch unsere Adern. Unsere Knochen sind aus Federkielen geschnitzt. Das Papier ist unsere Haut und Buchstaben lassen unser Fleisch frisch und unsere Muskeln stark sein. Ihr sagt, Geschichten sind einfach nur Geschichten? Wir sind Geschichten! Was könnte also wahrhaftiger sein als eine Geschichte, junger Lord?«


~Sabrina~

Der Rost hatte die Leiter in ein rötliches Braun gefärbt. Klare Wassertropfen nährten den Abbau des Metalls noch mehr, indem sie an den dicken Stangen und Sprossen hinabrannen, wie spielende Tiere aus kaltem Nass.
Sie blickte nach oben, wo der Herzkasper bereits auf sie wartete und ihr seine Hand entgegenstreckte. Sero, der sich von dem Narr hatte hochtragen lassen, sass neben ihm.
»Komm schon, Prinzessin. Es sind nur noch ein paar Sprossen, die schaffst du doch locker«, rief er ihr zu.
Na, der konnte leicht reden. Er war ja schon oben angekommen, aber sie hing hier, zehn Meter über dem Boden, eingezwängt zwischen nassen, moosigen Wänden.
Von oben drangen einladende Geräusche zu ihr herab. Unverkennbare Küchengeräusche wie Tellerklirrten, in Pfannen brutzelndes Fett, plätscherndes Wasser, Messer hackten auf Holz und andauernd wurden Befehle gebrüllt. Es klang wie in einem dieser Restaurants, in denen man von seinem Sitzplatz aus in die Küche sehen konnte, wo das hektische Treiben von Köchen, Kellnern bis zum untersten Tellerwäscher herrschte. Nicht, dass sie auch nur einmal in so einem Restaurant gewesen wäre, aber nein. Viel zu teuer! Aber sie hatte so was schon in Filmen gesehen. Solche, in denen der nervöse, gutaussehende, warmherzige aber auch unsichere Mann seiner wunderschönen, ebenso warmherzigen und grossartigen Geliebten einen Heiratsantrag machte und alle glücklich bis an ihr Lebensende zusammen waren, sieben Kinder bekamen, im Lotto gewannen, eine riesen Villa kauften und schliesslich zufrieden mit erfüllten achtzig Jahren einschliefen und in den Himmel kamen, wo Milch und Honig flossen... Illusionen. Unrealistische Vorstellungen, die das Fernsehen einem ins Hirn einpflanzte, damit man wenigstens ein bisschen Hoffnung hatte, einem selbst würde einmal so etwas Gutes wiederfahren. Tja, aber nein. Das Schicksal hatte anderes mit ihr vor. Zum Beispiel liess es sie vermaledeite zehn Meter über dem Boden an einer rostigen Leiter hängen! Und dann auch noch barfuss.
Der Dolch des Herzkaspers, den sie in ihren Hosenbund gesteckt hatte, glitt aus dem rauen Leinenstoff und fiel wie ein Stein in die Tiefe. Immer wieder schlug er gegen die rostigen Sprossen und entlockte ihnen ein ohrenbetäubendes, metallisches Donnern.
Super! Jetzt hatte sie nicht einmal mehr eine Waffe!
»Komm schon, Sabrina. Sei doch nicht so ein Angsthase. Das ist doch nur 'ne blöde Leiter! Sogar der doofe Clown hat es geschafft, da bekommst du das doch locker hin!«, versuchte Faritales, sie aufzumuntern und ihr Mut zu zusprechen.
»Was hat deine hässliche Katze da gerade gesagt?«, fragte der Herzkasper empört. »Ich bin kein Clown!«
Faritales flippte natürlich total aus und brüllte: »Hat dieses emotionsbehinderte Kasperletheater mich gerade als hässliche Katze bezeichnet?! Hör mal, du Gesichtsbaracke, du hast ja gar keine Ahnung. Ich bin ein äusserst gut gebauter Nachtmahr und muss mir so was also wirklich einmal nicht bieten lassen. Vor allem nicht von so einem abverreckten Würmchen wie dir!«
»Jungs! Haltet einfach beide die Klappe! Ich würde dieses Desaster von rostiger Leiter gerne überleben. Ich finde es nämlich echt nicht sehr reizvoll, enge, schimmlige Gänge hochzukraxeln und diese oberglitschige, nasse Leiter ist ja wohl die Krönung des ganzen. Ich würde mich echt gerne konzentrieren. Darum seid ihr jetzt schön still oder ich trete euch später so kräftig in den Hintern, dass ihr, bis ihr alt und tattrig seid, einen Abdruck von meinem Fuss in eurem Gesässfleisch habt, capisce?«, keifte Sabrina frenetisch. Ihr kleiner Gefühlsausbruch zeigte jedoch Wirkung und so hielten Narr und Dämon tatsächlich den Rand.
Sie atmete tief ein und aus, dann gab sie sich einen Ruck und stieg weiter hinauf. Sie durfte bloss nicht hinunter sehen, dann würde alles gut gehen. Ganz bestimmt!
Ihre Knie waren weich, der Körper Staubbedeckt, die Füsse aufgeschürft, ihre Hände wund, doch schliesslich schaffte sie es. Sie liess sich von dem Herzkasper so gut es ging hochziehen und schliesslich lag sie endlich schnaubend und erleichtert auf dem Küchenboden. Sie hatte es tatsächlich überlebt. Die ganze verdammte Klettertour.
Seit dem Raum mit der Wandmalerei war nicht allzu viel Zeit vergangen. Hier und da eine Abzweigung, dort ein altes Metalltor und irgendwann waren sie dann vor dieser höllischen Leiter angekommen.
»Da rauf?!«, hatte sie entsetzt gefragt und der Narr hatte genickt. Als täte er dies jeden Tag, war er wie ein Äffchen Sprosse um Sprosse hinaufgeklettert, bis er oben angekommen war. Dann hatte er einen Riegel zurückgezogen und die so geöffnete Falltür aufgestemmt. Er hatte sich behände aus dem runden Loch, das der Eingang von den Gängen in die Küche war, hochgestemmt und sie zu sich hoch gewunken. Die darauf folgenden Minuten waren einfach nur katastrophal gewesen. Die schlimmste glitschig kalte Kletterübung ihres Lebens.
Jedenfalls hatte sie es jetzt überstanden und sass nun tatsächlich mitten in einer Küche.
So etwas hatte Sabrina noch nie gesehen. Der Raum war so gross wie ein halbes Fussballfeld. Es reihten sich Öfen, Herde und Arbeitsplatten. Davor standen die Köche, in weisse Schürzen gekleidet mit ebenso weissen Kochmützen auf dem Kopf. Sie brieten, kochten, entsafteten, backten, siedeten, flambierten, hackten, garnierten, rieben, frittierten, würzten, grillierten, rösteten, kneteten und schmorten. Küchenjungen rannten umher, verteilten Schwingbesen, Löffel, Pfannenwender, Messer, Teller, Bretter, Schäler, Pressen, Gabeln, Hackbeile und weitere Dinge, die Sabrina noch nie gesehen hatte. Eigenartige Gerätschaften mit Kurbeln, Drähten und Scharfkantigen Metallanfertigungen. Andere Angestellte sammelten die fertigen Gerichte ein und strömten in Richtung einer grossen Türe. Es war wie in einem Ameisenbau. Nichts stand still, alles war in Bewegung.
Sabrina rappelte sich auf, um den wuselnden Küchenjungen Platz zu machen. Sie legte den Kopf in den Nacken, da sie über sich ein metallisches Geräusch wahrnahm. Über sich sah sie tausende fliegende Maschinchen herumschwirren. Sie waren allesamt aus Messing. Unzählige winzige Zahnräder ratterten in ihrem Inneren. Jedes der eigenartigen Maschinchen war anders geformt. Einige erinnerten an Hubschrauber mit ihren vielen winzigen Propellern, andere hatten Flügel und flatterten wild auf und ab wie Vögel und wieder andere sahen aus wie Insekten. Kleine, metallene Libellen, Fliegen, Schmetterlinge, Hummeln und Mücken. Sie schienen wie auch die Küchenjungen Werkzeuge und Gewürze zu transportieren. Ihre Ladung lag in runden Schalen. Eines von den Maschinchen geriet plötzlich ins Trudeln, stürzte ab und krachte vor Sabrinas Füssen auf die Fliessen. Der Herzkasper beugte sich hinab, zog einen Aufziehschlüssel aus seiner Tasche, steckte ihn in das Maschinchen hinein, drehte ihn dreimal herum, zog ihn wieder heraus und wartete. Sogleich begann das Maschinchen wieder los zu rattern, breitete seine dünnen Messingflügelchen aus und schwirrte davon.
»Was war das?«, fragte Sabrina und sah dem Maschinchen nach, das jedoch schon kurze Zeit später in dem Chaos unterging.
Während er das Loch im Boden, durch das sie geklettert waren, wieder mit der Falltür verschloss, antwortete der Herzkasper ihr: »Küchendruiden. Geschenke der Heinzelmännchen an die Herrscher. Aber nun komm, wir stehen hier im Weg. Wir müssen hier erst einmal raus, dann müssen wir dir was Passendes zum anziehen besorgen, dann holen wir die Essensrationen für die Gefangenen ab und dann geht's hinab ins Verliess.«
Er schnappte sich den protestierenden Sero, klemmte ihn sich unter den Arm, nahm sie bei der Hand und rannte durch die Küche. Die Schellen an seinen Schnabelschuhen, Kleidern und Narrenkappe rasselten bei jedem Schritt. Er hielt auf die grosse Tür zu, durch die auch die mit Essen beladenen Angestellten die Küche verliessen.
Sabrina wäre gerne stehen geblieben und hätte die wundervoll duftenden Gerichte genauer studiert, doch dazu fehlte ihnen die Zeit und so konnte sie nur ab und zu einen flüchtigen Blick darauf werfen.
Saftige, blaue Braten mit bunten, garnierten Früchten. Leuchtende Suppen, in denen Pilze schwammen, die Augen hatten. Zuckergebäcke, auf denen lebendige Marzipanfiguren Ringelreihe, Polka und Ballett tanzten.
»Können wir nicht ganz kurz anhalten und ein paar von den Sachen probieren?«, bettelte Faritales und streckte seine Pranken aus, um hier und da etwas von den Tellern stibitzen zu können.
»Keine Zeit! Sonst werden wir nie pünktlich zur Essensausgabe erscheinen!«, rief Sero.
Schliesslich hatten sie den Ausgang erreicht und quetschten sich zwischen den Angestellten aus der Küche.
Nun standen sie in einem grossen Saal, der in alle Richtungen abzweigte. Drei Dutzend Treppen führten nach oben und unten. Hunderte von Gängen in allen Variationen der Grösse und Himmelsrichtung brachten einen wohl einfach überallhin. Die Wände auf der linken Seite waren aus Silber, die auf der rechten aus Gold. Banner schmückten den Saal. Schwarze Stoffbahnen auf denen eine rote Sieben oder die jeweiligen Wappen der einzelnen Dunklen prangten. Das rote Herz der Herzkönigin, die Schneeflocke der Schneekönigin, Draculas weisser Eckzahn, an dem ein roter Blutstropfen hinabrann, drei Kratzspuren Blutkralles, ein Pentagramm, das auf der Spitze stand, das zu Hedwig gehörte und zu guter Letzt noch das Wappen der bösen Königin, das einen verführerisch roten Apfel darstellte. Das Symbol von Rumpelstilzchen, das Rad eines Spinnrads, fehlte bereits. Eigenartig war nur, dass das Wappen der Dunklen noch immer eine Sieben zeigte, wo sie doch nun nur noch zu sechst waren....
