Bis(s) zum Erwachen - Wie ein...

By FieneFifi

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Die Volturi sind verschwunden und Bellas Leben scheint perfekt - bis sie aufwacht und feststellen muss, dass... More

Prolog
Alles auf Anfang
Erklärungsversuche
Kleine, bescheidene Dreierrunde
Ein Gespräch für die Zukunft
Ungewissheiten [Edward Cullen]
Altbekannte Biostunde
Geschwisterliebe
Ein merkwürdiges Mädchen [Edward Cullen]
Die Suche nach der Lichtung
Flammendes Häuschen
Mitternachtsgespräch
Ein kleiner Hoffnungsschimmer?
Die fast-Werwölfe
Worte und ein Ausrutscher [Edward Cullen]
Alle lieben Bella ... nur er nicht
Gewissensbisse [Alice Cullen]
Krankenbesuche
Konkurrenz [Edward Cullen]
Schreckliche Klarheiten
Woche eins
Woche zwei
Woche vier [Edward Cullen]
Woche vier
Woche fünf
Woche sechs - Unverhofftes Wiedersehen
Glück ... oder doch nicht?
Klavierklänge und leise Worte
Liebesschwüre ... irgendwie
Noch immer nächtliches Flüstern
Diskussion [Edward Cullen]
Schmerzendes Glück
Das Kochbuch der Unsterblichen
Zu weit gedacht [Alice Cullen]
Zu weit gedacht [Edward Cullen]
Es wird niemals so weit kommen
Einer gegen drei
Drei Worte
Epilog
Fortsetzung: Schatten der Nacht

