Sensing Souls

By Karooo8

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π–π’πž 𝐞𝐧𝐭𝐀𝐨𝐦𝐦𝐭 𝐦𝐚𝐧 𝐞𝐒𝐧𝐞𝐦 π’πœπ‘π’πŸπŸ 𝐯𝐨π₯π₯𝐞𝐫 𝐠𝐞𝐟𝐚𝐧𝐠𝐞𝐧𝐞𝐫 π’πžπžπ₯𝐞𝐧, 𝐰𝐞𝐧... More

Bevor die Reise losgeht...
Prolog
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Epilog
Nachwort und Danksagung

Kapitel 1

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By Karooo8


»Das Übliche?«, fragte ich mit einem freundlichen Lächeln und sah den alten Mann vor mir erwartungsvoll an. Die vielen Falten, die sein Gesicht zierten, trugen so viele Geschichten mit sich, während die wenigen grauen Haare, die er noch besaß, sein hohes Alter nur noch deutlicher zum Vorschein brachten.

»Ja, bitte«, antwortete er und nickte mir dankbar zu. Wie jeden Morgen hatte Claron sich seinen Platz im hintersten Eck des kleinen, sehr familiären Lokals ausgesucht. Manchmal gab er mir Trinkgeld und jedes Mal aufs Neue versuchte ich, höflich abzulehnen, wusste ich doch, dass keiner in diesem Dorf viel Geld besaß – besonders niemand, der bereits zu alt war, um zu arbeiten. Trotzdem schaffte es der alte Mann meistens, es mir anzudrehen. Schon seit einem Jahr verdiente ich hier mein Geld und konnte mir keinen besseren Ort vorstellen, um meiner Arbeit nachzugehen. Die Fenster waren immer passend zur Jahreszeit geschmückt, auch jetzt zierten blaue und rote Blumen das Glas, um den Frühling zu ehren. Die runden Holztische mit den passenden, gepolsterten Stühlen verliehen dem Lokal Gemütlichkeit und die strahlenden Menschen ließen jeden Neuankömmling einen Ort zum Wohlfühlen finden.

Ich begab mich wieder zu der kleinen Theke, hinter der ich bereits alle Zutaten für das sehr beliebte Frühstück zurechtgelegt hatte. Und gerade als ich nach einem Messer griff, um die vielen, verschiedenen Früchte, die uns aus dem Osten von Iskarús gebracht wurden, in kleine Stücke zu schneiden, schwang die schmale Eingangstür mit einem lauten Quietschen auf. Lero, der Mann, in dem ich einen zweiten Vater gefunden hatte, stand im Türrahmen.

Nicht sein Erscheinen, sondern sein Gesichtsausdruck war es, der mich innehalten ließ. Gewöhnt war man das warme Lächeln auf seinen Lippen, das sein ständiger Begleiter zu sein schien, egal, wo man ihn antreffen mochte. Doch in diesem Moment erschien sein Ausdruck gehetzt, zerstreut und vollkommen aufgekratzt. Sofort legte ich das Messer zur Seite und kam hinter der Theke hervor. Irgendetwas stimmte nicht und das schienen auch alle anderen Besucher des Lokals zu merken. Es war totenstill geworden.

»Es ist hier.« Sein Blick ging ins Leere und er sprach leise, so, als hätte er Angst, seine Stimme zu heben, als hätte er Angst, jemand Falsches könnte ihn hören. Doch kaum hatten die wenigen Worte seinen Mund verlassen, hörte man das angespannte Gemurmel ausbrechen. Nur ich stand wie zuvor da und versuchte, den Grund für die plötzliche Aufregung zu verstehen. Mit gerunzelter Stirn sah ich mich um und konzentrierte mich darauf, einige Wortfetzen aufzufangen.

»Grausam –«

»– Schiff.«

»– Tod –«

Ich drehte mich wieder zu Lero und sah ihn verständnislos an. Auch sein Blick haftete an mir, während die Sorgenfalten auf seiner Stirn immer tiefer wurden.

»Wovon sprechen alle hier? Was für ein Schiff?«, traute ich mich schließlich, meine Frage zu stellen, und als hätte jeder einzelne darauf gewartet, wurde es erneut still.

Lero seufzte tief, strich sich durch sein graues Haar und kam einige Schritte auf mich zu. »Du hast es schon mal gesehen, Tavia. Weißt du noch vor einigen Jahren, als wir in der Nacht den Sternenhimmel anschauen wollten?« Er brauchte nichts mehr zu sagen, denn ich wusste sofort, wovon er sprach.

