Uralte Fassung (1): Twos - Di...

By MaraPaulie

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Achtung: Alte Fassung. Neue ebenfalls auf Account zu lesen. Nicht jedes Märchen beginnt mit »Es war einmal... More

Vorwort
Prolog
Kapitel 1 - Ticket der Freiheit
Kapitel 2 - Home Sweet Home
Kapitel 3 - Die Tallos
Kapitel 4 - Die verrückte Tanja
Kapitel 5 - Tränen aus Eis
Kapitel 6 - Verräter und Bruder
Kapitel 7 - Das Wintermädchen
Kapitel 8 - Die Herrscher der Gezeiten
Kapitel 9 - Grosser, böser Wolf
Kapitel 10 - Vom Märchen in rot
Kapitel 11 - Von Schnee im Haus und Rosen aus Feuer
Kapitel 12 - Erbe der Toten
Kapitel 13 - Von Verrückten und dem Labyrinth
Kapitel 14 - Der Bruder mit dem Schuppenkleid
Kapitel 15 - Des Winters Blut
Kapitel 16 - Der Junge, der mit der Sonne tanzt
Kapitel 17 - Augen ohne Liebe
Kapitel 18 - Die Völker aus den Büchern
Kapitel 19 - Trauriger Mörder, lass mich gehen
Kapitel 20 - Feuerraben
Kapitel 21 - Der Löwe und der Wolf
Kapitel 22 - Der Traum von Familie
Kapitel 23 - Der Pirat und die Prinzessin
Kapitel 24 - Von Barbaren und Märchen aus der Besenkammer
Kapitel 25 - Von toten Jungen und Mädchen aus Licht
Kapitel 26 - Der Lichterlord und die Antwort zum Hass
Kapitel 27 - Rote Raben und Bücher voller Schicksal
Kapitel 28 - Wer lauert in der Dunkelheit?
Kapitel 29 - Von Schläfern und Schlüsseln
Kapitel 30 - Geheimnis ohne Zeit
Kapitel 31 - Namen von Macht
Kapitel 32 - Zum Lied des irren Geigers der Dämon mit dem Teufel tanzt
Kapitel 33 - Vom Meer zu den Wolken
Kapitel 34 - Geschichten, die ein Vöglein zwitschert
Kapitel 35 - Sturmgläser, tanzende Piraten und Jungen, die vom Himmel fallen
Kapitel 36 - Klyuss' Kinder
Kapitel 37 - Blau wie der Mohn, grün wie die Hoffnung und rot wie Blut
Kapitel 38 - Das Schicksal der Verfluchten
Kapitel 39 - Gejagte der Vergangenheit
Kapitel 40 - Blut fremder Brüder
Kapitel 41 - Spiel der Könige
Kapitel 42 - Es jagt und tanzt der Geistesblitzt
Kapitel 43 - Die Wahrheit wurde von einem Lügner erschaffen
Kapitel 44 - Vom Mörder, der die schwarze Orchidee fand
Kapitel 45 - Von Herrschern mit dem Flammenhass und Helden kleiner Klingen
Kapitel 46 - Wer wir sind und was wir tun
Kapitel 47 - Einmal Monster, immer Monster
Kapitel 48 - Das Versprechen von niemals und immer
Kapitel 49 - Das Wort 'böse'
Kapitel 50 - Der Herzkasper
Kapitel 51 - Freund oder Feind, alt oder neu, beide bleiben ewig treu
Kapitel 52 - Das Gedicht des Todes
Kapitel 53 - Die Reise der Wahrheit und des Sinns hinter allem
Kapitel 54 - Von Geschwisterbanden und letzten Zeilen
Kapitel 55 - Der Tempel der Orakel
Kapitel 56 - Mondkind
Kapitel 57 - Die erste aller Schöpfungen
Kapitel 58 - Vom Intrigieren, Dechiffrieren, Konferieren und fiesen Viren
Kapitel 59 - Glücksjagd und Königsmord
Kapitel 60 - Schattenlicht und Bernsteingold
Kapitel 61 - In der Schwebe
Kapitel 62 - Patron und Paladin
Kapitel 63 - Von Luftschlössern und Monstern unterm Bett
Kapitel 64 - Deine wunderschönen Lügen
Kapitel 65 - Von Namen und Masken
Kapitel 66 - Das blinde Recht
Kapitel 67 - Das blinde Herz
Kapitel 68 - Das blinde Glück
Kapitel 69 - Verfluchtes Kind mit Gold gekürt
Kapitel 70 - Als niemand schlief
Kapitel 71 - Der Gewissenlose
Kapitel 72 - Phönix
Kapitel 73 - Ein Goldstück für deine Gedanken
Kapitel 74 - Kriegsherr Regen
Kapitel 76 - Alles ist gut
Kapitel 77 - Die Feinde des Schicksals
Kapitel 78 - Und wenn sie nicht gestorben sind...
Kapitel 79 - Lucky Strike
Kapitel 80 - ...dann leben sie noch heute
Epilog
Authornotes
Charakterverzeichnis
Illustrationen

Kapitel 75 - Der Herrscher über alle Macht

853 67 80
By MaraPaulie


Kapitel 75

Der Herrscher über alle Macht


~Sabrina~

Nevis hatte nicht gelogen. Sie waren gekommen...
Grau gerüstete Soldaten holten sie aus ihren Zellen, schlossen ihnen die Obsidianschelle von den Hälsen, zwangen sie mit Schlägen und Tritten vor dem Altar des Bunkers auf die Knie, einen neben dem anderen. Da kauerten sie nun, all jene, die ihr von Freunden und Familie geblieben waren. Der Herzkasper, Aschenauge, Red, Regenjäger, Nebelfinger, Jeremy Topper, Lichterfänger, Falk, Valyn und Federreiter...
Sabrina klammerte sich an die Gitterstäbe ihrer Zelle. Cernunnos hinter ihr tänzelte nervös.
Die Dunklen bauten sich hinter dem Altar auf. Sie alle schienen ihre feinsten Kleider für diesen Anlass aus den Schränken geholt zu haben. Selbst Hedwig hatte den schroffen Jutestoff in sauberes Leinen getauscht, nur von ihrer Kette aus Kindergliedern hatte sie sich trotzdem nicht trennen können. Ihre Schwester Damaris, die sich für schwarze Seide mit waghalsig tiefem Ausschnitt entschieden hatte, trat vor und schenkte Sabrina ein schrecklich schönes Lächeln. »Wundervolle Nacht, Sabrina Beltran.« Mit einer ausladenden Bewegung deutete sie auf die elf Knienden vor dem Altar. »Wie ihr seht, ist alles vorbereitet für unser Happy End. Fehlt nur noch  unser Ehrengast am richtigen Platz.« Mit einer raschen Handbewegung scheuchte sie Nevis aus der Reihe der Dunklen. Diese eilte an den Knienden vorbei auf Sabrinas Zelle zu und schloss auf.
»Tu, was ich dir geraten habe!«, zischte sie und suchte Sabrinas Blick. »Das wird alles viel einfacher machen.«
Die Zellentür sprang auf und Nevis trat beiseite.
»Versuch bloss nichts Unüberlegtes«, mahnte Corda. »Du magst keinen Obsidian am Körper tragen, aber das heisst nichts. Eine Schneeflocke oder ein falscher Schritt und jeder deiner Freunde hat einen Pfeil im Schädel stecken! Leider brauchst du deine Gaben, um dieses Vieh ruhig zu stellen.«
Cernunnos schnaubte und scharrte mit dem Huf. Sabrina spürte seine Angst...
»Nun komm schon«, forderte Nevis leise.
Sabrina schluckte, sandte Cernunnos einige gut gemeinte Gedanken und trat über die Schwelle der Zelle. Augenblicklich kamen zwei Soldaten auf sie zu, packten sie und stiessen sie gegen das Obsidiangitter rechts von ihrer Zelle.
Cernunnos röhrte und als sie den Kopf nach ihm drehte, sah sie, wie drei Graue in die Zelle stürmten, den Hirsch mit Hieben ihrer Schwerter, die jedoch von ihm abprallten als handelte es sich bei dem scharfen Metall um stumpfes Holz, gegen die Wand drängten, das Geweih mit Seilen einfingen, seien Kopf zu Boden drückten, ihn umwarfen, die um sich schlagenden Hufe packten und fesselten und das wehklagende Urwesen aus der Zelle schleiften.
Sabrina wehrte sich, schrie, tobte. Wäre sie in diesem Moment nicht an das Obsidiangitter gepresst worden, hätten sie die Warnungen der Dunklen nicht bremsen können.
Sie schleppten Cernunnos vor die Knienden, wo sie ihn am Boden liegen liessen. Die Enden des Seils, das sie um sein Geweih geschnürt hatten, banden sie an zwei im Boden eingelassene Metallösen fest, sodass Cernunnos' Kopf auf den Boden gepresst war. Das arme Tier winselte und brüllte, bis Damaris entnervt die Soldaten, die Sabrina festhielten an ihren Posten zurückschickte und ihr befahl, das Urwesen zum Schweigen zu bringen.
Sobald Sabrina den Kontakt zu dem Obsidian verlor, spürte sie Cernunnos hilflosen Verstand vor Panik um sich schlagen. Vorsichtig näherte sie sich ihm, liess sich auf die Knie, streichelte sein Fell und flüsterte: »Ruhig, ganz ruhig, wir schaffen das schon!«
Tatsächlich beruhigte sich der Hirsch, hörte auf, sich zu winden, lag still da, nur seine Flanken hoben und senkten sich bebend.
Die Zeit nutzte Sabrina, die Lage zu überschauen. Ihren Freunden schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen. Nur Regenjäger, der unaufhörlich um sein Bewusstsein ringend am Altar lehnte, machte ihr Sorgen, doch Nebelfinger, der neben ihm kauerte, hatte ein Auge auf ihn. Schnell erlaubte sich Sabrina, ihre telepathischen Fühler nach Falk auszustrecken. Als er ihre geistige Berührung spürte, wurde sein Blick weich und er schenkte ihr ein ernstes Lächeln, was so viel bedeutete wie: Aye, ich bin okay.
Abgesehen von den Dunklen befanden sich noch etwa zwanzig Soldaten in dem Raum. Sie waren an jeder Wand und Ecke des achteckigen Raumes postiert und zielten mit gespannten Armbrüsten auf die Knienden und sie selbst.
»Fang, Sabrina!«, befahl Dracula und warf etwas zu ihr herüber. Es landete nicht weit von ihr und rutschte das letzte Stück auf dem Granit.
»Spritzen?«, fragte sie verwirrt, als sie das dicke Lederetui aufgeschlagen und besagte Instrumente vorgefunden hatte. Es waren mindestens drei Duzend, allesamt so lang wie ihr Unterarm.
»Nimm dem Urwesen das Blut ab. Spritze für Spritze, bis nichts mehr übrig ist!«, verlangte Rollo und leckte sich über die Lippen wie ein lechzendes Tier über seine Lefzen.
Sabrinas Blick kreuzte den von Nevis, die ihr nun aber auswich. »Warum sollte ich?«
Damaris nickte dem Vampir zu ihrer Linken zu, der zu dem Altar vortrat. Er stemmte sich gegen die Granitplatte, die sich verschob, bis sie auf der anderen Seite aufschlug. Nun beugte sich die Königin in den Altar und hob etwas heraus, das Sabrina bei seinem blossen Anblick die Haare zu Berge stehen liess. Es war schlicht, hölzern, war mit allerlei magischen Symbolen übersät und an seiner Vorderseite baumelte ein goldenes Schloss, das anstelle eines Schlüssellochs nur eine Kerbe trug. Die Macht, die von der Schatulle ausging brachte die Luft um sie zum Flimmern...
»Die Allmachtspieluhr«, verkündete die Königin feierlich. »Die Büchse der Pandora.«
»Sie war die ganze Zeit hier?«, entfuhr es Falk, wofür er sich sogleich einen Tritt von einem der Grauen einholte, den durch ihre Verbindung auch Sabrina zu spüren bekam. Sie nahm es dem Piraten nicht übel, auch sie knirschte mit den Zähnen. All die Chancen, die sie gehabt hätte, die Allmachtspieluhr in ihren Besitz zu bringen...
»Okay, hören wir auf mit den Spielchen«, verlangte Sabrina. »Ich weiss, ihr wollt, dass ich Cernunnos töte, weil ihr glaubt, sein Blut wäre der Schlüssel, die Büchse zu...«
»Wir glauben es nicht nur«, unterbrach Hedwig sie. »Wir wissen es!«
Damaris setzte ein ekelerregend wundervolles Lächeln auf und schritt zwischen Nebelfinger und Lichterfänger durch auf Sabrina zu. Sie bückte sich zu ihr herab und streckte ihr die Büchse entgegen. »Nur zu, berühre sie und sag mir, was du fühlst, kleine Telepathin!«
Angewidert zog Sabrina die Nase kraus, tat aber, wie ihr geheissen. Sie schloss die Augen, streckte die Hand aus und legte sie auf das Holz.

