Plötzlich Indianer - Eine Zei...

De Booky_2017

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Die siebzehnjährige Marie hatte sich so sehr auf die Kursfahrt mit ihrem Englisch-Leistungskurs gefreut, der... Mais

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kaptel 5
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
Zugabe

Kapitel 6

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De Booky_2017

Die Sonnenstrahlen malten ein langgezogenes Oval aus Licht auf den mit Decken und Fellen belegten Boden des Versammlungszeltes, auf dem auch meine Sachen ausgebreitet waren. Ich sah fragend zu dem Indianer vor mir, der eine Feder im Haar trug. Ich nahm, dass er der Häuptling war, denn er hatte als Erster zu mir gesprochen. Nun nickte er dem alten Mann neben ihm zu, dessen Zelt ich schon besucht hatte. Vermutlich war es seine Frau gewesen, die meinen Knöchel verbunden hatte. Er blickte unverwandt zu mir auf. Um seine Augen und seinen Mund hatten sich tiefe Falten eingegraben.

"Was dein Name?", brachte er hervor.

Ich starrte ihn an. Hatte ich mich verhört oder hatte er mich gerade auf Englisch angesprochen?

"Was dein Name?", wiederholte er in seinem gebrochenen Englisch, als ich keine Antwort gab.

Ich hätte beinahe geweint vor Erleichterung. Englisch! Er sprach tatsächlich English. Endlich konnte ich mit jemandem reden, auch wenn er einen starken Akzent hatte und ich mich anstrengen musste, ihn zu verstehen.

„Mein Name ist Marie", sagte ich.

„Ma-lie?", fragte er nach.

Ich nickte, da ich fand, dass es jetzt Wichtigeres gab, als ihm beizubringen, wie man meinen Namen richtig aussprach. Mein Herz klopfte vor Aufregung.

„Tatanka Wakon", sagte er und deutete dabei auf sich selbst. "Das Mazzukata", er nickte zu dem Mann mit der Feder. "Häuptling der Lakota."

Ich wiederholte die Worte in meinem Kopf, um mir die Namen zu merken.

„Du kommen nicht von hier?", fragte er weiter. Er redete langsam und stockend, da er offenbar nicht viel Übung im Sprechen dieser Sprache hatte.

Ich schüttelte den Kopf. „Nein."

„Ohitika dich finden in Cheha Sapa ... Schwarze Berge."

Ohitika? Ich blickte kurz zu dem jungen Indianer hinüber, der noch immer neben mir stand. War das sein Name? Seine Miene blieb undurchdringlich. Er schaute mich nicht an, hörte aber offenbar aufmerksam zu.

„Ja, in den Black Hills. Ich war in einer Höhle ... und dann kam der Bär ..." Ich musste nach den englischen Wörtern suchen und wusste nicht, ob er mich wirklich verstand. Dann wagte ich es, selbst eine Frage zu stellen. „Wo ist die nächste Stadt ... der Weißen?"

Er legte seine Stirn in noch mehr Falten. „Waschitschu? Weiße?"

Ich nickte.

„Waschitschu nicht hier. Hier Land der Lakota. Wie weiße Mädchen kommen in Land der Lakota?"

Ich hob meine Schultern. Wenn ich das nur wüsste! Und es ihm zu erklären überstieg vermutlich die Englischkenntnisse von uns beiden.

Er redete kurz und schnell mit dem Häuptling neben mir, teilte ihm offenbar mit, was wir gerade besprochen hatten. Der Häuptling erwiderte etwas, woraufhin Tatanka Wakon wieder das Wort an mich richtete.

„Du besitzen große Geheimnisse", sagte er.

Ich sah ihn verständnislos an. Mit einer Armbewegung deutete er auf meine vor ihnen ausgebreiteten Sachen. „Geheimnisse?", fragte ich und glaubte, nicht richtig gehört zu haben.

Er nahm das Buch in seine runzligen Hände und schlug es auf. Dabei wirkte er beinahe ehrfürchtig. „Wissen viel über Lakota", sagte er und hielt inne, als er eine Seite mit alten Schwarz-Weiß-Fotografien erreichte. Da war ein stolzer Mann mit Federkrone, ein Mädchen mit traurigen Augen, eine Familie, die vor einem Tipi stand ...

„Wakan", murmelte er und fuhr mit dem knochigen Zeigefinger über die Seite. „Großer Zauber." Ich konnte mir sein Erstaunen nur dadurch erklären, dass er noch nie ein Foto gesehen hatte.

„Ohitika denken, du sein ...", er schien nach einem Wort zu suchen, „Kundschafter von Waschitschu. Kommen, um unsere Geheimnisse zu stehlen."

„Was?", fragte ich entsetzt. Also deshalb war er wütend geworden. „Nein," beeilte ich mich zu sagen. „Ich will gar nichts stehlen. Ich will nur nach Hause." Wieder musste ich die dämlichen Tränen herunterschlucken, die sich einen Weg nach draußen bahnen wollten. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, stark zu bleiben, mir vor Tatanka Wakon und den anderen nichts anmerken zu lassen. Sie alle beobachteten mich aufmerksam, ich konnte ihre Blicke von allen Seiten auf mir spüren. „Ich will doch nur nach Hause", wiederholte ich flüsternd.

„Wo sein zu Hause?", fragte er. Seine Stimme war sanfter. Vielleicht hatte er meine Verzweiflung bemerkt.

„In Deutschland, hinter dem großen Wasser. In einer Stadt namens Köln."

Der alte Tatanka Wakon nickte bedächtig. „Tatanka Wakon kennen Städte der Waschitschu. Vor langer Zeit besuche ich sie. Ich war junger Krieger."