Woche drei

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By FieneFifi

Von wegen, Zeit heilt alle Wunden. Ja genau! Der Witz ist gut.

~~~~~***~~~~~

„Wann kommst du wieder?“, fragte Jessica durch den Hörer.

Ich seufzte. „Wenn ich dazu bereit bin.“

In den letzten Tagen war es keine Seltenheit geworden, dass ich stundenlang mit ihr am Telefon hing. Nicht, dass ich das wollte. Sie wollte es, und ich sagte mir, dass das genügte. Schließlich brauchte ich auch meine Abwechslung. Meistens redete sie über die Schule, den Unterricht – als sie mir erzählte, dass sie in Biologie eine Blutgruppenuntersuchung gemacht hatten, musste ich unwillkürlich grinsen -, über Mike und die anderen. Ihre Geschichten waren ermüdend, trotzdem hörte ich höflich zu, gab an den angebrachten Stellen Laute der Erkenntnis von mir und versuchte so, wieder ein bisschen Leben in die leere Hülle, die mein Körper sein sollte, zu bringen. 

„Für was musst du denn bereit sein?“, bohrte sie weiter.

„Ich weiß auch nicht“, log ich. „Mir geht es nicht so gut, weißt du? Ich bin ziemlich kaputt gewesen in den letzten Wochen. Der Umzug und die Umstellungen waren wahrscheinlich zu viel für mich. Aber, bevor ich wiederkomme, werde ich dich anrufen und dir bescheid geben, ja?“

Kurze Stille am anderen Ende der Leitung. Dann holte sie tief Luft. „Na gut.“

„Du, ich muss jetzt auflegen, wir bekommen Besuch. Bis demnächst!“ Ich hätte gelogen, würde ich sagen, dass ich sie nicht abwimmeln wollte.

Noch einmal holte sie tief Luft, dann seufzte sie laut. „Okay. Gute Besserung, oder was auch immer du brauchst.“ Dann legte sie auf.

Ich setzte mich auf den kalten Fußboden, als ich den Hörer zurück auf die Ladestation stellte. Langsam und mit lahmen Bewegungen zog ich meine Beine an und schlang meine Arme um sie, dann legte ich mein Kinn auf meine Knie. Für einen kurzen Augenblick schloss ich die Augen und versuchte vergeblich, alles um mich herum zu vergessen. Drei Wochen war es jetzt her, dass Edward mit mir geredet hatte. Drei Wochen lang war er schon weg, in Alaska bei Tanja – mich durchfuhr eine Gänsehaut – und den anderen. Drei Wochen habe ich nichts von ihm gehört, Alice oder ein anderer der Cullens ebenso wenig. Und noch immer gab es kein eindeutiges Anzeichen dafür, dass er vielleicht zurückkommen könnte. Er dachte noch nicht einmal daran. Tag für Tag schwand meine Hoffnung.

„Bella, machst du auf?“, drang Charlies Stimme aus der Küche.

Ich sprang in einer blitzschnellen Bewegung auf und klopfte mir den Staub von der Hose. „Klar, Dad.“

Die Blacks hatten sich für heute bei uns eingeladen, und da Charlie nichts dagegen einzuwenden hatte, wurde aus dem „nur mal kurz vorbeischauen“ ein ganzer Blacks-Tag. Natürlich freute ich mich tierisch, Jake wiederzusehen und auch Billy hatte ich lange nicht zu Gesicht bekommen, doch mir persönlich wäre es lieber gewesen, mit Jake allein zu sein, um ihm von meinem Elend erzählen zu können, ohne dass es Charlie mithören musste. Niemandem außer ihm hatte ich bis jetzt von diesem Traum und der teilweise wahren Realität, die sich darauf bezog, erzählt, und das sollte auch so bleiben. Keiner von meinen anderen „Freunden“ könnten mir so viel Verständnis und Geborgenheit geben wie er es tat, deswegen war ich so verdammt froh, ihn an meiner Seite zu wissen.

Die Türklinke fühlte sich eiskalt in meiner Hand an und mich erinnerte das an Edwards kalte Haut, die mir immer die Finger eingefroren hatte, wenn ich mit meinen Händen an seinem marmornen Körper entlanggefahren war. Wieder huschte eine Gänsehaut über meinen Körper. Dann öffnete ich die Tür.

„Bella!“, rief mir Jake entgegen, obwohl ich direkt vor ihm stand. Sofort sprang er mir in die Arme und war nahe dran, mich zu erwürgen. Vorsichtig legte ich ihm meine Arme um die Schultern und erwiderte seine Umarmung.

„Mensch, ich hab dich ja eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen!“, sprach er weiter, jetzt in normaler Lautstärke.

Ich nickte. „Oh ja, erst gestern Abend warst du das letzte Mal hier. Richtig, eine halbe Ewigkeit.“

„Wenn du wüsstest“, murmelte er verlegen, löste seine Arme um mich und sah mich an. Ich konnte beobachten, wie seine Wangen immer röter wurden. Warum musste dieses kleine, eigentlich unwichtige Detail auch Wirklichkeit werden? Es könnte mir so viel ersparen … nun ja, jetzt jedenfalls war es zu spät.

Billy trat ins Haus und gab mir die Hand. „Hallo Bella. Wir haben uns wirklich lange nicht gesehen.“

„Hi Billy. Ja, das stimmt. Kommt doch rein … naja, ihr seid ja schon drin, also setzt euch ins Wohnzimmer. Charlie kocht gerade.“ Ich verdrehte die Augen, öffnete meinen Mund, streckte meine Zunge raus und steckte mir einen Finger in den Hals, was so viel bedeuten sollte wie: Esst sein Zeug lieber nicht!

Jake verstand. „Wie jetzt? Dein Dad kocht?“

„Ja“, sagte ich und nickte beschwörend. „Er sagte, ich müsste mir mal eine Kochpause nehmen. So ein Schwachsinn. Was nützt mir einen Kochpause, wenn ich an einer Lebensmittelvergiftung sterbe?“

Beide lachten, dann gingen sie ins Wohnzimmer und setzten sich jeweils auf den Sessel und die Couch. Ich ließ mich neben Jake aufs Sofa plumpsen. Er legte sachte einen Arm um meine Schultern und ich kuschelte mich an seine Brust. Ich hörte, wie stark und schnell sein Herz pochte und bekam ein schlechtes Gewissen. Ihm Dinge vormachen, die nicht da waren und auch nie da sein würden, war mehr als nur unmoralisch; es war einfach nicht fair, nach alledem, was er für mich getan hatte. Vielleicht grenzte es schon an Ausnutzung. Ich sollte Jake aufklären, dachte ich mir, doch als er mich dann näher an sich drückte, ich die Wärme, die aus seinem Körper strömte, auf meiner Haut spüren und seinen bekannten Duft einatmen konnte, entschied ich, dass dieses Gespräch noch warten musste. Mein eigener Egoismus peitschte mir ins Gesicht, doch ich versuchte ihn größtmöglich zu ignorieren.