Ein weisser Fuchs sprang sie an, seine Augen waren schwarz wie Tinte. Er bellte, was klang wie ein menschlicher Schrei. Er riss das Maul auf, entblösste Reihen nadelscharfer Zähne. Seine Fänge rasten auf ihr Gesicht zu, schnappten zusammen und...

Keuchend riss Sabrina sich los, fiel auf den Rücken, ignorierte den Schmerz der unzähligen Prellungen, die sie sich in den letzten Tagen zugezogen hatte, krabbelte rückwärts und japste: »W-was zur Hölle war das?!«
Die Dunklen, abgesehen von Nevis, brachen in Gelächter aus. »Das ist das Übel der Welt!«, kreischte Corda und klatschte in die Hände. »Mühe, Krankheit und Tod!«
»Es war ein Fuchs!«, rief sie. »Ein weisser Fuchs mit komplett schwarzen Augen!« Automatisch suchte ihr Blick nach Falk, der eben verwundert seine Hand inspizierte und dann zu ihr aufsah. Sein Ozean war in heller Aufruhe. Es hatte ihr zwar verboten, seine Gedanken zu lesen, doch ihre geistige Verbindung war ununterbrochen. Er musste es auch gesehen haben, oder? Erneut beantwortete er ihre Frage ohne Worte, nur mit einem kurzen Nicken.
»Was du gesehen hast«, erklärte Nevis ruhig, »ist die gefangene und in die Büchse weggesperrte Gabe des Kupferkönigs, des Herrn über den Tod.«
»Aber wie ist das möglich?«, fragte sie und drückte die Spritzen in dem Lederetui an ihre Brust.
»Die alten Geschichten, wie die Urherrscher den Kupferkönig aus ihren eigenen Reihen verbannten, sind dir sicherlich nicht fremd, oder?«, fragte Hedwig mit einem Lächeln, das ein hässlicher Schatten im Vergleich zu Damaris' war.
Sie nickte. Klar, das war eine wichtige Lektion in Jeremy Toppers Unterricht gewesen.
Hedwig stützte sich auf die Kante des Altars, zog die Nase hoch und erklärte: »Die Kurzfassung ist, dass der Kupferkönig ausser Kontrolle geraten war und die anderen Urherrscher beschlossen hatten, ihm seine Macht zu nehmen und ihn so lange in die sterbliche Welt ins Exil zu schicken, bis er wieder zurechnungsfähig wäre, nur war es dazu nie gekommen...Was die Geschichtsbücher verschweigen ist, dass die Ur-Eisprinzessin Sianca in den Kupferkönig verliebt war.«
»Woher willst du das wissen, Kinderfresserin?«, knurrte Falk und ignorierte den nächsten Tritt der Wache.
»Weil ich«, antwortete die Hexe und schlappte zu dem Piraten hinüber, »in Lexika studiert habe. Die Universität wollte weder mich noch Damaris ausbilden, da wir dem Coven zu starke schwarzmagische Schwingungen ausstrahlten. Tja und darum haben wir uns nun einmal selbstständig schlau gemacht. Was das Beste war, was wir hätten tun können, nicht wahr, Schwesterherz?«
Damaris, die die Allmachtspieluhr sorgfältig zurück in den Altar legte, grinste breit. »Wohl wahr. Ansonsten hätten wir niemals solch einen Zugang zu den verbotenen Abteilungen bekommen. Die Sicherheitsvorschriften waren auch so etwas von vernachlässigt worden...«
Hedwig wandte sich wieder Falk zu, fuhr mit ihrer dicken Pranke über sein tintenschwarzes Haar. »Du siehst, mein Hübscher, ich weiss ganz genau von was ich rede! Niemand kennt sich mit Magie aus, wie ich es tue.« Sie schnippte ihm gegen die aufgeschürfte Wange, richtete sich wieder auf und trabte zurück zu dem Altar. »Wie schon gesagt, liebte Sianca Aram. Eine schicksalshafte Liebe und wie die meisten dieser Art fand sie ein böses Ende. Aram verlor zunehmend den Verstand, wurde jähzornig, machthungrig und als es wieder an der Zeit war, dass die Gezeiten sich ändern und der Herbst seine Herrschaft dem Winter übergeben sollte, tickte er aus.
Daraufhin lockten die anderen Urherrscher ihn in eine Falle. Sie nahmen ihm seine Kräfte, sperrten sie in dieses magisch versiegelte Kästchen und Sianca verschloss es, indem sie es an das Leben jener Kreatur band, die sie abgesehen von Aram am meisten liebte.«
»Cernunnos«, entfuhr es Sabrina. »Ihre erste Schöpfung.«
Hedwig nickte, was ihre Kinne zum Schwabbeln brachte. »Sianca liebte Aram, aber sie liebte ihn so, wie er einst gewesen war, bevor er den Verstand verloren hatte. Sie liebte ihn sogar mehr als Cernunnos, doch in seinem wahnhaften Zustand, war er nicht er selbst. Sianca wusste, sollte Aram jemals wieder der werden, den sie liebte, würde sie für ihn sogar Cernunnos töten.«
»Du siehst also«, erklärte Damaris, »dass dies das perfekte Gefängnis für die Gaben des Kupferkönigs ist. Um diese Macht zu befreien, muss die Eisprinzessin jenes eine Wesen töten, das nur sie zu töten fähig ist und das sie am meisten auf der Welt liebt. Ein Wesen wie es Cernunnos ist!«
»Wie wundervoll!«, meinte Corda und klatschte in die Hände.
»Wie grauenvoll«, brummte Sabrina und betrachtete Cernunnos bebenden Körper. »Und was erhofft ihr euch davon, wenn die Macht des Kupferkönigs befreit wird?«
»Bisher«, antwortete Hedwig, »waren wir nur imstande, etwas von der Macht in der Schatulle abzuzweigen und somit die Barriere zu erschaffen.«
»Aber stellt euch vor, wenn wir selbst über die Macht des Kupferkönigs verfügten. Wir währen der Tod! Die Herrscher über alle Macht!«, grölte Blutkralle und bleckte die Zähne.
»Die Macht des Kupferkönigs ist an das Leben Cernunnos' gebunden«, erklärte Damaris. »Cernunnos ist ein Urwesen, was bedeutet, dass er unsterblich ist, aber sollte sein Leben gewaltsam beendet werden, wird er nicht im Tod auf Zeit verweilen. Er hat kein Tintenblut!«
»Deshalb wirst du uns sein Blut holen«, erklärte Dracula ganz sachlich. »Wir werden es uns in grossen Mengen spritzen und eine Dosis für die Büchse selbst aufbewahren. Sobald die Macht dann aus der Büchse herausspringt, werden wir sie zwischen uns teilen.«
Sabrinas Herz schlug schneller, sie hatte eine Idee! Schnell runzelte sie scheinbar skeptisch die Stirn. »Seid ihr denn sicher, dass sie sich aufteilen lässt?«
Blutkralle zog die buschigen Brauen hoch. »Wie meinst du das?«
»Ich habe da nur einen Fuchs gesehen. Naja und der hat nicht ausgesehen, als liesse er sich gerne in sechs Teile spalten...«
Der Werwolf begann unruhig von einem Bein auf das andere zu wechseln. »D-Damaris? Stimmt das?«
Die Königin verengte die Augen zu Schlitzen. »Jede Macht lässt sich teilen. Nicht wahr, Hedwig?«
Die Hexe kratzte sich am Kopf. »Das müsste selbst ich nachforschen... Aber im schlimmsten Fall wird die Macht von dem angezogen werden, der das finsterste Herz hat. Ihr dürft nicht vergessen, diese Macht ist das grösste Übel der Welt. Derjenige, den sie aussucht, wird es verdient haben! Und dieser jemand wird sich um die übrigen von uns kümmern, so wie wir es seit über zweihundert Jahren halten. Einverstanden?«
Die Dunklen nickten synchron.
»Seid ihr denn sicher?«, fragte Lichterfänger spitz und grinste gehässig. »Ihr seid doch alles Verbrecher, da haut doch einer den anderen nur übers Ohr!«
»Ruhe!«, keifte Corda und stapfte auf den Rabenmann zu.
»Vor allem du, Herzchen«, provozierte Lichterfänger, der es einfach nicht lassen konnte. »Versteckst dich hinter einer Maske, du wirst schlussendlich die sein, die sie alle Verrät, dein wahres Gesicht bleibt geheim und deine Lügen verborgen. «
Wutentbrannt klappte sich Corda die Maske vom Gesicht, sodass nur Lichterfänger es sehen konnte und dessen Ausdruck wurde ein anderer. Seine Augen wurden Teller, der Mund klappte auf, verzog sich zu einem stummen Schrei.
Zufrieden setzte sich Corda ihr Papiergesicht wieder auf. »Unterschätze nie, was sich unter einer Maske verbirgt, Kleiner«, säuselte sie und kicherte, während Lichterfänger wie erstarrt den Punkt anstarrte, wo zuvor ihr Gesicht gewesen war.
»Was hast du mit ihm gemacht?«, fragte der Hutmacher, der mit einer Hand vor dem starren Gesicht des Rabenmannes auf und ab wedelte.
»An deinen Platz!«, fuhr Blutkralle ihn an und nickte einer Wache zu, die sogleich den Bogen spannte und einen Schuss direkt vor Jeremy auf den Granit abfeuerte. Der Pfeil prallte von dem Stein ab und brach in zwei Teile, was den Hutmacher zwar nicht wirklich beeindruckte, ihn trotzdem dazu bewegen konnte, von Lichterfänger abzulassen.
So viel zum Thema, sich zu wehren. Sie hatten keine Chance...
»Genug um den heissen Brei herumgeredet«, verkündete Hedwig und donnerte mit der fetten Faust auf die Kante des Altars. »Jetzt nimm ihm das Blut ab!«
Sabrina sah auf das Lederetui in ihren Fingern herab. Sie erschauerte.
Zwei Wachen packten sie an den Schultern und zerrten sie an den gefesselten Hirsch heran. Cernunnos schien ihre Furcht zu spüren, denn er warf unruhig den Kopf hin und her, schnaubte heftig. Um ihn zu beruhigen streckte sie eine Hand aus und streichelte ihn am Hals.
»Im Nacken findest du keine Arterien«, wies Nevis sie an, die ihr scheinbar tatsächlich zu helfen versuchte. »Versuch es vorn, unter der Gurgel...«
Ein angewiderter Blick Sabrinas lies die Schneekönigin verstummen. »Nein, das mache ich nicht!«
Corda kreischte frustriert auf, schnappte sich das Etui, zog eines der grausigen Instrumente heraus, schnürte die Schutzkappe von der Nadel, sprang auf Cernunnos zu, holte aus und hackte ihm die Spritze in den Hals...
Cernunnos klagte gedämpft, wand sich erneut und kämpfte gegen die Seile, die seinen Schädel gegen den Granit pressten. Auch Sabrina zuckte zusammen. Ein dumpfer Schmerz jagte durch ihren Körper und intuitiv fasste sie sich an den Hals.
Corda hob die Spritze und hielt die Nadel dicht vor Sabrinas Gesicht. »Du siehst? Kein Blut. Niemand kann dieses Wesen wirklich verletzen. Schmerzen kann man ihm durch stumpfe Gewalt zwar zufügen, doch verletzen tut ihn das nicht. Das kannst nur du, das ist dein Privileg, deine Gabe.«
»Privileg?«, zischte Sabrina und blickte durch die Schlitze der Papiermaske in die tristen, grauen Augen der Herzkönigin, die jenen ihres Sohnes so erschreckend ähnlich waren. »Ich sehe es nicht als Privileg oder Gabe, die einzige in dieser Welt zu sein, die einem anderen Wesen das Leben nehmen kann.«
»Wie verschieden wir doch sind«, säuselte Corda zurück. »Ich schon. Es gibt nichts Schöneres als das Geräusch, wenn ein Kopf von seinem Hals getrennt wird. Und deinen Kopf würde ich gerade nur zu gerne rollen sehen, kleine, gefallene Eisprinzessin. Aber dich brauchen wir noch. Deshalb werden wir wohl mit einem deiner Freunde Vorlieb nehmen müssen.« Sie warf Sabrina die Spritze in den Schoss, sprang auf, wirbelte herum und rief: »Wessen Kopf lassen wir als erstes rollen?«
Sabrina wurde schlecht. Es hatte begonnen...


