Plötzlich Indianer - Eine Zei...

Da Booky_2017

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Die siebzehnjährige Marie hatte sich so sehr auf die Kursfahrt mit ihrem Englisch-Leistungskurs gefreut, der... Altro

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kaptel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
Zugabe

Kapitel 17

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Da Booky_2017

Vor uns erstreckten sich die hügeligen Ausläufer der Black Hills, bedeckt mit braungelbem Gras und vereinzelten niedrigen Kiefern. Wenigstens war der Boden nicht mehr schwarz und verkohlt. Das Feuer hatte hier offensichtlich nicht gewütet. Einen Tag nach dem großen Brand hatte Häuptling Mazzukata unser Dorf wieder hierher zurückgeführt, wo wir unser Winterlager aufschlagen würden. Die restlichen Häute konnten wir auch dort gerben und das Fleisch und die anderen Überreste der Büffel waren bereits hauptsächlich verarbeitet.

Mit jeder Meile, die wir uns den Schwarzen Bergen näherten, wuchs meine innere Nervosität. Würde Ohitika sein Wort halten und mir bei der Suche nach der Höhle helfen? Und falls ja, was würde ich dort vorfinden? Was, wenn es keine Möglichkeit gäbe, wieder nach Hause zu kommen? Und was, wenn doch?

Aber eins nach dem anderen. Es war sinnlos, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich schritt neben Wihinapas Braunem, der schwer mit dem verpackten Fleisch und den Fellen beladen war. Wihinapa ging auf der anderen Seite. Die meisten Frauen mussten nun den Weg zu Fuß zurücklegen, da wir so viel mehr ‚Gepäck' hatten als auf dem Hinweg, und außerdem waren uns nach dem Brand einige Pferde abhanden gekommen. Ich wollte gar nicht an die arme Fuchsstute denken, die ich auf dem Gewissen hatte.

Ohitika war als Späher weiter vorn unterwegs. Er sollte die Umgebung nach Spuren irgendwelcher feindlichen Aktivitäten absuchen. Es konnte ja sein, dass sich ein anderer Indianerstamm, der mit uns befeindet war, hier inzwischen angesiedelt hatte. Mit ‚uns' — jetzt dachte ich schon wie eine Lakota. Hielt ich mich etwa für eine? Ich wusste es nicht. Nach dem Ereignis mit Zica hatte ich das Gefühl, das mich alle anders behandelten, nicht mehr wie eine Fremde, sondern eine der ihren. Na ja, fast alle. Thokala-gleschka ignorierte mich weiterhin.

Aber Ohitika war merklich freundlicher. Er schien mir die Sache mit den Büffeln endgültig verziehen zu haben und redete sogar von sich aus mit mir, wenn wir abends am Feuer saßen und unsere Mahlzeit gemeinsam einnahmen. Feiern mit Gästen gab es während des Wanderzugs keine mehr. Dafür waren abends alle zu erschöpft. Außerdem hatte sich die andere Stammesgruppe von uns getrennt und die Krieger waren in Richtung Süden losgezogen, darunter auch Sihahanska. Ich sorgte mich um ihn, aber Wihinapa schien auf seine Kampffähigkeiten zu vertrauen. Falls sie auch Angst um ihn hatte, gab sie es nicht zu.

An diesem Abend schlugen wir unser Lager an dem gleichen Fluss auf, an dem wir schon in den Sommermonaten gelebt hatten. Dem Fluss, der aus den Bergen entsprang und dem Ohitika und ich gefolgt waren, als er mich zum ersten Mal in sein Dorf gebracht hatte. Es tat gut, wieder im Schutz der Berge zu sein, statt auf der weit offenen Prärie. So schön es auch war, wenn der Himmel über uns kein Ende zu nehmen schien, ich fühlte mich irgendwie wohler mit den Bergen um mich herum. Das lag wohl daran, dass ich ein Stadtkind war und immer zwischen Häusern gelebt hatte.

