Bis(s) zum Erwachen - Wie ein...

By FieneFifi

73.2K 2.5K 327

Die Volturi sind verschwunden und Bellas Leben scheint perfekt - bis sie aufwacht und feststellen muss, dass... More

Prolog
Alles auf Anfang
Erklärungsversuche
Kleine, bescheidene Dreierrunde
Ein Gespräch für die Zukunft
Ungewissheiten [Edward Cullen]
Altbekannte Biostunde
Geschwisterliebe
Ein merkwürdiges Mädchen [Edward Cullen]
Die Suche nach der Lichtung
Flammendes Häuschen
Mitternachtsgespräch
Ein kleiner Hoffnungsschimmer?
Die fast-Werwölfe
Worte und ein Ausrutscher [Edward Cullen]
Alle lieben Bella ... nur er nicht
Gewissensbisse [Alice Cullen]
Krankenbesuche
Konkurrenz [Edward Cullen]
Schreckliche Klarheiten
Woche eins
Woche zwei
Woche drei
Woche vier [Edward Cullen]
Woche vier
Woche fünf
Woche sechs - Unverhofftes Wiedersehen
Klavierklänge und leise Worte
Liebesschwüre ... irgendwie
Noch immer nächtliches Flüstern
Diskussion [Edward Cullen]
Schmerzendes Glück
Das Kochbuch der Unsterblichen
Zu weit gedacht [Alice Cullen]
Zu weit gedacht [Edward Cullen]
Es wird niemals so weit kommen
Einer gegen drei
Drei Worte
Epilog
Fortsetzung: Schatten der Nacht

Glück ... oder doch nicht?

1.5K 57 16
By FieneFifi

Ich konnte nicht sagen, was mir in diesem Moment durch den Kopf ging, es war einfach zu viel, doch ich wusste, dass sich all meine Gedanken einzig und allein um ihn drehten. Mein Herz schlug seit einer geraumen Ewigkeit einmal wieder wegen ihm und weil ich glücklich war, obwohl, das war gar kein Ausdruck. Ich war … dafür gab es kein Wort, ich war einfach nur glücklich und tausend andere Dinge auch. Aufgeregt, gespannt, überrascht, erfreut, erleichtert. Mein Atem beschleunigte sich, sodass ich nur noch keuchte und Angst hatte, meine Lungen würden durch den plötzlichen Druck platzen. Ich zitterte von Kopf bis Fuß, so heftig, dass es mich gewaltig schleuderte. Die altbekannte Gänsehaut machte es sich auf meiner haut bequem, doch diesmal war sie nicht unangenehm sondern brachte ein prickelnden Gefühl in der Magengegend mit sich. Waren das die Schmetterlinge? Wohl eher Flugzeuge, wenn das ausreichte.

Das Loch, in dem ich mich die letzten fünf Wochen befunden hatte, spukte mich aus und schloss sich unter meinen Füßen, sodass es mich nicht noch einmal verschlingen konnte. Die brennenden Spuren, die die Tränen hinterlassen hatten, die ich in dieser Zeit nur zu oft geweint hatte, waren verschwunden, als wären sie nie da gewesen. In mir breitete sich ein wohliges Gefühl aus, das mich zu beflügeln schien. Ich brach aus der Oberfläche des Wassers, der Taubheit, die mich die ganze Zeit über festgehalten hatte, und es fühlte sich gut an. Jeden einzelnen Atemzug spürte ich in meiner Brust, genoss das Gefühl, wie sich meine Lungen füllten und weiteten, wie sich mein Brustkorb hob und senkte. Mein Herz schlug so schnell, ich konnte die einzelnen Schläge nicht auseinanderhalten, wie wild polterte es in mir und ich versuchte gar nicht erst, es aufzuhalten. Es schmerzte schon fast, dieses Glück.