Der ganze Saal war so schön wie schauerlich und versetzte seine Betrachter in eine faszinierte Trance der unwohlen Bewunderung.
»Heilige Klossbrühe«, zischte Faritales und Sabrina nickte und hauchte: »Wow...«
Sero konnte natürlich nicht anders, als erneut klarzustellen, wer der grösste Klugscheisser des ganzen Landes war und erklärte sogleich: »Es heisst nicht umsonst, die Küche sei das Zentrum des Hauses. Von hier aus gelangt man überall hin. Darum wird dieser Raum auch ‚der Saal der tausend Wege' genannt.«
»Ja, der Zeitpalast ist gigantisch, schon klar«, drängte der Herzkasper, »aber wir müssen weiter. Falls deine Rebellenfreunde es tatsächlich schaffen sollten, den Palast zu erobern, wird dir noch genug Zeit bleiben, um hier alles zu erkunden. Wir müssen jetzt aber weiter!«
Widerwillig rissen Prinzessin und Dämon sich erneut von einem der vielen Wunder des Palastes los.
»Hier entlang«, meinte Sero, den der Narr mittlerweile wieder abgesetzt hatte. Das Kaninchen hopste auf einen der Gänge links von ihnen zu. Sie rannten eine Weile durch einen Flur, der nur spärlich mit einigen Topfpflanzen, alten Gemälden und Ritterrüstungen dekoriert war. Eines der Gemälde zeigte eine ihrer Vorfahrinnen, eine Eisprinzessin mit aschblondem Haar und in einer silbernen Rüstung steckend. Nach Ähnlichkeiten in dem Gesicht der früheren Herrscherin konnte sie leider nicht suchen, denn irgendjemand hatte das Gesicht der Frau aus der Leinwand gebrannt.
Wie es sich für den Teil des Zeitpalastes gehrte, der für die Eisprinzessin errichtet war, waren die Wände versilbert.
»Müssten wir uns nicht, keine Ahnung, irgendwie vorsichtiger verhalten? Ich bin immerhin die Eisprinzessin. Vielleicht erkennt man das nicht auf den ersten Blick, aber trotzdem. Wie eine der Hausmädchen oder so sehe ich ja auch nicht aus. Ich renne hier in meinem vollgestaubten Pyjama durch die Gänge. Und dann noch in Gesellschaft eines emotional verwirrten Narrens und klugscheissernden Kaninchens, den tollpatschigen Dämon nicht zu vergessen. Fällt das niemandem auf? Stehen hier denn nirgendwo irgendwelche Wachen?«, flüsterte Sabrina dem Herzkasper zu, nachdem sie eine weile durch den Flur geeilt waren.
Der Narr schüttelte den Kopf und antwortete mit gedämpfter Stimme: »Wir befinden uns hier in dem Teil des Palastes, in dem die Angestellten wohnen. Natürlich kann man niemals irgendwo sicher sein. Hier wird ab und zu eine Razzia durchgeführt und die Schlafräume der Leute werden durchwühlt. Manchmal wird jemand festgenommen, für eine Woche in das Verlies gesteckt und in sehr seltenen Fällen wird sogar jemand öffentlich hingerichtet. Ansonsten findest du hier selten Wachen.«
»Moment... Razzias? Hinrichtungen?«
»Die Wesen hier waren hier schon als Angestellte tätig, als die Herrscher noch an der Macht waren. Diese Razzias und Hinrichtungen sind eigentlich nichts als Schikane. Als ob auch nur ein Wesen hier den Mut hätte, irgendetwas zu besitzen, dass die Dunklen als verboten deklariert haben. Alle leben in Angst vor den Dunklen. Tja, das ist nun einmal die Taktik der Dunklen. Flösse dem Volk genug Angst ein und es wird sich nicht gegen dich auflehnen.«
»Soll das heissen, die lassen einfach irgendwelche Unschuldigen ins Verliess sperren und hinrichten, um ein Exempel zu statuieren?«
Der Herzkasper nickte und lächelte fröhlich, doch in seinen Augen glitzerte die Trauer, worauf Sabrina schloss, dass auch er gegen die Gräueltaten der Dunklen war. Es war schwer, die Mimik des Narren zu lesen, aber langsam glaubte sie, den Bogen dabei raus zu haben.
»Kann man denn nichts dagegen tun?«, fragte Sabrina bedrückt und sah einem Bediensteten nach, der mit blassem Gesicht und blutunterlaufenen Augen an ihnen vorbeihuschte. Er schien sie kaum zu sehen und wirkte wie ferngesteuert. Die Dunklen hatten seinen Willen gebrochen, so wie sie es hier mit allen getan hatten. Die Angst war eine mächtige Waffe...
»Ja, das kannst du«, antwortete Sero und blieb stehen. Er hopste zu einer Tür rechts von ihnen und murmelte: »Hier.«
»Und was?«, fragte Sabrina hoffnungsfroh.
»Du musst diese Bastarde vernichten!«, brummte der Herzkasper und sah sie mit festem Blick an, während er die Tür für Sero öffnete. Zusammen betraten sie den Raum, blieben aber in einer Art Vorraum stehen..
Es war ein Waschraum, wie sich herausstellte. Er war so gross wie zwei Turnhallen. Bottiche stapelten sich neben Wasserpumpen, die sich, wie zuvor die Herde und Ofen in der Küche, dicht aneinanderreihten. An der Decke waren Schnüre gespannt, an denen Laken, Decken und Kleider im Wind flatterten. Aber Moment... Wind? Wo kam der denn her? Sie konnte nirgends Fenster entdecken und doch brauste hier ein ohrenbetäubend lauter Wind durch das Zimmer!
Sabrina wollte einen Schritt nach vorne machen, doch der Herzkasper hielt sie auf und deutete auf den Boden. Eine weisse Linie war auf die Dielen gemalt worden. Sie hätte sie beinahe überschritten...
Der Herzkasper deutete an die Wand links von ihr. Da waren an einer Halterung eine Art Fliegerbrillen angebracht, mit Lederriemen und Gläsern, dick wie Lupen. Sabrina nahm vier der Fliegerbrillen aus der Halterung und verteilte sie an ihre Begleiter. Jeder setzte sich eine Brille auf, dann überschritten sie die weisse Linie.
Augenblicklich wurde Sabrina von einem heftigen Windstoss gepackt. Vor Überraschung wäre sie beinahe umgekippt, konnte sich jedoch gerade noch fangen.
Etwas berührte sie an der Schulter und sie drehte sich um. Der Herzkasper versuchte ihr etwas zuzurufen, doch das Getöse des Windes war zu laut. Sie verstand ihn nicht. Sie zuckte die Schultern und der Herzkasper schüttelte frustriert den Kopf. Er startete einen neuen Versuch, deutete in eine Richtung und ging voraus. Sie folgte ihm.
Plötzlich bemerkte Sabrina, dass Faritales nicht mehr auf ihrer Schulter sass, entdeckte den Dämon jedoch gleich darauf, wie er zusammen mit Sero auf dem Boden gegen den starken Gegenwind ankämpfte. Es sah wirklich ulkig aus, wie die beiden Winzlinge sich Schritt für Schritt ihren Weg bahnten. Kaninchenohren und Dämonenschwänzchen flatterten wild umher.
Sabrina wandte den Blick von den beiden ab und folgte weiter dem Narren. Ein Bettlaken nahm ihr einen Moment die Sich und eine Socke wurde ihr ins Gesicht geweht, doch schliesslich hatte sie es geschafft und stand neben dem Narren. Dieser zwinkerte ihr schelmisch zu, zog beleidigt die Nase hoch und machte eine ausladende Handbewegung.
Vor ihnen hingen drei Duzend braune Kleider mit dazugehörigen, weissen Schürzen. Sabrina deutete auf eines, das ihre Grösse zu haben schien. Der Herzkasper rief ihr etwas zu und bewegte seine Lippen dabei so überdeutlich wie es ging. Zwar sah man durch die Fliegerbrillen alles ein wenig verschwommen, doch Sabrina glaubte, das Wort Räuberleiter zu erkennen. So nickte sie und der Narr postierte sich. Mit seiner Hilfe schaffte sie es, den Rockzipfel des Kleides zu erwischen und zog das Kleid von der Leine. Die hölzernen Wäscheklammern sprangen ab und wurden vom Wind an die Wand geschleudert. Der Narr liess sie runter. Sabrina wurstelte das Kleid zu einem Knäul zusammen und presste es an die Brust. Mit ihrer Beute flüchteten die vier wieder in den Vorraum zurück, wo sie von dem Wind geschützt waren. Sie rissen sich die Fliegerbrillen vom Kopf und der Herzkasper bedeutete Faritales und Sero sich umzudrehen, damit Sabrina sich umziehen konnte. Das tat sie dann auch. Ihr verdreckter Schlafanzug flog im hohen Bogen in den Waschraum, wo er vom Wind erfasst und mitgerissen wurde. Das Schürzenkleid passte, wie erwartet kratzte der raue Stoff jedoch ein wenig, doch natürlich konnte sie sich nicht beschweren. Die Fliegerbrille stopfte sie in die Schürzentasche des Kleides. Die würde sie Falk mitbringen. Schliesslich hatte der ja ein fliegendes Schiff, da konnte so ein Windschutz sicher nicht schaden. Sie lächelte bei der Vorstellung, wie Falk stolz am Steuerrad der Jolly Roger stehen würde mit dieser bescheuerten Brille auf dem Kopf.
Sie tippte ihren Begleitern auf die Schultern und sie verliessen das Waschzimmer.
»Was war denn das?!«, heulte Faritales und schüttelte sich. »Dieser blöde Wind hat mir fast alle Gliedmassen abgerissen!«
»Ein Windzauber«, antwortete Sero, der wohl einfach alles wusste. »Jeder der Waschräume im Zeitpalast wurde mit einem solchen Zauber belegt, der die Trocknung der Wäsche beschleunigt. Nur ist der Aufenthalt hier wirklich sehr unangenehm, hier begibt sich nun wirklich keiner freiwillig hin.«
»Was es zu einem vorzüglichen Versteck macht. Hier habe ich während der letzten Razzia der Dunklen mein Schnapslager gebunkert«, meinte der Narr mit gerümpfter Nase.
Sabrina blinzelte ihn erstaunt an, sie hatte ihn weder für einen Schmuggler noch für einen Schnapstrinker gehalten.
»Werde ich mir für dunklere Zeiten merken«, mümmelte das Kaninchen. »Ein gutes Versteck ist mehr wert, als ein geschärftes Schwert.«
Der Narr lief um Sabrina herum und musterte sie. »Das Kleid steht dir.« Er kramte in einer seiner vielen Taschen und holte ein schwarzes Band heraus, das er ihr reichte. »Binde dir damit die Haare zurück, dann siehst du wirklich aus wie eine der Sklavenmädchen hier.«
»Und wo geht's jetzt zu dieser Essensausgabe?«, fragte sie, während sie sich die Haare zurückflocht.
»Mir nach!«, antwortete der Herzkasper und sprang los, erneut den Gang hinab.


