Hoffnung - Ariel & Adrian...

By enfys_

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[Spoilergefahr: Sequel zu "Freiheit - David & Rune"] ยป โ€ž๐˜Œ๐˜ด ๐˜ช๐˜ด๐˜ต ๐˜ข๐˜ฃ๐˜ด๐˜ถ๐˜ณ๐˜ฅ", ๐˜ฃ๐˜ฆ๐˜จ๐˜ช๐˜ฏ๐˜ฏ๐˜ต ๐˜ฅ๐˜ฆ๐˜ณ ๐˜‘๐˜ถ... More

Vorwort
Prolog
1 - Vorfreude
2 - Vorbereitungen
3 - Tanz
5 - Flussmomente
6 - Feuer
7 - Vergeblich
8 - Absicht
9 - Unterhaltungskampf
10 - Streichholz
11 - Asche
12 - รœberlegungen
13 - Gesprรคche
14 - Besuch
15 - Bekannte
16 - Lichtblick
17 - Gestรคndnisse
18 - Rรผckzug
19 - Irreal
20 - Damals
21 - Grenzhรผgel
22 - Ausharren
23 - Verunsicherung
24 - Felsversteck
25 - Verschwunden

4 - Silbern

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By enfys_

A R I E L

In meinen Gliedern fließt noch immer die aufreibende Energie, die während des Tanzes zwischen uns in der Luft lag. Ich schließe die Augen und versuche, mich zu sammeln. Doch sofort sehe ich die silberne Maske vor mir und spüre die Berührung seiner Finger an meinen.

So etwas habe ich noch nie erlebt. Noch nie hat mich jemand auf diese Weise angesehen, wie es dieser schwarzhaarige Junge tat. So intensiv, so ehrlich. Ich wage es nicht, mich umzudrehen, wage es nicht, ihn inmitten der Menge zu suchen.

Eine Hand fasst nach meiner und ich zucke zurück. Ich habe Angst, dass es er ist. Alleine bei dem Gedanken an ihn rast mein Herz unvorbereitet. Es ist jedoch Lou, deren graue Augen mich hinter ihrer roten Maske mustern.

„Da bist du ja!", ruft sie mir ins Ohr, laut genug, damit ihre Stimme nicht im Lärm der Menge und der Musik untergeht. „Was war denn das eben?" Ihre Finger krallen sich in meinen Arm. Ich zucke mit den Schultern. Ich weiß nicht, was ich erwidern soll. „Zum Teufel, Ariel! Bist du noch bei Sinnen?" Hektisch klopft sie mit der Hand unsanft gegen meinen Oberarm. Ich weiche ihren Schlägen aus. „Wieso läufst du nach so einem Tanz vor diesem Jungen davon?"

Ich hebe erneut die Schultern. Irgendwie ... irgendwie gewann meine Schüchternheit wieder einmal die Oberhand und alles war auf einmal zu viel. „Ich ... das war nur ein kleiner Tanz. Genau wie deiner." Ich räuspere mich. „Und gleich werden die Wettbewerbe weitergehen. Ich sollte mich schon mal auf den Weg dorthin machen", weiche ich aus.

„Blödsinn. Ich habe nur getanzt, aber bei euch ... selbst ich habe bemerkt, wie ihr euch angesehen habt! Das war ... magisch!"

Kopfschüttelnd winke ich ab und setze mich in Bewegung. „Das glaubst du doch selbst nicht, Lou. Wir haben bloß getanzt. Nichts weiter."

„Ariel! Jetzt sei nicht so!" Lou muss sich sputen, um meinen Schritten zu folgen. „Wohin willst du?"

„Zum Wettbewerbsgelände!"

Ich höre, wie meine Freundin genervt seufzt und zu einer Antwort ansetzen will, da dringt der tiefe Klang des Horns über die Lichtung. Erleichtert werfe ich Lou einen unmissverständlichen Blick zu. Diese verdreht nur die Augen, murmelt irgendetwas über verlorene Abenteuer und folgt mir, wenn auch widerwillig.