~Mile~

Mondkind löste die Hände von seinen Augen und er reagierte sofort.
In einer fliessenden Bewegung wirbelte er herum, setzte das Kleinkind hinter sich ab, riss sein Schwert aus der Scheide, drehte sich, riss der ersten Wache die Kehle auf und erstach die zweite.
»Augen zu!«, rief er seiner Cousine über die Schulter zu. Schnell hob er seine Klinge erneut und liess die erste Wache, die, ihre Hände auf den Schnitt in ihrer Kehle pressend, einen aussichtslosen Kampf gegen den Tod führte, endgültig verstummen.
»Ist es vorbei?«
»Nein. Nicht schummeln, Kleine!« Hastig drehte er sich zu seiner Cousine um, um sie wieder auf seinen Arm zu heben.
»Halt, du hast die Schlüssel vergessen!«
»Die Schlüssel?«
»Am Gürtel von einer der Wachen.«
Irritiert drehte Mile sich erneut um, bückte sich zu den Leichen hinab und untersuchte deren Hüfte. Tatsächlich wurde er bei einer von ihnen fündig und löste einen dicken Schlüsselbund von deren Gürtel.
»Mondkind, ich habe doch gesagt, du sollst dir die Augen zuhalten!«, murmelte er vorwurfsvoll, während er sich dem Wunderkind zuwandte und sie wieder hochhob.
»Hab ich doch«, protestierte die Kleine.
»Besorgniserregend...«
Unschlüssig drehte er sich um sich selbst. Hinter ihm führte ein Backsteingang in eine spärlich mit Fackeln in Schach gehaltene Dunkelheit, aus der Geräusche drangen, die ihm die Haare zu Berge stehen liessen. Vor ihm füllte ein breites Stahltor die Wand. Welche Richtung führte zu Sabrina?
»Durch die grosse Tür«, antwortete Mondkind auf die Frage, die er ihr nicht einmal gestellt hatte.
Mile beschloss, sich einfach nicht mehr zu wundern, nickte, trat an das Tor heran, drückte die Klinke herunter und musste feststellen, dass abgeschlossen war. Er liess seinen Arm einmal im Gelenk kreisen, legte die Hand erneut um die Klinke, spannte die Muskeln an und...
»Dummkopf, so machst du nur einen riesen Lärm. Die Schlüssel! Für was hast du die?«
»Du bist echt ein oller Klugscheisser, weisst du das?«, brummte er und probierte einen Schlüssel nach dem anderen aus.
»Das nennt man ein Orakel, aber danke...«

Er trat in einen breiten, kerzenbeleuchteten und mit schwarzem Granit gefliesten Gang.
Er spitzte die Ohren, um mögliche Gefahren auszumachen, fuhr seinen Hörsinn jedoch gleich wieder runter, da er von einer Flut Klagelaute überrollt wurde.
»Ist das der Kerker?«, fragte Mile etwas konsterniert und musterte die obsidianenen Gitter, durch die sich hier und da dürre Hände reckten und ins Leere griffen.
»Nein, das hier ist ein Teil davon. Der Hochsicherheitstrakt. Hier werden besonders wichtige, tintenblütige oder magisch begabte Gefangene aufbewahrt. Näher an Sabrina konnte ich uns nicht träumen, hier gibt es zu viel Obsidian.«
»Okay... Obsidian hält dich also auf, aber die antimagische Barriere nicht?«
Mondkind schüttelte den Kopf. »Obsidian blockiert jede Art von Magie. Die Barriere dagegen kann ich austricksen. Ich bin nicht durch sie hindurch geträumt. Ich habe uns aus Twos hinaus in die Starre und uns dann wieder in Twos, direkt in dem Zeitpalast und dem Kerker abgesetzt.«
Mile hatte sich mittlerweile einer der Zellen genähert und spähte ins Dunkel, als plötzlich ein lautes Kreischen aus dem der Schwärze drang und sich ein dürrer, bleicher Mann gegen die Gitte warf. Erschrocken taumelte Mile zurück. Der Mann rüttelte an dem Gitter, warf den Kopf in den Nacken und gurrte wie eine Taube.
»Das ist König Orm von Ularsar, Herr über das runde Plateau und die westlichen Strände des Lacco Lugondon«, stellte Mondkind den irren Kerl vor. »Du hast vielleicht schon von ihm gehört.«
Mile schüttelte den Kopf und musterte den Gefangenen, der ihn etwas an Dr. Emmett Brown erinnerte und nun begonnen hatte, wie ein Hamster an den Überresten seiner Tunika zu mümmeln.
»Nicht? Er kann jede Sprache des Universums sprechen, auch die der Tiere. Er ist ein Kind des weissen Schlangengottes Silog. Angeblich soll der ihm ein Stück seiner abgestossenen Haut zu essen gegeben haben, seitdem ist er so sprachgewandt. Naja, er scheint diese Gewandtheit während seiner Gefangenschaft etwas verloren zu haben...«
»Die weisse Schlange«, bestätigte Mile. Er kannte dieses Märchen. »Soll ich ihm helfen?«, fragte er mehr sich selbst als Mondkind, doch die antwortete ihm noch bevor er das Schloss der Gittertür richtig beäugt hatte: »Lieber nicht, der ist gänzlich kampfuntauglich und er würde vermutlich nur Alarm auslösen. Wenn du Hilfe kannst gebrauchen, musst du geradeaus nur weiter laufen. Erste Kreuzung danach rechts, dort wirst du Herr sein des Gefechts. Freunde dort in Zellen kauern und über jüngste Tode trauern.«
»Wow, das war die poetischste Navigation, die ich je gehört habe.«