~Mile~

Hook taumelte rückwärts gegen die Reling. Hinter ihm rauschte der See. Die farbigen Lichter des blauen und roten Mondes glitzerten auf den Wellen. Polare und Ignis, wie die Elfen sie nannten.
»Wie hast du es gemacht? Wie hast du den Dunklen die Informationen übermittelt, gottloser Pirat?«, brüllte Morgan und schüttelte Peter, der noch immer vor sich hin hustete.
Der ehemalige Freibeuter hatte Hook und Mile nach draussen gescheucht, weil er, wie er es ausgedrückt hatte, keine Sauerei in der Kajüte des Captains haben wolle.
Nun standen sie jedenfalls auf dem Deck. Peter konnte mittlerweile wieder stehen, doch Morgan hatte ihn im Nacken gepackt und bedrohte ihn noch immer mit seiner Pistole. Hook, der sich nicht wehrte, sondern alles nur stumm über sich ergehen liess, sah auch nicht mehr so frisch aus. Die linke Seite seines Gesichts hatte einige Schrammen, da sein Peiniger ihn zuvor grob zu Boden gestossen hatte. Um ihn zum Aufstehen zu motivieren hatte Morgen ihm in den Bauch getreten. Und doch stand Falk nun noch immer aufrecht. Seine Lippe war aufgerissen und blutete, Wange und Stirn waren zerkratzt, doch er war nicht gebrochen. Mile kam nicht umhin, den Piraten für seinen Mut zu bewundern.
»Gestehe!«, brüllte Morgan und schoss ein Loch in die Planken vor Hooks Füsse.
Was sollte Mile nur tun? Er hatte sich schon einige Pläne überlegt, doch keiner schien ihm wirklich gut genug zu sein. Wenn er sich auch nur einen Fehler erlaubte, könnte das den Tod für Peter oder Hook bedeuten. Na ja, Tod war vielleicht etwas übertrieben. Jedenfalls das, was dem Tod für einen Unsterblichen am nächsten kommen würde...
Eine Fata Morgana heraufzubeschwören war zu gefährlich, denn auch wenn die Lichtspiegelungen, die er erschaffen konnte, mehr als nur das Auge seiner Opfer, sondern auch alle anderen Sinne, täuschten, so war die Pistole in Morgans Hand noch immer real, ebenso wie Peter, den er umklammert hielt. Was, wenn der Piratenjäger seine Drohungen war machen und Peter eine Kugel in den Kopf jagen würde?
Morgan mit seinen Flammen und Blitzen zu überwältigen schien zwar die einfachste Lösung zu sein, doch auch hier war das Problem, dass Morgan schneller sein und Pirat oder Jungen das Licht ausknipsen könnte, bevor Miles Feuer ihn verschlingen würde. Aber eigentlich wollte Mile niemanden verletzen, sondern alle heil aus dieser Sache rausbekommen, nur wie? Was half ihm seine übermenschliche Kraft und Schnelligkeit in Situationen wie diesen?
»Sprich, oder du kannst das Gehirn deines Bruders von den Planken putzen, wenn ich mit ihm fertig bin!«
Mile musste etwas unternehmen! Wenn alles andere nichts nützte, hatte er noch immer eine Waffe, die er immer nutzen konnte: Seinen Verstand!
»Das nennen Sie Gerechtigkeit, Morgan?«, fragte Mile ernst. »Wie kann es recht sein, ein Geständnis zu erzwingen?«
»Haltet Euch da raus, Lichterlord. Dies ist nicht Eure Angelegenheit!«, brummte der Seemann, ohne den Blick von Hook abzuwenden.
»Und wie das meine Angelegenheit ist! Ich bin ein Herrscher, Wächter über das Gleichgewicht von Gut und Böse.«
»Dann sollte Euch doch eigentlich klar sein, wer hier der Feind ist. Wieso wollt Ihr mich aufhalten, junger Lord?«
»Weil«, erklärte Mile, der endlich wieder ein wenig Hoffnung schöpfte, »das Geständnis nicht durch Überzeugung, sondern aus Angst gesprochen wäre. Du darfst Hook nicht erpressen, er muss von selbst gestehen.«
Er spürte den Blick des Piraten auf sich, reagierte aber nicht. Er starrte einfach nur Morgan an. Der runzelte nachdenklich die Stirn, doch dann schüttelte er den Kopf und zischte: »Der Pirat ist ein Lügner und Betrüger. Er würde niemals zugeben, dass er ein Verräter ist. Ich brauche etwas, um die Wahrheit aus ihm herauszubekommen!«
Mit diesen Worten stiess der ehemalige Freibeuter Peter zu Boden und trat ihm in die Seite. Der Junge jaulte auf und wand sich.
»Hör sofort auf!«, schrie Hook, der nun nicht mehr an sich halten konnte. Er hinkte auf Peter zu, der sich gerade mühsam aufrichtete. Der Freibeuter stand zwei Meter von ihm entfernt und zielte immer noch auf seinen Kopf. Morgan lachte und brüllte: »Ich zähle jetzt bis drei und drei und dann wirst du mir erklären, wie du mit den Dunklen in Kontakt stehst! Ansonsten werde ich den Teufelsbraten erschiessen!«
»Morgan, lassen Sie das!«, befahl Mile.
»Eins!«
Peter wankte und starrte in die Öffnung der Pistole. Hook hatte seinen Bruder schon beinahe erreicht, doch er war langsam, denn er musste sich bei seinem Sturz den Fuss verrenkt haben.
»Zwei!«
»Ich kann dir nichts verraten, du idiotischer Vollpfosten!«, rief Hook voller Wut. »Bei Klyuss, ich bin kein Verräter, ich habe wirklich keine Ahnung, von was du sprichst!«
»Drei!«
Ein Schuss fiel.
Und dann geschah etwas Eigenartiges.
Mile, konnte sehen, wie die Bleikugel langsam aus der Mündung der Pistole fuhr. Er konnte sogar die kleine Explosion, diesen winzigen Lichtblitz in der Waffe sehen. Ein heller Schein, der das tödliche Metall aus der Waffe trieb.
Mile konnte auch sehen, was Hook tat. Der Pirat riss entsetzt die Augen auf, dann sprang er, seine Schmerzen ignorierend, so weit er konnte und rammte seinen bleichen Bruder weg.
Und die Kugel flog auf ihn zu. Dieses winzige Stück Metall, dass so viel Wucht hatte, um durch Fleisch, Haut, Sehnen, Nerven, Muskeln, Knorpel und Knochen zu fahren und einfach alles zerschmetterte, was ihr im Weg stand.
All dies war eine einigermassen logische Situation. Logisch im Sinne von physikalisch möglich und den Menschen, die an dieser Katastrophe beteiligt waren, von den Reaktionen her in einem gewissen Masse zuzumuten.
Nun zu dem, was hier Eigenartig war.
Das ganze lief unglaublich langsam ab. Als sässe man im Kino und würde eine Actionscene sehen, die in Zeitlupe gefilmt worden war. Ja, genau. Zeitlupe.
Irgendwie war es schon ein wenig ironisch. Die Zeit lief in Zeitlupe ab, doch er, Mile, hatte noch immer das Gefühl, keine Zeit zum Denken zu haben. Wie immer, wenn er nicht wusste, was er zutun hatte, liess er sich von seinem Herzen leiten. Die Worte der Prophezeiung hallten in seinem Kopf wider: Feuerherz, schlägt, pumpt Lava und Blut, seine Macht liegt in der Gabe immer zu fühlen, immer richtig, immer gut.
So rannte er auf die Kugel, die sich langsam ihren Weg in Richtung Pirat bahnte. Er liess das Feuer aus seinen Händen fliessen. Wie eine träge Wolke fuhr die goldene Hitze auf das Metall zu, umschloss es und liess es flüssig werden. Mile stellte sich davor und es wurde hell um ihn.
Mile, der Junge, der schneller als das Feuer war.
Seine eigenen, goldenen Flammen wehten auf ihn zu, hüllten ihn für einen kurzen Moment ein und dann...
Eine geballte Ladung Hitze traf seinen Oberkörper und riss ihn rückwärts durch die Luft. Etwas Heisses legte sich über seine Brust und sein Hemd begann zu brennen. Natürlich tat es nicht weh, war jedoch auch nicht sonderlich hilfreich. So fing Mile die goldenen Flammen mit seiner rechten Hand ein und hielt sie gut fest. An den Fetzen seines Hemds klebten silberne Tropfen. Die geschmolzene Pistolenkugel war gegen seine Brust gekracht...
Er rappelte sich auf und blickte sich um.
»Wie... wie habt Ihr das gemacht?«, fragte der vollkommen überwältigte Morgan. »Ihr wart schneller als der Lidschlag einer Walküre! Wie...«
Da begriff Mile auf einmal. Nicht die Zeit hatte sich verlangsamt, er selbst war einfach nur unglaublich schnell gewesen! Seine übermenschlichen Sinne und Reflexe waren also doch zu etwas nutze...
»Ich bin der Lichterlord. Ich habe so meine Tricks«, meinte er benommen.
»Dann stimmt es wahrhaftig«, murmelte Hook, der dank Mile noch lebte. Er lag neben seinem Bruder, den er zuvor zu Boden geworfen hatte, auf den Planken und blinzelte verwirrt zu Mile herüber. Sein Bruder war jedoch alles andere als verwirrt oder benommen. Natürlich rasselten seine Atemzüge noch immer und auch der Husten peinigte ihn noch, aber er hatte wieder genug Kraft um sich aufzurappeln und den Piratenjäger anzufallen. Peter machte einen Satz und flog auf Morgan zu. Er warf ihn um und wand ihm die Pistole aus der Hand. Flink sprang er wieder in die Luft, wo er schwerelos inne hielt und auf seinen Peiniger zielte.
»Peter! Lass ihn gehen!«, rief Mile und eilte auf Morgen zu, um sich schützend vor ihm aufzubauen. Der Junge stiess einen Klagelaut aus, hustete und warf die Pistole in den See. Er wischte sich übers Gesicht und Mile erkannte erst jetzt, dass Peter weinte. Peter Pan, der Junge, der niemals erwachsen wurde, weinte!
Hook zog die Knie an und versuchte sich aufzurichten. Da Peter nun ja keine ernsthafte Gefahr mehr darstellte, liess Mile Morgan zurück und half stattdessen dem Piraten auf. Diese Chance liess Morgan natürlich nicht ungenutzt verstreichen und so warf sich der Seemann der Pistole hinterher in den See. Es platschte laut und Morgan schwamm los, als wäre der Teufel hinter ihm her. Weiter und weiter auf das andere Ufer zu. Man konnte ihn noch lange fluchen hören.
Mile blickte dem Flüchtenden nach. Sollte er ihn verfolgen? Er hatte immerhin damit gedroht, Peter umzubringen und an Hook Selbstjustiz auszuführen.
Peter nahm ihm diese Entscheidung ab, als er seinen Adoptivbruder anbrüllte: »Wieso?«
Hook starrte den weinenden Jungen, der über ihm schwebte, an und fragte: »Was wieso?«
»Du hast mich gerettet, Falk.«
»Nein, Mile hat uns gerettet.«
»Das mag sein, aber du tastest es zu erst. Als Morgan drohte, mich zu erschiessen, hast du deine Pistole fallen lassen. Du hast getan, was er dir gesagt hat und nun hast du dich auch noch vor mich geworfen, als dieser Irre mich erschiessen wollte. Ja, es mag sein, dass der Lichterlord uns gerettet hat, aber wenn er nicht gewesen und nur du und ich diesem Kerl gegenübergestanden wären...«
»So war es aber nicht!«
Peter schwieg einen Moment und sah zu ihnen herab. Mile hielt sich diskret zurück und befreite stattdessen den Piraten von seinen Fesseln, indem er das Seil mit seinen Fingern durchschmorte.
Peter schniefte und meinte mit fester Stimme: »Falk, wir wissen beide ganz genau, was hier geschehen ist. Du warst bereit, dich für mich zu opfern! Sag mir einfach wieso.«
Hook brauchte einen Moment, um die richtigen Worte zu finden. Mile hatte ihn mittlerweile befreit und stellte sich neben den Piraten.
»Ich weiss nicht genau«, antwortete Hook zögernd. »Du... du bist trotz allem noch immer mein Bruder. Ich konnte doch nicht zulassen, dass noch einer meiner Geschwister wegen mir den Tod findet...«
Peter lachte traurig auf und knurrte: »Du bist nicht mehr mein Bruder. Schon lange nicht mehr.«
»Oh, doch«, murmelte der Pirat. »Doch, das bin ich und ich werde es auch immer sein.«
»Schön für dich. Und nun? Wie soll ich meine Schuld bei dir begleichen?«, schrie Peter und schwebte zu seinem Bruder herab, bis sie auf Augenhöhe waren.
»Du schuldest mir nichts.«
»Nein, sag das nicht. Alles hat seinen Preis. Augen für Flossen. Den Bruder für die Schwester. Den Haken für die Blume. Also sag, was willst du, Pirat«, zischte Peter und spuckte das letzte Wort nur so aus, als hätte er in einen fauligen Apfel gebissen.
Hook streckte die Hand aus, liess sie dann doch wieder sinken, starrte seinen verlorenen Bruder an und sagte nichts.
Mile räusperte sich und schlug vorsichtig vor: »Du könntest... ihm verzeihen.«
Der Pirat starrte Mile an und flüsterte: »Danke für deine Unterstützung, aber das kann ich nicht von ihm verlangen. Ich habe ihm seine Schwester genommen!«
Peter holte aus und schlug Hook ins Gesicht. Die Faust traf den Piraten so unerwartet, dass er zurücktaumelte und auf den Planken aufschlug. Peter jagte ihm nach, landete auf ihm und schlug weiter auf ihn ein. Jaulend und weinend brüllte er: »Wie soll ich dir verzeihen können? Wie kann ich dich nicht hassen? Du Mistkerl rettest mir mein Leben! In einer einzigen Nacht rettest du mir mehrere male mein verdammtes Leben! Wieso, Falk? Du hast mir einfach alles genommen und doch schulde ich dir mein Leben! Wie soll ich dir verzeihen, wie, Falk, wie?«
Mile musste ihn von dem Piraten hinunterzerren. Er nahm den Jungen in die Arme. Erst wehrte sich Peter, doch dann gab er nach. Er zitterte, weinte, schrie und klagte. Mile hielt ihn fest. Hielt ihn, damit er nicht viel, hielt ihn, um ihm Trost zu spenden.
Hook setzte sich auf. Er hatte die Schläge seines Bruders über sich ergehen lassen, hatte sich nicht gewehrt. Kein bisschen. Vollkommen am Ende flüsterte er: »Peter, ich weiss es nicht. Ich habe mir selbst nicht verzeihen können.«
»Nein!«, schrie Peter. »Nein, nein, nein!«
»Vielleicht ist ja genau das der Punkt«, murmelte Mile. »Ihr könnt euch nicht vergeben. Vielleicht muss es so sein. Ihr müsst lernen, mit dieser Schuld zu leben und trotzdem Brüder sein. Vergesst eure Schwester nicht, trauert um sie, aber dann tut es gemeinsam. Versucht, miteinander zu leben, füreinander da zu sein. Ihr habt euch so lange bekämpft. Lasst es doch einfach sein. Kämpft miteinander
Peter hatte aufgehört zu weinen. Er löste sich von Mile und stellte sich vor seinem geschundenen Bruder und fragte: »Aber wie? Wie, Falk? Wie soll ich dir verzeihen, wenn alles, für das ich lebe, der Hass auf dich ist. Ich habe nichts mehr! Selbst Wendy hasst mich. Da ist nur noch der Hass auf dich.«
Hook kniete sich vor Peter, hob seine Hand, legte sie auf seinen Rücken und presste ihn an sich.
»Versuch es! Sei mein Bruder.«
Peter liess die Umarmung über sich ergehen. Er erwiderte sie nicht, stiess Hook jedoch auch nicht weg. Schliesslich löste sich der Pirat von ihm und blinzelte ihn traurig an. Peter starrte zurück. Irgendwann hielt der Junge es wohl nicht mehr aus, sprang in die Luft und zischte: »Das kann ich nicht.«
Dann flog er davon. Peter, der verlorene Bruder, der Junge, der niemals erwachsen wurde, der Bruder, der nicht verzeihen konnte...