Dann traf mich Billys Blick und meine Entscheidung wurde zunichte gemacht. Die Wärme und das Glück, das seine Augen ausstrahlten, bereiteten mir einen Schauer, der mir eiskalt über den Rücken bis zu den Fersen lief. Er war zufrieden mit mir als Schwiegertochter, oder als was auch immer er mich sah, und das wurmte mich so. Naja, eigentlich hatte ich nichts dagegen einzuwenden, nichts gegen ihn oder Jake oder die Tatsache, dass ich und Jake einmal, irgendwann … das machte mir nichts aus, zumindest nicht meinem Gewissen. Mein Kopf zwang mich beinahe dazu, mich für ihn zu entscheiden. Aber solange mein Herz noch in mir pochte, solange die Schmetterlinge noch flogen und so lange meine Knie noch zitterten, immer wenn ich ihn – Edward – sah, würde ich nichts ändern können. Glücklich sein ohne ihn, das ging nicht. Nicht jetzt und auch nicht in tausend Jahren, in keiner Generation. Niemals.

„Bella?“

Ich schüttelte den Kopf und verdrängte die Gedanken, die mir schon wieder eine traurige Stimmung bereiteten. „Äh … Was?“

„Ich habe dich gefragt, wann du wieder zur Schule gehen willst.“ Ich sah in Billys große, dunkelbraune Augen.

„Ähm“, machte ich und sammelte die Floskeln in meinem Kopf zu einem ordentlichen Satz zusammen, „ich weiß es nicht. Es ist so, dass ich mich überhaupt nicht konzentrieren kann in den letzten Wochen. Vielleicht hängt das noch mit dem Unfall zusammen, ich weiß es nicht. Achja, da fällt mir ein …“

Ich lehnte mich ein Stück weg, um Jake ansehen zu können. Als ich ihm so nahe war, bemerkte ich nicht zum ersten Mal – aber das erste Mal in der Wirklichkeit – wie schön er war. Seine großen, beinahe schwarzen Augen, die mich erwartungsvoll anschauten, die rostbraune Haut, die sich über seinen ganzen Körper zog, die schwarzen, langen Haare, die ihm wirr ins Gesicht fielen, die breiten Wangenknochen, versteckt unter seinen Augen, seine Lippen, die mich daran erinnerten wie es war, ihn zu küssen … ja, hätte ich Edward, meine Tochter und die Cullens nie zu Gesicht bekommen würde ich ihn für den hübschesten Menschen dieser Welt halten. Wenn diese Menschen – oder besser Wesen – nicht wären …

In Gedanken schlug ich mir selbst vorsichtig auf den Hinterkopf, um wieder klar denken zu können. 

„Wisst ihr, ich habe einen Flug nach Phoenix gebucht, für in zwei Wochen. Renée fehlt mir so, vielleicht hilft mir ja auch ein Wiedersehen mit ihr, um mich zu kurieren. Jedenfalls wollte ich fragen, da ich nicht alleine fliegen möchte und es nicht passend wäre, Charlie mitzunehmen, ob nicht vielleicht Jake …?“

Sofort sprang er auf. „Dad, du hast doch nichts dagegen, oder? Pff, Schule, was ist das schon? Eine Woche hin oder her, das hole ich locker nach. Bitte, lass mich mitfliegen!“

Dann kniete er sich auf den Boden und betete seinen Vater an, flehend und bittend. In diesem Moment erschien er mir mindestens zehn Jahre jünger. Es war albern, aber irgendwie süß.

„Meine Güte Junge, steh auf!“, sagte Billy lachend und verdrehte die Augen. „Habe ich denn eine Wahl mit dir als Sohn?“

Das war Jake Antwort genug, denn schon stand er wieder, putzte sich den imaginären Dreck von der Jeans und sprang auf mich zu.

„Ich komme mit!“

„Das weiß ich, ich sitze hier und konnte alles hören.“

„Ja, ist das nicht toll?“

Ich nickte. War ich nicht eigentlich diejenige, die sich hätte solche Löcher in den Bauch freuen sollen? 

„Und … wann genau fliegen wir?“, fragte er, als er mich immer noch mit seinen starken Armen umschlang und mich zu erwürgen drohte.

„Hmm“, sagte ich leise und dachte kurz nach. Dann fiel es mir wieder ein. „Erst am Nachmittag, ich glaube so gegen halb zwei geht unser Flugzeug.“

„Das ist gut“, kicherte er noch immer. „Dann kann ich ausschlafen.“

„Schlafmütze.“

„Ich weiß, war jahrelanges Training. Hey, riecht ihr das auch?“, fragte er auf einmal und Billy und ich kräuselten unsere Nasen. Es roch verbrannt. „Ich gehe mal gucken, was er da wieder im Ofen vergessen hat.“ Und schon war Jake verschwunden.

Als er aus dem Zimmer war, beugte ich mich in Billys Richtung. „Sag mal, was gibst du dem denn?“, flüsterte ich ihm grinsend zu.

Auch er grinste. „Ich gebe ihm nichts, vielleicht schluckt der von sich aus etwas Verbotenes.“

„Egal was es ist, es scheint gut zu sein.“ Damit hatte ich seine Lacher auf meiner Seite.

Eine Zeit lang war es still, dann hörte ich einen lauten Knall, der aus der Küche kam. Gerade wollte ich aufspringen und nachsehen, was zu Bruch gegangen war, da drang Charlies verzweifelte Stimme zu uns. 

„Oh nein, nicht auch noch der Auflauf!“

Dann hörte ich Jakes Stimme. „Das Einzige, was noch essbar war.“

„Wieso das Einzige? Der ganze Tisch steht doch voll.“

„Jetzt mal ganz im Vertrauen“, meinte Jake nur und ich konnte sein Lachen, das er auf den Lippen hatte, beinahe hören. „Würdest du das wirklich essen?“

Wieder kurze Stille. Dann: „Lass uns was beim Chinesen bestellen.“

„Wird das Beste sein“, sagte Jake und fing schallend an zu lachen. Billy und ich tauschten vielsagende Blicke, bevor wir in das Gelächter mit einstimmten.

