Optimisten werden immer zuers...

By ElliElzbett

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Cornelius ist ein Pessimist aus Leidenschaft. Er lebt nach einer einfachen Regel: Erwarte nichts vom Leben, d... More

Von Schicksal, Blondinen und Doppeldates
Das Löckchen ist des Blondie sein Freund
Das Highlight
Die himmlische Versuchung der Schokolade
Pessimisten werden nicht enttäuscht
Über das Geboren worden sein
Ein Hoch auf die Freundschaft
Von Katern, Bloody Marys und Kellnern
Das Schiff sinkt sowieso
Eine Katastrophe kommt selten allein
-Mein Müll-
Aus diesem Winkel ist alles nur noch halb so beschissen
Jeder hat sein Päckchen zu tragen
Familie ist das Größte
Die trügerische Verlockung des Alkohols
Mit dem falschen Fuß voran ins Leben
Wenn das Gefüge der Welt ins Wanken gerät
Was die Liebe einfängt lässt das Herz nicht mehr los
Sterbende Hoffnung nennt sich Verzweiflung
Wenn Eis an seine Grenzen stößt
Weil Mauern nicht schützen sondern trennen
Abschied nehmen bedeutet immer ein wenig sterben - Teil 1.
Abschied nehmen bedeutete immer ein wenig sterben - Teil 2
Neuanfang?
Träume altern nicht, du schon
Der schönste Tag im Leben eines Sammys
Wenn Träume Realität werden
Pessimisten erobern die Welt
Bonus

Von der Angst vorm glücklich sein

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By ElliElzbett

Ein Klopfen an meiner Zimmertür reichte aus, um mich zu Tode zu erschrecken. Als hätte man mich bei etwas verbotenem erwischt, schloss ich schnell den Karton und schob ihn unters Bett.

„Kannst reinkommen." Ich rieb mir noch einmal schnell über mein Gesicht, als könnte ich damit die Traurigkeit abschütteln, die mich ergriffen hatte.

Langsam öffnete sich die Tür und Emanuel steckte seinen Kopf in mein Zimmer. „Hey.", lächelte er sanft. „Ich kann nicht schlafen und wollte gucken, ob du noch wach bist. Ich hab dir auch Eis mitgebracht, damit du mich nicht gleich wieder weg schickst." Zum Beweis hielt er seine Hand hoch, in der er eine köstliche Portion ‚Cinnamon Buns' Eis von Ben&Jerrys hielt.

Ein gutaussehender Mann kommt abends in mein Zimmer und bringt mir Eis, was könnte man sich mehr wünschen?

Na gut, fairerweise musste man sagen, dass ich mich selbst über Hannibal Lecter gefreut hätte, wenn er mir Eis mitgebracht hätte.

„Komm rein." Ich deutete vor mir auf mein Bett. Leise schloss er die Tür hinter sich, immerhin war es schon nach Mitternacht und Maggie war am Schlafen.

Mit einem Lächeln ließ er sich aufs Bett plumpsen und reichte mir das Eis und einen der zwei Löffel, die er in der Hand hielt.

„Ich hoffe ich darf mir auch ein oder zwei Löffel stibitzen?"

„Du hast es immerhin gekauft, da wäre es herzlos, wenn ich dir nichts abgeben würde."
Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich diese Sorte in meinem kleinen Lager im Gefrierschrank befand, obwohl sie zu meinen All-time-Favorit's gehörte. Vor allem um die Weihnachtszeit herum.
Da Maggie sich weigerte mir Eis zu kaufen, sie war der Meinung, zu viel Zucker wäre schlecht für mich, konnte also nur Ema das Eis gekauft haben.

„Ich war vorhin sowieso einkaufen, da hab ich ein paar Packungen mitgebracht. Sieh es, als eine Art Miete, weil ich auf eurem Sofa schlafen kann. Von daher gehören sie dir." Er lächelte unglaublich charmant.

„Du weiß, dass das nicht nötig gewesen wäre. Aber trotzdem danke."

Ich versuchte ebenso charmant zurückzulächeln.

„Geht es dir gut? Du siehst aus, als hättest du einen Krampf in der Wange." Belustigt musterte er mich.

Genau das war der Grund, warum ich nie lächelte.

„Ich hab gelächelt." Erklärte ich kühl und schob mir ein Löffel Eis in den Mund.

„Seit wann lächelst du?" Seine Stimme klang schockiert, doch an dem Zucken seines Mundwinkels erkannte man, dass es nicht ernst gemeint war.