~Sabrina~

Schon von weitem hörte man sie schreien. Sie riefen um Hilfe, bettelten um Gnade oder einfach nur, endlich sterben zu dürfen.
Sie hatte Probleme, die Eimer festhalten zu können, denn alle Kraft war aus ihrem Körper gewichen. Sie konnte es fühlen. Trotz des Traumfängers spürte sie den Schmerz, die Angst und die Qualen. Zwar gedämpft und bei weitem nicht alles, nur einen winzigen Prozentsatz und doch reichte es aus, um ihr alles Blut aus dem Gesicht weichen zu lassen.
»Hör nicht hin«, flüsterte der Herzkasper. » Und sie ihnen auf keinen Fall in die Augen.«
»Wieso nicht«, fragte sie mit zitternder Stimme.
»Weil in ihren Blicken zu viel Verzweiflung liegt. Man zerbricht daran«, antwortete er.
Vermutlich würde sie es sowieso nicht bis ins Verlies schaffen. Sie hielt es ja jetzt schon fast nicht mehr aus...
Sabrina, Faritales, Sero und der Herzkasper stiegen gerade die Treppe hinab, die sie zum Verlies führen würde. Nachdem Sabrina sich umgezogen hatte, war es wieder in die Küche gegangen. Doch anstelle von Tabletts mit wundervoll angerichteten Festmählern, hatten ihnen die Köche Eimer in die Hände gedrückt. Blecheimer, gefüllt mit Essensresten. Von Kartoffelschalen bis zu den Resten einer Pilzsosse hatte man in sie hineingefüllt.
Als Sabrina den Narren etwas irritiert gefragt hatte, ob die Köche sie für die Müllentsorgung gehalten hätten, hatte er nur düster gemeint, dass die Gefangenen heute Glück hätten, überhaupt etwas essen zu dürfen.
Natürlich war Sabrina klar gewesen, dass die Dunklen ihren Feinden keine Gourmetküche zu teil werden lassen würden, doch sie hatte sich so was vorgestellt wie Wasser und Brot. Da war sie wohl doch zu naiv gewesen. Hier bekamen die Gefangenen Kompost...
Jede Stufe kostete sie Überwindung. Jeder gequälte Klagelaut liess sie zusammenfahren. Mit jedem Quietschen, das die Eimer verursachten, wenn sie hin und her schwangen, wurde ihr schlechter.
»Stell dir vor, es wäre ein Film«, schlug Faritales vor, der sich in ihrer Schürzentasche versteckte.
»Scheiss Film«, murmelte Sabrina und versuchte zu lächeln.
Auf einmal blieb Sero stehen, was den Herzkasper beinahe zum Verhängnis geworden wäre, denn er schaffte es nur knapp, nicht über das Kaninchen zu stolpern.
»Sero, was machst du denn? Geh weiter!«, zischte er etwas verärgert, aber mit einem äusserst heiteren Lächeln auf den Lippen.
»Es... es tut mir leid, aber ich kann nicht.«
»Red keinen Schwachsinn. Mach schon!«
»Nein«, flüsterte er kleinlaut und drehte sich zu ihnen um. »Ich kann das nicht. Ich war ein einziges Mal dort unten und es war so... Nein. Nein, es tut mir wirklich leid, aber ich kann das nicht!«
Mit diesen Worten sprang er die Treppe wieder hoch. Er drehte sich nur einmal kurz um, blinzelte sie an. Er nickte ihnen respektvoll zu und rief: »Herzkasper, pass auf die Prinzessin auf und du, Herrscherin, gibst auch auf ihn Acht. Er hat es dir nicht sagen wollen, aber du solltest wissen, dass der Narr unser Anführer ist.«
Dann setzte er seinen Weg fort und drehte sich kein weiteres Mal um. Schliesslich bog er um die Ecke und verschwand.
»Anführer?«, zischte Faritales und glotzte den Herzkasper an, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Etwa... etwa der Anführer des Widerstandes?«
Der Narr legte einen Finger auf die Lippen und nickte widerwillig.
»Und das sagst du uns nicht?«, knurrte Sabrina empört und vergass für einen Moment ihre Übelkeit.
»Was ihr nicht wisst, schützt euch. Wenn wir hierbei geschnappt werden, kann uns das das Leben kosten! Die würden uns zu Tode foltern, um Informationen zu bekommen. Gerade dir, Eisprinzessin, sollte doch bewusst sein, wie gefährlich es ist, wenn man entlarvt wird!«
»Trotzdem hättest du es uns sagen müssen! Wissen die Dunklen etwa, wer du bist?«, fauchte sie und setzte ihren Gang fort. Der Narr trottete hinter ihr her und erklärte gedämpft: »Himmel, nein! Das einzige, was die wissen, ist, dass ich der verhasste Sohn der Herzkönigin bin. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die schon von dem Widerstand innerhalb des Palastes gehört haben. Es ist ja nicht so, als wären wir besonders präsent. Es ist einfach viel zu gefährlich. Ab und an gelingt es uns, den Gefangenen etwas gutes Brot und Decken unterzujubeln. Drei bis viermal waren wir sogar schon aktiv bei der Flucht eines Gefangenen beteiligt. Mehr haben wir noch nicht geschafft. Die Wesen hier haben einfach zu viel Angst. Auch die Wesen, die in Tempus leben, kann man nicht überzeugen, sich gegen die Dunklen aufzulehnen.«
»Na, wenigstens tut ihr überhaupt etwas«, meinte Sabrina und lächelte. Hier war einfach alles so düster und schrecklich, da tat es gut, auch etwas Positives zu sehen. Das hatte früher immer Mile getan. Er hatte ihr das Gute in der Welt gezeigt und ihr so Mut gemacht. Aber Mile war nicht hier...
Plötzlich blieb der Herzkasper stehen und legte den Kopf schief. Sabrina hielt neben ihm inne und wartete. Was war denn nun schonwieder los?
»Verdammt! Hörst du das?«, zischte der Narr. Sabrina lauschte. Waren da etwa... Schritte?
»Was...«
»Das muss eine Wache sein! Sie kommt von oben auf uns zu. Oh, hoffentlich konnte sich Sero rechtzeitig verstecken! Die haben jetzt bestimmt gerade Schichtenwechsel! Los, Sabrina, lauf!«
Der Narr rannte los. Wie ein Verrückter raste er die Treppe hinab, machte grosse Sätze und nahm immer gleich die Stufen auf einmal. Sabrina tat es ihm erschrocken nach.
»Immer diese Rennerei«, jammerte der Nachtmahr, der in ihrer Schürzentasche kräftig durchgerüttelt wurde und hielt sich den Bauch. Er war schon ganz grün um das Näschen, der Arme.
Stufe um Stufe um Stufe um Stufe. Konzentriert sah sie ihren blanken Füssen dabei zu, wie sie die staubige Treppe hinabjagten, gut darauf bedacht, nicht auszurutschen. So kam es, dass sie beinahe in den Narren hineingerannt wäre. Wieso stand der Trottel auch wie zur Salzsäule erstarrt mitten im Weg und versperrte ihr den...
»Oh!«, entfuhr es Sabrina, als sie den Koloss entdeckte, der vor ihnen im Gang stand. Es war ein Wesen, wie sie es noch nie gesehen hatte. Er war sehr, sehr gross und lang. Sein Körper war dürr, schwarz und schattenhaft, beinahe schon durchsichtig. Seine Gliedmassen, in diesem Fall zwei Arme und Beine, sahen aus, als hätte jemand so lang an ihnen gezogen, bis sie sich wie Gummi verformt hatten. Bekleidet war das Ding mit einem Kettenhemd, das das einzige wirklich Feste an ihm zu sein schien. Waffen besass es keine, doch die brauchte es auch nicht. Seine Krallen waren lang wie Besenstiele. Es hatte keinen Hals, was bedeutete, dass sein Kopf direkt auf dem Rumpf sass. Der Schädel war kugelrund und beinahe kahl. Nur wenige, dafür jedoch dicke und lange, irgendwie schlabberige Haare wuchsen ihm. Die Augen leuchteten schwach bläulich. Auch ein eine Mund hatte es. Er war kaum zu übersehen. Ein riesiges, weit aufgerissenes Haifischgebiss.
»Himmel, was zur Hölle ist das?!«, zischte Sabrina entsetzt.
»Ein Schatten. Königin Lazuli, die letzte Zwergenkönigin vor König Orion, wurde von so einem wie dem ermordet. Und nun überlass mir das Reden, oder willst du, dass er das gleiche mit dir tut?«, antwortete der Herzkasper, dem die Schweisstropfen von der Stirn tropften.
Sabrina erinnerte sich an etwas, das Eril ihr vor langer, langer Zeit einmal erzählt hatte. Ein Schatten hat ihr Herz gefressen... Ja, das waren seine Worte gewesen...
»Seid gegrüsst, grosser Krieger. Wir haben hier noch eine weitere Essensration für die Gefangenen«, rief der Narr dem Schattenwesen zu und verbeugte sich tief. Sabrina tat es ihm gleich.
»Ihr seid spät«, brummte das Wesen mit einer tiefen, rasselnden Stimme und leckte sich mit einer leuchtenden Zunge über die spitzen Zähne.
Der Herzkasper nickte heftig und sprach: »Das wissen wir, grosser Krieger und wir bitten demütigst um Entschuldigung. Die Nacht ist für uns primitive Menschen keine Zeit des Wachens und diese Treppe hat so viele, viele Stufen. Verzeiht uns unsere Lahmheit, doch unsere Beine sind so schrecklich kurz und schwach.«
»Sie sind wirklich sehr kurz«, murmelte das Monster und betrachtete Sabrinas verdreckte Beine.
»Und hässlich noch dazu!«, schlug Sabrina zu und spreizte die Zehen.
»Ja, das auch«, zischte das Wesen gedehnt und grinste amüsiert. Es machte einen Schritt zur Seite. »Na, los. Ihr dürft passieren. Aber beeilt euch, sonst fresse ich euch auf dem Rückweg doch noch!«
Das liessen sich Sabrina und der Narr nicht zweimal sagen. Sie rannten an dem Schatten vorbei und hielten erst wieder an, als sie am Boden ankamen. Da standen sie dann. Keuchend und mit Kompost beladen.
Erst als Sabrina wieder genug Luft bekam, um denken zu können, wurde ihr bewusst, wo sie sich befand.
»Oh, Himmel. Wir sind da! Wir haben es geschafft!«, zischte sie dem Narren zu und der nickte.
Sie standen an einer Kreuzung. Hinter ihnen führte die Treppe zurück nach oben. Links, rechts und geradeaus führten die Gänge zu den Zellen, die zu tausenden hinter eisernen Türen lagen. Die Wände bestanden nun nicht mehr aus Silber, sondern aus gewöhnlichem Stein. Fackeln beleuchteten die Gänge und warfen schaurige Schatten an die Wände. Das Geschrei war fast nicht zu ertragen...
»Los, geh weiter. Hier gibt es jede Menge Wachen. Wir dürfen auf keinen Fall verdächtig wirken, ist das klar?«, zischte der Narr ihr zu und ging an ihr vorbei. Er lief geradeaus, den Blick stur nach vorne gerichtet. Sabrina eilte ihm nach, konnte aber nicht anders, als hier und da einen Blick durch die vergitterten Fensterchen in den Türen zu werfen. Glücklicherweise war es in den Kerkerräumen zu dunkel, als dass sie etwas erkennen konnte. Manche der Gefangenen rannten, sobald sie ihre Schritte vernahmen, zur Tür und streckten flehend ihre Finger durch die Gitter. Andere begannen sofort zu schreien, zu weinen und um Gnade zu betteln. Sabrina wurde schlecht.
»Wer sind diese Wesen?«, fragte sie der Herzkasper, der mit emotionsloser Mimik weiterstapfte.
Der Narr liess sich mit seiner Antwort Zeit und erklärte schliesslich zögernd: »Gefangene. Widerspenstige Bürger von Tempus, Feinde der Dunklen, Diener, die sich zu viele Fehler erlaubt haben. Manche von ihnen sind auch nur hier gelandet, weil die Dunklen gerade Lust hatten, jemanden zum weinen zu bringen. Viele sind Angestellte, an denen Exempel statuiert worden sind.«
Dann schwiegen sie wieder eine Weile.
Plötzlich gellte ein ohrenbetäubender Schrei ganz in ihrer Nähe durch die Gänge und ein Trupp wachen kam um die Ecke gebogen. Es waren drei bewaffnete Wesen, deren Gesichter Sabrina nicht sehen konnte, da sie Helme mit heruntergeklappten Visieren trugen. Einer von ihnen marschierte voraus, die anderen zwei zerrten zusammen einen Gefangenen hinter sich her.
Der Narr schob Sabrina an die Wand, wo sie sich beide gegen den Stein pressten und warteten, dass die Gruppe vorbeiging. Der Herzkasper hielt den Blick stur auf seine Schuhe gesenkt, doch Sabrina konnte nicht anders und musste den Gefangenen anstarren, der nicht aufhörte, zu schreien.
Er war ein Elf. Er war jedenfalls einer gewesen, denn er wirkte kaum noch wie einer. Sonst waren die Elfen für ihre Stärke, Klugheit und Arroganz bekannt, doch dieser Elf hatte nichts von alledem. Er musste früher sehr schön gewesen sein, wie all seine Artgenossen, doch nun war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Haut, die früher makellos rein gewesen war, spannte sich um den abgemagerten Körper. Seine Kleider waren zerfetzt und Blutgetränkt. Seine Haare waren lang und strähnig. Das schlimmste war sein Gesicht. Es war geschwollen, grün und blau. Er hatte Augen und Mund so weit aufgerissen, wie es ging, doch er schien nichts zu sehen. Die tiefgrünen Augen, die früher einmal Weisheit und Tiefsinn ausgestrahlt haben mussten, lagen tief in ihren Höhlen und zuckten blind umher, wie die eines verängstigten Tieres. Und der Mund... Seine Peiniger hatten ihm mehrere Zähne ausgeschlagen. Er schrie und schrie und schrie, hörte einfach nicht auf.
»Bring ihn zum schweigen!«, befahl einer der Wachen. Einer der Kerle, die den Elf hinter sich herzerrten, nickte, liess den Gefangenen los und stapfte auf Sabrina zu. Starr vor Schreck stand sie da, unfähig sich zu bewegen.