Es war ihm egal, dass Mondkind trotz geschlossener Augen sehen konnte. Er wollte ihr nicht erlauben, sie seinen Kampf zusehen zu lassen.
Dieses Mal waren es fünf Wachen. In grau gerüstete Widerlinge, für die Mile nicht viel Zeit und Energie verschwendete, indem er sie mit einem Blitzschlag und einigen Schwertstreichen überwältigte.
Mondkind drehte sich mit zusammengekniffenen Augen von der Wand weg und deutete auf den Boden, wo die Waffen samt ihrer früherer Besitzer in einer roten Pfütze schwammen, da das Blut auf dem Granit nicht abfliessen konnte. »Waffen mitnehmen«, forderte sie und streckte sogleich die Arme aus, damit er sie wieder hochhob und weiter trug.
Mile gehorchte, hob sie hoch, befestigte sich zwei Schwerter, eine Armbrust samt Köcher und eine kleine Streitaxt am Gürtel und zog weiter.
Er hielt vor jeder Zelle und späte ins Dunkel, immer auf der Suche nach einem bekannten Gesicht.
Wie König Orm schienen die meisten im Hochsicherheitstrakt mittlerweile den Verstand verloren zu haben. Wann immer er einen Blick auf einen Gefangenen, die sich scheinbar nur selten im Licht zeigten und lieber in den dunklen Ecken ihrer Zellen kauerten, werfen konnte, bestätigte sich das.
Er musste an Red denken, die ihm nie etwas von ihrer Zeit als Gefangene der Dunklen hatte erzählen wollen. Sie war vermutlich auch einmal in so einer Zelle gesessen, drauf und dran den Verstand zu verlieren...
»Mile Beltran! Verdammte Scheisse, ich war noch nie so glücklich deine dämliche Hackfresse zu sehen!«
Mile wirbelte herum und blickte in das strahlende Gesicht der Barbarentochter. »Rosanna? Du lebst?«
»Die Frage geht auch an dich. Bist du nicht aus einem Fenster tausende Meter über dem Erdboden in die Tiefe gestürzt? Tja, Unkraut vergeht nicht. Diese prüde Elfe ist übrigens auch hier. Komm mal her, Spitzohr!«
Die Elfe Bree trat mit etwas schleifendem Schritt an das Gitter heran und machte grosse Augen. »H-hyru, Mylord!«, stammelte sie sofort, legte sich die Faust aufs Herz und verbeugte sich tief. Da sich dabei ihr Haarzopf von der Schulter hob, wurde die Sicht auf ihren Hals frei, wo eine hässlich entzündete Bisswunde einen starken Kontrast zu der ansonst makellose Haut bildete.
Als Rosanna seinen Blick bemerkte, legte sich ihre Hand wie automatisch an ihren eigenen Hals. »Graf Dracula«, erklärte sie knapp.
»Sonst geht es euch gut?«, fragte er und verschob seine Wut auf den Dunklen auf später.
»Frag nicht so beschissen, mach lieber die Tür auf!«
Mile nickte hastig, lehnte die Hellebarde an das Gitter und besah sich das Schloss. »Obsidian«, knurrte er und fluchte. »Das kann ich nicht mit Gewalt aufbrechen oder mit Feuer schmelzen.«
»Noch einmal: Dummkopf! Du hast einen ganzen Haufen Schlüssel bei dir«, erklärte Mondkind und verdrehte die Augen. »Du musst wieder lernen, auch ohne deine Gaben auszukommen. Du kannst nicht immer alles sprengen und brechen.«
Zähneknirschend langte Mile nach dem Bund und begann, einen Schlüssel nach dem anderen in das Schloss zu stecken. »Woher sollte ich wissen, dass es so einfach ist?«
Mondkind zuckte mit den Schultern. »Die Dunklen rechnen nicht mit dir, Mile. Sie wissen nicht, dass es jemanden wie mich gibt, die dich ihnen direkt an ihre Pulsader absetzen kann.«
Es klickte, das Schloss sprang auf, Mile machte einen Schritt zurück und liess die beiden jungen Frauen austreten.
»Her mit der Axt, jetzt werden Schädel eingeschlagen!«, forderte Rosanna sofort und riss Mile die Waffe aus dem Gürtel.
»Dann muss ich euch wohl nicht einmal fragen, ob ihr fit genug zum Kämpfen seid? Das ist gut, weil jetzt wird es heftig. Wir schnappen uns Sabrina und...«
»Ja, dann wird es wahrhaftig heftig, junger Lichterlord«, unterbrach ihn Bree, die Mile ansonsten nur als äusserst höflich kennen gelernt hatte, doch dem Klang ihrer Stimme nach musste es sich hierbei um eine Ausnahme aufgrund grosser Not handeln.
Auch Rosanna nickte ernst und erklärte: »Die Gefangenen haben es Zelle für Zelle weitererzählt. Die Dunklen sind vor einer halben Stunde in den Kerker gekommen.«
Mile machte grosse Augen und sah dann entschlossen zu seiner Cousine herab. »Mondkind, ich will, dass du jetzt sofort zurück zu Nimmertiger träumst!«


~Sabrina~

»Der da!«, fauchte Hedwig. Ihr dicker Wurstfinger zielte auf Falk, der den Vorschlag mit einem düsteren Grinsen aufnahm, wofür Sabrina ihm am liebsten selbst eine gescheuert hätte. Das hier war kein Spiel! Sie wusste nicht, ob sie ihn noch einmal von den Toten auferwecken konnte!
»W-warum braucht ihr diese Macht denn überhaupt?«, fragte Sabrina, die Schwierigkeiten hatte, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. »Ihr herrscht doch schon über Twos, nicht einmal Mile und ich haben euch etwas anhaben können!«
»Weil jeder Zauber brechen kann«, zischte Hedwig.
»Weil jeder sterben kann«, sagte Dracula.
»Weil das Schicksal grausam ist und nicht jeder ein gutes Ende für sein Märchen erwarten kann«, erklärte Damaris.
»Und doch wird sie nicht tun, was ihr von ihr verlangt«, rief Falk und reckte den Kopf in die Höhe. »Sie wird nicht brechen, sie wird nicht sich beugen.«
»Er setzt es schon etwas darauf an«, stichelte Blutkralle. »Ob das freche Grinsen bleibt, wenn er damit stirbt?«
Das brachte das Fass zum Überlaufen. Eis wallte in ihr auf und kroch ihr in einer dünnen Frostschicht über die Arme. »Aufhören!«
»Eis!«, rief Corda, die die Kälte sofort entdeckte. Sie entriss einem der Soldaten die Armbrust und feuerte auf Falk, der sich jedoch gerade noch wegducken konnte, sodass sich der Pfeil stattdessen in Valyns Knie bohrte. Der Elf schrie vor Schmerz, riss den Pfeil sofort aus seinem Bein und warf das blutige Geschoss von sich. Nun wimmerte er leise vor sich hin und presste die Hände auf die Wunde.
»Nicht! Das war ein Versehen!«, rief sie und hob die Hände, die nun wieder völlig frei von Frost waren. »Hört bitte auf zu schiessen!«
»Waffe weg«, brummte Dracula und entwand der blutrünstigen Herzkönigin die Armbrust.
»Wir haben dich gewarnt«, zische Damaris, die zu ihr herüberstapfte, ausholte und sie so fest in die Seite trat, dass ihr vor Schmerz die Tränen in die Augen stiegen.
»Das nächste Mal bringe ich ihn persönlich um!«, drohte Hedwig.
»Aber nicht den Piraten! Er wird nicht der erste sein, der stirbt!« Nevis trat vor und baute sich vor Falk auf, von wo aus sie erst Sabrina einen fordernden Blick schenkte und dann Damaris fixierte. »Er ist ihr am wichtigsten, wenn ihr ihn als erstes hinrichtet, spielt ihr den Trumpf zuerst aus...«
Die Königin kniff die Augen zusammen, taxierte Nevis einen Moment, nickte dann, betrachtete jeden der Knieenden noch einmal genauer und fragte in beiläufigem und seltsam lauerndem Tonfall: »Du hast recht, Schneekönigin. Wen würdest du stattdessen vorschlagen?«
Sabrina schnürte es die Luft ab. Das musste aufhören! Die Panik liess das Eis in ihr erneut aufsteigen, doch dieses Mal würde sie es unter Kontrolle halten! Sie wusste, dass sie das konnte.
Nevis zupfte nervös an ihrem aschblonden Haar und druckste: »Vielleicht... naja...« Ihr Blick sprang zwischen Sabrina und den Knieenden hin und her. »Was ist mit ihm?«
»Nein!«
»Niemals!«
»Ihr könnt nicht...«
Die Rabenbrüder verstummten, als eine der Wachen Federreiter den Knauf seines Schwerts so heftig gegen die Stirn schlug, dass dieser rückwärts kippte und einen Moment so ausdruckslos blickte wie sein Zwillingsbruder Lichterfänger, der noch immer mit Telleraugen ins Nichts starrte.
»Gute Wahl«, kommentierte Hedwig erfreut über den Aufruhr der Rabenbrüder. »Der ist sowieso schon halb tot.«
Das schien das Stichwort für einige der Grauen zu sein, denn diese kamen auf einmal in Bewegung. Gemeinsam schoben sie einen steinernen Quader mit einer halbrunden Einbuchtung, rechts von Cernunnos in den Raum. Erst als ein Soldat einen Eimer unter die Einbuchtung stellte, erlangte Sabrina die grausige Erkenntnis, dass es sich hierbei um einen Richtblock handelte...
»Ab mit seinem Kopf!«, kicherte Corda und klatschte in die Hände.
Fassungslos über dieses Ausmass an Herzlosigkeit schüttelte Sabrina den Kopf und wandte den Blick auf ihren todgeweihten Cousin.
Regenjäger schien kaum mitbekommen zu haben, was vor sich ging. Er hatte nur den Kopf gedreht, den Finger der Schneekönigin auf sich deuten sehen, die Augen geschlossen und schien nun ergeben auf sein Schicksal zu warten.
»Das könnt ihr nicht machen! Er... er ist noch ein Kind!«, protestierte Sabrina, die hilflos zusehen musste, wie zwei Soldaten vortraten. Einer davon war nicht wie all die anderen in grau gekleidet, sondern trug eine gänzlich schwarze Rüstung, die mit einer Haube ausgestattet war, die er sich nun übers Gesicht zog. Nun waren nur noch seine Augen zu sehen, die durch kleine Löcher das grausame Handwerk ihres Besitzers beobachteten.
»In dieser Welt gibt es keine Kinder mehr«, murmelte Nevis und zog sich wieder in den Hintergrund zurück.
Sabrina und ihre Freunde protestierten, noch niemand nahm Notiz von ihnen.
Ein Soldat packte Regenjäger am Kragen, zerrte ihn vorwärts, und drückte seinen Kopf in die Einbuchtung des Blocks, sodass sein Hals frei lag.
Sabrina schüttelte den Kopf, sie konnte es nicht fassen. »Das passiert nicht, das passiert nicht...«
Der Henker postierte sich neben Regenjäger und liess sich von einem der Grauen ein langes Beil überreichen.
»Aufhören!«, wimmerte Nebelfinger und streckte eine Hand nach seinem älteren Bruder aus, als könne er ihn so zu sich zurückholen. »Bitte!«
»Es ist okay«, murmelte Regenjäger, der für diese Worte seine letzte Energie aufbringen musste. »Macht's gut, Brüder. Es war schön, mit euch zu fliegen. Sagt Nimmertiger er soll der König sein, von dem wir immer wussten, dass er in ihm steckt. Schwalbentänzer soll wissen, dass ich mal heimlich einen seiner Texte gelesen habe und er fantastisch schreibt. Küsst unsere kleine Schwester für mich, ich werde immer bei ihr sein und sie soll nicht allzu traurig sein...«
»Letzte Chance, Sabrina«, versuchte Damaris es erneut. »Du kannst ihn noch retten. Benutze einfach nur die Spritze!«
Wieder blickte Sabrina auf das Lederetui in ihren zitternden Fingern. Sie könnte einfach eine Spritze herausziehen, Cernunnos mit ihrer Gabe beruhigen, die Nadel durch seine Haut stechen, ziehen und... die Dunklen gewinnen lassen...
»Ich kann nicht.« Sie schüttelte den Kopf und warf die Spritzen vor sich auf den Boden. »Ich kann nicht, es...«, verzweifelt suchte sie Regenjägers Blick und war unglaublich froh, als dieser den seinen hob, »es tut mir leid!«
Der Todgeweihte nickte, lächelte traurig. Er schien keine Angst vor dem Ende zu haben.
Der Henker hob seine Waffe, schwang sie in die Höhe, jemand schrie, etwas preschte vor, stiess Regenjäger bei Seite, das Beil schnellte hinab und grub sich in unschuldiges Fleisch...