Immer noch am Boden sitzend sah ich auf und erkannte ihn, wie er in eleganten aber schnellen Schritten auf uns zukam. Ich stöhnte auf. Wie sehr hatte ich seinen einem griechischen Gott ähnlichen Marmorkörper vermisst, wie sehr hatte ich mich nach seiner kalten Brust und seinem darin stummen Herzen gesehnt? Wie ewig war es her, dass ich in sein allzu atemberaubend schönes Gesicht sehen, die markanten Züge betrachten und in seinem Lächeln versinken, dass ich sein bronzefarbenes Haar berühren durfte? Wann war es das letzte Mal gewesen, als ich seinen berauschenden Duft eingeatmet hatte, gespürt hatte, wie sein Atem über meine Haut glitt und sie liebkoste? Und, verdammt noch mal, wie viele Gelegenheiten hatte er mir vorenthalten, in seine wunderschönen Augen zu sehen, mich darin zu verlieren? Zwar waren diese jetzt schwarz vor Ärger und Groll, unter ihnen zeichneten sich violettfarbene Halbmonde ab, seine Haut schien blasser als gewöhnlich, seine Gesichtszüge waren angespannt, seine Stirn gerunzelt. Doch trotzdem änderte das nichts an der perfekten Sicht, an diesem perfekten Mann, den ich da vor mir sah. Himmlischer konnte niemand sein.

Ich bemerkte, wie Mike jetzt von mir abwich, nach hinten blickte und dann rasch wieder auf die Beine kam. Edward stand direkt vor ihm und starrte ihn missbilligend an. Warum konnten die Cullens andere Menschen nur so gut mit ihren Blicken strafen? Ich kannte ihn gut genug, um sagen zu können, dass hinter seiner Fassade etwas gewaltig brodelte. Mike legte sich eine Hand in den Nacken, sah auf seine Füße und schwieg.

„Newton.“ Es klang wie eine Feststellung.

Mike räusperte sich. „Cu … Cullen.“

„Was sollte das?“, fragte Edward, seine Stimme klang ruhig und kontrolliert.

„Ich …“ Mike schluckte laut. „Es war … Ich wollte doch … Bella …?“

Ich zog mich langsam an der Wand hoch und hoffte, dass meine wackligen Beine nicht nachgaben. „Ja, Mike?“

„Es tut mir leid, das weißt du hoffentlich“, murmelte er schüchtern.

Ich war ihm nicht böse, wirklich nicht. „Schon gut, nicht so schlimm.“

„Und ob es das ist“, schaltete sich jetzt Edward ein und sah mich eindringlich an. Mein Verstand schmolz zu nichts. „Es ist nicht höflich, sich einfach so einem Mädchen zu nähern und es küssen zu wollen, obwohl man genau gehört hat, dass dieses Verlangen nicht auf Gegenseitigkeit beruht.“

Seine Stimme legte sich sanft, wie ein Seidentuch, um meine Haut und ließ nicht von ihr ab. Sie zu hören, in einem so langen Satz voller langer Worte, einfach berauschend. Besser als jede Droge. Ich wollte jetzt gar nicht wissen, wie mein Gesichtsausdruck war. Sicherlich total bescheuert und daneben.

„Es tut mir leid, was soll ich denn noch tun?“, fragte Mike, jetzt mit kräftigerer Stimme, in Vergleich zu Edwards aber klang sie wie die einer ängstlichen Maus.

Edward schnaubte. „Verschwinden, das kannst du. Soll ich dir dabei helfen? Es wäre mir ein Vergnügen.“

Langsam setzten sich die Worte in meinem Kopf zusammen, und die Bedeutung, die ich ihnen entlockte, war mehr als zufriedenstellend. Er wollte nicht, dass mir etwas zustieß, wollte, dass Mike verschwand, um mit mir allein …? Nein, das ging nun entschieden zu weit, für so viel Ironie war selbst meine Fantasie zu schwach. Ich seufzte, als sich Mike ein letztes Mal zu mir umdrehte, mich anlächelte und dann schnellen Schrittes den gang entlangging.