»Ich darf doch«, grunzte der Wächter, griff in einen ihrer Eimer und nahm eine Hand voll Kompost heraus. »Friss das, du hässliches Gerippe«, knurrte er und stopfte dem Elf das Zeug in den Rachen. Erst würgte er, doch dann schluckte er gierig. Kein Wunder, er war ja völlig abgemagert.
»Vorwärts«, brummte der Anführer der Wachen und sie zogen weiter.
Sabrina stand noch immer völlig versteinert da. Der Schock sass tief. Für einen Moment hatte sie tatsächlich geglaubt, der Kerl hätte sie als Eisprinzessin entlarvt.
Plötzlich fing sie an zu kichern. Sie hatte keine Ahnung, wieso, aber sie lachte.
»Ganz ruhig, Sabrina, ganz ruhig«, brummte der Herzkasper. Er stellte seine Eimer ab und liess sich vor ihr nieder, um sie zu umarmen. Ihrem Lachanfall folgte ein unkontrollierbares Zittern
»Ich sagte doch, du sollst nicht hinsehen«, murmelte er und strich ihr tröstend über den Rücken. Einen Moment liess sie ihre ganze Panik, Angst und Wut in die Umarmung einfliessen, tankte Mut und Hoffnung bei dem Narren auf, dann bedeutete sie ihm sanft, dass er sie loslassen konnte und flüsterte: »Los jetzt, bevor die nächste Wache vorbeikommt und ich einen Nervenzusammenbruch kriege.«
So gingen sie weiter. Tatsächlich begegneten sie noch weiteren Wachen, mehrere Male sogar, doch meistens waren es nur einzelne Soldaten auf Patrouille. Meistens. Dreimal begegneten sie Wächtern, die gerade einen Gefangenen transportierten, doch dieses Mal konnte Sabrina nicht hinsehen. Sie konnte es einfach nicht und auf einmal konnte sie Seros Entscheidung, sie nicht in das Verlies zu begleiten, nachvollziehen. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie es getan hätte, hätte sie gewusst, wie es hier war...
Irgendwann veränderten sich die Gänge, wurden schmaler und die Fackeln an den Wänden seltener. Unmöglich, aber selbst die Stimmung schaffte es irgendwie, noch düsterer und einschüchternder zu werden.
»Wo sind wir?«, fragte Sabrina vorsichtig und liess ihren Blick wachsam umherzucken. Hinter jeder Ecke erwartete sie einen neuen Wächter.
»Wir nähern uns dem Hochsicherheitstrakt. Dort werden die spezielleren Gefangenen untergebracht. Wichtigere Wesen. Magier und Hexen, die sich nicht auf die Seite der Dunklen schlagen wollten, Märchenfiguren, die den Herrschern treu geblieben sind, höhere Fabelwesen, solche halt.«
»Freunde von mir müssen dort gewesen sein. Hänsel und Gretel. Sie sind zusammen mit einem Menschenjungen namens Pinocchio geflohen. Hast du von ihnen gehört?«, fragte Sabrina gedämpft.
Der Herzkasper nickte und brummte: »Natürlich. Das war Wochenlang das Gesprächsthema Nummer eins! Die Dunklen haben Pinocchio in einen Menschenjungen verwandelt, um dann operativ die Allmachtspieluhr aus seinem Magen zu holen. Erst durch diese Spieluhr haben die Dunklen ihre legendäre Unbesiegbarkeit erhalten. Und dann sind diese Dämonenjäger samt Jungen geflohen. Bis heute munkeln manche, die Dunklen hätten die Flucht der drei gewollt.«
Sabrina nickte. Sie erinnerte sich daran, was Mile ihr über die Dämonenjäger-Geschwister erzählt hatte. Sie hätten ihre Wächter überwältigt und zusammen mit Pinocchio durch die Kanalisation geflohen. Seit sie mit Red befreundet war, hatte sie noch einige Details mehr erfahren, zum Beispiel, dass Red die Erste gewesen war, die die Geflohenen Helden entdeckt hatte. Da Pinocchios Wunde nach der Flucht und auf dem Weg nach LaRuh wieder aufgerissen war und stark zu bluten begonnen hatte, hatte die Rote sogleich versucht, den Jungen zu verarzten. Mile hatte in seinem Übereifer natürlich mal wieder alles auf den Kopf gestellt, da er gedacht hatte, das Blut sei das ihre gewesen...
»Dann ist es also gelogen? Hänsel und Gretel berichteten uns, sie hätten ihre Wachen niedergeschlagen und wären durch die Kanalisation abgehauen«, murmelte Sabrina und sah den Narren fragend an. Dieser kaute nachdenklich auf seiner Wange herum und meinte: »Ich bin mir nicht sicher. Es stimmt, dass es vom Verlies aus einen Zugang zur Kanalisation gibt. Das liegt daran, dass... Nun, sagen wir einfach, die Dunklen haben sehr unmoralische Bräuche was das Entsorgen von Leichen angeht. Trotzdem müssen deine Freunde wirklich gigantisch viel Glück gehabt haben, um von hier fliehen zu können.«
»Dann haben die Dunklen wohl doch ihre Finger im Spiel gehabt.«
»Ich vermute es auch. Bestimmt wollten sie euch damit Angst einjagen. Sie haben euch praktisch ihre Macht demonstriert. Ich weiss zwar nicht besonders viel über diese Spieluhr, nur was ich weiss, ist, dass dieses Ding wirklich, wirklich verdammt mächtig ist.«
»Weisst du denn, wo die Dunklen diese Spieluhr aufbewahren?«, fragte Sabrina hoffnungsfroh.
»Ich wünschte, ich wüsste es. Dann würde ich diese vermaledeite Spieluhr eigenhändig auseinandernehmen und unschädlich machen!«, knurrte der Narr düster und lächelte fröhlich. Himmel, dieser Fluch, der auf dem Herzkasper lastete, war schon ein wenig gruselig...
Stumm trabten sie weiter. Die Gänge wurden immer dunkler und schon bald konnte man kaum noch etwas sehen. Irgendwann nahm der Narr eine der Fackeln aus ihrer Halterung, da kaum noch welche die Gänge erleuchteten. So hatten sie ihr eigenes Licht.
Da sich der Nachtmahr schon eine Weile lang nicht mehr gemeldet hatte, spickte Sabrina kurz in ihre Schürzentasche. Der Dämon blinzelte sie etwas ängstlich an, lächelte jedoch. Wahrscheinlich ging es Faritales wie ihnen allen. Sie waren ziemlich eingeschüchtert von alle dem, was hier vor sich ging.
»Halt«, brummte der Herzkasper auf einmal und presste sich an die Wand. »Da vorne beginnt der Hochsicherheitstrakt.«
»Und das heisst?«
»Das heisst, wir müssen eine Kontrolle passieren.«
»Okay, dann soll Fari sich einfach in einem der Komposteimern verstecken«, schlug Sabrina vor.
Der Dämon stöhnte: »Och nee!«
Der Narr schüttelte den Kopf und erklärte: »So einfach ist das nicht. Die werden merken, dass wir keine normalen Essenslieferanten sind. Bestimmt hatten die Gefangenen des Trakts heute schon ihre Mahlzeit und ausserdem sind wir viel zu spät dran. Wir müssen uns was anderes überlegen.«
»Lass das mal meine Sorge sein«, knurrte Sabrina und stapfte entschlossen los, bevor der Narr sie aufhalten konnte.
Zwei Wachen sassen an einem kleinen Tisch und spielten irgendein Würfelspiel. Hinter ihnen befand sich eine dicke Metalltüre, die der Eingang zum Hochsicherheitstrakt sein musste. Als Sabrina sich den beiden näherte, hoben sie ihre Köpfe und glotzten sie an.
»Was willst 'n du hier?«, brummte der eine plump und kratzte sich unter den Axeln. Er war, genau wie sein Partner, ein Werwolf in seiner menschlichen Gestalt. Das war leicht zu erkennen, den beide hatten dieses tierische Glitzern in den Augen und ausserdem hatten sie Flöhe.
»Ich soll den Gefangenen ihr Essen bringen«, meinte sie, lächelte unschuldig und machte einen Knicks, was ihr lüsterne Blicke von Seiten der Wölfe einbrachte.
»Kann nicht sein. Die hatten ihren Frass heut schon...«, grunzte der andere Werwolf und stand auf. Er begann an ihren Haaren zu schnuppern. »Du riechst auch ganz komisch. Bist du neu? Ich hab dich noch nie gesehen. Kommst du aus Tempus?«
Blitzschnell liess Sabrina die Komposteimer fallen, griff nach oben, packte den Kopf des Werwolfes und liess die Kälte ihren Arm hinaufklettern. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als das Eis durch ihre Adern schoss. Ja, sie hatte ihn vermisst, den Frost auf ihrer Haut und den Schnee in ihrem Haar...
Der Werwolf quiekte kurz erschrocken auf, dann fiel er wie ein Baum um und blieb leblos liegen.
»Ey, was haste mit meinem Kumpel angestellt?«, rief der andere Wächter und richtete sich auf, wobei er den Tisch umstiess. Die Würfel, mit denen er und sein Kumpel zuvor noch gespielt hatten, kullerten zu Boden.
»Ich denke, ich würde es Gehirnfrost nennen. Ich verpasse den Leuten durch meine Finger einen sehr schnellen, kurzen aber äusserst heftigen Kältestoss. Wenn dieser gut an der Schläfe platziert ist, friert dir also im wahrsten Sinne des Wortes der Kopf ein«, antwortete sie lässig und betrachtete ihr am Boden liegendes Opfer. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich nicht augenblicklich zu übergeben. Dieser Werwolf war natürlich nicht das erste Wesen, das sie getötet hatte. Da waren schliesslich die Moracks gewesen, die sie in jener schrecklichen Nacht angegriffen und Arillis umgebracht hatten. Dieser Werwolf hingegen war das erste Wesen, das in gewisser Weise menschlich war. Die Moracks waren nur hässliche, brutale Monster gewesen. Das hier war anders. Das hier war... Mord!
Egal. Sie durfte jetzt nicht darüber nachdenken. Sie musste cool bleiben, ansonsten würde der Werwolf ihre Unsicherheit bemerken und ausnutzen.
»Ich löse jetzt den Alarm aus und du gehst ja nicht weg!«, drohte der Wolf ihr und streckte den Arm zu der Messingglocke aus, die an der Wand angebracht war. Sabrina war jedoch schneller. Sie hob die flache Hand an ihre Lippen und blies der Alarmglocke einen eiskalten Kuss entgegen. Der Klöppel fror augenblicklich an der Glocke selbst fest.
»Versuch es erst gar nicht. Oder willst du enden wie dein Kumpel hier?«, fragte sie drohend und stupste den leblosen Werwolf mit ihrem Fuss an. Erneut kämpfte sie gegen die Übelkeit an und gewann ein zweites Mal. So stolzierte sie über die Leiche hinweg auf das dicke Metalltor zu.
»Mach es auf!«, befahl sie dem Wolfsmann. Dieser schüttelte den Kopf und protestierte: »Nein, nein. Ich mach gar nichts, Mädchen. Wer bist du eigentlich?«
Aus den Augenwinkeln nahm sie eine Bewegung wahr. Der Herzkasper schlich sich an sie heran.
»Sag bloss, du erkennst mich nicht. Ich lebe noch nicht sehr lange in dieser Welt, doch meine Eltern taten es. Mir wird oft gesagt, ich würde meiner Mutter sehr ähnlich sehen...«
Der Wolf starrte sie an. Seine Augen wurden grösser und grösser und Sabrina befürchtete schon, sie würden ihm gleich aus dem Kopf springen, da keuchte er: »Nein! Das ist absolut unmöglich!«
»Und doch stehe ich hier.«
Vollkommen fassungslos stolperte der Mann rückwärts und stammelte: »Wie... wie kommst du hierher? Du... du... du bist die...«
Plong!
Der Werwolf klappte zusammen.
»Na super. Jetzt hab ich das Zeug auf den Schuhen!«, jammerte der Herzkasper sah angeekelt auf seine Schnabelschuhe hinunter, an denen jetzt Kompostmatsche klebte. Neben ihm lag der Blecheimer, mit dem er dem Werwolf eins übergezogen hatte.
Sabrina lehnte sich erleichtert an die kühle Metalltür. Sie war froh, dass der Narr den Wächter K.O. geschlagen hatte. Sie hatte keine Ahnung, ob sie es geschafft hätte, auch den zweiten Werwolf umzubringen.
»Los, hilf mir mal. Einer dieser Kerle muss den Schlüssel für das Tor haben«, knurrte der Narr und begann den Bewusstlosen zu durchsuchen.
»Kannst du... die... Leiche übernehmen. Ich schaff das nicht«, murmelte Sabrina und schluckte schwer. Ihr Magen rebellierte.
»Klar«, meinte der Narr und das Mitleid schwang in seiner Stimme mit. Er zog verachtend die Oberlippe hoch, doch natürlich wusste Sabrina, dass es sie eigentlich aufmunternd anlächeln wollte.
So liess sie sich auf die Knie sinken und begann den Werwolf abzutasten. Sie fand den Schlüssel an einem Seil, das um seinen Hals hing.
»Hab ihn«, rief sie dem Herzkasper zu und probierte den Schlüssel gleich mal aus. Die dicke Metalltür öffnete sich mit einem quietschen. Bevor sie den Gefängnistrakt erkunden konnten, mussten sie erst ihre Spuren beseitigen. Sie stellten den umgeworfenen Stühle und den Tisch wieder auf, sammelten die Würfel ein und platzierten sie auf dem Tisch. Dann hievten sie die Wölfe hoch und drapierten sie so auf ihren Stühlen, dass es von weitem so aussah, als schliefen die beiden.
»Warte mal...«, brummte der Narr und kramte in seinen Taschen herum. Schliesslich zog er eine kleine Phiole aus einem Beutel, der an seinem Gürtel hing. Er entkorkte das Fläschchen und liess drei Tropfen des Inhalts in den Mund des Bewusstlosen fallen.
»Schlafmohnsaft«, erklärte er. »Ich habe ihn vor langer Zeit einem nicht ganz legalen Gewürzhändler abgekauft. Das schenkt unserem Wolf hier etwas mehr Schlaf und uns Zeit. So ist auf jeden Fall sicher, dass er nicht allzu früh aufwacht.«
Nachdem sie sich noch ein letztes Mal vergewissert hatten, dass alles auch schön echt aussah, schnappten sie sich ihre Komposteimer und betraten den Hochsicherheitstrakt. Die grosse Metalltür fiel hinter ihnen ins Schloss...