„Das war ein Witz, als ob ich lächeln würde. Ich erleide gerade einen Schlaganfall und bin dabei zu sterben. Das was du hier siehst-", ich fuchtelte mit dem Löffel vor meinem Gesicht herum, „- das sind die letzten Zuckungen eines sterbenden Mannes." Meine Stimme war monoton, mein Gesicht ausdruckslos.

Doch als er begann zu lachen, fiel auch meine Maske. Emas Lachen war ein Unikat und nicht im herkömmlichen Sinne schön. Es war rau und kratzig und kantig und irgendwie eckig, es war wirklich ein seltsames Geräusch, das er da von sich gab, doch dadurch war es auch furchtbar ansteckend.

Automatisch musste ich mitlachen.

„Hab ich dir schon mal gesagt, " setzte ich ein wenig atemlos nach dem ganzen Gelächter an, „dass ich dein Lachen liebe. Es ist so schön hässlich." Ich grinste und hoffte, er verstand, das ich das Wort ‚hässlich' keineswegs abwertend gemeint hatte.

Ema lachte erneut auf, bevor er mir ebenfalls grinsend antwortete. „Ja, das hast du mir schon mal gesagt. Ich glaube deine Worte waren: ‚Wie ein Vogel im Stimmbruch, der qualvoll stirbt'."
Diese Erinnerung brachte uns beide erneut zum Lachen. Tatsächlich waren dies eins zu eins die Worte, die ich an Teenager-Emanuel gerichtete hatte.

„Ich hab deinen Humor wirklich vermisst. Und deinen Sarkasmus erst recht." Gestand er, als wir wieder zur Ruhe gekommen waren und ich mich erneut dem Eis in meiner Hand gewidmet hatte.

„Das kann ich mir gut vorstellen. Die wenigsten Menschen besitzen einen derart ausgeprägten Sinn für Sarkasmus, die meisten verstehen ja nicht einmal den Unterschied zwischen Ironie und einem Toastbrot."
Ich war nun wirklich kein hochgelehrter Philosoph, der es verstand die feinen Nuancen dieser Stilmethoden bis ins kleinste Detail zu analysieren. Doch ich hatte mir im Laufe der Zeit meine eigene Vorstellung von den drei Brüdern, Sarkasmus, Ironie und Zynismus, erschaffen.

Ironie ist der besserwisserische, kluge Streber, der manchmal so subtil ist, dass die Leute seine Frechheiten nicht mal bemerken. Viele bewundern ihn, doch nur wenige schaffen es auf sein Niveau.

Sarkasmus ist der coole, lässige Draufgänger, der härter austeilen kann, als die meisten denken, vor ihm haben die Leute Respekt. Sie wollen sein wie er, denken sie wären es, doch sie verstehen nicht, das dieser abgefuckte, beißende Humor, kein Accessoire ist, das man hin und wieder tragen kann, es ist eine Art zu leben.

Und zum Schluss haben wir da noch den Zynismus. Zynismus ist das Kind das nur schwarz trägt, immer alleine in der Ecke steht und die Welt nur dunkelgrau sieht. Die meisten Leute mögen Zynismus nicht, denn sie wollen sich nicht eingestehen, dass er leider viel zu oft die Wahrheit sagt.

Einige Zeit lang blieb es still zwischen uns, wir löffelten gemeinsam das süße Zimteis und schwammen in unseren Gedanken.

Der Strom meiner Gehirnwindungen zog mich zu dem kleinen Karton, der unter meinem Bett stand. Bevor Ema an meiner Tür geklopft hatte, war ich mal wieder dabei gewesen in alten Erinnerungen zu schwelgen, das hatte ich in letzter Zeit öfters gemacht. Ich konnte nicht sagen wieso, doch irgendwie fühlten sich die schönen Erinnerungen von damals, wie Lügen an.

Jedes Lachen meiner Mutter, eine Lüge, sie war nie glücklich gewesen, bei uns.

Jedes Versprechen meines Vaters, eine Lüge, er hatte nie versucht zu kämpfen.

Jeder schöne Moment, eine Lüge, mein Leben war nie unbeschwert gewesen.

Und manchmal, da schlichen sich sogar einige Gedanken an Löckchen in meinen Kopf. Jeder seiner Küsse, war eine einzige Lüge gewesen, er hatte mich nie wirklich geliebt.