~~~~~***~~~~~

„Alice, das steht mir nicht!“

Verzweifelt zupfte ich an dem Rüschenkleid herum, dass mir am Körper herabhing und meiner Meinung nach überhaupt nicht zu mir passte. Vielleicht war es auch nur, weil ich es nicht gewohnt war, so freizügige Sachen anzuziehen. Es war rosa, extrem kurz, am Ausschnitt mit zwei dünnen purpurnen Streifen durchzogen und lag eng an meiner Haut an, die sich darunter unangenehm eingeengt anfühlte. Der Stoff war seidig weich, vielleicht war es auch eine Art Samt, und ich getraute es mir nicht, auf den Preis zu schauen. Möglicherweise wurde mir dann übel, ich würde fallen und das Kleid zerreißen. Peinliche Vorstellung!

„Bella“, ermahnte mich Alice und stöhnte leise auf. „Ich bin nicht mit dir hierher gekommen, damit du nörgelst. Hast du schon einmal gehört, das Shoppen gegen Traurigkeit hilft?“

Ich schüttelte den Kopf. „Mir hilft es nicht. Mein Problem ist nicht mit Blusen und Röcken zu vertuschen.“

„Ich weiß, aber so habe wenigstens ich meinen Spaß“, sagte sie und kicherte.

„Juhu. Ich kann dir gar nicht sagen wie aufregend es hier ist.“

Sie sah mich bittend an. „Tu wenigstens so, als würde es dir gefallen.“

„Also war das gerade nicht gut gespielt?“

„Überhaupt nicht gut. Der Beruf als Schauspielerin kommt bei dir wohl nicht in Frage.“

Mich durchzog ein Stromschlag. Das hatte ich schon einmal gehört, damals hatte ich gelacht, jetzt trieb es mir Tränen in die Augen.