Dieser Gefängnistrakt sah wirklich anders aus als der gewöhnliche. Der Gang war breiter und anstelle von Fackeln erhellten schwarze Kerzenleuchter, die in regelmässigen Abständen aufgestellt worden waren, die Gänge. Der Boden war aus schwarzem Granit und so glatt poliert, dass man sich darin spiegeln konnte. Man konnte in jede Zelle hineinsehen, denn sie waren nicht mehr nur von einer Metalltür, sondern von einem ganzen Gitter verschlossen. Dicke, schwarze Stangen, die nicht aus Metall, sondern aus Obsidian angefertigt worden waren. Der schwarze Edelstein, der die Macht hatte, Magie zu blockieren. Beim genaueren Hinsehen stellte Sabrina beklommen fest, dass alle Böden, Decken und Wände innerhalb der Zelle aus besagtem, schwarzen Stein bestanden. Dies machte es unmöglich, innerhalb der Zellen auch nur den kleinsten Zauber zu wirken. Sie musste sich um jeden Preis von den Zellen fernhalten!
»Okay, du musst mir jetzt sehr gut zuhören, Sabrina. Cernunnos befindet sich in der allerletzten Zelle dieses Ganges. Das Problem ist jedoch, dass es hier von Wachen nur so wimmeln wird. Wir müssen jetzt wirklich, wirklich gut darauf achten, was wir tun und sagen. Versuch so normal wie möglich auszusehen. Lass dir deine Furcht anmerken, aber präsentiere sie nicht zu offensichtlich, denn das macht dich verdächtig. Geh schnell, renn aber nicht. Sieh niemandem in die Augen. Weder Gefangenen noch den Wachen. Das gilt auch für die Gefangenen, die in ihren Zellen sitzen. Sprich mit niemandem, ausser es ist ein Wärter, der dich etwas fragt. Sollten wir auffliegen, müssen wir so schnell wie möglich von hier verschwinden! Das heisst, wenn ich sage, du sollst laufen, dann läufst du. Selbst wenn ich aufgehalten werde. Du bist die Eisprinzessin. Das Schicksal dieser Welt hängt von dir ab, nicht von einem gefühlsmässig verwirrten Clown wie mir. Nutze all deine Gaben, wenn du kannst. Zögere nicht, dein Eis einzusetzen, selbst wenn du töten musst, um dich zu retten, ist das klar?«
Sie nickte, doch der Narr gab sich nicht damit zufrieden, packte sie an der Schulter und fragte mit traurig verzogenem Mund: »Ob das verdammt nochmal klar ist?«
»Ja doch«, antwortete Sabrina leicht verärgert.
»Gut, dann lass uns keine Zeit verlieren.«
So schlichen sie durch den Hochsicherheitstrakt. So unscheinbar und vorsichtig wie Geister. Keiner von ihnen sagte auch nur ein Wort, als einer der Gefangenen die Finger nach ihnen ausstreckte und um Hilfe bettelte. Sie sahen nicht hin, als die Frau, die zwei Wächter mit sich zerrten, es schaffte sich loszureissen, so schnell sie konnte wegrannte, um dann doch von einem der Soldaten eingeholt zu werden, der nicht lange fackelte und sie mit seinem Knüppel erschlug.
Immer wieder trafen sie Auf Wächter, doch kaum einer nahm Notiz von ihnen. Sie gingen ihrer Arbeit nach, ohne mit der Wimper zu zucken.
Sabrina zwang sich, einfach weiter zu gehen. Sie durfte nicht eingreifen, weil dann nicht nur ihr Leben, sondern auch das des Herzkaspers in Gefahr wäre. So bleib ihr nichts anderes übrig, als die Augen zu schliessen und zu versuchen, nicht hinzuhören. Sie gab sich die grösste Mühe, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen und in Form von kleinen Eisperlen auf dem Granitboden landeten. Glücklicherweise fiel das niemandem auf. Bis jetzt jedenfalls...
Es konnten nur Minuten verstrichen sein, doch trotzdem fühlte es sich an, als wären Jahre vergangen, als sie schliesslich endlich ihr Ziel erreicht hatten. Sie hatten das Ende des Flurs erreicht, wo eine neue, dicke Metalltüre ihnen den Weg versperrte. Ein riesiger, starker Haufen Muskelmasse sass auf einem Stuhl und las in einem Buch. Der Muskelprotz war ein Minotauros. Der fünf Meter grosse, aufrechtgehende Stier war von oben bis unten von schwarzem Fell bedeckt. Seine Hörner waren gigantisch und ohne Zweifel tödlich scharf. Bekleidet war er mit einem Lendenschurz aus rotem Samt, auf den eine schwarze Sieben gestickt war. Auf seiner dunkelbraunen Schnauze trug er eine goldene Lesebrille.
»Ein belesener Minotauros?«, zischte Sabrina verwundert.
Der Narr zuckte die Schultern und murmelte: »So sieht es aus. Mist, das ist gar nicht gut. Stark und schlau. Das kann heutzutage eine wirklich üble Kombination sein...«
Ohne zu zögern marschierten die beiden weiter auf das Monster zu, das Cernunnos Zelle bewachte. Kurz bevor sie die Tür erreicht hatten, sah der Minotauros auf, legte sorgsam Buch und Lesebrille weg und nahm stattdessen eine gewaltige Hellebarde zur Hand. Er baute sich vor der Metalltür auf und verkündete mit einer Stimme, so tief und voll wie Donnergrollen: »Mein Name ist Asterios. Ich bin der Wächter des Verlies'. Tragt mir euer Begehren vor, fremde Menschenkinder, die ihr diesen verfluchten Ort aufsucht.«
Da Sabrina zu sehr mit Dumm-aus-der-Wäsche-Glotzen beschäftigt war, antwortete der Narr für sie beide: »Wir bringen dem Gefangenen Cernunnos sein Mahl.«
Der Stiermann scharrte mit den Tellergrossen Hufen und brummte: »Für heute war keine Fütterung vorgesehen. Kommt morgen wieder!«
»Das geht nicht«, antwortete der Herzkasper und streckte dem Minotauros die Komposteimer entgegen. »Es muss heute sein. Morgen erwarten die Dunklen Gäste und es wird nicht Genug Essen für Cernunnos übrig sein.«
»Gäste?«, fragte das Monstrum und kratzte sich hinter seinem Ohr. »Ist das wahr? Was sagst du dazu, Menschenmädchen? Spricht dein Begleiter die Wahrheit?«
Sabrina schluckte und antwortete: »Aber ja, grosser Asterios. Morgen wird ein grosses Fest stattfinden. Es werden viele wichtige Leute erwartet. Es ist die Wahrheit. Wir wären niemals so dreist, Euch, den gefürchteten Asterios, anzulügen!«
Das schien dem Minotauros zu gefallen, denn er schnaubte fröhlich und seine Ohren wackelten amüsiert.
»Nun, dann werde ich heute eine Ausnahme machen. Kommt und tut eure Arbeit, Menschenkinder.«
Mit diesen Worten lehnte Asterios seine Hellebarde wieder an die Wand, beugte sich zu dem Tor hinab, steckte einen Schlüssel, der die Grösse eines Kochlöffels hatte, in das dazugehörige Schloss und drehte ihn herum. Die Tür sprang auf der Minotauros liess sie passieren.
»Wenn ihr fertig seid, klopft ihr dreimal gegen die Tür«, brummte er zum Schluss, dann schloss er die Tür hinter ihnen wieder zu.