Einen Moment stand er da, als wäre nichts geschehen. Als hätte sich eben nicht ein riesiges Beil in seiner Brust versenkt und für einen Augenblick war da sogar die Hoffnung, er wäre tatsächlich nicht verletzt worden, dass alles gut wäre und niemand sterben müsste... aber dann ging er doch zu Boden. Grässlich langsam rutschte er an der Klinge ab, landete erst auf den Knien, wo er beinahe mit Erstaunen an sich herabblickte und zusah, wie sein Blut das Leinen seines Hemds tränkte, dann fiel er vornüber auf den Granit...
Sabrina bewegte die Lippen, doch kein Laut wollte ihr entweichen. Ohne nachzudenken, fahrig, unkoordiniert richtete sie sich auf, schritt um Cernunnos herum, schüttelte die Soldaten, die sie aufhalten wollten, einfach ab. Schritt für Schritt näherte sie sich, fiel vor ihm auf die Knie und drehte ihn auf den Rücken.
Noch lebte er, quälte sich mit jedem Atemzug, während stossweise Blut aus der Wunde in seiner Brust quoll und das Leben aus seinem schmächtigen Körper floss. Auch er bewegte die Lippen, wollte etwas sagen, doch er war zu leise. Darum hob sie das Ohr dicht über sein Gesicht, lauschte den letzten Worten dieser Stimme, die selbst jetzt ihre Sanftheit nicht verloren hatte: »Das ist das einzige Leben, das ich opfern kann und ich habe es gern gegeben. Bitte mach, dass es keinem weiteren Opfer bedarf.«
Er hob die Hand und sie ergriff sie, drückte sie, als seine Finger sich verkrampften. »Versprochen!«
Er lächelte sacht, holte rasselnd Atem. »Sag Mondkind, dass ihr kleinster grosser Bruder sie liebt. Vielleicht begegnen wir einander in ihren Träumen...« Dann schloss er die Augen. Sie spürte, wie er losliess, seine Hand in der ihren sich entspannte, dieses gütigste aller Herz den letzten Rest Tintenblut durch seinen feingliedrigen Leib pumpte, seine Brust sich ein letztes Mal senkte und dann auch sein Geist sich von seiner Hülle löste und diese Welt verliess.
Sie erbebte, gefrorene Tränen schmolzen und mischten sich mit frisch vergossenem, unschuldigem Blut. Hinter ihr, wie aus weiter Ferne hörte sie sie beten, nicht nur die Gläubigen unter ihnen, jeder der knienden der Xilsar. »Rés tem tria horo ties celot'iru. Sil'ahsír en pahsí, clotyr kas, marsia zanoyè!«
Sie schluchzte und schaffte es in knapper Not die traditionellen Worte halbwegs verständlich über die Lippen zu bringen: »Nun ist die Zeit des Abschieds. Ruhe in Frieden, reise sicher, komme wieder!« Sie beugte sich vor und drückte Nebelfinger einen salzigen Kuss auf die Stirn. »Vielleicht werden wir uns wiedersehen, kleiner, weisser Rabe. Ich hab dich lieb...«
Aus den Augenwinkeln sah sie zwei Graue auf sie zuschreiten. Schnell wischte sie sich über die Augen, bettete seine bleiche Hand auf der klaffenden Wunde in seiner Brust, damit sie nicht das erste war, das man sah, blickte man ihn an. Dann wurde sie auch schon gepackt und zurück an ihren Platz vor den weissen Hirsch gezerrt.

Alles fühlte sich an wie in Watte gepackt. Jeder Tritt, mit dem sie sie zwingen wollten, ihnen zuzuhören, war nichts gegen den Schmerz in ihrer Brust, der alles andere wie im Traum erscheinen liess...
Ihr Blick fiel auf die anderen Rabenbrüder. Aschenauge hatte das Gesicht in den Knien vergraben, Regenjäger sass wieder an seinem Platz an den Altar gelehnt und starrte ausdruckslos auf seine wie Espenlaub zitternden Finger, die in dem Blut seines Bruders gefärbt warne und Federreiter weinte so herzzerreissend, dass ihr ganz anders wurde. Nur Lichterfänger, der noch immer nicht aus seiner Trance erwacht war, sass da wie zuvor...
Das Lederetui wurde ihr wieder in die Hände gedrückt. Die Spritzen wogen schrecklich schwer...
Sie schüttelte den Kopf, sie musste sich wieder unter Kontrolle kriegen, bevor noch mehr Blut vergossen wurde. Das hatte sie Nebelfinger versprochen!
Also holte sie tief Luft... und stockte. In ihrer Kehle kratzte es, sie hustete, sah sich verwirrt um. Rauch?
»In Deckung!«
Es knallte, die Metalltür wurde zerfetzt, schoss in ihren Einzelteilen durch die Luft und eine Welle schwarzen Rauchs überrollte sie alle...


~Mile~

Er liess den Rauch vorausstürmen, damit er sie vor ihren Feinden verbarg, dann sprangen sie ihm durch die Feuerwand hinterher.
Rosanna und Bree, ausgerüstet mit einem notdürftigen Atemschutz, bestehend aus einem nassen Tuch, das sie sich um den Mund gebunden hatten, verlor er schnell im Qualm und dem Chaos, das im Bunker ausgebrochen war. Schreie, Rufe und Befehle schossen wie die blind gezielten Armbrustbolzen und Pfeile, abgefeuert von ihren panischen Schützen durch den undurchdringlichen Rauch.
Ein Elf in grauer Rüstung stolperte ihm hustend entgegen und bereute es sofort bitterlich, als Mile ihm sein Schwert unter der Brustplatte in den Magen rammte. Ein weiterer Grauer fiel seiner Klinge zum Opfer und den dritten steckte er einfach in Brand.
Plötzlich legte sich ihm eine Hand auf den Rücken, Mile wirbelte herum und hätte beinahe den Hutmacher aufgespiesst, hätte er den Hieb nicht gerade noch abgewandt.
»Jeremy!«, murmelte er, froh, seinen Mentor lebend wiederzusehen und wollte ihn umarmen, doch der Hutmacher packte ihn nur an den Schultern und versuchte hustend einen Satz zu formulieren, doch es gelang ihm nicht mehr als: »Luft!«
Er verstand sofort. Ihn konnte der Rauch zwar nichts anhaben und er verbarg sie vor ihren Feinden, aber nicht jeder hatte die Lunge eines Lichterlords. Doch noch bevor er den Rauch aus dem Bunker abziehen lassen konnte, erfasste sie ein heftiger Windstoss, der den Qualm mühelos davontrug...


~Sabrina~

Man erkannte die eigene Hand kaum noch, so dicht war der Rauch.
Husten, Schreie und Kampflärm erfüllten den Raum. Die Soldaten begannen wahllos auf jeden Schemen zu feuern, der ihnen zu nahe kam und erschossen dabei ihre eigenen Leute.
Ein grauer Soldat rannte knapp an ihr vorbei. Sie packte ihn am Bein, brachte ihn zum Fall, krabbelte flink an ihm hoch, zog ihm einen Dolch aus dem Gürtel und rammte ihn ihm in den Nacken, woraufhin er sofort erschlaffte. Schnell tastete sie die Leiche nach weiteren Waffen ab und wurde mit einer Armbrust und einem Köcher voller Pfeile belohnt.
Sabrina rang nach Atem und hustete. Der Rauch kratzte sie im Hals.
Hinter ihr vernahm sie Cernunnos' dumpfes Klagen. Sofort drehte sie sich, rutschte blind, da der Qualm ihr in den Augen zu sehr schmerzte, auf dem Granit herum, bis ihre Finger auf sein weiches Fell trafen. Hastig tastete sie den Hirsch ab, bis sie die Seile fand, mit denen die Grauen ihn festgebunden hatten und durchtrennte sie mit dem Dolch.
Oh wie sehr wünschte sie sich nun den Tränendolch herbei, um ihn dieser grässlichen Königin Damaris in die Brust zu schlagen. Nur hatten ihr den die Dunklen abgenommen. Ein Glück, dass sie scheinbar nicht gewusst hatten, was sie da für eine Waffe in Händen gehalten hatten...
Sobald Cernunnos frei war, begann er, sich aufzurichten. Sabrina, der bereits schwindelig wurde vor Sauerstoffmangel, verharrte auf allen vieren und rang nach Luft.
Aus den Augenwinkeln vernahm sie eine rasche Bewegung und als sie den Kopf drehte, erblickte sie einen Werwolf, der mit gebleckten Zähnen auf sie zustürzte. Nur war es kein gewöhnlicher Werwolf, nein, es handelte sich um niemand anderen als Rollo Blutkralle, einen der Dunklen. Die Bestie riss ihr riesiges Maul auf, sodass der Geifer nach allen Seiten spritzte, als auf einmal Cernunnos zwischen ihnen stand. Nun war der Weisse König nicht länger gefangen. Nun war er frei von Fesseln, Ketten und Gittern. Er preschte vor und bevor Rollo ausweichen konnte, grub sich das spitze Geweih des Hirschs in seinen Körper, hob ihn vom Boden und schleuderte ihn weg.
»D-danke«, röchelte sie und legte sich auf den Rücken, rang nach Luft.
Sie fürchtete schon, jeden Moment das Bewusstsein zu verlieren, als sie ein plötzlicher Windstoss traf und ihr frische Atemluft ins Gesicht blies...


