Bis(s) zum Erwachen - Wie ein...

By FieneFifi

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Die Volturi sind verschwunden und Bellas Leben scheint perfekt - bis sie aufwacht und feststellen muss, dass... More

Prolog
Alles auf Anfang
Erklärungsversuche
Kleine, bescheidene Dreierrunde
Ungewissheiten [Edward Cullen]
Altbekannte Biostunde
Geschwisterliebe
Ein merkwürdiges Mädchen [Edward Cullen]
Die Suche nach der Lichtung
Flammendes Häuschen
Mitternachtsgespräch
Ein kleiner Hoffnungsschimmer?
Die fast-Werwölfe
Worte und ein Ausrutscher [Edward Cullen]
Alle lieben Bella ... nur er nicht
Gewissensbisse [Alice Cullen]
Krankenbesuche
Konkurrenz [Edward Cullen]
Schreckliche Klarheiten
Woche eins
Woche zwei
Woche drei
Woche vier [Edward Cullen]
Woche vier
Woche fünf
Woche sechs - Unverhofftes Wiedersehen
Glück ... oder doch nicht?
Klavierklänge und leise Worte
Liebesschwüre ... irgendwie
Noch immer nächtliches Flüstern
Diskussion [Edward Cullen]
Schmerzendes Glück
Das Kochbuch der Unsterblichen
Zu weit gedacht [Alice Cullen]
Zu weit gedacht [Edward Cullen]
Es wird niemals so weit kommen
Einer gegen drei
Drei Worte
Epilog
Fortsetzung: Schatten der Nacht

Ein Gespräch für die Zukunft

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By FieneFifi

Der nächste Morgen begann wie die meisten hier in Forks: es nieselte. Hektisch zog ich mich an, ging ins Bad und machte mich frisch. Danach stapfte ich die Treppe hinunter in die Küche, um mit Charlie zu frühstücken, der mir, bevor er aufbrach, viel Glück wünschte. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie dringend ich es jetzt brauchte. Als er aus dem Haus war, hastete ich zu meinem Transporter und huschte rasch in das gemütliche Fahrerhaus. Ich wollte so schnell wie möglich dort sein, obwohl es idiotisch war, denn ich würde die Cullens – wenn überhaupt – erst in der Mittagspause in der Cafeteria sehen.

Als ich auf die Uhr im Armaturenbrett schaute, sah ich, dass es für einen Aufbruch noch viel zu früh war und machte mir stattdessen Gedanken, wie ich mich verhalten sollte. Ich kannte diese Schule gut genug, immerhin hatte ich sie zusammen mit vielen anderen mehrere Jahre besucht. Und trotzdem musste ich mich dumm stellen, um meinem Image der „Neuen aus der sonnigen Großstadt“ gerecht zu werden. Ich sollte vorgeben, die Gebäude nicht zu kennen, in denen ich oft Unterricht gehabt hatte, und musste so tun, als kannte ich die Menschen nicht, mit denen ich eigentlich befreundet war.

Stopp, sagte ich mir. Was, wenn alles doch ganz anders war? Wenn ich dort niemanden wiedersehen würde, wenn diese Schule nicht meinem Traum entsprach? Die Spannung war zu groß, als dass ich noch länger hätte herumzusitzen können, außerdem zuckte es mir gewaltig in Händen und Füßen. Also fuhr ich los und war in weniger als zehn Minuten auf dem Parkplatz der Forks High School. 

Erleichtert atmete ich aus. Es sah alles haargenau so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. 

Da waren die aneinander gereihten Backsteinhäuser, allesamt rot. Der angrenzende Wald und die vielen Bäume, die ihn ausmachten. Alles war ruhig und idyllisch, da ich beinahe die einzige war, die zu dieser Zeit schon in der Schule war. Ich fühlte mich herrlich und bestärkt, gefüllt mit neuem Mut einen Schritt ins Ungewisse zu wagen.

Ich parkte meinen Chevy, schnappte mir alle wichtigen Papiere, die ich für meinen vermeidlich ersten Tag brauchte, und sauste unter dem Nieselregen und dem sachten Wind, der mir um die Haare und das Gesicht schlug, in die Schule zum Sekretariat. Es war nicht schwer zu finden, selbst wenn es mein erster Tag gewesen wäre hätte ich es schnell entdeckt, also kam ich nach wenigen Augenblicken in dem kleinen Zimmer an. Darin war es warm, der Raum war klein und hinter einem der drei Schreibtische stand Mrs Cope, die ich eigentlich noch gar nicht kennen dürfte. Ich konnte mir ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen, während mein Herz in meiner Brust jubilierte und feierte.

Sie blickte auf, als sie meine Schritte hörte und musterte mich. „Kann ich dir helfen?“

„Ich bin Isabella Swan“, sagte ich und wunderte mich nicht über ihren wissenden Blick. 

