Zehn Sekunden

By Herbstzeitlose_

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Musik, Partys, Fame und Frauen. Eigentlich dachten sie, dass sie alles haben, was man braucht. Doch dann st... More

Prolog
Geständnisse
Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob du'n Mädel hast, oder auch keins
Von Fischbrötchen und Obdachlosigkeit
Harte Fakten
Was ich will
Von Fantasien und Experimenten
Verräterische Spuren
Alles okay zwischen uns?
Immer dieses Gedankenchaos!
Trostpflaster
Fick sie halt!
Sag es laut
Irgendwas ist immer
Karawane der Liebe
Aller guten Dinge sind nicht drei!
Auf Abwegen
Heul doch
Pleiten, Pech und Pannen
Von Verwirrung und offenen Fragen
Feuchte Fantasien und Erkenntnisse
Gebt mir mal die Zwangsjacke!
Nie gesagt
Und jetzt mal Klartext!
Von Krümeltee und düsteren Kreaturen
Damals in der Schule
Versteckspiel
Das Spiel mit dem Feuer
Und ich singe dein Lied
Ich bin nicht kompliziert, du verstehst mich nur nicht
Von Pillen und Plänen
Fühlt sich wie fliegen an
Von Selbstbeherrschung und schmutzigen Geheimnissen
Vorfreude ist die schönste Freude
Zimmer 420
Ein Kuss, der dich nicht loslässt und dich Tage trägt
In all mein Schwarz dein fettes Grinsen
Von Eifersucht und ehrlichen Worten
Eiserner Steg
Und es war Sommer
Ich frage mich danach, was uns verbindet oder trennt
Von spritzigem Sekt und unruhigen Geistern
Schlechte Ideen schaffen die besten Erinnerungen
Tanzt ihr Stricher, der König hat Laune!
Von quietschenden Federn und Chaos im Kopf
Die Story vom Pferd
Ich sprüh's an jede Häuserwand
Finger weg, Bitch
Geschwisterliebe
Hear me screaming, see me bleeding
Von Panik und Strohhalmen
Das große Wort mit L
Winterwonderland
All I want for christmas is You!
Epilog

Von Philosophie und Pilzragout

803 59 24
By Herbstzeitlose_

Mannheim, 31. Oktober 2013

Die Gänge des Hotels rasten an uns vorbei, als wir mitten in der Nacht mit dem Kofferwagen, den Lukas gefunden hatte, durch den Keller sausten. Lukas hielt sich wild lachend mit beiden Armen an den Stangen fest und ich schob ihn an. Meine Lunge pfiff langsam aber sicher schon das Lied vom Tod und meine Beine brannten höllisch von der ungewohnten Bewegung, aber trotzdem konnte ich einfach nicht aufhören zu rennen. Lukas genoss die Fahrt viel zu sehr, er verfiel von einem Lachanfall in den nächsten, seine Haare flogen wild in der Gegend herum und hin und wieder drehte er sich zu mir um, um mich anzugrinsen, was meine ohnehin schon schwachen Beine noch schwächer werden ließ.

Ich gab ihm einen Klaps auf den Hintern und verlangsamte mein Tempo ein wenig, um auch noch den Rest des Weges zu überstehen. Lukas Ziel war die Hotelküche und die schien noch ein gutes Stück von uns entfernt zu sein. Das Hotel war zwar groß, aber so groß eigentlich auch wieder nicht. Wenn ich recht überlegte glaubte ich, könnten wir schon längst in der Küche angekommen sein. Ich vermutete jedoch, dass Lukas mich absichtlich falsch schickte, um die Fahrt noch ein bisschen länger genießen zu können.