~Mile~

Als der Rauch abgezogen war, wurde das Ausmass und der Erfolg ihres Angriffes sichtbar.
Die meisten der Grauen lagen tot oder bewusstlos am Boden. Die, die noch nach Atem röchelten, wurden von Brees Bolzen oder Rosannas Axt niedergestreckt.
Die überlebenden Xilsar rappelten sich nach und nach vom Boden auf, blickten sich verwirrt um und jubelten, als sie ihn entdeckten. Viel Zeit verloren sie jedoch nicht, wuselten los, um die Toten um ihre Waffen zu erleichtern. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er unter ihnen auch Red entdeckte.
Sabrina fand er neben einem Wesen stehend, bei dem es sich aufgrund der atemberaubenden Macht und Schönheit, die es ausstrahlte, um niemand geringeres als Cernunnos handeln musste.
Zugern hätte er seine beiden liebsten Menschen auf der Welt erst einmal in die Arme geschlossen, doch dazu würde es wohl erst einmal nicht kommen.
Leider hatte auch ein Grossteil der Dunklen ihren Überraschungsangriff unbeschadet überstanden, indem sie sich unter einem magischen Schutzschild Damaris' versammelt hatten. Nur Rollo lag blutend in einer Ecke, genau wie Corda, die irre lachend ihren Dickdarm wieder zurück in ihren aufgerissenen Bauch zu stopfen versuchte.
Gerade war Hedwig damit beschäftigt, ihren heraufbeschworenen Wind, mit dem sie seinen Rauch verweht hatte, wieder einzufangen, während ihre Schwester Damaris das Schutzschild auflöste und Mile mit einem bezaubernden Lächeln begrüsste. »Da bist du ja wieder, kleiner Feuerspucker. Die Geschichte wiederholt sich also. Nur ist da dieses Mal kein Fenster, aus dem du springen kannst.«
Mile machte den Mund auf, um irgendetwas Geistreiches zu antworten, doch da waren keine Worte mehr, die gesagt werden mussten. Die Sache sollte einfach nur ihr Ende finden. Endgültig. Darum holte er aus und warf den Dunklen seine gesamte bittere, flammende Wut entgegen, auf dass sie sie alle verschlang und endlich Frieden in diese Welt zurückkehren würde...


~Sabrina~

Hedwigs Reaktion auf die Feuerwand, die ihnen entgegenschlug war eine Druckwelle, die das Feuer zerfetzte, bevor es sie auf halbem Weg erreicht hatte. »Pha!«, rief die Hexe. »Lächerlich, du bist eine Schande für deinen Vater!«
Unterdessen hatten sich auch Dracula und Damaris wieder kampfbereit gemacht. Die Königin liess ihre Finger tanzen und machte damit mehrere der gefallenen Grauen zu ihren Marionetten, die ungestüm und ungeschickt, dafür aber mit unmenschlicher Kraft kämpften. Ihnen nahmen sich Bree, der Herzkasper und Federreiter an, die Unterstützung von Cernunnos hatten, der unaufhörlich Soldaten mit seinem Geweih attackierte.
Aschenauge hatte sich den noch immer geistig völlig abwesenden Lichterfänger über die Schultern geworfen und stützte Regenjäger, um die beiden zurück in eine Zelle zu bringen, wo sie sicher vor Angriffen waren.
Rosanna, Red und Valyn waren unterdessen beschäftigt, Dracula in Schach zu halten, der sich mal wieder einen Spass daraus machte, mit ihnen zu spielen.
Es war ein aussichtsloser Kampf, doch die Verzweiflung verlieh ihnen die Kraft, durchzuhalten. Fragte sich nur für wie lange...
»Schnell, hierher!« Etwas packte sie und zerrte sie zu Boden, gleich hinter den Altar. »Hey, bist du okay?«, fragte Falk und musterte sie kritisch.
»Ja, du?«
»Aye, ich...«
Ein lauter Knall übertönte den Rest seiner Worte. Schnell späte Sabrina über den Rand des Altars und beobachtete, wie ein Teil der Decke hinabstürzte und zwar genau da, wo Mile und der Hutmacher gerade standen.
»Passt auf!«, schrie sie, doch Red war noch schneller. Die Hybridin preschte los, stürzte sich auf die beiden und warf sie zur Seite, bevor sie von dem Granit begraben werden konnten.
Hedwig lachte auf, denn sie war die Ursache des Trümmerregens gewesen. Eilig machte sie sich daran, den gleichen Zauber noch einmal zu wirken. Wieder regnete es Gestein und dieses Mal hörte sie ihren Bruder schreien, konnte ihn durch den aufgewirbelten Staub der Trümmer nicht entdecken... »Mile?«
»Sieh nach ihm!«, rief Falk ihr über den Kampflärm hinweg zu. »Ich helfe den anderen!«


~Mile~

Er brüllte vor Schmerz, als einer der Granitbrocken ihn an der Schulter traf, umriss und ein weiterer seinen Arm unter sich begrub.
Red und der Hutmacher waren sofort zur Stelle, zerrten und schob an dem Brocken, konnten ihn jedoch nicht bewegen.
»Los, verschwindet! Hedwig hext sicher schonwieder los. Bringt euch in Sicherheit, ich schaffe das irgendwie!«
»Bestimmt nicht«, antwortete Red und warf sich erneut gegen den Brocken. »Jetzt habe ich dich gerade erst von den Toten zurück, dich lasse ich ganz sicher nicht liegen! Und wenn ich dir den Arm abschneiden muss, Mile Beltran!«
»Das lass lieber sein, Red Rouge«, murmelte Jeremy, der sich indes ein Schwert geschnappt, dieses unter den Granitbrocken geschoben hatte und das Hebelgesetz anzuwenden versuchte. Tatsächlich bewegte sich der Stein, doch als Mile erneut vor Schmerz schrie, liess er sofort ab.
»Macht weiter, der Arm ist sowieso hin«, keuchte er und blinzelte sich die Tränen aus den Augen.
»Das nutzt uns nichts, wenn du dabei vor Schmerz ohnmächtig wirst«, zischte der Hutmacher. »Du musst kämpfen können!«
Red kniete sich zu ihm herab, riss ein Stück aus ihrem Leinenhemd und legte es ihm in den Mund. »Draufbeissen!«, verlangte sie und an den Hutmacher gewandt befahl sie: »Nochmal!«
Sie gehorchten beide, doch das Ergebnis blieb dasselbe. Nur Miles Schreie waren gedämpfter.
»Scheisse!«, fluchte Red und sah sich hilfesuchend um, als sich auf einmal ihr Gesicht aufhellte. »Sabrina!«
»Ach du scheisse! Mile? Bist du okay?«


~Sabrina~

Natürlich war er nicht okay. Auf seinem rechten Arm lag eine viertel Tonne in Form eines riesigen, weissen Granitklumpen!
»Alles bestens! Schön dich wohlauf zu sehen, Schwesterherz«, begrüsste er sie mit einem Lächeln.
Und so schmerzverzerrt, verheult und verschrammt dieses Lächeln auch war, es erfüllte sie mit so einer Freude und Erleichterung, dass sie zurücklächeln musste. »Ich hab dich vermisst, grosser Bruder!«
»Für so was haben keine Zeit!«, unterbrach der Hutmacher ihr Wiedersehen. »Seht nur, Hedwig wirkt den Zauber erneut!«
Sie folgte Jeremys Blick und beobachtete mit Entsetzen, wie Hedwig dabei war, einen Zauber zu beschwören und dabei in ihre Richtung grinste.
Hastig langte Sabrina nach ihrer Armbrust, spannte die Sehne, legte einen Bolzen an, hob die Waffe, zielte...
Mit einem Mal wurde Hedwig von einer Art Miniblizzard getroffen, kippte um und landete auf dem Rücken. Nevis baute sich vor ihr auf, die Hände gen Himmel gereckt. »Nicht sie! Nicht Eiras Tochter!«
Hedwig lachte, kämpfte sich auf die Beine, und begann Nevis mit einer Druckwelle nach der anderen zu beschiessen, denen die Schneekönigin nur mit Mühe standzuhalten schien.
Kurz blickte sie über die Schulter zurück zu Red, dann zum Hutmacher. »Passt auf Mile auf, während ich... nun ja, ich schätze ich werde meiner Tante helfen gehen...«


~Mile~

»Vielleicht bringt es ja was, wenn ich unter dem Stein Feuer mache oder so?«, schlug er vor und liess die Hitze in seinen kaputten Arm fliessen. »Versuch es noch einmal!«
Red nickte und stemmte sich erneut gegen den Granit, unter dem nun kleine Rauchschwaden hervorquollen. »Wo hast du eigentlich Hänsel gelassen?«, fragte sie schnaubend. »Den könnten wir jetzt gut gebrauchen...«
»Hänsel...« Er schluckte und dachte an seinen treuen Freund, der nun tot im Inkoleum lag. »Er... hat den Sturz nicht überlebt...«
Red hielt inne. »Oh...«
»Wie ist es auf eurer Seite? Ich hoffe, das hier sind nicht die einzigen, die von den Xilsar übrig geblieben sind?«
Der Blick des Hutmachers wurde düster. »Doch. Sind es...«
Mile erstarrte. Dann wand er sich, um eine bessere Sicht auf die Kämpfenden zu bekommen. Hatte er jemanden übersehen?
»W-wo ist Katmo? Ihn habe ich nicht gesehen...«
Red zögerte. »Sie... haben ihn hingerichtet. Sie meinten, er...«
Miles Nasenflügel weiteten sich. Eine kleine Flamme züngelte unter dem Stein empor und verschwand sogleich wieder. »Was?«
Jeremy kniff die Augen zusammen und taxierte ihn, als hätte er auf einmal etwas in seinem Gesicht entdeckt, dass ihm zuvor noch nicht aufgefallen war. »Sie meinten, er wäre ihnen nichts nütze. Er wäre nur ein weiteres Tintenwesen in einer ihrer Zellen, für das sie aufkommen müssten. Platz-und Ressourcenverschwendung.«
Wut keimte in ihm auf. »Das hat er nicht verdient...«
»Oh und einen deiner Cousins haben sie auch ermordet...«
Mile starrte den Hutmacher an. »Was?«
Entsetzt schüttelte Red den Kopf. »Jeremy! Das kannst du doch nicht so sagen!«
»Ja, kurz bevor du es hierher geschafft hast. Erst wollten sie den Einbeinigen hinrichten, Regenjäger. Sie stellten Sabrina vor die Wahl. Sein Leben oder sie würde tun, was sie von ihr verlangten. Sie weigerte sich, also wollten sie ihn Köpfen.«
»Sie haben Sabrina vor die Wahl gestellt?« Er spürte, wie ihm immer wärmer und er selbst immer wütender wurde.
»Ganz genau. Sie wird sich wohl für immer die Schuld daran geben, dabei kann sie nicht einmal etwas dafür. Genauso wie mit dieser Sache mit diesem Elf Erillion. Der war übrigens auch hier, hat sie mitgenommen. Sie wollte uns nicht sagen, was passiert ist, aber alle von uns wissen, dass er sie vergewaltigt hat.«
»Was?!«, fauchte Mile. Nun sah er rot.
»Das stimmt doch gar nicht!«, widersprach Red, doch keiner der beiden beachtete sie.
»Ja, hat er. Das arme Kind... Aber das ist vor dieser ganzen Hinrichtungssache passiert«, plapperte der Hutmacher weiter. »Was die kleine Sabrina alles durchmachen musste. Sie wollten Regenjäger hinrichten, weisst du ja schon. Weil er nur noch ein Bein hat und er sei sowieso schon halb tot...«
»Jetzt spuck aus, was passiert ist!« Er hatte Mühe, sich unter Kontrolle zu halten. Hinrichtung? Vergewaltigung? »Sag schon!«
»Nebelfinger hat Regenjäger weggestossen und dafür das Henkersbeil in die Brust geschlagen bekommen. Er liegt irgendwo dort hinten, vermutlich unter ein paar anderen Leichen...«
»Jeremy! Was soll das?!«, rief Red und nun war sie nicht nur entrüstet und entsetzt, jetzt war sie richtig verletzt.
»Nebelfinger?« Mile war fassungslos. Dieser kleine, schmächtige Kerl, den nichts und niemand aus der Ruhe zu bringen können schien? Der Albinojunge, der beinahe umgekommen war und sich gegen all seine Brüder gestellt hatte, um seine kleine, vierjährige Schwester davor zu bewahren, mit einem Schicksal, das nicht einmal das ihre war, bestraft zu werden? Der jüngste der Sonnenprinzen, der wohl unschuldigste Mensch, den er jemals getroffen hatte? Nebelfinger, den er schon so sehr in sein Herz geschlossen hatte, dass er tatsächlich sagen konnte, dass er ihn liebte... Dieser Nebelfinger... war tot?
Der Hutmacher nickte. »Der Tapferste von uns allen. Doch diese Tapferkeit hat ihn das Leben auf eine besonders qualvolle Weise gekostet. Er hat gelitten, Mile.«
»Hutmacher!«, zeterte Red und wischte sich energisch die Tränen von den Wangen.
»Gelitten! Haben sie alle! Sie alle, die starben wegen diesen Monstern!«
Er brüllte vor Wut. Seine Tränen kochten auf seinen Wangen.
»Wie kannst du so respektlos sein?«
»Sie alle, die wegen des Putschs und der Herrschaft der Dunklen ihr Leben verloren haben. Eira und Ignatz, deine wundervollen Eltern, Arillis Tamall und ihr Drache Tircha, Drosselbart, Peter Pan, Robin Hood, diese beiden Lyrelvar, Hänsel, Gretel, Fjore, Nebelfinger... Wegen diesen Bestien hat eine Vierjährige heute ihren liebsten Bruder verloren!«
Red schlug die Hände vor den Mund. »Wer bist du?!«
»Und diese Opfer waren umsonst. Denn sieh uns an! Wir verlieren erneut, wir werden sterben! Und diese... diese Sadisten und Vergewaltiger und Mörder gewinnen!«
»Niemals!«, brüllte Mile und eine weisse Stichflamme schoss unter dem Granit hervor.
Jeremy machte einen Satz, packte Red, warf sie sich über die Schulter und rannte mit ihr in Sicherheit.
Keinen Moment zu früh, denn einen Liedschlag später verschlang ihn der Flammenhass...