Es war wunderschön gewesen. Anmutig war es über das Meer gesegelt, es schien, als hätte ein sanftes Licht das Schiff umgeben, als sei es nicht von dieser Welt. Es hatte mir den Atem geraubt und nächtelange hatte ich davon geträumt. Doch immer wenn ich Lero hatte von meinen Träumen erzählen wollen, hatte er mich mit strengem Blick angesehen und mir eine lange Rede darüber gehalten, dass dieses Schiff alles andere als für schöne, angenehme Träume gedacht war. Seitdem war er nie weiter auf dieses Thema eingegangen und um ehrlich zu sein, hatte ich mich auch nicht mehr getraut, es wieder anzusprechen.

»Sind sie bereits im Dorf?«, kam es mit einem Mal aus dem Eck des Lokals, bevor ich etwas auf Leros Frage erwidern konnte. Es war Claron, der immer noch auf seine Bestellung wartete. Seine Stimme war tief, kratzig und respekteinflößend und ich hätte gelogen, hätte ich behauptet, mir wäre kein Schauer über den Rücken gelaufen. Alle Köpfe drehten sich zu ihm.

»Ich weiß es nicht, ich habe nur gesehen, wie sie angelegt haben. Keiner von ihnen ist mir bisher über den Weg gelaufen«, erklärte Lero. Kurz darauf erhob sich der alte Mann von seinem Platz und kam langsam humpelnd, sich stets auf seinem Holzstock abstützend, zu uns herüber. Direkt an meiner Seite blieb er stehen.

»Ich glaube, ich verzichte heute auf mein Frühstück, danke für deine Mühe. Und: Halt dich fern von diesem Schiff, mein Kind.« Sein Blick bohrte sich in mich, als würde er seine Worte verdeutlichen wollen – als würde er eine leise Warnung aussprechen. Als wüsste er, dass eine unheimliche Neugier mein Inneres ergriffen hatte.

»Was ist mit diesem Schiff? Was ist so schlimm daran?«, fragte ich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf Lero, dessen wachsame Augen meine nicht verließen. Er dachte über irgendetwas nach, grübelte. Und mein Gefühl sagte mir, dass seine Gedanken mit meiner Person in Verbindung standen.

»Es ist nicht das Schiff. Es sind die Männer an Deck«, klärte er mich schließlich mit einem nachgebenden Seufzen auf. »Jeder von ihnen hat schlimme Dinge getan, grausame Taten vollbracht. Denn Männer, die sich auf diesem Schiff aufhalten, kommen nicht von irgendwo.« Er stoppte in seiner Erzählung, sein Blick schweifte auf den Boden vor ihm.

»Sie werden aus Erilos geholt«, beendete Claron das, was Lero begonnen hatte, und brachte mich dazu, meine Augen schockiert aufzureißen. Denn Erilos war ein bekannter Begriff, ein Begriff, der einem jeden einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Und ich war keine Ausnahme.

»Wieso?« Das war die einzige Frage, die mir in diesem Moment noch durch den Kopf ging. Wieso sollte man solch grausame Menschen auf ein Schiff holen, das ohne Probleme an jedem Hafen, das es erreichen konnte, die Möglichkeit bekam, anzulegen? Was war der Grund dafür?

»Das zu wissen, ist uns nicht vergönnt, mein Kind. Das Einzige, was man uns wissen lässt, ist die Tatsache, dass man sich von diesen Männern fernhalten soll. Und genau das werden wir alle hier tun.« Bei seinen letzten Worten drehte sich der alte Mann einmal um seine eigene Achse und bedachte jeden Anwesenden in diesem Lokal mit einem erdrückenden Blick. Einem Blick, der seine Aussage verdeutlichen sollte.

Seine Wirkung schien dieser jedenfalls nicht zu verfehlen, denn kaum hatte er seine Augen wieder auf mich gerichtet, hörte man nur noch das Schaben von Stühlen über den alten Holzboden und die vielen Schritte, die sich dem Ausgang näherten. Keiner verabschiedete sich, während sie alle durch die kleine Tür auf die Straße verschwanden. Alle schienen sie nur noch auf eines konzentriert zu sein: Darauf, hier wegzukommen und sich in ihr sicheres Heim zu verkriechen. Gut, dass ich so gut wie immer am Anfang abrechnete. Andernfalls hätte Cila mir mit Sicherheit den Kopf abgerissen.

»Ich werde mich auch langsam auf den Weg machen. Das solltet ihr beiden auch tun.«

»Auf Wiedersehen, Claron. Passen Sie auf sich auf«, verabschiedete Lero den alten Mann und nickte ihm zu.

Die Tür schloss sich mit einem dumpfen Knall und die plötzliche Leere, die im Lokal herrschte, bereitete mir Unbehagen. Sie alle taten ja gerade so, als würde jeden Moment jemand auftauchen und uns alle in den Tod schicken.

»Geh und hol deine Sachen«, wies Lero mich schließlich an, was ich nach kurzem Zögern auch tat. Die beunruhigenden Gedanken, die sich in meinem Kopf eingenistet hatten, konnte ich jedoch nicht abschütteln.