Sabrina, Faritales und der Herzkasper befanden sich in einem grossen, achteckigen Raum. In der Mitte befand sich eine Art Altar, auf dem ein Kerzenleuchter und einige Ketten aus Obsidian lagen. Wie alle Gänge und Zellen des Verlies' war auch dieser Fensterlos. Polierter, weisser Granit suggerierte eine unheimliche Hellich-und Fröhlichkeit, doch das eingetrocknete Blut in den Ritzen zwischen den Fliesen erzählte eine andere Geschichte. Ausserdem wirkte der ganze Raum etwas unterkühlt, als hätte jemand die Klimaanlage auf Minusgrade eingestellt. Links, rechts und in der Wand gegenüber waren breite Gittertüren eingelassen, hinter denen sich weitere Gefängniszellen befanden. In einer dieser Zellen musste also dieser Cernunnos eingesperrt sein...
Hinter ihnen erklangen Stimmen durch das Metall. Was gesagt wurde, konnten sie nicht verstehen, nur dass dort jemand war. Mit wem redete Asterios da?
»Ich glaube«, zischte der Herzkasper nervös, »wir sollten uns beeilen. Ich habe das ungute Gefühl, als bekämen wir gleich Gesellschaft...«
Sie nickte, stellte die Komposteimer achtlos auf den Boden und ging auf die Zelle zu, in die das geheimnisvolle Wesen gesperrt war, das sich Cernunnos nannte. Aus irgendeinem Grund wusste sie, wo Cernunnos sich befand. Es war, als könne sie ihn fühlen. Als bestünde eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen. Sie hatte dieses Gefühl, seit sie diesen schaurigen Raum betreten hatten.
Es war die Zelle gegenüber der Tür. Sabrina schielte in das Innere der Zelle, doch dort war es stockfinster. Sie strengte ihre Augen an, doch auch das half nicht. Die Gitterstäbe anzufassen wagte sie nicht. Sie hatte ja bereits Bekanntschaft mit der Wirkung von Obsidian gemacht...
Die Stimmen hinter der Metalltür wurden lauter. Jemand schrie etwas...
»Beeil dich, Sabrina!«, rief der Narr ihr zu.
Doch noch immer verbarg sich der Gefangene im Schatten.
Auf einmal hallte ein ohrenbetäubendes Brüllen durch den Raum und etwas Schweres krachte zu Boden. Irgendwas stimmte da draussen vor der Tür nicht. Vor Scheck schrie Sabrina auf und auch der Narr zuckte zusammen. Doch die beiden Menschen waren nicht die einzigen, die von dem Geräusch erschreckt worden waren. Auch hinter den Obsidiangittern war ein hektisches Scharren zu hören.
»Cernunnos? Cernunnos, kannst du mich hören? Bitte zeige dich mir«, bat Sabrina und spähte in die Dunkelheit. Nichts tat sich.
Von draussen war erneut ein Schrei zu hören. Dieses mal ein menschlicher, vor Wut verzerrter.
Sabrina wollte noch nicht aufgeben. Sie hatten es doch schon so weit geschafft! So rief sie erneut den Namen des Wesens, dieses Mal etwas lauter und mit mehr Nachdruck: »Cernunnos!«
Mit einem Mal stiess das Wesen in der Zelle einen so schaurigen und durchdringenden Klagelaut aus, dass Sabrina die Haare zu Berge standen. Und dann raste Cernunnos aus dem Schatten. Er schrie sein Leiden in die Welt und warf sich ohne Halten gegen das Gitter. Der mächtige Körper krachte gegen den Obsidian, konnte jedoch nicht das Geringste ausrichten.
Und Sabrina sank zu Boden. Es war, als würde über die Verbindung, die sie mit jenem unglaublichen Geschöpf hatte, sie überfluten. Schmerz, Leid, Wut, Angst und eine irre Panik überrollten sie und rissen sie mit sich. Sie kniete vor den Gittern, vollkommen verloren, starrte Cernunnos an und weinte um ihn.
Cernunnos war ohne Zweifel das wunderschönste Geschöpf, das sie jemals gesehen hatte. Sein Körper war so kräftig, prächtig und elegant, dass man nicht wagte, zu blinzeln, aus Angst, man könnte etwas verpassen. Sein weisses, reines, weiches und volles Fell schimmerte, als wäre es mit einer dünnen Schicht Gold und Silber belegt, wie die Sterne am Himmel. Die Hufe glänzten und warn doch rau wie ungeschliffenes Silber Sein Kopf war kantig und zugleich fein. Seine Schnauze war grau, die Augen dunkel und geschwungen. Aus seiner Stirn rankte ein solch prächtiges Geweih empor, mit so vielen Verästelungen, dass einem beim Betrachten schwindlig wurde.
Cernunnos war ein riesiger, weisser Hirsch.
»Verstehst du jetzt, wieso ich ihn dir nicht beschreiben konnte?«, rief der Herzkasper über die Stimmen und den Lärm hinweg, den Cernunnos verursachte, indem er sich immer und immer wieder aufs Neue gegen die Gitterstäbe warf.
Sabrina stand langsam auf. Entsetzt sah sie dem Hirsch zu, wie er versuchte, sich aus seinem Gefängnis zu befreien.
»Wieso tut er das?«, fragte sie, ohne den Blick abwenden zu können.
»Keine Ahnung. Wenn ich ihn so sehe glaube ich fast, er hat den Verstand verloren...«
Der Narr hatte Recht. Wie von Sinnen warf der Hirsch sich immer wieder gegen die Gitterstäbe, als wäre er von dem unkontrollierbaren Drang geleitet, sich befreien zu müssen. Und dann noch diese wunderschönen, geschwungenen Augen... Die blanke, wilde Panik tobte in seinem Blick.
»Oh, nein. Himmel, Sabrina, bring dich in Sicherheit, die kommen hier rein!«, brüllte der Herzkasper und rannte auf sie zu.
»Was? Wer?«, fragte sie verwirrt, unfähig, die Augen von dem Hirsch abzuwenden.
»Die da draussen«, zischte er, packte sie und warf sich mit ihr hinter dem Altar zu Boden. Keine Sekunde zu spät, denn gleich darauf war ein Klicken zu hören. Jemand hatte das Schloss geöffnet! Sogleich wurde die Tür aufgestossen und Schritte waren zu vernehmen.
»Wo sind sie?«, brüllte eine kratzige Männerstimme.
»Menschenkinder waren es. Sie sagten, sie müssten Cernunnos sein Mahl bringen, da morgen ein Fest stattfinden und nichts für ihn übrig bleiben würde«, brummte Asterios kleinlaut.
»Bist du denn für gar nichts zu gebrauchen?«, grunzte eine weitere, männliche Stimme.
»Ich konnte nicht wissen, dass es unsere Feinde sind, Menschenmann.«
»Du hättest vielleicht einfach mal nachdenken müssen!«, antwortete der andere Mann.
Sabrina klammerte sich an den Herzkasper. Sie versuchte so flach zu atmen, wie irgendwie möglich.
Eine neue, ebenfalls männliche, jedoch eindeutig jüngere Stimme meldete sich zu Wort: »Wieso wirft sich das Tier gegen die Gittertür? Glaubt es etwa, es könnte sie so öffnen?«
Sabrinas Herz krampfte sich zusammen und blieb stehen, nur um dann los zu hämmern, wie vom Teufel besessen.
Sie kannte diese Stimme.
Aber nein, niemals. Niemals! Das konnte einfach nicht sein. Das durfte, konnte, sollte nicht sein! Nicht er. Nicht er auch noch!
»Woher soll ich wissen, was das blöde Reh da hinten für 'nen Rappel hat?«, antwortete einer der anderen Männer.
»Aber nein, das ist doch kein Reh«, meinte die Stimme, die sie so gut kannte. Ihr Besitzer schritt vor die Zelle und betrachtete den wahnsinnigen Cernunnos, der sich noch immer ohne Halten gegen seine Zellentüre warf. »Das ist ein Hirsch.«
Sabrina bekam keine Luft mehr. Alles in ihr zog sich zusammen, während sie gleichzeitig das Gefühl hatte, zu explodieren.
Warum? Wieso er?
»Und wo sind die beiden Menschen jetzt, Asterios? Wo sind die beiden hin? Verdammt, du bescheuertes Rindvieh! Wer auch immer die beiden sind, sie haben einen von unseren Leuten umgebracht!«, fluchte der dritte Wächter.
Der junge Mann, dessen Stimme sie kannte drehte sich um.
Sabrina wünschte sich die Zeit zurück, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Damals hatte sie immer geglaubt, dass wenn sie die Augen zumachte, sie unsichtbar werden würde. Für ein kleines Kind war das ja auch nur logisch, denn wen sie nichts sah, konnte man sie auch nicht sehen.
Heute wusste Sabrina natürlich, dass man nicht unsichtbar werden konnte. Mit offenen oder geschlossenen Augen, alle konnten einen sehen. Darum hätte es ihr auch jetzt nicht geholfen, als sich ihr Blick mit dem des jungen Mannes kreuzte.
»Na, wo sind sie? Die können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben!«, brüllte der zweite Wächter, doch weder Sabrina, noch der junge Mann hörten es. Beide waren in diesem Moment gefangen in den Augen des anderen.
In seinen Augen gefangen...
Ihr hatten seine Augen von Anfang an gefallen. Die helle, graublaue Iris... Auch sein markantes Kinn war schon immer ein Blickfang gewesen. Dann noch das dunkelbraune Haar, die sinnlichen Lippen... Und doch hatte er sich verändert. Seine Aura war durchtränkt von Hass, Verzweiflung, Einsamkeit und einer solch bodenlosen Trauer, dass er Sabrina beinahe mit sich in die Tiefe gezogen hätte. Passend dazu war das reisserische Lächeln, das er stets auf den Lippen getragen und nie abgelegt hatte, wie andere es mit ihrem Lieblingsmodeaccessoire zu tun pflegten, verschwunden und hatte nur ein trauriges Schmunzeln zurückgelassen. Ausserdem hatte er seine Haare am Hinterkopf wachsen lassen, so dass er sie im Nacken zusammenbinden konnte. Er hatte die Machoklamotten gegen einen schwarzen Waffenrock getauscht. Seine Beine steckten in dunklen Lederhosen. Pfeil und Bogen waren einem zweischneidigen Breitschwert gewichen. Beständig geblieben waren nur die Narbe auf seiner Wange und der Ohrring, der aus dem unbekannten, grünen Metall geschmiedet worden war und ihn als Drachenreiter kennzeichnete.
»Das kann doch nicht wahr sein!«
Schnellen Schritts eilte er auf sie zu, packte sie und riss sie hoch. Sie wehrte sich nicht, konnte einfach noch immer nicht fassen, wen sie da vor sich sah.
»Wie hast du das nur geschafft?«, knurrte der Elf. Er hob ihr Kinn an, strich über ihr Haar. Ein düsteres Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Mit einem Ruck zog er sie an sich, hielt ihren Kopf mit beiden Händen fest und küsste sie begierig.
Mit einem Mal war Sabrina wieder wach. Sie wand sich in seinem Griff, versuchte sich loszureissen. Erst wollte es ihr nicht gelingen und sie hasste ihn dafür, wie er sie jetzt umklammert hielt und diesen widerlichen Kuss aufzwang. So riss sie mit aller Kraft ihr Knie hoch und donnerte es ihm zwischen die Beine.
Er fluchte und liess sie los. Benommen stolperte Sabrina zurück.
»Was tust du hier?«, schrie sie ihn an. »Warum?«
Der Elf erholte sich schnell von dein Schmerzen in seinem Unterleib und grinste sie gehässig an.
»Wer... wer zum Teufel ist das?«, fragte der Herzkasper und starrte den jungen Elf an.
»Mein Name«, sprach der Elf, »ist Erillion Aquelliėre.«
»Sein Spitzname ist übrigens Eril, aber ich pflege es, ihn ‚das verdammte, riesige Oberarschloch' zu nennen«, fauchte Sabrina und verschränkte die Arme vor der Brust.
Die anderen beiden Wächter stellten sich neben Eril. Es waren ein grosser, dürrer, vollbärtiger Mensch und ein kleiner, pummliger Kerl mit einer unglaublich hässlichen Schweinenase. Der Lulatsch musterte Sabrina und ihren Begleiter eindringlich, dann lachte er und meinte: »Die Kleine hat ja richtig Temperament. Woher kennst du sie? Ist sie eine von deinen Liebschaften?«
»Ich würde unsere Beziehung ja eher als zeitweilige Geschmacksverirrung bezeichnen«, meinte Sabrina und Eril konterte: »Meinst du von meiner oder deiner Seite?«
Der Herzkasper piekte ihr unauffällig in die Seite und raunte: »Lass uns abhauen, solange der Minotauros die Tür noch offen lässt!«
»Du verdammter Heuchler hast mich benutzt, um deinem beschissenen Grafen in den Hintern zu kriechen. Du hast mich und Arillis hintergangen und...«
»Nimm ihren Namen nicht in dein schmutziges Mundwerk!«
»Wessen Namen? Arillis? Arillis Tamall? Und wie hiess ihr Drache? Tircha, nicht wahr?«
Erils schönes Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Fratze. Er kam auf sie zu und hob die Hand, als wolle er sie schlagen.
»Das wagst du nicht«, flüsterte sie.
»Ach nein?«, antwortete er und lachte. »Weisst du, Sabrina, es ist schon witzig. Seit die Sache zwischen mir und dir vorbei ist, habe ich kein anderes Mädchen mehr geküsst. Ich bin dir also auf eine Art doch treu geblieben.«
»Klar doch. Zeig mir doch mal deine Narbe, die ich dir verpasst habe, als ich herausgefunden habe, was du mir angetan hast. Jetzt weisst du, was ich von deiner Treue halte!«
Eril grinste erneut und drehte seinen Kopf zur Seite, damit sie die seine Narbe bewundern konnte, die ihr weisser Sinduin ihm ins Fleisch gepickt hatte. Tatsächlich prangte der leuchtend rote Blutrabe noch immer in seinem Gesicht.
»Was tust du eigentlich hier? Ich dachte, ihr Drachenreiter dient nur eurem geschuppten Graf?«, fragte Sabrina ein wenig irritiert.
»Wer sagt denn, dass ich meinem Grafen nicht mehr diene?«, schnurrte der Elf und grinste bösartig.
»Soll das etwa heissen, der geschuppte Graf hat sich auf die Seite der Dunklen geschlagen?«, zischte Sabrina entsetzt.
»Dummes Püppchen«, brummte Eril genüsslich und strich ihr eine goldene Haarsträhne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, zurück. »So unwissend. Du hast keine Ahnung, nicht wahr?«
Sabrina schlug seine Hand weg und flüsterte: »Wie kannst du nur? Wie kannst du nur für die Dunklen kämpfen? Ich hätte dir niemals vertrauen dürfen!«
»Verräter«, zischte der Herzkasper und spuckte Eril vor die Füsse.
»Und wer ist das?«, fragte der Elf und deutete mir einem Kopfnicken auf den Narren. »Ist das dein neues Spielzeug? Ist dir der Pirat schon zu langweilig geworden? Du scheinst wohl echt auf die Krüppel zu stehen, habe ich recht? Ich hoffe nur, dass ich da nicht schult dran bin. Tut mir echt leid, dass ich dir dein Herz brechen musste und dir so dein Liebesleben verkompliziert habe!«
»Das einzige, das hier gebrochen wurde, ist deine Ehre!«, brüllte sie und trat ihm mit ganzer Kraft ins Schienbein. »Lauf!«
»Haltet sie!«, schrie Eril, doch zu spät. Sabrina hatte den Herzkasper bereits an der Hand genommen und losgelaufen. Sie rannten, rannten so schnell sie konnten. Schneller, schneller und schneller. Sie wichen den Fäusten des Minotauros aus, überschlugen sich beinahe, als sie sich in Sicherheit stürzten.
»Haltet sie! Sie ist die Eisprinzessin! Haltet die Eisprinzessin auf!«
Eisprinzessin.
Das Wort hallte von den Wänden des Verlies' wieder. Wie ein Versprechen, das den Wesen Hoffnung gab, denn sie krochen zu ihren Zellentüren, streckten die Hände nach ihr aus und riefen nach ihr.
»Eisprinzessin!«
»Lauf! Schneller, Wintermädchen!«
»Renn und komm zurück, um uns zu retten!«
Wann auch immer sie einem Wächter begegneten, setzte Sabrina ihre tödliche Kälte ein. Beinahe ein Dutzend Soldaten der Dunklen streckte sie nieder.
Sie erreichten die Tür, die aus dem Hochsicherheitstrakt führte und stammten sie auf, rannten weiter.
Und dann kamen die Wächter auf sie zu. Von allen Seiten strömten sie aus den Gängen. Grosse und kleine. Bewaffnet mit Schlagstöcken, Schwertern, Morgensternen, Hellebarden und allerlei anderen grausigen Waffen.
»Es sind zu viele!«, rief der Herzkasper, nachdem Sabrina zehn der Soldaten erledigt hatte.
»Nein!«, schrie sie und liess die Kälte aus ihren Händen strömen, wie sie es noch nie sonst getan hatte. Ein Blizzard fuhr über die Massen an Wächtern hinweg. Dutzende brachen über den Körpern ihrer toten Kumpanen zusammen und doch wollten es nicht weniger werden. Immer neue kamen aus ihren Löchern gekrochen.
»Eisprinzessin!«, riefen die Gefangenen. Wie ein Schlachtruf verbreitete es sich. Jeder, der noch fähig war zu sprechen, begann nach ihr zu rufen. Wie ein Lied, das ihnen Hoffnung schenkte.
»Eisprinzessin!«
»Eisprinzessin!«
»Eisprinzessin!«
Sogar die Schreie der Soldaten wurden übertönt.
»Eisprinzessin!«
Ein immer lauter werdendes Echo.
»Eisprinzessin!«
Und doch schaffte Sabrina es nicht, die Soldaten zu überwältigen. Es waren so viele, so unglaublich viele!
»Sabrina, du musst dich selbst retten, hast du verstanden?«, brüllte der Herzkasper. Er hatte sich einen Speer geangelt, den irgendein toter Soldat hatte fallen lassen und stach damit in die wuselnde Welle aus Wächtern.
»Wir sitzen im gleichen Boot«, gab sie zurück. Sie würde ihren treuen Freund nicht einfach hier zurücklassen! Auf keinen Fall!
»Du kannst es schaffen! Sieh, links von dir, dort sind es weniger Wächter. Wenn du dich auf diesen Punkt konzentrierst, kannst du ihre Mauern durchbrechen. Ich halte die Stellung für dich«, rief er und deutete in die Richtung, wo es tatsächlich weniger Angreifer geworden waren.
»Ich lass dich nicht zurück!«
»Das musst du«, widersprach der Narr. »Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich kann gut kämpfen.«
Sabrina schüttelte den Kopf. Die Tränen stiegen ihr, wie schon so oft in dieser schrecklichen Nacht, in die Augen und fielen in Form von eisigen Perlen zu Boden.
»Lauf, Sabrina, lauf!«
»Herzkasper...«
»Lauf!«
Und so warf Sabrina ihren Eisstrahl mit aller Macht gegen die Wächter. Sie wurden beinahe zerfetzt von der Eiseskälte, die über ihnen zusammenbrach. Wie der Narr es vorhergesagt hatte, tat sich eine Lücke in der Mauer der Wächter auf.
Ein letztes Mal blickte sie zum Herzkasper zurück, der ihr tapfer zunickte und sich dann den Massen an Angreifern stellte.
»Lauf!«, schrie er ihr nach. »Lauf, du kluges Wintermädchen und komm zurück, um uns alle zu retten!«
Und Sabrina rannte, schneller und schneller. Die Tränen rannen in Sturzbächen über ihr Gesicht.
»Eisprinzessin!«
»Eisprinzessin!«
Die Gefangenen riefen nach ihr, schlugen auf ihre Zellentüren ein.
»Sabrina«, rief Faritales. Er krabbelte aus ihrer Schürzentasche und kletterte auf ihre Schulter. »Sabrina, du musst dich zurückträumen, bevor es zu spät ist!«
Sie lachte auf und zischte: »Und wie? Fari, ich kann es nicht kontrollieren!«
»Du musst es versuchen! Du... Oh, verdammt...«, brach der Dämon ab und starrte auf den Trupp Wachen, die auf sie zustürmten. Sabrina machte auf dem Absatz kehrt und bog in den nächsten Gang ab.
»Los! Versuch es!«, schrie der Nachtmahr uns krallte sich in ihre Schulter.
»Aber wie?«
Ein weiterer Trupp Wachen entdeckte sie und stürmte ihr nach. Na klasse, jetzt waren ihr schon zwei Truppen auf den Fersen!
»Mondkind meinte, man könnte das Träumen mit Willenskraft steuern! Los doch! Denk einfach mit aller Macht daran, nach Hause zu kommen! Zu Mile und Hook! Streng dich an, Sabrina! Du kannst das schaffen, ich glaube an dich! Der Herzkasper glaubt an dich! Das tun wir alle! Wir glauben an dich!«
Sie kamen von allen Seiten. Ihre Kettenhemden rasselten und ihre Waffen glitzerten gefährlich im Licht der Fackeln.
»Eisprinzessin!«
»Eisprinzessin!«
»Eisprinzessin!«
»Sabrina!«
So schloss sie die Augen und hielt sich die Ohren zu. Bilder rasten vor ihrem geistigen Auge vorbei. Mile, wie er das erste Mal im Garten der Tallos sein Feuer entdeckte, Hook, wie er am Steuerrad der Jolly Roger stand und sich den Wind durch die Haare wehen liess, Bree, wie sie mit ihr trainierte, Nebelfinger, dessen weisses Gefieder in der Nacht so gut zu erkennen war, Jeremy Topper, der Zaubertricks mit seinem Zylinder vorführte...
»Nach Hause!«, flüsterte sie. »Ich will nach Hause, zu den Menschen, die ich liebe!«
Und dann wurde es still.
Sabrina schlug die Augen auf.
Sie lag in ihrem Bett und das schwache, goldene Licht der erwachenden Sonne schien auf die Dielenbretter ihres Zimmers.
Sie hatte es geschafft. Zum ersten Mal hatte sie ihre Traumreise kontrolliert!
Sie war wieder da.
Sie war zu Hause!