„Was hast du?“, fragte Alice bestürzt, ließ von dem Kleid ab und legte ihre eisigen Arme um mich.

Ich schniefte laut. „Das hat er auch mal zu mir gesagt“, murmelte ich leise, niedergeschlagen.

„Ach Schatz.“

Dann schwiegen wir eine Weile und ich blickte mich um. Überall hingen teuer aussehende Kleider, Blusen, Jeans, Röcke, und was es nicht sonst noch so gab. In dem Laden herrschte ein Kampf zwischen schrillen Gelb- und Grüntönen und warmen Rot- und Orangetönen. Es war schrecklich laut durch die Musik, die nervend aus dem Lautsprecher dröhnte, und wegen der vielen Menschen, die zwischen den Regalen und Kleiderständen herumtänzelten und mit ihren Begleitern quatschten und kicherten. Auch wenn es spießig klingen mag, in einer Bibliothek hätte ich mehr Spaß und vor allem mehr Ruhe gehabt, dem war ich mir sicher.

Mein Blick schweifte durch den großen Raum und blieb dann wieder in Alices Augen hängen. Sie sah traurig aus, sehr sehr traurig, gedemütigt, verletzt. In den letzten drei Wochen hatte sie mir immer zur Seite gestanden, genauso wie ich ihr. Man konnte nicht sagen, dass sie meine beste Freundin war, sie war mehr als das; beinahe wirklich wie eine Schwester. Alice bemerkte meinen Blick und setzte sofort ein Lächeln auf.

„Du musst mir nichts vormachen, Alice“, sagte ich. „Ich weiß, dass es dir mindestens genauso geht wie mir.“

Sie schnaubte. „Nein, nicht genauso. Dir geht es eindeutig schlimmer, irgendwie bin ich ganz froh, mal meine Ruhe zu haben. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie verdammt sehr er nerven kann!“

„Hmm … nein, kann ich nicht.“

„Setz mal die rosarote Brille ab.“

„Die ist schon da, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe, in meinem Traum meine ich. Und seitdem scheint sie wie an meiner Haut festgewachsen zu sein“, murmelte ich und musste unwillkürlich lächeln.

„Macht Liebe denn wirklich so blind?“, fragte sie mich, ebenfalls lachend.

Ich überlegte kurz. „Hmm, keine Ahnung“, sagte ich dann. „Ich weiß nur, dass sie verwundbar macht und tödlich ist.“

„Komm jetzt, willst du dieses Kleid haben? Wir sind nicht in Port Angeles um nur über ihn zu reden. Also, wenn du es nicht kaufen willst, zieh es aus und wir gehen etwas essen.“

„Du meinst, ich gehe essen und du guckst zu“, berichtigte ich sie grinsend.

Sie nickte. „Stimmt.“

Natürlich kaufte ich das Kleid nicht, doch Alice glaubte, es wäre wegen des Preises, und wollte es mir erst bezahlen. Ich beließ sie bei dieser Erklärung, wimmelte aber ihren Zahlungsversuch ab. Es dauerte lange, bis ich sie davon überzeugt hatte, dass sie mir nicht alles kaufen musste, wofür mein Portemonnaie nicht genug Geld ausspuckte, aber irgendwann hatte ich sie überzeugt und wir schlenderten auf der Ladenstraße entlang in Richtung eines Restaurants. 