Ach herrje. War es wirklich so lange her, seit er das letzte Mal in einer Stadt gewesen war? Das konnte ich mir kaum vorstellen. Aber ich schwieg und hörte weiter zu.

„An großem Wasser, wo die Sonne untergeht. Mehr und mehr Waschitschun kommen mit Schiff, kommen mit Wagen, suchen Mazaskazi, ihr gelbes Metall." Seine schwarzen Augen wurden trüb, als würde er etwas vor sich sehen, das nur er wahrnehmen konnte. „Waschitschu wie große Wolke Heuschrecken. Fallen her über ganzes Land, Hunderte, Tausende. Mehr als alle Lakota und Assiniboine und Cheyenne zusammen. Aber noch sie sein nicht im Land der Lakota. Vor vielen Wintern, unsere Häuptlinge machen Vertrag mit Waschitschu. Sagen alles Land um Cheha Sapa und westlich von Minisose gehört Lakota."

Er schaute mich an und jetzt war sein Blick durchdringend. „Jetzt aber wir hören Geschichten von Waschitschu, die in unser Land eindringen, wollen immer mehr. Und wissen alles über Lakota." Er deutete wieder auf mein Buch. „Sie bereiten sich vor für einen Kampf?"

Ich riss die Augen auf. Ich kannte mich zwar nicht sehr gut mit Geschichte aus, aber ich wusste von den vielen Verträge der Weißen mit den Häuptlingen der Indianerstämme, die von den Weißen immer wieder gebrochen worden waren. Nur war das doch alles über hundert Jahre her. Das mulmige Gefühl in meinem Magen verstärkte sich. War ich etwa nicht nur an einen anderen Ort gebeamt worden ... sondern auch in eine andere Zeit? Oh—mein—Gott. Ich musste unbedingt wissen, welches Jahr wir hatten. Aber ich glaubte nicht, dass irgendwer hier einen Kalender besaß.

Mir wurde bewusst, dass mich Tatanka Wakon noch immer ansah und auf meine Antwort wartete. Was hatte er noch gleich gefragt?

„Äh ... ein Kampf? Ich ... ich weiß nicht. Ich meine, nein. Ganz sicher nicht." Ich durfte sie auf keinen Fall gegen mich aufbringen, sonst stellten sie mich am Ende noch an den Marterpfahl. „Das Buch ... das ist nur, ähm, weil wir wissen möchten, wie die Lakota leben. Damit wir sie besuchen können. Wie ich." Ich gestikulierte hilflos und verstummte. Was redete ich da eigentlich?

Der alte Mann besprach sich wieder mit dem Häuptling und ich betete, dass sie nicht zu dem Schluss kamen, ich würde sie ausspionieren wollen. Ich verschränkte meine Finger fest vor meinem Bauch. Meine Hände schwitzten.

Sie redeten lange miteinander. Selbst die anderen Männer im Kreis stimmten jetzt mit ein. Es ging hin und her. Jeder durfte etwas sagen, wobei keiner den anderen unterbrach. Trotzdem meinte ich zu hören, wie einer der jüngeren Männer seine Stimme erhob, während er aufgebracht gestikulierte. Er saß ganz am Ende des Kreises nahe am Eingang und hatte ein recht breites, weiches Gesicht. Im Moment hatte er seine Mundwinkel stark herabgezogen, wodurch er wirkte, als hätte er in etwas Ekliges gebissen. Und obwohl er mich nicht direkt anschaute, sah ich doch, wie er mich immer wieder mit Blicken streifte, die alles andere als freundlich waren. Er trug eine Halskette aus mehreren Reihen von Knochen.

Und dann sprach auch Ohitika neben mir. Ohitika. Der Name gefiel mir. Er rollte so leicht von der Zunge und ich fand ihn irgendwie ... passend. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, was er bedeutete. Er sprach mit leiser Schärfe und blickte dabei den jungen Mann an, der soeben seine Tirade beendet hatte. Seine schwarzen Augen sprühten regelrecht Funken, wie ein Feuerstein aus Onyx, aber seine Haltung und Stimme blieben gefasst, ruhig. Sie rangen mit ihren Blicken miteinander. Ich spürte die Spannung zwischen den beiden und hätte nur zu gern gewusst, worüber sie stritten.

Der Häuptling, Mazzukata, hörte sich alles schweigend an. Schließlich hob er seine Hand, um weitere Reden zu unterbrechen. Das Tipi hüllte sich in Schweigen. Ich hörte meinen eigenen Herzschlag, der mir in den Ohren rauschte, und wagte es kaum, dem Häuptling ins Gesicht zu schauen.

Er sagte etwas auf Lakota zu mir, das Tatanka Wakon übersetzte. „Wir nicht glauben, dass Waschitschu schicken Mädchen als Kundschafter. Aber wir auch nicht wissen, welches Geheimnis du mit dir tragen. Deshalb wir können dich nicht gehen lassen. Du werden hierbleiben, wohnen in Zelt von Ohitika, der dich hat gefunden. Du werden lernen unsere Sprache und uns verraten die Geheimnisse der Waschitschu. Häuptling Mazzutaka hat gesprochen."

Ich spürte, dass mein Mund offenstand, und klappte ihn rasch wieder zu. Die Worte ergaben keinen Sinn — wenigstens konnte ich nicht glauben, dass ich richtig gehört hatte. Sie wollten mich als Gefangene hierbehalten? Bis ich ihre Sprache sprechen konnte und ihnen meine Geheimnisse erzählte? Was für Geheimnisse denn? Das konnte doch alles nur ein Traum sein! Ein Albtraum.

Doch so oft ich auch versuchte, mich zu kneifen, ich wachte nicht auf.

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