„Erzähl mir etwas von dir. Ein Geheimnis, etwas was du noch nie jemanden erzählt hast." Meine raue Stimme durchbrach die Stille harsch. Ich wusste nicht, woher diese Frage kam, doch aus irgendeinem Grund hatte ich sie aussprechen müssen.

„Wieso?" Er zog seine dunklen Augenbrauen ein wenig zusammen, er war verständlicherweise verwundert.

„Ich hab gerade das Bedürfnis danach, ein Stück Wahrheit zu hören."

Emanuel gehört zu den wenigen Menschen, denen ich vorbehaltlos vertraute. Ich hatte seinen unumstößlichen Ehrlichkeitssinn schon oft genug miterlebt, um zu wissen, dass er zu den wenigen Menschen gehörte, die von Grund auf ehrlich waren. Natürlich lügt jeder einmal, doch Ema war so ein miserabler Lügner, dass man ihn sofort durchschaute, sollte er dann doch einmal unehrlich sein.

„Okay." Er nickte und begann tatsächlich darüber nachzudenken. Es wäre leicht gewesen, einfach nein zu sagen, es war immerhin eine ziemlich törichte Bitte, doch so war Emanuel noch nie gewesen. Er besaß eine unglaubliche Empathie Fähigkeit, er wusste immer genau die richtigen Worte und wann es besser war zu schweigen. Dies war etwas, was ich schon immer an ihm bewundert hatte.

„Ich war mal ziemlich in dich verknallt." Er sah mir direkt in die Augen, seine Worte waren ehrlich, er schämte sich nicht dafür.

„Was?" „Warum? Und wie lange?" Die Überraschung stand mir ins Gesicht geschrieben. Ich war damals nicht wirklich nett zu Ema gewesen, ich hatte ihn genauso gleichgültig behandelt wie jeden anderen auch, jeden außer Sammy.

„Du warst Sammy immer ein besserer Bruder als ich. Ich war ein dürrer Lauch mit Glasbausteinen auf der Nase, ich konnte ihn nicht beschützen, nicht so wie du. Er hat zu dir aufgesehen, sich dir anvertraut. Ich war deswegen jahrelang eifersüchtig auf dich. Hab dich beneidet und wollte dich hassen dafür. Doch während deiner ‚Auszeit', als du keinen Kontakt zu Sammy hattest, da hab ich gemerkt, dass meine Unzufriedenheit nichts mit dir zu tun hat. Ich war unzufrieden mit mir selber und als ich mir das eingestand, begriff ich auch, dass ich dich eigentlich bewunderte und nicht verachtete. Deine dunkle, rebellische Art hat mich irgendwie in ihren Bann gezogen. Sie ließ mich erst los, als ich von zuhause auszog und begann mein eigenes Leben in die Hand zu nehmen."

Wow. Das musste ich erst einmal verkraften. Mein Kopf lief auf Hochtouren um all die neuen Informationen zu verarbeiten, um ihn etwas abzukühlen schob ich mir einen Löffel Eis in den Mund. Während die süße, cremige Masse in meinem Mund ihren Aggregatzustand veränderte, ordnete ich meine Gedanken.

„Warum hast du nie etwas gesagt?" fragte ich schließlich nach einer längeren Denkpause.

„Was hätte ich denn sagen sollen? ‚Hey, Cornelius ich hab mich voll in dich verknallt, bitte tue so, als ob du mich liebst, auch wenn ich weiß, dass du das nicht tust?' Ich hätte mich doch zum totalen Affen gemacht." Er blieb die ganze Zeit ruhig, es schien ihn nicht weiter zu stören, dass wir gerade über sein Innerstes und das wohl gefährlichste Gefühl von allen, der Liebe, redeten. Für mich, als eingeschweißter Gefühls-Legastheniker, der bei dem kleinsten Hauch einer Emotion schon eine halbe Panikattacke bekam, war es erschreckend zu sehen, wie leicht er es nahm.

„Ja, ich war nicht in dich verliebt. Aber ich hätte rücksichtsvoller sein können, wenn ich es gewusst hätte. Ich habe dich bestimmt oft verletzt mit meinem Verhalten."

Er zuckte mit den Schultern. „Ich kenne dich lange genug um zu wissen, dass deine abweisende Art nur Selbstschutz ist. Deshalb habe ich dir das auch nie übel genommen."

