Plötzlich Indianer - Eine Zei...

By Booky_2017

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Die siebzehnjährige Marie hatte sich so sehr auf die Kursfahrt mit ihrem Englisch-Leistungskurs gefreut, der... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kaptel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
Zugabe

Kapitel 22

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By Booky_2017

Wir näherten uns dem Ausgang der Höhle. Bevor ich den ersten Lichtstrahl von draußen sehen konnte, hörte ich ein Tosen und Pfeifen, das noch lauter war als das Rauschen des unterirdischen Wasserfalls, den wir hinter uns gelassen hatten. Es war ein wildes Heulen, das mir die Haare zu Berge stehen ließ. Ich klammerte mich an Ohitikas Hand. Was war da draußen los?

Plötzlich fuhr mir ein eisiger Luftzug ins Gesicht, dass ich glaubte, der Atem würde mir in der Nase gefrieren. Die Temperatur im Inneren der Höhle lag bei konstanten 15 Grad, das wusste ich noch von unserer Führung. Aber jetzt schien es immer kälter zu werden, je näher wir dem Ende des Höhlengangs kamen. Ich konnte die spitz zulaufende Form der Felsspalte bereits erkennen — und dahinter nichts als ein einheitliches Grau-Weiß, ganz anders als das Tageslicht von heute Morgen.

„Ein Schneesturm." Ohitika musste die Stimme erheben, um das Tosen zu übertönen.

„Was?" Als wir die Höhle betreten hatten, war draußen noch blauer Himmel und Sonnenschein gewesen. Sicher, es war recht kalt gewesen, aber ich hätte nie für möglich gehalten, dass in den wenigen Stunden, die wir im Inneren der Höhle verbracht hatten, das Wetter so umschlagen könnte.

„Die Pferde!", fiel es mir ein.

Ohitika hielt mich zurück, als ich nach vorn stürmen wollte, auf den Ausgang und die dahinter wirbelnden Schneemassen zu. „Die Mustangs wissen, was sie tun müssen. Aber wir brauchen Schutz. Du bleibst hier. Ich werde unsere Decken und Vorräte holen. So ein Sturm kann Tage dauern. Hier bist du sicher. Mach ein Feuer, wenn du kannst." Er reichte mir sein Feuerzeug und das wenige Brennmaterial, das noch übrig war.

„Aber ..." Ich wollte nicht, dass er da rausging. Die ungeheure Stärke dieses Sturms erschreckte mich. So etwas hatte ich in Deutschland definitiv noch nie erlebt. Der Wind tobte und jaulte wie ein lebendes Wesen und das gräuliche Weiß schien so undurchdringlich wie eine Wand. „Findest du überhaupt den Weg?", fragte ich mit zitternder Stimme. Bereits jetzt ließ die Kälte meine Zähne klappern.

Ohitika drückte mir beruhigend die Schulter. „Ich komme bald wieder."

Er drehte sich um und ging auf den Ausgang zu. Kaum hatte er sich durch die Spalte geschoben und einen Schritt hinaus gemacht, da verlor ich ihn auch schon aus den Augen — verschluckt von den Schneeböen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Mach dir keine Sorgen, sagte ich mir. Er weiß, was er tut. Vertraue ihm.

Meine Finger schmerzten bereits von der Kälte und ich hauchte sie an. Ich sollte wirklich bald ein Feuer machen. Aber dafür brauchte ich Holz, und das gab es hier in der Höhle nicht. Ich erinnerte mich aber, dass ich rechts vom Eingang einen blattlosen Strauch gesehen hatte, der sich mit seinen Wurzeln in der Erde und im Gestein festklammerte. Wenn Ohitika sich in diesen Sturm hinauswagte, dann würde ich das wohl auch schaffen ... selbst wenn er mir aufgetragen hatte, drinnen zu bleiben.

Vorsichtig näherte ich mich dem Ausgang einige Meter vor mir. Die Kälte biss mir bei jedem Atemzug in die Lungen. Manchmal wirbelte der Sturm eine Schneewehe in den Höhlenarm. Dann tanzten die dicken Flocken einige Momente in der Luft, bevor sie in dichten Lagen zu Boden fielen. Ich trat durch die Schneeschicht und schob mich durch die Spalte. Kaum war mein ganzer Körper außerhalb der Höhle, erfasste mich der Sturm mit voller Wucht, warf mich zurück gegen die Felswand und presste mir die Luft aus der Lunge. Vor meinen Augen und in meinen Ohren rauschte und wirbelte es. Ich sah nichts außer der grau-weißen Masse, höchstens eine Armlänge weit. Sofort schien meine Körpertemperatur auf Gefriertemperatur abzusinken und meine Haut stach überall, wo sie mit der Luft in Berührung kam. Aber ich brauchte Holz!