Als das Feuer im Zelt prasselte und die kühle Nachtluft daraus vertrieb, saßen wir zu dritt um die Feuerstelle und aßen ein paar Fische, die Ohitika rasch aus dem Bach geholt hatte.

„Ich werde heute Nacht den Schecken vor unserem Tipi anbinden", sagte Ohitika, nachdem er seine Pfeife gestopft und andächtig geraucht hatte. Für die Indianer war das Rauchen der Pfeife eher eine Meditation, eine spirituelle Handlung, anders als das Rauchen einer Zigarette für die meisten Menschen aus meiner Zeit.

„Wir haben Spuren gefunden, weiter oben in den Bergen. Sie könnten von Lakota stammen, oder sie könnten von Crow stammen. Wir wissen es nicht. Häuptling Mazzukata hat mehr Späher ausgesandt als sonst."

Wihinapa fragte: „Wirst du auch gehen?"

„Ja." Er runzelte die Stirn. „Es gefällt mir nicht, euch beide allein im Tipi zurückzulassen."

„Wir kommen schon zurecht", versicherte ich ihm. Er nickte mir zu.

„Würden die Crow wirklich so weit in das Territorium der Lakota eindringen?", fragte Wihinapa.

„Es ist nicht sehr wahrscheinlich, aber es ist auch nicht unmöglich. Wir gehen lieber sicher." Als er seinen Kopf ein wenig neigte, spiegelte sich der Schein des Feuers in seinen Augen wider. Im Zwielicht wirkten seine Gesichtszüge weicher und ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden.

Manchmal konnte ich nicht anders, als Ohitika mit den Jungs aus unserer Stufe zu vergleichen. Ich dachte an den netten, aber schüchternen Hannes, der mir auf unserer Kursfahrt nachgelaufen war. Wie lange das her war! Es schien mir zu einem anderen Leben zu gehören, und in gewisser Weise war es ja auch so. Im Vergleich zu Ohitika wirkten Hannes und Luka und selbst Sarahs Freund Joe wie Kinder. Wären sie in der Lage, ein Mädchen vor einem Bären zu beschützen ... oder vom Pferderücken herab zehn Büffel zu erlegen ...? Aber das war kein fairer Vergleich.

Wihinapa stupste mich sanft mit dem Ellbogen in die Seite. Ich zuckte zusammen. Ohitika schaute mich abwartend an. Hatte er mir gerade eine Frage gestellt? Ich wurde rot bis unter die Haarspitzen.

Seine Mundwinkel zuckten, als würde er sich ein Lächeln verbeißen. „Ich sprach von der Höhle, die du suchen willst. Was glaubt Malie, dort zu finden?", fragte er, nun wieder ernst.

„Oh. Das weiß ich selbst nicht so genau", gab ich zu. „Ich möchte versuchen, einen besonderen ... Kristall zu finden. Ich weiß nicht wie, aber er hat irgendetwas mit meiner Ankunft hier zu tun."

Seine Miene verdüsterte sich. „Ein Kristall? Sprichst du von dem, was die Waschitschu als Gold bezeichnen?"

„Nein", wehrte ich rasch ab. Nach Gold hatten diese Kristalle wirklich nicht ausgesehen.

„Gut. Denn falls es hier welches gibt, dann muss dieses Geheimnis gewahrt bleiben. Sonst machen sie auch vor den Schwarzen Berge nicht mehr Halt."

Er machte eine Pause. „Während wir beide uns auf die Suche begeben, wird Wihinapa ins Zelt des Häuptlings ziehen. Aber wir ziehen erst los, wenn alle Arbeit getan ist und wir unser Winterlager erreicht haben."

Wir neigten beide verstehend die Köpfe. Anschließend schlüpfte Ohitika hinaus in die dunkle Nacht, um sein Pferd herbeizuholen und sich auf seinen Kundschaftsgang zu begeben.