So viel war in den letzten Tagen passiert. So viel, dass ich es gar nicht so recht fassen konnte. Seltsame Gedanken und Gefühle waren in mir aufgekeimt, wie ich sie vorher noch nie für einen Mann gehabt hatte. Lukas hatte mich auf der Bühne geküsst. Wir hatten heimlich rumgemacht, ein paar Tage später sogar miteinander geschlafen und kurz darauf hatten wir uns gegenseitig unsere Gefühle gestanden. Das alles, ohne dass einer von den anderen Mitgliedern der Band auch nur den leisesten Hauch davon mitbekommen hatte. Verrückt, wenn man mal so darüber nachdachte.
Da verbringt man Tage und Wochen auf engstem Raum miteinander, bekommt alles von den anderen mit und gleichzeitig doch überhaupt nichts.

„Timi du wirst voll langsam, alte Schnecke. Gib Gas, Mann", gluckste Lukas und drehte sich zu mir um. Sein Atem roch stark nach Alkohol und ich fragte mich, wie er es die ganze Zeit über geschafft hatte, nicht vom Wagen zu fallen. „Du wirst doch jetzt nicht schlappmachen?"
„Nee, ich hab nur über was nachgedacht", antwortete ich ihm und lief wieder ein bisschen schneller.
Lukas zeigte plötzlich nach rechts und ich bekam die Kurve gerade noch so. Wir standen nun direkt vor der Tür, die zur Hotelküche führte. Ich sah mir die große Topfpflanze in der Ecke an und stellte fest, dass ich mindestens schon sieben Mal an dieser vorbeigerauscht war.

„Du wusstest die ganze Zeit, dass wir schon mehrmals hier vorbeigekommen sind, oder?"
Lukas lachte ein lautes, vergnügtes Lachen. „Klar wusste ich das. Aber jetzt will ich lieber hören, über was du schon wieder so angestrengt nachdenkst, und ich glaube deine Raucherlunge verträgt sich da nicht mit großen Reden und viel Bewegung."
Dankbar legte ich ihm meine Hand auf die Schulter. „Zu großzügig. Dankeschön."

Lukas sah sich noch einmal auf dem Korridor um und legte dann die Hand auf die Türklinke, um diese langsam und vorsichtig runterzudrücken. Die Tür war nicht abgeschlossen und ließ sich sofort öffnen.
„Du bemühst dich echt, die Tür lautlos aufzumachen, nachdem wir gerade eine Stunde oder so lachend und schreiend mit einem Gepäckwagen durch die Flure gepoltert sind? Meinst du nicht, derjenige, der jetzt die Tür hätte hören können, hätte uns da nicht schon viel früher gestoppt?"
Lukas legte die Stirn in Falten und überlegte angestrengt. Wenige Augenblicke später prustete er los, ließ seinen Oberkörper nach vorne fallen und stützte sich nach Luft schnappend und bebend vor Lachen auf seinen Knien ab. Dann legte er den Kopf schief und guckte aus seinen glasigen Augen zu mir hoch. „Vodkalogik", sagte er nur und richtete sich wieder auf.

Leise schlichen wir uns durch die riesige Küche des Hotels. Zu meiner großen Erleichterung war es sehr sauber hier unten. Alles war ordentlich in die Regale geräumt worden, nirgends standen irgendwelche Reste herum und die stählernen Arbeitsflächen glänzten blitzsauber im Licht einer Straßenlaterne, die durch die flachen Fenster nahe der Decke schien. Seitdem ich vor noch gar nicht so langer Zeit mal eine überaus ekelerregende Reportage im nächtlichen TV angeschaut hatte, hatte ich nämlich gewisse Bedenken, was das Essen in Hotels und Restaurants anging.
„Und du willst hier jetzt ernsthaft was zu essen machen? Du spinnst doch", sagte ich grinsend, während ich mich auf einer Arbeitsfläche niederließ.
„Baby, Benni hat wohl genug Kohle um uns freizukaufen, selbst wenn wir jetzt erwischt werden. Wir sind Gäste in diesem Hotel, ich hau mir jetzt einfach nur was in die Pfanne und habe nicht vor, die komplette Küche in ihre Einzelteile zu zerlegen. Wo ist das Problem?"
Ich lachte leise auf. „Lukas ey, diese kriminellen Energien hätte ich dir gar nicht zugetraut."