Ich konnte nicht anders, als Respekt ihm gegenüber zu empfinden. Ich wusste, wie schwer es, für die Menschen in meiner näheren Umgebung war, mich zu lieben, dabei bemühte ich mich nicht allzu abweisend und verschlossen zu ihnen zu sein. Doch zu Ema war ich die wenigste Zeit auch nur annähernd freundlich gewesen, dabei waren wir ja irgendwie befreundet, doch das hieß für mich damals nur, das ich ihn nicht verachtete, so wie all die andern. Und selbst nachdem wir miteinander geschlafen hatten, hatte sich mein Verhalten ihm gegenüber nicht verändert. Der Sex war kein Akt der Nähe, kein intimer Moment gewesen, es war eben einfach nur Sex. Als wir fertig waren, war ich aufgestanden, hatte meine Sachen wieder angezogen und war gegangen, ich hatte ihn da einfach liegen lassen, etwas, was ich Rückblickend definitiv bereute. Doch trotz all dem, hatte er es geschafft mich zu lieben. Bedingungslos zu lieben.

„Jetzt bist du dran. Erzähl mir etwas, das du noch nie jemanden erzählt hast."

Vielleicht lag es an seinem Geständnis oder einfach daran, dass wir uns so vertraut waren, doch ich fühlte mich ihm in diesem Moment so unglaublich Nahe, dass ich ihm meinen wunden Punkt verriet.

„Ich habe eine Kiste."

Ich holte mit klopfendem Herzen den kleinen Karton unter meinem Bett hervor.

„Was ist da drin?"

„Erinnerungen."

__________

„Sag mir nochmal, warum genau ich das tun soll."

„Damit du endlich damit abschließen kannst."

„Ich hab damit abgeschlossen."

„Bist du dir sicher? Oder redest du dir das vielleicht nur ein? Wenn du wirklich fertig damit wärst, mit all dem Schmerz und dem Kummer, dann würdest du nicht diese Sachen aufbewahren. Denn das sind keine Erinnerungen, das sind Belastungen. Sie erinnern dich nicht an positive Dinge, nur an Schmerz und Leid."

„Wieso verdammt nochmal bist du so scheiße klug?" Tief in meinem Inneren wusste ich, dass er Recht hatte. Diese Kiste beherbergte alle schlechten Momente meines Lebens, alle Steine die mir in den Weg gelegt wurden, doch ich hatte mich jahrelang daran festgeklammert, wie ein Ertrinkender und dabei nicht bemerkt, dass dies kein Rettungsboot war, sondern ein gigantischer Felsbrocken, der mich immer weiter in die Tiefe zog.

„Ich hab als Kind zu viel gelesen." Er lächelte leicht, doch schnell wurde er wieder ernst. „Ich will dich zu nichts zwingen, Cornelius. Ich bin zwar der Meinung, dass dir das helfen wird, aber du musst es aus freien Stücken tun, sonst bringt das nichts. Du musst selber loslassen, und die Gefahr eingehen, vielleicht irgendwann glücklich zu werden."

„Ich will loslassen, wirklich, nur irgendwie habe ich Angst. Angst davor zu vergessen. Mich nicht mehr an sie zu erinnern."

„Die Erinnerungen kann dir niemand nehmen, sie sind für immer in deinem Herzen gespeichert."

Wäre diese Situation nicht so ernst und meine Gefühle nicht so durcheinander, hätte ich ihm wahrscheinlich vor die Füße gekotzt, für diesen widerlich kitschigen, klischeehaften Satz.

Doch so, konnte ich nicht anders, als die Box in meinen Händen fester an mich zu drücken, in die lodernden Flammen zu starren und seine Worte in meinem Kopf zu überdenken.

Die ganze Zeit über sagte er nichts, starrte einfach zusammen mit mir in die Flammen des kleinen Feuers, das er in der Grillschale in meinem Hinterhof entfacht hatte. Ich wusste er würde mich zu nichts zwingen.

„Ich glaube, ich habe Angst davor glücklich zu sein. Ich trage diese dunklen Gedanken, diese Schuld, schon so lange mit mir herum, das ich gar nicht weiß, wie ich ohne sie leben soll. Was ist, wenn ich merke, dass ich gar nicht glücklich sein will? Ich mag es eigentlich unglücklich zu sein. Ich bin nun mal zynisch und sarkastisch und meistens ziemlich unausstehlich. Wenn ich das nicht mehr bin, was bin ich dann?"