Als wir eintraten, bemerkte ich sofort, dass dies eine dieser Gaststätten war, in die ich mich nie und nimmer allein trauen würde, vor allem nicht, weil ich für so viel Festlichkeit zu schäbig und lumpig gekleidet war. Von den Decken hingen riesige Kronleuchter hinab, an denen kleine Diamanten baumelten. Die Wände waren in einem warmen weinrot gestrichen, von unten nach oben auf halber Höhe endend waren Holzbalken angebracht, die das alles noch schicker aussehen ließen. Der Eingangsbereich mit dem Tresen wurde durch halbe Wände, ebenfalls aus dunklem Holz, von dem Essbereich abgetrennt. Der Boden war mit dunklem Marmor besetzt, auf dem ich mich gar nicht richtig getraute, zu gehen. Sofort, als wir hereintraten, sauste eine nobel angezogene Kellnerin zu uns und geleitete uns zu einem Zweiertisch. Ich bestellte mir eine große Cola und Pilzravioli, von denen ich ganz entzückt war, als ich sie in der Speisekarte entdeckte, und musste unwillkürlich grinsen. Alice wollte nichts. Wieso auch?

Die Kellnerin, deren Name Ashley war, wie sie uns freundlich lächelnd mitteilte, sauste davon und die Schwingtüren zur Küche wurden von ihr aufgestoßen, als sie die Gerichte dem Koch weitergab. Ich ließ meinen Blick erneut mit Staunen durch den großen Saal schweifen. Überall sah ich fein gekleidete Leute, Frauen die zu gutem Essen von ihren Männern ausgeführt wurden, Gesellschaften oder Firmen, die hier ihre Geschäftsessen hielten. Ja, ich fühlte mich schäbig. Dann traf ich Alices Blick und stutzte. Sie sah mich forschend an.

„Was?“

„Ich denke nach“, teilte sie mir gedankenverloren mit.“

„Und über was?“

„Nein“, sagte sie und seufzte. „Du willst es sowieso nicht.“

Ich runzelte die Stirn. „Sag es mir doch und finde heraus, ob deine Vermutung stimmt.“

„Naja“, begann sie zögernd, „ich hatte darüber nachgedacht, ob du vielleicht Lust hättest …“

In diesem Moment brachte mir Ashley das Getränk und auch gleich die Ravioli. Meine Güte, sind die hier schnell, ging es mir durch den Kopf. Dann erst bemerkte ich, dass Alice nicht mehr redete, nahm die Gabel in die Hand und wollte anfangen, zu essen.

„Weiter?“

„Ähm … ob du vielleicht Lust hättest … meine Familie kennenzulernen. Also, offiziell.“

Mir fiel die Gabel aus der Hand, welche klirrend auf dem Boden aufprallte. Einige Leute sahen zu mir rüber. „Bitte?“

Sie lachte. „Heb erstmal dein Besteck wieder auf.“

Das tat ich, putzte die Gabel an meiner Serviette ab – selbst die sah unglaublich teuer und kostbar aus – und starrte sie an. „Ich höre?“

„Nun ja, ich wollte dir eben nur meine Familie vorstellen.“

„Aber wie du vorhin schon sagtest, kenne ich sie schon. Außerdem glaube ich, dass sie mich nicht mögen.“ Ich nickte und schob mir eine Gabel voll Ravioli in den Mund.

Sie verdrehte sie Augen. „Warum das denn?“

Ich kaute, schluckte, dann sprach ich. „Ich habe sicherlich viel durcheinander gebracht. Und wegen mir ist Edward gegangen, da glaube ich nicht, dass sie es so willkommen heißen, den Grund dafür persönlich kennenzulernen. Außerdem kann Rose mich nicht leiden und wird es auch nie.“ Ich fand meine Argumente gut, doch Alice schüttelte nur den Kopf.

„Also, erstens“, fing sie an, „hast du zwar einiges durcheinander gebracht, aber nichts, was nicht wieder herstellbar ist. Zweitens bist du nicht der Grund für sein Verschwinden, er ist selbst schuld, dass er zu blind für die Wahrheit ist. Er denkt, wenn er eine Zeit lang allein ist – und damit meine ich eine sehr lange Zeit – wird er zu einem Ergebnis kommen. Nur leider weiß er nicht, dass du das Ergebnis bist. Deswegen findet er keine Begründungen, weil du ja hier bist, und er so weit weg. Und drittens“, sie hob eine schwungvolle Augenbraue, „lässt du dich ehrlich von Rosalie runterziehen? Das hat dich doch in der Vision oder deinem Traum, was auch immer es war, nicht gestört. Warum wurmt dich das jetzt so?“

Auch wenn es mir nicht gefiel, ich musste zugeben, dass ihre Sichtweise einleuchtend klang, und plausibel. Wieder spießte ich ein paar Raviolis auf die Gabel, steckte sie mir in den Mund und genoss den würzigen Geschmack der Pilze.