Ich stand noch immer da, den Rücken an die Wand gepresst, mit unheimlich laut polterndem Herzen in der Brust, er mir gegenüber, seine Augen wachsam auf mich gerichtet. Und da geschah es zum ersten Mal, dass ich die Spannung spürte, jene, die entfacht war, als wir in meinem Traum im Klassenzimmer gesessen hatten und das Licht ausgeschaltet gewesen war. Ungehemmt zog sie mich gedanklich mit sich, in seine Richtung. Ich fühlte mich ihm durch ein unsichtbares Band verbunden, enger als es andere Menschen sein konnten. Meine Denkweise wurde von seinen Blicken vernebelt, doch das war mir nur recht, denn mein Verstand hätte mir sicher wieder einbläuen wollen, dass ich träumte und gleich bei dem schrillenden Geräusch des Weckers aufwachen würde. Unwillkürlich biss ich mir auf die Lippe, versuchend, seinen Augen zu wiederstehen, jedoch vergebens. Die Spannung wurde stärker, trotz dass keiner von uns beiden sich dem anderen näherte. Sekunde für Sekunde huschte ein kurzer, angenehmer Stromschlag durch meinen Körper, endete in der Magengegend und löste die Schmetterlinge aus, die nun wild in mir umherflogen.

Dann brach alles wieder in sich zusammen. Die heile Welt, die sich in meinen Gedanken aufgebaut hatte, wurde zertrümmert, das Glück, dass sich in mein Herz geschlichen hatte, wurde zerfetzt und die kleinen, übrig gebliebenen Teilchen fraßen sich in mir durch Mark und Bein. Der Zauber verflog, die Spannung erstarrte und fiel beinahe tatsächlich zu Boden. Das Herzrasen, das noch vor wenigen Augenblicken von Freude herrührte, verwandelte sich in ein Hämmern grässlichen Schmerzes. Und das alles nur, weil er sich auf dem Absatz umdrehte und ging. Er setzte einfach einen Fuß vor den anderen und verschwand.

Ich ermahnte mich tausendfach, endlich meinen Mund aufzureißen, bis es mir endlich geling, doch nur ein Piepsen entwischte mir. „Danke … Edward.“

Er hob nur eine Hand, drehte sich aber nicht um, und lief weiter. Vor meinen Augen verschwamm alles, es waren wahrscheinlich die Tränen, die meine Sicht verschleierten, und so erkannte ich ihn nach nur ein paar Schritten nicht mehr. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich etwas mit einer alten Weisheit anzufangen.

Wie gewonnen, so zerronnen.

Wie … gewonnen … so … zerronnen …

Die Worte brannten sich einzeln und schmerzhaft in meine Brust. Plötzlich war mir der Boden wieder näher, als es mir eigentlich lieb war, doch das war mir in diesem Moment herzlich egal. Für mich zählten jetzt nur noch Trauer, Enttäuschung, Sehnsucht, Schmerz. In meine Ohren trat ein merkwürdiges Rauschen, das mich von dem langen, tristen Flur abtrennte, in dem ich mich befand, es isolierte mich sozusagen von der Außenwelt. Neben mir hätte eine Bombe hochgehen können, ich hätte es nicht mitbekommen. Und ganz nebenbei hätte ich es jetzt sogar bevorzugt, in die Luft zu fliegen, wenn dann die Qual verschwand.

Dieser Augenblick, der gerade geschehen war, rann zwischen meinen Fingern hindurch und dachte gar nicht daran, sich an meiner Haut festzuklammern. Wieder und wieder schoss an meinem inneren Auge das Wort ‚Warum‘ vorbei, mal kleiner, mal wuchtiger, mal war es nur ein Gedanke, mal schien mich mein Gehirn anschreien zu wollen. Am Rande meines Bewusstseins bekam ich mit, wie sich draußen der Himmel verdunkelte, die Sonne verschwand und ihren Platz gegen beinahe schwarze Wolken eintauschte. Das Wetter konnte grausam sein.