~Sabrina~

Ein Bolzen nach dem anderen spickte Hedwigs fetten Rücken. Ihr Blut, das dickflüssig wie Sirup aus den Wunden quoll, lief über die fettige, grossporige Haut und versickerte in der nächstliegenden Fettfalte.
Die Hexe lachte nur über ihre Bemühungen und feuerte einen Energiestoss nach dem anderen in ihre Richtung, während sie zur selben Zeit Nevis mit einer Druckwelle an die Wand schleuderte und sie dort oben kraft ihrer Magie festhielt.
Hedwig verfügte eine unglaubliche Kraft und war so flink mit ihren Zaubersprüchen, dass Sabrina kaum Zeit blieb, den nächsten Bolzen anzulegen.
Nevis, die mit Eis scheinbar nicht viel am Hut hatte, sondern mit Schnee und kalten Winden kämpfte, schlug sich tapfer, doch es war klar ersichtlich, dass sie keine der Dunklen geworden war, weil sie über aussergewöhnliche Macht verfügte , doch Sabrina schätzte ihren Einsatz, auch wenn sie ihn nie von ihr erwartet hätte.
Ein weiterer Bolzen traf Hedwig, dieses Mal an der Schulter, dicht am Hals, doch die Hexe lachte nur. Was für ein grässliches Wesen!
Frustriert warf Sabrina die Armbrust beiseite und änderte ihre Angriffsstrategie.
»Was denn?«, lachte Hedwig. »Willst du mich jetzt mit Eiszapfen bewerfen oder wie?«
Sabrina ignorierte sie und erweckte den Winter in ihr. Der Frost schoss an ihr hoch, liess sie hart und kalt werden. Hinter all der Zeit umgeben von Obsidian hatte sie ganz vergessen, wie gut es sich anfühlte, ihre ganze Macht zu nutzen.
Hedwig schien ihren plötzlichen Moralschwung bemerkt zu haben und liess Nevis los, wohl um beide Hände für sie frei zu haben.
»Jetzt zeig ich's dir!«, zischte sie, duckte sich unter einer Druckwelle weg, sprang auf und liess zwei Eissäulen aus dem Nichts vom Grund hochschiessen, einen Bogen beschreiben und dann auf Hedwig zurasen.
Der verging nun doch das Lachen. Sie sprengte eine der Säulen mit einer Druckwelle und wich der anderen aus, indem sie sich in einen Schwarm Fliegen verwandelte, davonstob und sich hinter Sabrina wieder zusammensetzte. »Netter Trick mit den grossen Eiszapfen«, stichelte sie.
»Netter Trick mit dem Ungeziefer«, konterte Sabrina und setzte zum nächsten Angriff an. Dieses Mal holte sie aus und warf Hedwig ein Schneegestöber entgegen, sodass die Hexe für einen Moment die Hand nicht mehr vor Augen sah, dann duckte sie sich, stiess die andere Hand vor und liess das Eis wie eine Schlange auf ihre Feindin zu schlängeln und zuschnappen.
Hedwig kreischte, als das Eis ihren Knöchel verschlang. Erneut wollte sie ihren Fliegenzauber wirken, wurde zu tausenden der widerlichen Insekten und setzte sich einige Meter entfernt wieder zusammen, nur musste sie feststellen, dass ein Teil ihres Beins fehlte...
Kreischend verlor sie das Gleichgewicht, landete auf dem Rücken, den Beinstumpf, der zu einem grossen Teil aus schwarzem, wimmelndem Gefleuch bestand.
»Die Kette!«, rief Nevis, keuchend auf Sabrina zugehumpelt kam. »Nimm sie ihr ab, schnell!«
Sabrina zögerte nicht lange. Hastig rannte sie auf die Hexe zu, wich ihren Tritten und Schlägen geschickt aus, bekam die speckige Hanfschnur um ihren Hals zu fassen und zerrte, bis sie riss.
Angewidert warf sie die Kette, deren Anhänger aus Teilen von Kinderleichen bestanden, in eine Ecke.
Hedwig war es indessen gelungen, zu dem Stück Eis zu krabbeln, in dem der Rest ihrer Fliegen eingeschlossen war, hob es hoch und schmetterte es zu Boden, sodass es zerbrach und das schwarze Ungeziefer befreit wurde.
»Jetzt ist sie geschwächt, jetzt können wir es schaffen!«, rief Nevis und griff die Hexe erneut an.
Sabrina wollte ihrem Beispiel gerade folgen, als sie auf einmal von rechts von einer Hitzewelle überrollt wurde.


~Mile~

Seit Mile das erste Mal das Feuer in sich entdeckt hatte, war seine Wut mehr und mehr zum Problem geworden. Sie liess ihn sich selbst überschätzen, nicht mehr klar denken und manchmal sogar richtig gefährlich werden.
Deshalb hatte er bisher immer versucht, diese Wut zu kontrollieren, sie aufzuhalten, sie zu stoppen... Bisher...
Jetzt empfing er sie, die Wut, das Feuer, den Wahn, mit offenen Armen, der Flammenhass. Er liess ihn durch seinen Körper strömen, durch seine Adern, durch sein Herz, seinen Kopf... und auf einmal war er völlig klar...


~Sabrina~

Sie wandte sich um und sah sich auf einmal Auge in Auge mit ihrem Bruder, dessen Blick Funken sprühte wie eine Wunderkerze und so geladen war, dass es nur eines bedeuten konnte: Der Flammenhass hatte wieder Besitz von ihm ergriffen.
Erst wich sie zurück, hatte Angst, er könnte sie in seinem Wahn verbrennen, doch dann hielt sie inne. Er war nicht wahnhaft, wirkte nicht einmal wirklich wütend...
»Mile? Bist du in Ordnung?«
Er nickte. »Komm!«
Sie sah an ihm herab und entdeckte nebst seiner ausgestreckten Hand auch eine glühende, dickflüssige Masse zu seinen Füssen.
»Ist das Lava?«
»Könnte man sagen... aber eigentlich ist es nur geschmolzener Granit. Jetzt komm schon.«
Sie löste den Blick von der... Lava und betrachtete wieder seine Hand.
»Das geht doch nicht. Ich werde mich verbrennen!«
Er schüttelte nur den Kopf. »Wirst du nicht. Vertrau mir.«
Sie zögerte. Er wirkte so ruhig, dass er sie irgendwie an ihren Vater erinnerte...
»Also gut...« Sie legte ihre Hand in seine. Tatsächlich hatte sie eine völlig normale Temperatur. »Und was hast du jetzt vor?«


~Mile~

Zusammen schritten sie in die Mitte des Raums, gleich vor den Altar. Der geschmolzene Granit folgte ihnen in glühenden Fäden.
Um sie herum tobten noch immer die Kämpfe.
Damaris war umringt von den Toten, die sie einen nach dem anderen auferstehen und kämpfen liess wie eine kleine, persönliche Marionettenarmee, deren Fäden die Xilsar immer wieder aufs Neue kappten, nur um ihnen gleich darauf erneut entgegentreten zu müssen.
Auch Hedwig kämpfte noch immer, nur war sie seit dem Verlust ihrer Kinderkette, aus der sie zuvor reichlich Energie getankt haben musste, sichtlich geschwächt. Das kam Nevis zugute, die nun die Oberhand über das Duell erlangt hatte.
Dracula hatte es unterdessen geschafft, sich die Barbarentochter zu schnappen und ihr in den Hals zu beissen, doch die hatte sich schnell befreit und ihm einen ordentlichen Schlag mit dem Ellbogen verpasst, während Red sich von hinten auf ihn stürzte und deren Schlag der Vampir nur mit Mühe ausweichen konnte.
»Bruder und Schwester wieder vereint, erschaffen, was unmöglich erscheint«, murmelte Sabrina und lehnte sich erschöpft an ihn.
»Zeit, die Prophezeiung zu erfüllen!« Er wandte sich den glühenden Fäden zu seinen Füssen zu, die augenblicklich in Bewegung kamen. Zischend und Fauchend wie Schlangen stürzten sie vorwärts, wuchsen zu immer dickeren Strängen und als sie ihre Beute erreichten, schnappten sie zu...