Ich beobachtete ihn, wie er die Schränke nach allem, was er so brauchte, durchsuchte.
„Willst du auch was?", hörte ich seine Stimme gedämpft fragen, kurz nachdem er in der begehbaren Kühlkammer verschwunden war. „Oder nein, warte. Du willst was, ist ja klar. Aber ich verrate dir nicht, was. Ich überrasch dich."
„Es ist keine Überraschung, wenn ich dich beim Kochen sehe", rief ich zurück.
Wenige Augenblicke später kam Lukas vollgepackt mit diversen Packungen zurück. „Stimmt", sagte er nur.

Ich lehnte mich nach hinten an die Wand, zog eine schiefe Zigarette aus der völlig zerquetschten Packung in meinem Hoodie und zündete sie an.
„Timi", rief Lukas völlig empört. „Du kontaminierst meinen Arbeitsbereich!"
Ich warf ihm einen Blick zu, der sowas wie Ist-das-jetzt-dein-scheiß-Ernst-Alter ausdrücken sollte und Lukas grinste nur zurück, bevor er sich daran machte, irgendwelches Gemüse, dessen Namen mir jetzt partout nicht einfallen wollte, zu zerlegen.

„Über was hast du denn jetzt vorhin wieder nachgedacht?", fragte er und warf kurz darauf das Kerngehäuse von Was-auch-immer neben mich in einen Müllbehälter.
„Mh, einfach nur darüber, dass man andere Menschen vermutlich gar nicht so richtig kennt. Also dass man doch auch eigentlich nie so richtig behaupten kann, jemand anderen zu kennen."
Lukas nahm eine Pfanne, stellte sie auf den Herd und schaltete ihn mit nachdenklichem Blick ein. „Wie meinst du das genau?"
Ich hielt meine Zigarette neben mich in das überdimensional große Spülbecken und aschte ab, woraufhin mir einen missbilligenden Blick von Lukas einfing. Kopfschüttelnd und mit einem leichten Grinsen auf den Lippen ließ er ein bisschen Wasser laufen, bis nichts von der Asche mehr zu sehen war.

„Na ich meine es eben so, wie ich sage. Ich mein, komm schon. Du zum Beispiel... du bist ein Buch mit sieben Siegeln, der beste Schauspieler, den ich kenne und vermutlich je kennen werde. Ich weiß nicht, werde ich dich je kennen? Also wirklich so richtig kennen?"
Lukas legte den Kopf schief und schaute mich eine ganze Weile einfach nur an. Nach endlos langen Augenblicken fragte er: „Timi, hast du gekifft?"
Ich lachte und schüttelte kurz den Kopf. Vielleicht und ganz eventuell war Lukas ein wenig zu betrunken für solch tiefgehende Gespräche.
„Ich mein ja nur, red ruhig weiter", sagte er dann, als ich nicht gleich wieder mit dem Sprechen fortfuhr.
„Was kochst du da jetzt eigentlich?", fragte ich ihn stattdessen und beobachtete ihn dabei, wie er Fleisch in Würfel schnitt.
„Pilzragout."
„Und wo sind die Pilze?"
„Kommen noch, jetzt sei doch nicht so ungeduldig", antwortete er lachend.

„In Pilzragout ist meines Wissens kein Fleisch drin", erwiderte ich skeptisch.
„Und meines Wissens hast du überhaupt kein Wissen, was Kochen angeht."
„Touchée."

Ich drückte meine Zigarette im Waschbecken aus und zündete mir direkt die nächste an. Lukas ließ es diesmal zu meiner Verwunderung unkommentiert.
„Na das mit dem, dass man andere niemals wirklich kennt..."
„... der Gedanke deprimiert mich irgendwie", fiel Lukas mir ins Wort.
„Aber lass mich doch mal erklären", sagte ich grinsend. „Kleine Plappertasche."
„Ich sag doch die ganze Zeit nichts. Rede!", gab er mir ebenfalls grinsend zur Antwort.