Wieder bei den abgesteckten Flächen für die Kämpfe angekommen, melde ich mich bei der Frau im weißen Leinenhemd als Mitstreiterin an. Sie schickt mich zur Seite, wo bereits einige andere Bewerber auf weitere Anweisungen warten. Lou hat sich in die Menge zurückgezogen.

Ich mustere diejenigen, die neben mir stehen. Es ist ein bunter Mix an Personen verschiedenen Alters und Geschlechts. Manche wirken sehr kräftig und fit, andere dagegen flink und beweglich. Im Kampf ohne Waffen gibt es unzählige Möglichkeiten, seinen Gegner auszuschalten. Da ich selbst ungern andere verletze, mag ich diese Art des Wettbewerbs sehr.
Unterhaltungskämpfe werden meist beendet, wenn einer die eindeutige Überhand gewonnen hat und seinen machtlosen Gegner am Boden festhalten kann. Oder in den wenigen Augenblicken, bevor ein gezielter Schlag oder Tritt das Gegenüber in die Bewusstlosigkeit befördern könnte. Dafür müssen diese Situationen eindeutig erkennbar sein. Der Kopf, die Kehle und die Körpermitte sind als Angriffsziel tabu.

Die Regeln sind klar und nur ganz selten werden schlimmere Verletzungen als Prellungen oder blaue Flecken davongetragen.

Für mich ist es allerdings die Körperlichkeit, die mich am waffenlosen Kampf reizt. Mein ganzer Körper ist meine Waffe und gleichzeitig meine Verteidigung. Der Kampf erinnert mich jedes Mal aufs Neue an einen Tanz, meine Bewegungen sind weich und flüssig, die gesteuerten Hiebe und Würfe bilden einen eigenen Rhythmus, dem ich blind folge.

Um mich herum hat sich eine ganze Menge an Mitstreitern angesammelt und ich verliere den Überblick. Die Wettbewerbsleiterin erklärt erneut die Regeln und schickt uns zu den Kampfflächen, wo wir in Fünfergruppen eingeteilt werden.

Mein erster Kampf vergeht viel zu schnell. Mein Gegner ist ein Mann mittleren Alters mit Armen wie Baumstämme. Nach gefühlten Wimpernschlägen hat er mich unter sich begraben und den Kampf für sich entschieden. Immerhin schlägt er auch ohne scheinbarer Anstrengung die anderen aus meiner Gruppe, daher gebe ich dieser Niederlage kein Gewicht.

Die nächste Runde gegen ein Mädchen, das vielleicht nur wenige Jahre älter ist als ich, gewinne ich. Sie ist zwar kräftig, doch mit meiner Technik gelingt es mir, sie im richtigen Moment zu Fall zu bringen.

Mit vom Kampf erhitztem Gesicht beobachte ich einen weiteren Mitstreiter aus meiner Gruppe und lege mir sogleich eine Strategie zurecht. Zu meinem Glück funktioniert sie tatsächlich und nachdem ich meinen letzten Gruppenkampf verliere, stehe ich mit zwei Siegen und zwei Niederlagen da. Durch das Wettkampfsystem steige ich damit gemeinsam mit dem starken Mann eine Runde auf.

Ab jetzt zählt nur noch ein Sieg.

Lou bringt mir einen Becher Wasser und klopft mir motivierend auf die Schultern. Ein Helfer der Wettbewerbsleiterin führt mich auf die Kampffläche nebenan. Mein nächster Kampf steht an.
Ich nehme einen kräftigen Schluck Wasser. Dann drehe ich mich zu meinem Gegner um.

Augenblicklich verschlucke ich mich, muss husten und fast würgen. Von dem Reiz in meinem Hals verschwimmt meine Sicht, sie wird trüb und undeutlich. Doch als sie klar wird, ist mein Gegner weiterhin der gleiche.

Unwillkürlich zittern meine Hände und ich weiß nicht mehr, wie man gerade steht, geschweige denn kämpft.

Es ist der schwarzhaarige Junge mit der silbernen Maske. Mit dem ich vorher getanzt habe. Vor dem ich weggelaufen bin.