***

Lero konnte das leise Seufzen einfach nicht mehr zurückhalten, als er Tavia dabei zusah, wie sie durch die Holztür in den hinteren Bereich des Lokals verschwand. Er schnappte sich kurzerhand einen der Stühle in seinem Grifffeld und zog diesen zu sich heran, um Platz zu nehmen. Er war nicht mehr der Jüngste – Herrgott, wen wollte er anlügen: Er war alt. Jedenfalls zu alt für eine solche Aufregung, wie sie gerade in ihm vorging.

Wie von selbst schlich sich seine Hand in die Innentasche seiner ausgetragenen Jacke und zog den kleinen, bereits vergilbten Zettel hervor.

Vorsichtig, um ihn nicht noch mehr zu beschädigen, faltete er diesen auseinander und heftete seinen Blick auf den Zeitungsartikel, der etwa zwölf Jahre alt sein musste. Er hätte das Bild über dem Text nicht gebraucht, denn immer noch kam es ihm vor wie gestern, als das kleine, noch völlig verschlafene Mädchen vor seiner Tür erschienen war, bevor er das Feuer in der Ferne ausgemacht hatte. Doch wenn Lero ehrlich zu sich selbst war, war es nicht besagtes Feuer, das ihn von damaligem Tag an ständig beschäftigte. Nein, es war der Junge, der dafür nach Erilos geschickte wurde.

Erilos war ein schrecklicher Ort, jedenfalls war es das, was man sich über ihn erzählte. Lero selbst war natürlich noch nie dort gewesen. Dort, dem Ort, an den Sträflinge aller Art hingebracht wurden. Man sagte, dass es immer Platz geben würde für neue Häftlinge, denn nicht mal die Hälfte der jeweiligen Neuankömmlinge überlebte länger als eine Woche. Nur die Schlimmsten waren es, die schließlich auch länger durchhielten und damit wohl auch die Aufmerksamkeit derjenigen auf sich zogen, die für die Auswahl der Männer auf dem Schiff zuständig waren. Dem Schiff, das gerade an ihrem Dorf angelegt hatte.

Lero ließ bei diesem Gedanken seinen Kopf in den Nacken fallen und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Lange hatte er sich gefragt, ob der Junge, der damals Tavia zu ihm geführt hatte, wohl auch auf diesem Schiff gelandet war. Er war zwar noch ein Kind gewesen, gerade mal zwölf Jahre alt, doch irgendetwas sagte ihm, dass eben dieses Kind mehr als eine Woche überlebt hatte. Deutlich mehr. Er konnte sich gut an ihn erinnern, hatte zwar nie mit ihm gesprochen oder sich mit ihm unterhalten, aber Lero hatte ihn manchmal beobachtet, wenn er am Strand gesessen und den Sand durch seine Finger rieseln lassen hatte. In diesen Momenten hatte der Junge gewirkt, als würde das Gewicht der Welt auf seinen Schultern lasten. Ob das einer der Gründe für den Mord war, den er begangen hatte, wusste Lero nicht.

Und sollte es wirklich so sein, dass er seinen Platz auf diesem Schiff gefunden hatte, so durfte Tavia auf gar keinen Fall auf ihn treffen. Denn wenn nicht sie sich an ihn erinnern würde, so würde er es tun. Tavia war zwar älter geworden, weiblicher, erwachsener. Doch ihre dunklen Locken und die feinen Züge ihres Gesichtes – niemand würde jemals diese Locken und dieses Gesicht verwechseln, da war sich Lero mehr als nur sicher, keiner in diesem Dorf sah ihr auch nur annähernd ähnlich. Und der Junge war alt genug gewesen, um sich an sie erinnern zu können.

So, wie er Tavia kannte, würde die Neugier die Oberhand über sie gewinnen, wenn sie erfuhr, dass sich derjenige, der sie vor zwölf Jahren gerettet hatte, bevor er ihre Stiefeltern verbrennen ließ, auf dem Schiff aufhielt – dann würde sie nichts mehr aufhalten. Sie würde alles versuchen, um auf ihn zu treffen. Aber das wäre viel zu gefährlich, niemand wusste, zu was diese Männer fähig waren.

Und genau daran hatte Lero schon seit Tavias Kindheit gedacht. Immer hatte er versucht, jedes Thema, das auch nur annähernd mit dem Schiff oder dem Jungen und seinem plötzlichen Verschwinden zusammenhing, zu umgehen.

Und als er die junge Frau sah, die sich ihm nun in ihren dünnen, roten Mantel eingepackt näherte, und ein warmes Lächeln auf ihren Lippen erschien, war Lero sich sicher, dass er das Richtige getan hatte.

Tavia musste in Sicherheit bleiben, auch wenn das hieß, ihre Vergangenheit vor ihr zu verbergen.

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