Vorsichtig und darauf achtend, ja keine zu hastige Bewegung zu machen, zog ich mich wieder auf die Beine und dachte darüber nach, ob ich nach Hause fahren sollte. Inzwischen hatte ich vergessen, welche Unterrichtsstunde gerade bei mir anstand oder welche noch folgen sollte. Würde mich jemand vermissen? Alice womöglich, vielleicht auch Angela, Jessica und … Mike. Ich hustete und spürte dabei, wie trocken Hals und Rachen waren. Auf irgendeine merkwürdige, verrückte Weise war ich ihm sogar dankbar dafür, dass er mich hatte küssen wollen. Wäre er nicht aus dem Klassenzimmer gegangen, mir entgegen, hätte er sich nicht vor mich an die Wand gestellt, wäre er mir nicht so nahe gekommen, dann hätte ich sein Gesicht heute womöglich gar nicht gesehen. Und egal, mit welchem Resultat Edward und ich auseinander gingen, allen Schmerz der Welt war es wert, ihn ansehen zu dürfen. Wenn man bedachte, wie lange es her gewesen war, dass ich ihn überhaupt gesehen hatte, wog dieses Gewicht noch um einiges mehr.

Müde und schlaff trugen mich meine Beine nach vorn, die Henkel meiner Schultasche hatte ich fest umklammert. Meine plumpen Schritte hallten in dem Gang wider und, aus welchem Grund auch immer, ich fing an, mörderisch schnell zu rennen. Woher diese Kraft kam, wusste ich nicht, doch ich hatte auch nicht vor, meine Füße zu stoppen; je schneller ich aus diesem Gebäude war, desto besser.

Als ich die Tür öffnete, die zum Parkplatz führte, zischte ein kalter Luftzug an mir vorbei und ich wunderte mich, wie sich das Wetter so radikal ändern konnte. Regentropfen prasselten lautstark auf den schon feuchten und schlammigen Boden, der Wind huschte heulend an den Hausmauern vorbei, die Äste der Bäume und sogar die Stämme bewegten sich gefährlich stark in den Böen. Ich holte meine Jacke aus der Tasche, zog sie mir über, trotzdem verschwand die Gänsehaut nicht, die sich auf meinem Körper ausgebreitet hatte. Schon von hier aus sah ich meinen Transporter und freute mich richtig auf das warme Fahrerhaus. Mit schnellen Schritten näherte ich mich meinem Auto, öffnete die Fahrertür und sprang hinein. Noch war es in dem Chevy ebenso kalt wie draußen, doch schon als ich die Heizung einschaltete, spürte ich die Wärme, die um mich floss.

Wie in Trance stellte ich den Motor an, drückte auf das Gaspedal und parkte aus meiner Lücke, drehte ich das Lenkrad und raste dann vom Parkplatz. Von der Fahrt oder dem vorbeirauschenden Verkehr bekam ich wenig mit, als ich bei Charlies Haus angelangt war, konnte ich mich sogar gar nicht mehr daran erinnern, wie ich in den Transporter gestiegen war. Nachdenklich schüttelte ich den Kopf, als ich ausstieg und mir die Kälte wieder an die nackte Haut meines Gesichts und meiner Hände klatschte. Von oben herab tropfte der Regen auf mein Haar und ich spürte, wie er bis zu meiner Kopfhaut durchdrang, doch es störte mich nicht, da ich eh in wenigen Sekunden unter dem Vordach des Eingangs stehen würde. Erst als ich den Schlüssel im Schloss umdrehte, sah ich mich um und registrierte, dass Charlies Streifenwagen noch nicht in der Einfahrt stand. Ich sagte ja bereits: wie in Trance.

Dadurch, dass die dunklen Wolken die Erde mit ihren Schatten bedeckten, war es im Haus auch nicht gerade Hell und als ich hineintrat, wurde mir noch elender zumute. Es war ein einziges Loch, bestehend aus Düsternis und Stille. Von nirgendwoher kam ein Geräusch, der leiseste Anschein von Leben oder Fröhlichkeit. Wie auch, wenn keiner da war?