Gegen den rasenden Sturm kämpfte ich mich auf die andere Seite der Felsspalte, ohne die Hände von der Felswand zu nehmen, aus Angst, dass ich sonst weggeweht und verloren gehen würde. Ich tastete unten nach dem Strauch, bis die trockenen Zweige in meine steifen Finger stachen. Ich riss unbeholfen an den Ästen, obwohl ich kaum noch Gefühl in den Händen hatte, bis einige von ihnen endlich nachgaben und brachen — es war höchstens eine Handvoll, aber ich musste wieder rein, sonst würde ich mich nicht mehr bewegen können und hier, kurz neben dem Eingang zur Höhle, erfrieren.

Der Weg zurück zur Felsspalte kam mir vor wie eine Ewigkeit. Die Kälte griff mit ihren eisigen Fingern nach meinem Körper, bis mich eine unheimliche Schläfrigkeit überfiel, die mir einredete, ich solle mich direkt hier in den weichen Schnee legen und ein Weilchen schlafen. Doch mein Verstand wusste, dass ich dieser Stimme nicht nachgeben durfte, dass ich in Bewegung bleiben musste. Endlich fand ich die Lücke im Gestein und schlüpfte hindurch.

Die Luft war kalt, aber — geschützt vor dem Sturm — nicht mehr so beißend, sodass ich Atem schöpfen konnte und mein Kopf sich langsam klärte. Ich betrachtete die Handvoll gefrorener Zweige, die ich umklammert hielt. Es fiel mir schwer, meine Faust zu öffnen. Die Knöchel schmerzten und meine Finger zitterten. Mein ganzer Körper zitterte unkontrolliert.

Ich schleppte mich weiter hinter in die Höhle, bis ich merkte, dass die Temperatur auf einen erträglichen Wert stieg. Dann kauerte ich auf den Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt, und wartete darauf, dass ich meinen Körper wieder einigermaßen kontrollieren konnte.

Ich rieb meine Händen und klatschte meine Arme gegen meinen Oberkörper, um die Blutzirkulation anzuregen. Meine Füße fühlten sich taub an und ich war immer noch unendlich müde. Wenn mich schon dieser kurze Ausflug so geschafft hatte, wie würde es dann Ohitika ergehen? Mein Herz verkrampfte sich vor Angst. Ich hatte da draußen kaum etwas gesehen, was nicht direkt vor mir lag — wie sollte er sich je wieder zurückfinden? Die Vision seines eingefrorenen Körpers, noch immer aufrecht und halb im Schritt, wie eine schöne, lebensechte Statue, ließ mich erschaudern. Ich verdrängte den Gedanken rasch. Er musste zurückkommen!

Und ich würde für ihn ein Feuer in Gang halten. Meine halb-tauben, zitternden Finger werkelten mit dem Feuerzeug. Ich stellte mich so dumm an wie ganz am Anfang. Endlich züngelte ein kleines Flämmchen an dem letzten trockenen Moospolster, das wir mitgebracht hatten. Die gefrorenen Zweige waren aufgetaut und ich wischte die Feuchtigkeit von ihnen ab, bevor ich sie mit der Flamme in Kontakt brachte. Es knackte und zischte und spuckte, aber als das Restwasser verdampft war, fingen sie endlich Feuer. Ich starrte auf das kleine Häufchen brennender Äste. Es spendete kaum Wärme und es würde nicht lange reichen.

Ich war noch immer so müde, dass meine Augen zufallen wollten, aber ich durfte nicht einschlafen. Ich musste auf Ohitika warten. Meine Gedanken wurden träge — und das war ein Glück, sonst hätten sie sich immer wieder im Kreis gedreht. Mehrmals dämmerte ich kurz weg und schreckte auf, als mein Kopf auf meine Brust sank. Ohitika, war mein letzter bewusster Gedanke, wo bist du?

Als mich etwas an der Schulter berührte, zuckte ich zusammen. Ich lag zusammengerollt auf der Seite, mit dem Rücken gegen die Felswand, und wusste nicht, wie ich in diese Lage gekommen war. Das Feuer war wieder ausgegangen, aber daneben lag ein neuer, viel größerer Haufen an Zweigen, ebenso wie eine Ledertasche. Jemand legte eine Felldecke um mich. Abrupt setzte ich mich auf, sodass die Decke herunterrutschte.