---------------

Hallo meine liebsten Wattpaders, ڿڰۣ-ڰۣ-

Ich habe die halbe Nacht an diesem Kapitel gesessen und hoffe sehr, dass es euch gefallen hat. Seid ehrlich, war ich gegen Ende zu brutal? Tut mir leid, aber ich denke, ich hab einfach zu viel Game of Thrones geguckt. Haha, ach was, Blödsinn^^

Liebe Katsa,
Ich wünsche dir eine schnelle und gute Besserung! Nieder mit den fiesen Sarahzillen! Du musst ganz schnell gesund werden, denn ohne dich kratz ich doch ab in der Schule! Wer soll mich denn sonst mit diesem amüsanten Sarkasmus verarschen???

Liebe Leser,
Viele von euch haben sich ja mehrmals schon gewünscht, dass ich euch warne, wenn Kapitel mit Bonnie und Theodor anstehen. Das ist nämlich der Fall. Kapitel 52 wird wieder von den beiden Streithähnen handeln. Seid nicht enttäuscht, ich werde mir ganz viel Mühe geben, auch bei Bonnie und Theodor ein spannendes Kapitel zusammen zu basteln. Ich brauche diese Kapitel mit den beiden manchmal auch ein wenig, um für mich selbst Abwechslungen zu schaffen. Ausserdem haben sich für die Geschichte der zwei schon so viele Ideen angestaut, dass ich die einfach mal wieder aufschreiben muss^^. Zudem muss ich aufpassen, dass ich bei den Zeitachsen nicht durcheinanderkomme und mein selbstgebastelter TWoS-Zeitstrahl sagt mir: »Junge, langsam wird's aber wieder Zeit für 'n Kapitel mit Bonnie und Theodor!«
Da habt ihr's also. Gebt bitte dem Zeitstrahl die Schuld! xD
Ich habe mich auch bemüht, dieses Kapitel mit keinem allzu grossen Cliffhanger zu beenden, ich nehme also wirklich Rücksicht auf euch ;P

Um den Sabrina und Mile (Jetzt hab ich ohne Witz erst Sabrina und Theodor geschrieben... Neeee, nicht wirklich, Dreamy. So weit sind wir noch nicht... *hust* *Dr.RiverSongStimme* Spoilaaaa für Band 2 *hust*) Entzug etwas abzuschwächen, hab ich hier 'nen kleinen Trost für euch:
Die obergeniale Vervailes hat ein Gedicht über mein Buch geschrieben! Hoch soll sie leben, hoch soll sie leben!!!
Ich habe mich echt riesig darüber gefreut und darum widme ich ihr dieses Kapitel. Und hier *Trommelwirbel* ist ihr literarisches Meisterwerk:

Was ist, wenn Feuer und Eis,
bauend ganz still und ganz leis,
ein' Widerstand gegen den Feind,
der unter den Welten so keimt.

Wenn Helden und Kinder der Nacht,
in Schlössern und Träumen voll Pracht,
schlagen und tüfteln am Plan,
gebeten vom anderen Clan.

Wenn keiner den anderen kennt,
die Wölfin in Flammen nur rennt,
der Krieger mit Bogen und Schwert,
dem Eis den Rücken zukehrt.

Piraten und Mädchen in Rot,
unsichtbar und doch nicht tot,
vertrauen den Herrschern der Zeit,
Eis und Feuer,
der Sieg ist nicht weit.

Ein Gedicht von Vervailes

Toll, oder? Allso ich habe mich echt riesig gefreut!

So und damit verabschiede ich mich auch schonwieder von euch. Ich freue mich wie immer wahnsinnig über eure Kommentare und Votes. Seid nicht zu knausrig damit ;P

Ich hoffe, es hat euch gefallen, bis zum nächsten Kapitel.
Liebe Grüsse,
Eure Dreamy

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