Ich warf meine Jacke über einen Hacken der Garderobe, die im Eingang hing, stellte meine Tasche darunter und schlurfte ins Wohnzimmer, ohne recht zu wissen, was ich da überhaupt wollte. Müde und kaputt ließ ich mich auf die Couch fallen, stand jedoch nach ein paar Minuten wieder auf, weil ich es nicht lange ertragen konnte, zu sitzen. Also ging ich langsam in die Küche, holte mir Orangensaft, Butter und Käse aus dem Kühlschrank, griff dann in einen Schubkasten der Küchenmöbel und nahm eine Scheibe Schwarzbrot heraus, dazu nahm ich ein abgespültes Glas, das noch neben der Spüle stand, und stellte alles auf den Tisch. Lustlos goss ich den Saft in das durchsichtige Glas, sah eine Weile lang zu, wie sich Blasen bildeten, die dann nur kurze Zeit später platzten. Ich seufzte. Mein Traum war geplatzt wie eine Seifenblase … oder in diesem Fall, wie eine Blase in Orangensaft.

Ich drehte mich noch einmal um, nahm noch Schneidebrett und Messer aus der Küchenanrichte und legte beides ebenfalls auf den Tisch. Dann begann ich mühsam, die Butter auf eine Scheibe Brot zu schmieren, legte darauf den Käse und starrte mein schnell hergerichtetes Nachmittagsmahl an. Erst dann merkte ich, dass Hunger und Appetit zu wünschen übrig ließen, schmiss mein Essen in den Mülleimer, das Geschirr wusch ich gleich ab. Derweil überlegte ich, wieso ich mir überhaupt die Mühe gemacht hatte. Dann fiel es mir ein: ich hatte mich ablenken wollen. Wenn es nur darum ging, hätte ich noch dutzende solcher Brotscheiben schmieren können, dachte ich mir. Als die Küche wieder ordentlich war, begann ich, sie von Grund auf zu polieren. Das dauerte seine Zeit, lenkte mich aber ab. Und währenddessen ich sauber machte, sang ich laut und schief Lieder, die mir gerade in den Sinn kamen. Singen war noch nie mein Ding gewesen, doch solange es keiner hörte …

Die Küche war nach einiger Zeit fertig, doch noch immer fraßen mich die Bilder der letzten Stunden auf, deswegen beschloss ich, gleich das ganze Haus auf Vordermann zu bringen. Charlie würde sich freuen und mir würde es dann wenigstens ein bisschen besser gehen, als wenn ich oben in meinem Zimmer sitzen und weinen würde. Doch leider waren die Zimmer viel zu schnell sauber und für mich gab es nichts mehr zu tun. Charlie war noch nicht da, und es war erst Viertel nach drei, deswegen war es auch noch zu früh, um mit dem Abendessen anzufangen. Widerstrebend ging ich schließlich nach oben in mein Zimmer und erledigte ein paar Hausaufgaben. Doch auch die währten nicht ewig, sodass ich bald in meinem Zimmer saß und nichts mehr tat. Nun ja doch, etwas tat ich. Ich weinte, und das aus bitterem Herzen.

Irgendwann, es war halb fünf und ich hörte schon Charlies Wagen, wie er sich der Auffahrt näherte, beschloss ich, duschen zu gehen. Für mich fühlte es sich dann immer so an, als würde der Ärger, die Trauer und Enttäuschung einfach von mir gespült. Ob es diesmal auch so sein würde? Ich wollte es testen. Ich ging ins Badezimmer, nahm gleich meine weite Jogginghose und mein zerschlissenes T-shirt mit, also mein Schlafzeug, entledigte mich meiner Jeans, dem Rüschenoberteil und meiner Unterwäsche und sprang unter die Dusche. Das heiße Wasser fühlte sich gut an, wie es über meine nackte Haut prasselte, und für einen kurzen Moment schien es tatsächlich alles von mir zu waschen. Aber auch wirklich nur für einen kurzen Moment, denn das warme Wasser erinnerte mich an den Abend, an dem Edward und ich auf Esmes Insel angekommen und zusammen im Meer baden waren. Und ich dachte daran zurück, was danach passierte …