~Sabrina~

Die Xilsar wichen zurück, als die glimmende Masse sich um die Beine der Dunklen zu schlingen und unaufhörlich an ihnen hochzuklettern begann.
Hedwig war die erste und sie schrie vor Schmerz, warf sich zu Boden, strampelte, schlug um sich. Vergeblich. Damaris begann panisch Abwehrzauber zu wirken, doch als wüsste die Masse bereits, was sie später einmal sein würde, liess sie sich davon nicht aufhalten, frass weiter und weiter, bis die Königin der Flüche unter Schmerzensschreien zusammenbrach. Dracula sah, was mit seinen Alliierten geschah und versuchte noch, diesem Schicksal zu entfliehen, rannte los, doch da stellte sich ihm Cernunnos in den Weg, scheute und schlug ihn mit seinen Hufen zu Boden, sodass die Masse sich einfach wie eine glimmende Decke über ihn warf. Mit Rollo und Corda hatte er es einfacher. Der gigantische Werwolf lag noch immer bewegungsunfähig in einer Ecke, schnappte nach der Schlange, die ihn jedoch einfach ansprang und in Windeseile gefressen hatte. Corda, die ebenfalls halb tot in ihrer eigenen Blutlache lag, nutzte diesen letzten Augenblick, um eine Hand zu heben, sich die Maske vom Gesicht zu reissen und damit das Geheimnis zu lüften, das sie darunter versteckt hatte – zwei kleine Hörner, die ihr aus der Stirn wuchsen und sie als nichtmenschliches Wesen entlarvten. Auch sie wurde gnadenlos von der Masse verschlungen. Nun war nur noch Nevis übrig, die sich mit vor Angst geweiteten Augen an eine Wand presste. Als die glühende Schlange auch auf sie zu schnellte, intervenierte Sabrina. »Halt!«
Die Masse verharrte. Nevis bedeckte schützend ihren Kopf mit den Armen.
»Bist du dir sicher?«, fragte Mile und musterte Nevis skeptisch. »Ich habe gesehen, dass sie auf unserer Seite gekämpft hat, aber das spricht sie nicht frei von den Verbrechen, an denen sie Schuld trägt und beteiligt war.«
»Mama und Papa.« Sabrina schüttelte den Kopf. »Ich will sie nicht von ihren Sünden lossagen. Ich glaube nur, dass sie nicht das gleiche Schicksal erleiden sollte wie die anderen.«
»Also gut«, brummte Mile und pfiff die Schlange zurück. Er sah auf sie herab und drückte ihre Hand. »Jetzt bist du dran.«
Sie kniete sich hin, seine Hand noch immer fest umklammernd und presste ihre freie auf den Boden, schloss die Augen, konzentrierte sich auf ihren langsamer werdenden Herzschlag und rief die Kälte in ihr zu sich. Sie spürte, wie der Frost sich über sie legte, ihren Arm hinabkletterte und auf den Boden übersprang, über den Granit floss, hinweg über Waffen, Rüstungen und Tote bis auf das dickflüssige Gestein, an dem die Kälte vorsichtig zu lecken begann, das Glühen ersterben liess und jene Macht geboren wurde, die Feuer und Eis nur gemeinsam erschaffen konnten. Aus Nichts, aus Niemals, der Leere, das Vergessen, geboren wird der Stoff mit niemandem zu messen. Mächtiger als Feuer, Eis, Klaue und Schwert, selbst den Herrschern bleibt eine solche Macht verwehrt. Der Herrscher über alle Macht, keiner hat an Obsidian gedacht...


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Hallo liebe Leser,

Obsidian entsteht bei schnellerer Abkühlung von Lava durch Eis oder Wasser mit einem Massenanteil an Wasser von maximal 3-4%. (Ist der Massenanteil an Wasser höher, entsteht auch bei schneller Abkühlung Bimsstein.) Die schwarze Färbung hat es seinem Eisenoxidgehalt zu verdanken. Obsidian besteht hauptsächlich aus Siliziumoxid, enthält aber eine Vielzahl weiterer Mineralien. Selbst ist er den Gesteinen zugeordnet. Er ist in allen Gebieten anzutreffen, deren Entstehung auf vulkanische Bildung zurückzuführen ist.

Ich hab das ja durch Minecraft gelernt. Lava + Wasser = Obsidian.
Und ich verstehe nicht, wieso auf die Idee einfach noch niemand gekommen ist! Jedenfalls habe ich noch keinen einzigen Kommentar gelesen à la „Oh hey, Feuer und Eis, könnten Sabrina und Mile nicht selber Obsidian machen?".
Okay, wahrscheinlich sitzt ihr grad alle am Handy und denkt euch: Löl, Dreamy was labast duuuu. Das hab ich mia von Anfang an gedacht, dass die dann so Obsidian machen und sooo. Nöääääh is ja voll logisch, voll kein Plottwist ey, voll duuuumm...
Okay, sorry, hat grad einfach zu sehr Spass gemacht.
Also legt mal los: Mind = Blown oder Mind = Bored? Schiesst los, denn ich bin selbst echt nicht sicher, ob ich zufrieden mit diesem Kapitel sein soll...

Dann zu der Sache mit Nebelfinger... Das hat mir mehr weh getan als euch. Ich habe diesen Charakter geliebt und habe selbst ein bisschen weinen müssen, als er gegangen ist. Wenn mit Folter nichts zu brechen, sich die Tapferkeit wird rächen. Die Dunklen drohen mit dem Tod, es färbt sich weisse Unschuld rot.

Das ist so eine Sache mit dem Sterbenlassen von Charakteren. Hut ab an alle, die es sich trauen, einen wichtigen Charakter, einen Liebling der Leser, sterben zu lassen. Damit will ich nicht sagen: Ja los, bringt sie um, drückt auf die Tränendrüse und versucht eurem Buch damit einen scheinbaren Tiefsinn aufzudrücken, der aber gar nicht da ist, nur weil jemand stirbt!
Wisst ihr, was ich meine?
Es herrscht Krieg und es ist nicht Lalaland, es sterben Leute, aber ich will nicht einfach nur Leute umbringen, damit sie sterben. Ihre Tode sollten, meiner Meinung nach, zur Story beitragen. In diesem Fall rettet Nebelfinger damit seinen Bruder und liefert Mile „Motivation", die Folgen für die Zukunft nicht zu vergessen, aber natürlich hüte ich mich vor Spoilern. Katmos Tod diente auch zur "Motivation" (mit ist grad kein anderes Wort eingefallen. Motivation klingt nur so... positiv... iww), denn zu dem hatte Mile eine Bindung und diese... Respektlosigkeit vor dem Leben, die die Dunklen haben, darum ging es bei Katmos Tod.
Weil Gretel starb, hat Hänsel den Sinn in seinem Leben (so hart das jetzt klingt) verloren und hat es deshalb für einen höheren Zweck geopfert, damit Mile fliehen konnte.
Wendy und Tatze starben, wodurch Peters Identität gelüftet werden konnte und verhindert wird, dass er in diesen dunklen Abschnitt seines Lebens zurückgezogen werden kann.
Blablabla, wisst ihr was ich meine?
Was ist eure Meinung zu dem Thema?

Dieses Kapitel hatte etwas Finalestimmung, nicht wahr? HAH! Falsch gedacht. Tatsächlich kommt da noch was, bevor es zu Ende geht. Also schmeisst Twos bloss noch nicht in den Müll eurer App, da passiert noch was! ;P

Und wer sich jetzt denkt: Dreamy, du olle Schreibmaschine, wie schaffst du es, zwei Monate nicht zu uploaden und dann innerhalb von wenigen Tagen gleich zweimal?, dem kann ich sagen: Weil ich die Grippe habe. Immer noch! Und weil das letzte Kapitel so viel Kopfarbeit war und das hier... weniger...
Scheiss Grippe.

Dann gibt es da noch etwas, über das ich mit euch reden muss. Heute ist der 12. September 2017 und (weil ich so unglaublich scheisse mit Daten bin) vorgestern hat klein Dreamy das erste Kapitel Twos hochgeladen... und die restlichen 23 1/2 gleich hinterher (weil klein Dreamy es für eine gute Idee gehalten hatte, ein unfertiges Kapitel hochzuladen. Professionelle Wattpaderin, meine Damen und Herren und als was ihr euch sonst identifiziert).
Jedenfalls habe ich das vorhin gesehen und wurde mal wieder ein bissel gefühlsdusselig. Vor fünf Jahren hat dieses Abenteuer begonnen und vor vier habe ich euch da draussen daran teilhaben lassen. *schnief* Schon schön, dass es Twos noch immer gibt und dass auch tatsächlich Leute gibt, die es noch nicht leid gerwoden sind x'D
Danke dafür (iBlali)

Uuuuuuuuund zu guter Letzt:
Se musikalische Entertainment des Kapitels:
Jungs (yes, I did just assume your gender... or not... depends...), ihr kennt mich, ich finde OneDirection doof. Früher waren mir die Heinis egal, dann hab ich auf Wattpad angefangen, seither kann ich die Typen nicht mehr sehen. #NiederMitDen1DFanFictions Und ja, ich versuche mich gerade dafür zu rechtfertigen, dass ich ein fucking Lied von fucking Zayn auf das Kapitel geklatscht habe. Aber Sia ist da mit dabei und ich liebe Sia und scheisse, ich finde das Lied geil.
Also packt die faulen Tomaten wieder ein.
Da fällt mir grad was Wichtiges ein:
Funfact!
An alle, die glauben, Theodor sei inspiriert durch Harry Styles: Nein. Einfach nein.
Nur weil er Locken hat und Brite ist? Pha!
Tatsächlich ist Theo inspiriert durch Mika xD Ich mag Mika.
I  COULD BE BROWN I COULD BE BLUE I COULD BE VIOLET SKY I COULD BE HURTFUL I COULD BE PURPLE I COULD BE ANYTHING YOU LIKE...
...

*hust*
Sorry...
Wie kommt es nur, dass ich nach so einem ernsten Kapitel so zum Clown werde. Naja, vielleicht hat es euch ja etwas aufgemuntert ;)

So und jetzt trinke ich meine Kanne Erkältungstee leer und lasse euch in Frieden. Nächstes Kapitel kommt entweder in zwei Monaten, zwei Wochen oder zwei Tagen. xD
Lasst 'n Vötelchen und am aller aller aller besten einen Kommi da! Bitte. Danke :3

Rés tem tria horo ties celot'iru. Marsia zanoyè!

Gehabt euch wohl,
Eure Dreamy


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