Plötzlich Indianer - Eine Zei...

By Booky_2017

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Die siebzehnjährige Marie hatte sich so sehr auf die Kursfahrt mit ihrem Englisch-Leistungskurs gefreut, der... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kaptel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
Zugabe

Kapitel 4

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By Booky_2017

Ein Knurren ließ mich hochfahren.

Der Bär? War er wieder da? Wo war ich?

Mein Kopf stieß gegen die niedrige Decke aus Zweigen. Helle Strahlen von Sonnenlicht fielen durch die Öffnung des kleinen Unterschlupfs und wärmten meinen Rücken. Es war früher Morgen und, wie es aussah, ein wunderschöner Morgen. Die Vögel zwitscherten um die Wette, ich hörte das Bächlein gluckern, und kein Bär weit und breit! Auch mein seltsamer Retter war nicht mehr hier und ich fragte mich, ob ich ihn mir nur eingebildet hatte.

Mein Magen knurrte und ich grinste erleichtert. Also das war der Übeltäter gewesen! Während ich meinen Rucksack nach etwas Essbarem durchsuchte, schlüpfte der junge Mann wieder hinein. Wie sollte ich ihn bezeichnen? Als Indianer? Er sah jedenfalls ganz so aus, wie ich mir immer einen vorgestellt hatte. Heute trug er zu meiner Erleichterung auch mehr als gestern. Sein Oberkörper war zwar noch immer nackt, doch zusätzlich zu dem Lendenschurz hatte er Leggings aus weichem Wildleder um die Beine gelegt und Mokassins an den Füßen.

Ich fand meine Wasserflasche und nahm einen Schluck daraus. Dabei spürte ich seinen neugierigen Blick. Er starrte mich nicht offensichtlich an und doch beobachtete er mich genau unter halb gesenkten Lidern. Ich hielt ihm die Plastikflasche hin. Vielleicht hatte er ja auch Durst. Zu meinem Erstaunen betastete er das Material, wie er es bei meinem Regencape getan hatte, voller Erstaunen. Er musste wirklich weitab von jeder Zivilisation gelebt haben, wenn er noch nicht mal Plastik kannte!

Das erinnerte mich daran, dass ich unbedingt wieder in die Zivilisation zurückkehren wollte.

„Kennst du Mount Rushmore?", fragte ich ihn auf Englisch. „Den großen Fels mit den Präsidentenköpfen." Den musste er doch kennen.

Sein Kopf neigte sich ein winziges bisschen zur Seite. Ich seufzte. Er verstand mich tatsächlich nicht.

Dann kam mir ein Einfall. Ich angelte aus meinem Rucksack den Flyer hervor, den wir am Eingang zum Denkmal erhalten hatten. Triumphierend hielt ich ihm das bunte Prospekt unter die Nase und deutete auf die Abbildung. „Mount Rushmore", wiederholte ich langsam und deutlich.

Er zog leicht seine Brauen zusammen, als er sich über das Papier beugte. Dann murmelte er etwas Unverständliches. Es klang beinahe ehrfürchtig. Aber auf das Aufblitzen der Erkenntnis in seinen Augen wartete ich vergeblich. Stattdessen nahm er mir das Faltblatt aus der Hand und studierte es eingehend. Seine braunen Finger waren lang und schlank, wirkten aber dennoch stark.

Ich riss meinen Blick davon los. Das Prospekt benötigte ich nicht mehr, sollte er es behalten. Aber wenn ich nicht bald einen Weg finden würde, mit ihm zu reden ...

Ich kroch aus dem Unterschlupf. Draußen richtete ich mich auf. Dabei bemerkte ich wieder einen stechenden Schmerz in meinem rechten Fuß und verzog das Gesicht. Mist! Es war noch nicht besser geworden. Egal, ich musste weg hier.

Er war mir gefolgt und ich deutete mit wilden Gesten in die ungefähre Richtung, aus der wir meiner Ansicht nach gestern Nacht gekommen waren. Es war auf jeden Fall hangaufwärts gewesen. Ich hob meine Hände wie Krallen vor mir hoch und brummte tief und kehlig, um den Bären nachzuahmen. Ich fand, es klang ziemlich furchteinflößend, aber zu meiner Irritation sah ich, wie er belustigt eine Braue hochzog.

Ich schnaufte frustriert. Dann blickte ich mich um und hob ein ein kleines Stöckchen vom Waldboden auf. Ich kniete mich auf den Boden, scharrte die Kiefernnadeln weg, um so eine Stelle von relativ glatter Erde zum Zeichnen zu haben. Darin ritzte ich etwas ein, das einen Bären darstellen sollte. Zur Sicherheit knurrte ich noch einmal, als ich mit dem Stock darauf deutete, und sah ihn dabei herausfordernd an. Er hockte neben mir, neigte seinen Kopf leicht nach vorn und es wirkte, als würde er es kapieren. Ja, endlich!

Ich zeichnete eine Strichfigur mit einem Rucksack auf dem Rücken, die mich selbst darstellte. Dann zog ich von dieser Figur einen Pfeil hin zum Eingang einer Höhle. Jedenfalls hoffte ich, dass dieses halbrunde Ding als solcher zu erkennen war. Zur Unterstützung fügte ich noch einen Höhlengang an, von dem ein paar Stalagmiten oder Stalaktiten hingen — die verwechselte ich immer. Ich klopfte mit dem Stock mehrmals auf den Höhleneingang und blickte ihn auffordernd und beinahe flehentlich an.

Seine dunklen Augen funkelten verständnisvoll, doch dann schüttelte er den Kopf.

Ich nickte heftig. „Doch, doch! Dort muss ich hin. Bitte."