Mein Herz rast und das feurige Adrenalin in meinen Adern, welches ich bereits bei den vorherigen Kämpfen verspürt habe, scheint sich vervielfacht zu haben.

Seine dunklen Augen funkeln mir amüsiert entgegen und ich ringe um Luft.

Er hat mich ebenso erkannt.

Von der Seite erklingt der dumpfe Trommelschlag, welcher den Beginn des Kampfes markiert. Als ich Kampfhaltung einnehme bemühe ich mich, meine rasenden Gedanken im Zaum zu halten. Mit Sorgfalt studiere ich seine Statur. Natürlich nur, um jegliche Bewegung vorausahnen zu können. Seine breiten Schultern sind mir schon bei unserem Tanz aufgefallen, seine Hüfte ist schmal, die Oberschenkel dagegen kräftig.
Ich verlagere mein Gewicht, er ahmt es mir nach.

Zögerlich umkreisen wir einander, achtsam und wach. Zwischen unseren Körpern ist ein Abstand, der die Nähe des Tanzes zu verhöhnen scheint. Sein erster Angriff ist unvermittelt und nur meine Instinkte verhindern, dass ich zu Boden gehe. Ich kneife die Augen zu Schlitzen zusammen. Die Schritte des Jungens sind tänzerisch und ich passe mich ihnen an, suche nach einem geeigneten Moment für einen Gegenangriff.

Ich setze an, er weicht aus. Leichtfüßig sind seine Bewegungen, schnell seine Augen.

Die Luft zwischen uns ist zum Zerreißen gespannt.

Da ist sein dunkler Blick, der mich fesselt. Der meinen Kopf verwirrt und meinen Körper träge werden lässt. Minutenlang umschleichen wir einander, unsere Regungen stumme Aufforderungen für einen erneuten Tanz, dessen Rhythmus Angriffe und Hiebe sind.

Er hat wirklich schöne Augen.

Dunkelbraun.

Samtig.

Tiefgründig.

Ich schüttle die komischen Gedanken von mir ab. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Solche Gedanken stiften Verwirrung und mein Geist muss klar sein, um diesen Kampf zu gewinnen. Mein Gegner ist präzise und seine Reaktionen blitzschnell.

Bloß bin ich das auch.

Ich nehme meinen ganzen Mut und jegliche in mir lauernde Kraft zusammen und springe seitlich am Jungen vorbei.

Mit einer gezielten Bewegung schnappe ich mir im Sprung seinen Arm und werfe mich mit meinem gesamten Gewicht gegen ihn. Er versucht, mir seinen Arm kraftvoll zu entreißen, was ihm auch gelingt, doch längst habe ich meinen rechten Fuß hinter seinen Beinen in Position gebracht.

Der schwarzhaarige Junge strauchelt und verliert das Gleichgewicht. Um ihn endgültig auf den Boden zu zwingen, ziehe ich ihm im Fall beide Beine weg.

Er keucht auf. Im Sturz krallt er sich in mein Oberteil, hart und unerwartet. Unsere Füße verheddern sich und ich kann nicht verhindern, dass ich ebenso vom Schwung erfasst werde. Wie zwei Steine gehen wir zusammen zu Boden. Ich versuche den plötzlichen Fall zu verhindern, doch ich bin zu langsam.

Schmerzhaft lande ich mit meinem ganzen Gewicht auf meiner linken Hand. Ein tiefer Stich durchfährt mein Handgelenk. Ich keuche auf und ziehe scharf die Luft ein. Trotzdem handle ich geistesgegenwärtig und presse meinen rechten Unterarm gegen die Kehle des Jungens. Mithilfe meiner eigenen Beine fixiere ich seine.

Die Trommel erklingt.

Der Kampf ist entschieden.

Heftig nach Atem ringend löse ich mich von dem Körper unter mir. Ich setze mich auf und versuche, meine linke Hand zu bewegen. Es geht, doch ich muss bestürzt die Augen schließen, als ein schneidender Schmerz meinen Arm hochjagt.