* * *

Ich schlief unruhig und erwachte vom leisen Wiehern des Schecken. War Ohitika zurückgekommen? Im Tipi war es dunkel, das Feuer war herabgebrannt. Ich konnte die Schemen von Wihinapas schlafender Gestalt neben mir ausmachen. Das Lager nahe dem Eingang war leer, aber sonst schien alles wie immer. Trotzdem, irgendetwas hielt mich wach. Ich hörte das Rauschen der Blätter vor dem Zelt. Der Rand des Gehölzes befand sich nicht weit von uns. Dann der Ruf einer Eule ganz in der Nähe. Eine weitere antwortete in einiger Entfernung. Das ließ mich aufhorchen. Eulen begaben sich normalerweise nicht so nah an ein Menschenlager und schon gar nicht zu zweit.

Mein Puls pochte in meinen Ohren, sodass er fast alle anderen Geräusche übertönte. Ich setzte mich auf meinem Felllager auf und überlegte, ob ich Wihinapa wecken sollte. Aber vielleicht war es ja auch gar nichts. Was wusste ich schon über Eulen?

Wo waren unsere Späher? Ich legte die Decken ab und kroch vorsichtig zum Zelteingang. Dabei dachte ich an meine erste Nacht hier, in der ich die Flucht gewagt hatte und mich ebenfalls davongeschlichen hatte, während Wihinapa schlief. Wie anders jetzt alles war ... Die Lederklappe vor dem Eingang war einen Spaltbreit offen, um frische Luft hereinzulassen. Ich fröstelte in der kühlen Brise.

Ich legte mein Auge an den Schlitz und spähte hinaus in die Dunkelheit, die nicht ganz so tief war wie im Zelt. Der sichelförmige Mond erhellte die Umgebung ein wenig. Die meisten Sterne lagen jedoch hinter einem dünnen Wolkenschleier verborgen. Ich sah die Silhouette des Schecken, der einige Schritte vom Zelt entfernt angepflockt war. Er hatte seinen Kopf erhoben und die Ohren gespitzt, als hätte auch er etwas gehört. Das trug nicht gerade zu meiner Beruhigung bei.

Eine lange Weile verharrte ich so und versuchte, mich nicht zu bewegen. Nichts passierte. Langsam entspannte ich mich wieder und auch der Schecke verlor seine Habachthaltung. Falls wirklich Fremde in der Gegend waren, würden sie sich doch nicht mitten ins Dorf schleichen, oder?

Ich wollte schon zurück zu meinem Lager krabbeln, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Mein Herz sprang wieder in meinen Hals. Aus dem Unterholz rechts von unserem Zelt löste sich ein Schatten. Völlig lautlos schlängelte er sich über den Boden, sodass er fast damit verschmolz. Der Mond war jetzt ebenfalls hinter einer Wolke verschwunden und alles wurde in noch tiefere Finsternis getaucht. Ich hielt unwillkürlich die Luft an. War das ein Tier? Oder ...

Der Schatten richtete sich ein wenig auf, als er in die Nähe des Schecken kam. Und da erkannte ich, dass es sich tatsächlich um einen Mensch handelte. So nah war er mir jetzt, dass ich das Messer in seiner Hand aufblitzen sah. Er wollte das Lederband durchschneiden, das den Mustang festhielt.

„Hey!", rief ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Vielleicht war es dumm gewesen, ihn auf mich aufmerksam zu machen. Aber ich konnte doch nicht einfach so zusehen, wie jemand Ohitikas Pferd stahl.

Der Schatten erstarrte und blickte in meine Richtung, doch ich war hinter der Zeltklappe verborgen.

„Was ist?", fragte Wihinapa verschlafen in meinem Rücken.

Mein lauter Ruf hatte in der Stille der Nacht widergehallt und vermutlich bereits das halbe Dorf aufgeweckt. Das wusste auch der Fremde, denn wie ein Wiesel drehte er sich um und huschte zurück zum Waldrand, von dem er gekommen war. Keinen Moment zu früh, denn schon kamen einige unserer Männer angelaufen, nur mit ihren Lendenschurzen bekleidet.