Die Dusche war also jetzt kein guter Platz, um meine Traurigkeit loszuwerden, also stieg ich wieder aus der Dusche und zog mir die Dinge an, die ich mitgenommen hatte. Das Oberteil und die Jeans, die ich zuvor angehabt hatte, wollte ich zur Wäsche geben, doch ich ertastete etwas in einer der Hosentaschen, weswegen ich die Jeans erst einmal wieder mit in mein Zimmer nahm.

„Bella?“, rief Charlie und ich hörte seine Schritte, wie sie auf der Treppe polterten und auf mein Zimmer zukamen.

„Ja Dad?“

Er blieb stehen. „Alles okay bei dir?“

„Ja, warum nicht?“

„Weil du“ – er räusperte sich – „das ganze Haus geputzt hast.“

Ich lachte kurz auf und hoffte, er würde nicht hören, dass es gespielt war. „Mir war danach. Aber jetzt bin ich total müde und würde gerne schlafen.“

„Bella, es ist erst fünf.“

„Es war ein anstrengender Tag“, beteuerte ich ihm. „Oh, ich habe kein Essen gemacht, weil es erst so früh ist. Schlimm?“

Ich konnte förmlich sehen, wie er hektisch mit dem Kopf schüttelte, doch dann schien er zu merken, dass ich das nicht sehen konnte, deswegen antwortete er nach einiger Verspätung: „Nein nein, dann bestelle ich mir eine Pizza oder so.“

„Okay Dad“, rief ich. „Gute Nacht.“

Wieder räusperte er sich. „Wohl eher guten Nachmittag. Aber naja, schlaf gut!“

„Das werde ich!“ … wohl eher nicht, fügte ich in Gedanken hinzu.

Ich hörte, wie seine Schritte wieder leiser wurden, also musste er die Stufen wieder heruntergegangen sein. Kurz atmete ich tief durch, dann setzte ich mich auf mein Bett und wühlte in den Hosentaschen meiner Jeans herum. Die eine war leer, doch in der anderen war ein Zettel. Als ich diesen vorsichtig herauszog, bebten meine Hände unglaublich stark, so als verwandelte ich mich jeden Moment in einen Werwolf. Bei diesem Gedanken musste ich tatsächlich grinsen, doch mein Lachen verschwand augenblicklich, als ich das Stückchen Papier auseinanderfaltete und die Worte las, die darauf standen:

"Das Leben ist nicht zu Ende,

nur weil ein Traum nicht in Erfüllung geht.

Es hat lediglich einen Weg gesperrt,

damit man einen anderen sucht."

Ich wusste nicht, woher der kleine Zettel kam, doch plötzlich lag er in meinen Händen. Wie lange ich den wohl schon in meiner Hosentasche trug ...? Er hatte viele Falten, die durch das auf und zu machen entstanden waren. Wahrscheinlich war er oft geöffnet und gelesen worden.

Die Worte, die in kritzeliger Schrift - es war aber nicht meine - darauf geschrieben standen, brachten mich zum Nachdenken. Oder besser, sie riefen große Tränen hervor, die über meine Wangen kullerten, sich an meinem Kinn sammelten und dann einzeln auf das Stück Papier tropften. Langsam drangen die Worte in mein Bewusstsein vor und begannen, alles nacheinander auszulöschen. Ich fühlte nichts mehr, bekam nichts mehr um mich herum mit. Wie unglaublich wahr und merkwürdig passend diese beiden einfachen Sätze waren, als wären sie nur für mich und meine jetzige Situation geschaffen. Eine Gänsehaut huschte über meinen Körper.