Er beugte sich vor und wischte mit der Hand meine Zeichnungen weg. Einfach so. Er schüttelte erneut den Kopf und hob ein anderes Stöckchen auf, mit dem er selbst etwas in die Erde kratzte: einfache Dreiecke, deren Spitzen sich am oberen Ende überkreuzten. Tipis? Ein Zeltdorf. Er deutete mit dem Daumen auf sich, dann mit dem Zeigefinger auf mich und schließlich mit dem Stock in das Zeltdorf. Ich sollte mit in sein Zeltlager kommen?

„Nein", sagte ich. „Oooh, nein. Wirklich. Ich muss meine Klasse wiederfinden. Und einen Arzt." Beinahe traten mir Tränen in die Augen und ich blinzelte sie wütend weg. Jetzt nicht weinen. Nicht vor ihm.

Er deutete auf meinen Knöchel und machte dann eine Geste mit der rechten Hand, die ich nicht deuten konnte. Da fiel mir etwas ein. Hatten sich die Indianervölker früher nicht mit Zeichensprache verständigt? Weil es so viele Stämme mit unterschiedlichen Sprachen gab, hatten sie einen Weg finden müssen, trotzdem miteinander zu kommunizieren. Vielleicht konnte er das ja auch, wenn er anscheinend so vertraut mit Indianern war. Und wenn ich mich richtig erinnerte, hatte ich in dem Buch, das ich meinem Bruder schenken wollte, solche Abbildungen gesehen.

Ich erhob mich etwas schwerfällig, ohne mich auf meinen rechten Fuß zu stützen, und humpelte zurück zum Zelt. Wieder kramte ich in meinem Rucksack und zog, unter seinen aufmerksamen Augen, das Buch heraus. Ich blätterte zu der Seite, auf der einige Symbole der Zeichensprache erklärt waren, und suchte nach einem Begriff, der mich weiterbringen könnte.

Da gab es ein Zeichen für ‚Zuhause'. Ich verschränkte die Finger meiner beiden Hände vor meinem Körper ineinander. Er schaute mir zu und nickte auffordernd.

Ermutigt suchte ich weiter. Okay, hier gab es die Begriffe für ‚Ich' — man deutete mit dem Daumen auf seine Brust — und ‚Gehen' — eine Bewegung mit der rechten Hand.

Ich bemühte mich alles zusammenzusetzen und redete dabei mit, obwohl er mich nicht verstehen konnte: „Ich — gehen — heim. Ich möchte nach Hause."

Seine Augen verengten sich ein wenig. Statt mich anzuschauen, hatte er seinen Blick auf das Buch gerichtet, das offen vor mir auf dem Boden lag. Er zog die Brauen zusammen und seine ganze Miene schien sich zu verschließen. Misstrauisch starrte er mich an und die Intensität seiner kohlschwarzen Augen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Oh, oh. Hatte ich etwas Falsches gesagt?

Plötzlich riss er das Buch an sich und blätterte wild durch die Seiten. Bei den Zeichnungen von Waffen — Pfeil und Bogen, Steinkeule und Lanze —, hielt er inne, und starrte mit finsterem Gesicht darauf.

Er sagte etwas und obwohl ich es nicht verstehen konnte, klang seine Stimme unheilvoll wie das Grollen des Donners. Ich schluckte. Was hatte das zu bedeuten?

„Wakan", murmelte er.

Ich wünschte, er würde mir mein Buch zurückgeben. Dann könnte ich vielleicht nachschlagen, was das Wort bedeutete. Aber ich traute mich nicht, mich auch nur zu rühren.

Er griff nach meinem Rucksack und ließ das Buch dort hineinfallen. Bevor ich mich aus meiner Starre lösen konnte, packte er mich am Handgelenk. Ich erschrak. Seine Finger hielten mich fest wie ein Schraubstock und seine Augen loderten, als er mich anblickte. Mit einer leisen, aber entschlossenen Aufforderung, die nur so viel bedeuten konnte, wie „Komm!", zog er mich nach draußen, meinen Rucksack nahm er mit.

„Hey!" Ich versuchte, mich zu wehren, aber gegen seine überlegene Stärke hatte ich keine Chance. Er war anderthalb Köpfe größer als ich.

Ich humpelte mehr schlecht als recht hinter ihm her. Mein Herz pochte voller Furcht über diesen plötzlichen Stimmungswandel und mein Hals verengte sich schmerzhaft, sodass ich keinen weiteren Ton des Protest hervorbrachte.

Wir liefen ein Stück am Bach flussabwärts — wenigstens lief er nicht so schnell und nahm anscheinend Rücksicht auf meinen Fuß —, bis ich zwischen den Baumstämmen ein braun-weiß geschecktes Pferd entdeckte, das aufgrund seiner Fellfarbe gut getarnt war. Es rupfte gemütlich an den zarten grünen Grashalmen in Ufernähe und trug nur eine Decke über dem Rücken sowie eine Art Halfter um die Nase. Aber keinen Sattel.

Es hob den Kopf und drehte seine Ohren in unsere Richtung, als wir uns näherten, aber es rannte nicht fort. Sobald wir sein Pferd erreicht hatten, umfasste der Indianer meine Taille. Ich schrie leise auf vor Überraschung. Mit einem Schwung setzte er mich auf den Rücken des Ponys, das weniger groß und dafür gedrungener war als die Pferde, die ich vom Reiterhof kannte. Dann griff er die Zügel und setzte sein Tier mit einem knappen Laut in Bewegung. So führte er mich durch den Wald bergab, einem mir unbekannten Ziel entgegen.

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