Ich kroch aus dem Zelt, um ihnen zu berichten, was ich gesehen hatte. Daraufhin begannen sie mit der Suche nach Spuren, doch in der Dunkelheit war das nicht leicht. Ich hoffte, dass der unbekannte Eindringling entkommen konnte. Ich hatte keine Lust auf unnötiges Blutvergießen.

Danach war an Schlafen natürlich nicht mehr zu denken. Wihinapa schürte das Feuer und wir warteten auf die Rückkehr der Späher. Erst im Morgengrauen hörten wir, wie draußen etwas vor sich ging, und schlüpften aus dem Tipi. Auch von den anderen Zelten liefen Frauen und Männer herbei.

Ich atmete scharf ein. Thokala-gleschka wurde von Ohitika gestützt ins Dorf geführt. Er hielt sich seine rechte Seite, wo ein blutgetränkter Lederstreifen auf seine Haut gepresst war, und wirkte halb ohnmächtig, die Haut aschgrau statt des üblichen satten Brauns. Tatanka Wakon nahm den Verletzten sofort mit in sein Zelt. Ohitikas Miene war grimmig, als er dem Häuptling von dem Zusammenstoß berichtete. Offenbar hatte ein junger Crow-Krieger Thokala-gleschka mit dem Messer angegriffen und verletzt, doch der hatte sich zur Wehr gesetzt, bis Ohitika eintraf.

„Ich konnte den Crow überwältigen und habe ihn gefesselt in einem Versteck zurückgelassen, um zuerst Thokala-gleschka hierher zu bringen."

Der Häuptling nickte einigen anderen Kriegern zu. „Holt den Crow her. Und du, ruh dich aus", sagte er an Ohitika gewandt.

Ohitika beschrieb den Kriegern den Weg zum Versteck. Dann kam er zu unserem Tipi und Wihinapa beeilte sich, ihm etwas Frühstück zuzubereiten. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen von der durchwachten Nacht, aber ich sah bestimmt auch nicht viel besser aus. Ich war froh, dass er unversehrt war. Um Thokala-gleschka tat es mir nicht besonders leid, wenn ich ehrlich war. Trotzdem hoffte ich, dass er überleben würde.

Später am Vormittag trafen die ausgesandten Krieger mit ihrem Gefangenen ein. Er war ein junger Mann, etwa so alt wie Ohitika, und ich glaubte, ihn als den Schatten zu erkennen, der des Nachts vor unserem Zelt herumgeschlichen war. Seine Hände waren hinter dem Rücken zusammengebunden, doch er ging aufrechten Hauptes zwischen den beiden älteren Lakota. Er war unbewaffnet und nackt bis auf den Gürtel und Schurz und nur an der Art, wie er sich die Haare frisiert hatte, konnte man erkennen, dass er einem anderen Stamm angehörte. Er trug eine seltsame Haartolle, die nach oben gekämmt war und mich an Elvis erinnerte, im Gegensatz zu dem meist glatt gescheitelten und geflochtenen oder offenen Haar der Sioux.

„Die Crow sind furchtbar eitel, was ihr Haar angeht," flüsterte Wihinapa mir zu. „Die Männer lassen es so lang wachsen wie möglich, selbst wenn es sie bei ihren alltäglichen Beschäftigungen behindert."

Wihinapa redete sonst nie schlecht über jemanden. Die Feindschaft mit den Crow musste wirklich tief sitzen.

Wir alle beobachteten schweigend, wie der Fremde durch unsere Mitte zum Zelt des Häuptlings geführt wurde. Nur einige Frauen tuschelten miteinander. Die Männer blickten finster. Als er an uns vorbeilief, sah ich die blut- und dreckverkrustete Wunde an seinem Schulterblatt. Was würde nun mit ihm geschehen?

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