Meine Kehle gab einen erstickten Laut von sich, der sein Name hatte sein sollen, aber alles in mir schien noch eingefroren. Ich warf mich an seinen Hals und spürte erschreckt, wie eisig kalt seine Haut war. Eiskristalle hingen in seinen Haaren und sein Gesicht sah grau aus. Ohitika hielt mich kurz fest, dann zog er sich zurück. „Hilf mir, meine Füße mit Schnee einzureiben", bat er.

Ich runzelte die Stirn. "Sind sie nicht schon kalt genug?"

"Ich spüre sie nicht mehr. Der Schnee wird die Blutzirkulation wieder anregen."

Ich sprang auf und eilte zum Eingang, um Schnee zu holen. Draußen tobte immer noch der Sturm und fegte die Schneewehen herein. Mit einem Armvoll der weißen Masse rannte ich zurück. Ohitika steckte seine nackten Füße in den Schneehaufen und ich half ihm dabei, sie damit abzureiben. Der kalte Schnee biss in meine Finger, aber Ohitika verzog keine Miene. Seine Füße und Hände hatten eine unnatürlich blasse, bläuliche Farbe. Ich sah, dass er seine Fingern kaum noch koordinieren konnte.

„Geht es wieder?", fragte ich.

„Langsam kehrt das Gefühl zurück." Die Worte klangen etwas gepresst, das einzige Zeichen dafür, dass er Schmerzen haben musste — vermutlich zwickte es ziemlich heftig, schlimmer noch, als wenn die Beine eingeschlafen sind und langsam wieder „aufwachen".

„Das ist gut", sagte ich. Das hieß, sie waren wenigstens nicht abgefroren.

Rasch machte ich ein neues Feuer mit dem Haufen an Zweigen und Ästen, den er mitgebracht hatte. Er zog seine Mokassins wieder an, hockte sich im Schneidersitz vor das Feuer und rieb sich die Hände. Ich setzte mich zu ihm, umschloss seine Hände mit meinen und hauchte sie an. Langsam, langsam, schien er wieder aufzutauen.

Ich schüttelte den Kopf. „Wie lange warst du da draußen? Und wie hast du wieder zurückgefunden?", fragte ich, während ich weiterhin seine Hände zwischen meinen hielt.

„Zu lange. Auf dem Weg hangabwärts bin ich eher im Schnee gerutscht als gelaufen. Ich konnte kaum die Hand vor meinen Augen erkennen, wenn ich den Arm ausstreckte. Ich bin nur meinem Instinkt gefolgt. Beinahe wäre ich an unserer Lagerstelle vorbeigelaufen, aber die Geister müssen mir zugeflüstert haben, einen Schritt nach rechts zu machen, und da stolperte ich über die Schnur des Tipis. Die Mustangs habe ich nicht gesehen. Ich bin den Hang hinaufgeklettert, bis ich die Felswand erreicht habe, und habe mich dort an der Wand entlang getastet, bis ich den Eingang fand."

Ich legte ihm eine weitere Felldecke um die Schultern und wollte gar nicht darüber nachdenken, was hätte passieren können, wenn er nur einen Schritt zu weit links gegangen wäre. Oder wenn er ein paar Minuten zu lange draußen in der Kälte geblieben wäre.

„Alles in Ordnung?", fragte er mit sanfter Stimme.

Ich holte tief Luft. Jetzt war alles gut. Das Feuer wärmte uns ein wenig von vorn, vertrieb die Kälte in unserem Umkreis. Ich nickte. „Iss etwas und schlaf", befahl ich ihm.

Er schmunzelte. „Ite-ska-win weiß schon jetzt, wie man einen Krieger herumkommandiert."

Nachdem wir ein wenig Pemmikan zu uns genommen hatten, rollte er sich auf einer Decke ein, den Rücken zur Höhlenwand und das Gesicht dem Feuer zugewandt. Ich hockte unschlüssig auf der anderen Seite der Feuerstelle und wollte mir schon dort mein Lager auf dem kalten Stein ausbreiten, als er seine Decke ein wenig anhob und mich direkt anschaute. Mein Puls beschleunigte sich und einen kurzen Moment zögerte ich.

Doch dann kroch ich zu ihm und legte mich, ebenfalls seitlich, vor ihm auf das Büffelfell, sodass mein Rücken seine Vorderseite berührte. Er breitete mehrere Lagen von Decken über uns aus und legte dann seinen Arm um meine Taille, um mich noch näher heranzuziehen. Mir wurde heiß.

Das macht er nur wegen der Kälte, sagte ich mir. Deute da jetzt nichts hinein.

Trotzdem war mein Körper noch lange zu aufgewühlt, um zu schlafen. Erst als ich das gleichmäßige Heben seiner Brust hinter mir spürte, wurde ich auch ruhiger.

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