„Du bist nicht sarkastisch, weil du seit Jahren Schmerz, Kummer und Schuld mit dir herum trägst. Du drückst deinen Schmerz nur durch deinen Zynismus und Sarkasmus aus. Deine Schuldgefühle und dein Schmerz haben dich vielleicht in der Vergangenheit geprägt und deinen Charakter geformt, aber sie sind kein Teil deiner Persönlichkeit.
Du bist und bleibst derselbe unausstehliche Cornelius."
Ein kleines Lächeln flog über seine Lippen.
„Glücklich sein, ist gar nicht so schwer. Es lebt sich ganz gut, als glücklicher Mensch. Und du brauchst keine Angst davor zu haben, du wirst nicht andauernd glücklich sein. Wir Menschen sind nicht dafür ausgelegt permanente Glücksgefühle zu verspüren.
Es wird Höhen und Tiefen geben, Momente in denen du unglücklich bist, in denen du zurückfällst in dein tiefes, dunkles Loch, doch du wirst sehen, dass es leichter ist, heraus zu klettern, wenn du deinen Ballast abgeworfen hast."

Er sprach wie ein großer Philosoph, als hätte er alles gesehen und ergründet, als hätte er schon längst entdeckt, ‚was die Welt im Innersten zusammenhält'. (Copyrights by Goethe)

Und so konnte ich nicht anders, als ihn fasziniert zu betrachten, während er sprach. Sein Gesicht leuchtete im warmen Schein der lodernden Flammen, ein Lächeln voller Ehrlichkeit auf seinen geschwungenen Lippen, seine Augen glitzerten, glänzten und spiegelten so viel Gefühl. Und ich wusste, ich hatte noch nie einen schöneren Menschen gesehen, als ihn in diesem Moment.

Ich trat einen Schritt näher ans Feuer und öffnete die Kiste.

Ganz oben lagen die Geburtstagskarten, die mir meine Mutter nach ihrem Weggang geschickt hatte. Es waren drei Stück an der Zahl, die letzte Karte war auf ein falsches Datum datiert.

Ich warf sie ins Feuer.

„Leb wohl, du Trugbild einer liebenden Mutter." Flüsterte ich in die kalte Dezembernacht.

Ich blickte wieder herunter in die Kiste. Als nächstes lag dort, der kleine Stoffteddybär, mit dem Namen „Bär", den ich zu meiner Geburt geschenkt bekommen hatte. Er war ziemlich abgenutzt, an einigen Stellen hatte er kaum noch Fell. Ich warf ihn in die Flammen.

„Auf Wiedersehen, du Wunsch einer intakten Familie." Eine kleine Träne entfloh meinem Auge, ganz still und heimlich, ich wischte sie nicht weg, denn ich schämte mich nicht mehr für sie.

Der synthetische Stoff knisterte in der Hitze des Feuers.

Gebettet auf einem Dutzend Fotos lag die schwarze Fliege, die Löckchen, damals nach unserem ersten Kuss, in meiner Küche hatte liegen lassen.

„Fick dich, du Illusion von Liebe." murmelte ich und warf sie ins Feuer. Eine weitere Träne lief mir die stopplige Wange hinunter.

Die lodernden Flammen zerfraßen den samtigen Stoff in nur wenigen Sekunden.

Die Fotos warf ich hinterher, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.

Das Feuer vernichtete sie alle. Und zurück blieb nur noch Staub und Asche. Und ich musste zugeben, es tat tatsächlich verdammt gut all dies loszulassen.

Die Kiste war leer, bis auf ein zusammengefaltetes Stück Papier. Ich blickte darauf, innerlich mit mir hadernd.

Emanuel legte eine seiner großen, warmen Hände auf meine Schulter.

„Das ist eine Landkarte. Mein Vater hat darauf alle Orte markiert, die er mit mir bereisen wollte."

Mit zitternden Händen nahm ich das Stück Papier, den Karton warf ich ins Feuer.

„Er war immer so glücklich, wenn er mir vom Reisen erzählte. Ich habe es geliebt ihm dabei zuzuhören."

Ich weinte und es war mir egal, dass Emanuel mich so sah, denn er hatte mir gezeigt, dass ich meine Schwächen nicht verstecken brauchte.

Er nahm seine Hand von meiner Schulter und schlang stattdessen seine starken Arme von hinten um meinen Oberkörper. Ich lehnte mich unbewusste seinem warmen Körper entgegen.

„Ich werde sie behalten. Und irgendwann an jeden Ort reisen, denn er markiert hat. Mit der Erinnerung an ihn in meinem Herzen." Ich lächelte unter Tränen, bei der Vorstellung daran, wie ich den Wunsch meines Vaters erfüllen würde.

Und in diesem Moment konnte ich nicht anders, als mir zu wünschen endlich  glücklich zu sein.

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