„Frag mich mal was Leichteres“, antwortete ich, als ich wieder geschluckt hatte.

„Liebst du Edward?“

„Okay, das ist wirklich einfach.“

„Das war aber keine Antwort.“

Wo sie Recht hatte … „Ja, das tue ich.“

Sie erhob mein Glas. „Dann lass uns darauf anstoßen, dass wir es schaffen, deine Zukunft zu sichern. Deine Zukunft mit ihm, Edward Anthony Masen Cullen.

Ich nahm die Gabel, ließ sie klimpernd gegen das Glas stoßen und nickte ihr zu. „Auf meine Zukunft mit Edward Anthony Masen Cullen, und auf unsere als beste Freundinnen und Schwestern, liebe Mary Alice Cullen.“

Sie grinste, dann schwiegen wir und Alice sah mir dabei zu, wie ich den Rest der Pilzravioli vertilgte.

Als ich fertig war, zahlte Alice die Rechnung und wir gingen wieder auf die Straße, auf der mittlerweile ein Gewitter tobte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, eine Sturmwarnung in den Nachrichten gesehen zu haben, doch das war jetzt egal, denn Wissen oder Nichtwissen änderte auch nichts mehr daran, dass mir der Wind gegen das Gesicht blies. Bis zu Edwards Vanquish, den sie sich von ihm 'geliehen' - ich glaubte eher an Diebstahl - hatte, mussten wir noch ein Stück zu Fuß gehen, und mir graute es schon vor der Vorstellung, pitschnass und frierend durch die Gegend zu laufen. Ich sah nach oben, blickte an die Bäume und sah, wie sie sich unter den Böen hin und her bewegten, wie sie sich krümmten und verbogen. Gruselig sahen sie aus, wie sie sich in der Luft wanden und ihre Äste und Zweige umher peitschten. Alice schien dieses Wetter auch nicht zu gefallen, denn ihre Miene verfinsterte sich, als wir aufbrachen.

„Können wir nicht warten, bis es aufgehört hat?“, schrie ich sie unter der Lautstärke des Windes hindurch an.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das wird noch einige Stunden so gehen und du willst doch heute noch nach Hause, oder?“

„Lass uns aufbrechen.“

Gerade wollten wir unter dem Dachvorsprung des Restaurants hervortreten, als sie mich an meiner Jacke zurückzog. Erschrocken sah ich sie an, blickte in ihr erschrockenes Gesicht und schaute dann in die Richtung, in die sie mit ihrem zierlichen Zeigefinger zeigte. Sie deutete auf die Stelle hinter mir, und nur den Bruchteil einer Sekunde später hörte ich einen ohrenbetäubend lauten Knall. Schreckhaft fuhr ich zusammen und trat einen großen Schritt zurück. Dort, wo ich vor nur so wenigen Sekunden noch gestanden hatte, lag jetzt ein halber Baum, wie es schien. Er war so dick, dass ich ihn nicht hätte mit den Händen umfassen können. Sprachlos sah ich wieder zu Alice, die jetzt lächelte.

„Gerade noch rechtzeitig, oder?“

Ich nickte. „Das war wirklich Rettung in letzter Sekunde“, flüsterte ich dann und wusste, dass sie es trotz des tobenden Unwetters verstehen konnte.

„Siehst du? Wir brauchen doch nicht unbedingt deinen Helden namens Edward, um dich zu beschützen.“

Ich musste schmunzeln. „Mir wäre es trotzdem lieber, wenn er bei mir wäre.“

„Ich weiß“, sagte Alice, sah mich an mit einem Blick voll Liebe und Verständnis, weswegen ich gar nicht anders konnte als sie in die Arme zu nehmen. Ja, Rettung in letzter Sekunde. Doch würde er nicht bald wiederkommen, käme für mich jede Hilfe zu spät, das stand fest …

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