Wieder und wieder las ich diese vier Zeilen, sprach sie laut und leise, brüllte sie meinem Spiegelbild entgegen und flüsterte sie in den Wind. Irgendwann musste ich dann eingeschlafen sein - es war für mich schon wieder normal, schlafen zu müssen - und hatte dabei den Zettel fest in der Hand gehalten. Selbst im Traum schrien mir die Worte entgegen, ich sah nichts anderes als das weiße Papier, vollgekritzelt mit blauer Tinte.

Und in dieser Nacht kam ich zu einem Entschluss. Liebe ist ein Traum. Sie ist schmerzhaft und traurig. Und langsam aber sicher bringt sie dich um.

Zarte Noten rissen mich aus dem Schlaf. Ich öffnete meine Augen und sah nichts. Klar, es war Nacht und das bedeutete, dass es dunkel war. Vorsichtig tastete ich mit meiner Hand nach der kleinen Nachttischlampe und knipste sie an. Dieses wenn auch nur schwache Licht war schon wieder zu hell. Dann begann ich, mich nicht länger über die Lichtverhältnisse zu ärgern und konzentrierte mich auf die Klänge des Liedes, die durch das offene Fenster in mein Zimmer drangen.

Sie waren lieblich und süß, nicht zu hastig oder schrill, einfach perfekt. Und ich kannte sie. Oh mein Gott, und wie ich sie kannte! Das konnte doch nicht … Nie im Leben war das … Und woher überhaupt … Mit zittrigen Bewegungen schwang ich die Beine von meinem Bett, riss gleich die Decke mit herunter, doch die musste jetzt warten. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen, darauf wartend, dass ich straucheln und hinfallen würde, doch das passierte nicht. Mein Herz raste in mir und es wurde schneller, je näher ich dem Fenster kam, durch das diese Töne zu mir gelangten. Atmen konnte ich ganz vergessen, es erinnerte mich eher an ein angestrengtes Röcheln, wenn ich einen 30-minütigen Ausdauerlauf hinter mir hatte.

Wenn ich erst dachte, mein Herz würde rasen, dann stand es jetzt vollkommen still. Ich war am Fenster angelangt, eine sanfte kühle Brise strich durch mein Haar und weckte mich. Meine Augen, die sich jetzt ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, weiteten sich und mir blieb der letzte Atemzug im Halse stecken. Was ich sah, als ich hinunter auf den Rasen blickte, der sich unter meinem Fenster ausbreitete, bereitete mir eine ungeheure Gänsehaut, doch es war keine, die mich verängstigte. Sie prickelte herrlich auf der Haut. Ich spürte, wie mir Tränen über die Wangen liefen, nicht zum ersten Mal an diesem Tag, aber zum ersten Mal seit vielen, vielen Wochen aus purer Freude und schierem Glück.

Meine Stimme war nur ein Flüstern, doch ich wusste, er würde es hören. „Edward.“

Continue Reading

You'll Also Like

Lucky One (Loki ff) By T

Historical Fiction

25.4K 808 65
Hi ich bin Teresa und ich muss sagen, diese Geschichte von mir ist nicht gerade Harmlos. Also ich meine ich habe mein Leben ganz gut aufgebaut, hab...
4K 156 8
Delia ist in einer geschlossenen Psychiatrie, doch trotzdem darf sie in die Hungerspiele. Als dann ihr Todfeind gezogen wird, meldet sie sich freiwil...
Im Haus der Taschendiebe By

Historical Fiction

553 86 31
Aus seiner wohlbehüteten Umgebung gerissen, findet sich ein kleiner Junge plötzlich in den düsteren Straßen von London in der Gosse wieder, wo Not un...
1.4K 210 18
Harry ist verliebt. Doch die Auserwählte steckt seit kurzer Zeit zu oft die Nase in die Bücher und ist auch sonst komisch. Wird Harry es schaffen, He...