Der schwarzhaarige Junge ist wieder auf den Beinen, viel schneller als ich. Ich sehe, wie er meine schonende Armhaltung betrachtet. Sein Blick begegnet meinem und ich meine, Sorge darin zu erkennen. Hilfsbereit streckt er mir die Hand hin.
Dankbar lasse ich mich von ihm hochziehen.

„Alles in Ordnung?" Seine Stimme ist dunkel und noch ein wenig rau von der körperlichen Anstrengung.

„Ja", erwidere ich kurz angebunden und versuche, meinen verletzten Arm ganz gewöhnlich an meiner Seite herunter hängen zu lassen. Misstrauisch erfassen mich erneut seine Augen.

„Beeilung, runter von der Kampffläche! Hier findet gleich der nächste Kampf statt!", weist der Mann mit der Trommel uns entschieden an, den abgesteckten Bereich zu verlassen. „Und Mädchen, dein nächster Gegner wird jetzt entschieden."

Ich spüre, wie mich der schwarzhaarige Junge von der Seite mustert. Der Schmerz ist zu einem dumpfen Pochen geworden.

„Ich kämpfe nicht weiter. Ich steige aus dem Wettbewerb aus", erkläre ich resigniert dem Helfer. Es hat für mich keinen Sinn, mit einem verletzten Arm zu kämpfen. Das ist ein Unterhaltungswettkampf nicht wert.

„Wenn das so ist", äußert der Helfer wenig beeindruckt. Mit einer eindeutigen Handgeste bedeutet er uns, endgültig von der Kampffläche zu verschwinden.

Das Haupt gesenkt verlasse ich den Kampfbereich. Der Junge heftet sich an meine Fersen. Ich beschleunige meinen Schritt und steure den schmalen Weg am Rand der Lichtung an.

„Hey, warte doch."
Das ist die Stimme des Jungens. Sie klingt schön, freundlich. Ich beachte ihn vorerst nicht. Mein Ziel ist der Fluss am entfernten Ende, um mein Handgelenk zu kühlen. „Du hast dich verletzt", ruft er mir besorgt hinterher. „Und kannst nicht weiterkämpfen. Das tut mir leid. Das wollte ich nicht."

Ich schlucke und verharre, sodass er zu mir aufschließen kann. „Dafür kannst du doch nichts. Ich bin blöd gefallen."

„Ich habe dich mitgezogen", hält der Junge dagegen. „Das wollte ich eigentlich nicht." Ich setze mich wieder in Bewegung. „Du hast wahnsinnig gut gekämpft", flüstert er plötzlich anerkennend. „Und noch besser getanzt."

Ich sehe über die Schulter und ihm direkt in die Augen. Sowie sein Blick auf meinen trifft, ist die knisternde Spannung zwischen uns wieder greifbar.

„Du auch", gebe ich zu.

Er lächelt.
Seine Augen strahlen und ich stelle mir unwillkürlich vor, wie sein Gesicht wohl ohne Maske aussehen mag. Lous aufgebrachte Worte finden den Weg in mein Gedächtnis, warum zum Teufel ich denn nach dem Tanz vor diesem Jungen weggelaufen bin. Es ist doch nur ein Junge.

Ich nehme mein Herz in die Hand und frage mit brüchiger Stimme: „Begleitest du mich zum Fluss?"

Sein überraschter Gesichtsausdruck bringt mich zum Lächeln. „Gerne."

Nebeneinander, mit großzügigen Abstand zwischen uns, schlendern wir den Pfad entlang und hüllen uns in Schweigen. Ich bin mir nicht ganz sicher, warum ich ihn gefragt habe, mitzukommen. Zugegeben, Lou hat recht. Ich weiß nicht, wieso ich beim ersten Mal vor ihm davongelaufen bin. Und darüber hinaus sind wir am Frühlingsfest, an jenem Abend, dessen Verlauf Lou und ich uns seit Wochen ausmalen.

Heute ist ein Abend, um über seinen eigenen Schatten zu springen und Neues zu erleben.

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