„Mich deprimiert der Gedanke auch. Und eigentlich versuche ich da auch gar nicht so sehr drüber nachzudenken. Aber manchmal gibt es halt so Momente, in denen man alles in Frage stellt und sich Gedanken über gewisse Dinge macht."
Lukas legte den Kopf schief und sah mich an, während er mehr Fleisch schnitt. Mein Herz setzte einen kurzen Moment aus, als die Klinge seinen Daumen nur um Millimeter verfehlte. „Und während wir lachend und mit dem Spaß unseres Lebens über einen Hotelflur rasen, stellst du dein Leben in Frage?"
Ich zog an meiner Zigarette und blies Lukas den Rauch ins Gesicht. „Gewöhn dich dran, ich bin halt manchmal ein bisschen komisch."
„Allerdings."
„Was ich meine, wenn ich jetzt endlich mal ausreden darf ist... ich nehm dich jetzt mal als Beispiel. Ich seh ja nicht wirklich dich, wenn ich dich angucke. Ich seh nur das Bild, das du mir zeigst. Woher weiß ich denn, ob du jetzt wirklich so glücklich bist, wie du gerade aussiehst? Vielleicht bist du ja eigentlich gerade total traurig und tust nur so, als ob du glücklich bist. Wenn ich dir eine Frage stelle und du mir Antwort gibst, woher weiß ich dann, dass das wirklich deine Meinung ist und nicht irgendwas, von dem du denkst, dass ich das jetzt hören will? Du erzählst mir nur, was du mir erzählen willst. Was dir mal passiert ist, was du mal gedacht hast und was du in jeder Sekunde denkst, das bleibt mir absolut unsichtbar, wenn du es mir nicht zeigst. Und deshalb denke ich halt, man kennt wenn dann nur einen kleinen Teil einer Person. Niemals die ganze Person. Das ist doch einfach unmöglich. Und irgendwie deprimiert mich das eben. Dass ich niemals jemanden wirklich kennen kann und dass im Umkehrschluss niemals jemand mich wirklich kennen wird."

Lukas rührte konzentriert in der Pfanne herum und warf die letzten Fleischstücke von seinem Brett dazu. „Wow", sagte er bloß und sah mich an.
Ich zuckte mit den Schultern und grinste leicht. „Ich weiß, ich bin manchmal komisch."
Er grinste zurück und entfernte sich ein paar Schritte von mir, um in einem Schrank herumzukramen. Kurz darauf kam er mit einer Flasche Wein zu mir zurück. Er schraubte den Verschluss auf und nahm einen tiefen Schluck, dann hielt er mir die Flasche hin. Ich tat es ihm gleich, dann stellte ich die Flasche neben mir ab.
Lukas stellte sich zwischen meine Beine und ich spreizte sie ein wenig mehr, damit er näher zu mir ran kommen konnte.
„Ach Timi", seufzte er und schlang seine Arme um mich. Ich zog ihn ein bisschen näher und legte dann meine Arme locker auf seine Schultern.
„Jetzt hab ich die Stimmung ganz schön runtergezogen, oder?", fragte ich und schob die Weinflasche ein wenig von uns weg, da sie gefährlich nah an der Kante gestanden hatte.

„Nee eigentlich gar nicht", sagte Lukas. „Ich red gern über solche Dinge und denke auch gern darüber nach. Nur über dieses Thema speziell hab ich mir noch nie so wirklich Gedanken gemacht. Jedenfalls nicht so intensiv wie du. Aber eins weiß ich... mein Ziel ist es, dich so gut zu kennen, wie es nur möglich ist."
„Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass du eines Tages die Person sein wirst, die mich besser kennt als all die anderen da draußen", sagte ich und strich Lukas eine verlorene Haarsträhne aus dem Gesicht.

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