Sie kramte in einem Stapel Unterlagen herum. „Ja, richtig.“ Dann fand sie, wonach sie gesucht hatte. „Voila – hier haben wir deinen Stundenplan, und hier ist eine Übersichtskarte des Schulgeländes.“ Sie reichte mir die Zettel und ich biss mir auf die Lippe, um nicht lachen zu müssen. Natürlich brauchte ich diese Dinge nicht. Als ich einen Blick darauf warf, stellte ich mit Erleichterung fest, dass es derselbe Stundenplan war, den ich schon kannte. Ich drohte innerlich zu platzen vor Freude.

Von meiner Erfahrung in diesem Gebäude hatte Mrs Cope natürlich nicht den leisesten Schimmer und so zeichnete sie alle kurzen Wege ein, die mich von Klassenzimmer zu Klassenzimmer bringen sollten. Dann bekam ich noch den Zettel, den alle Lehrer unterschreiben mussten, von ihr in die Hand gedrückt und schließlich wünschte sie mir viel Glück bei meinem ersten Schultag. Wie gesagt, ich konnte es gebrauchen. Die neugierigen Blicke, die ich auf mich zog, als ich durch das Schulhaus ging, war ich schon gewohnt und konnte sie deshalb gut ignorieren. Trotz dass nun schon einige Schüler da waren, war ich vor allen anderen in dem kleinen Klassenzimmer. Es war so wie in meinem Traum: klein und ein wenig schäbig. Als der Lehrer eintrat, gab ich ihm den zu unterschreibenden Zettel und er wies mich, nachdem er mich unverwandt angeglotzt hatte, zu dem hintersten Platz. Nach und nach trudelten alle anderen Schüler ein und bald begann der Unterricht.

Die Stunde verlief gut, viel besser als gut sogar. Es war hervorragend. Ich fühlte mich tatsächlich wie in einem nicht enden wollenden Déjà-vu. Die Leseliste, die mir Mr Mason auf den Platz legte, wies alle Autoren auf, die ich mir erhofft hatte; Bronte, Shakespeare, Chaucer, Faulkner. All das ließ mein Herz unaufhörlich pochen. Die Schulglocke ertönte, als die Stunde vorüber war, und ein mir schon allzu gut bekannter Junge beugte sich zu mir. Es war Eric. Noch nie hatte ich mich so darüber gefreut, ihn zu sehen.

„Du bist Isabella Swan, oder?“

Aber er kannte mich nicht. Niemand kannte mich – außer Alice vielleicht – und deswegen musste ich dann wohl doch einiges klarstellen.

„Bella“, berichtigte ich ihn deshalb. Alle in unserem Umkreis sitzenden drehten sich neugierig zu uns um und starrten mich an.

„Was hast du als nächstes?“, fragte er.

Ohne nachsehen zu müssen, antwortete ich. „Politik bei Jefferson, Haus sechs.“

Kurz weiteten sich seine Augen, dann sagte er: „Ich muss zu Haus vier, ich könnte dir den Weg zeigen. Ich bin Eric.“

Knapp daran vorbei, es ihm abzuschlagen und zu sagen, ich fände selbst dahin, nickte ich und dankte ihm. Wir holten unsere Jacken und gingen hinaus in den Regen, der jetzt vom Himmel prasselte, als schüttete jemand einen Eimer über Forks aus. Hinter uns liefen Mitschüler, so dicht, dass sie mithören könnten, wenn sie wöllten. Ich erinnerte mich vage daran, dass Eric versuchte, Small-Talk mit mir zu führen, und war dementsprechend erleichtert, als ich seine Stimme hörte.

„Ein ganz schöner Unterschied zu Phoenix, was?“, fragte er mit seiner quietschigen Stimme.

„Ziemlich.“

„Dort regnet es eher selten, oder?“

„Drei- oder viermal im Jahr.“

Zwar liebte ich Phoenix, doch jetzt konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich diesen Ort hier einmal so gehasst hatte. Ich konnte mir keinen anderen schöneren Platz auf Erden vorstellen.

„Wow, wie das wohl ist“, quasselte er weiter, und ich freute mich darüber.

„Sonnig“, sagte ich ihm.

Mit einem kurzen Blick auf mein Gesicht sagte er: „Du bist nicht sonderlich braun.“

Obwohl ich wusste, dass dieser sarkastische Witz nicht so gut angekommen war, sprach ich es aus. Es war einfach ein so tolles Gefühl zu sehen, wie alles seinen Lauf nahm. „Meine Mutter ist zur Hälfte Albino.“

Gespannt wartete ich darauf, dass er mich besorgt mustern würde, und wollte Luftsprünge machen, als er es tat. Ich wusste plötzlich wieder, dass ich mich damals in meinen Trugbildern darüber geärgert hatte, dass sich viele Wolken und ein Sinn für Humor wohl nicht vertragen würden. Ich hatte sogar angenommen, bald zu vergessen, was Sarkasmus war. 

Wir gingen weiter und als ich an der Tür stand und die Klinke umgriff, ertönte noch einmal Erics Stimme.

„Viel Glück“, wünschte er mir und wieder einmal war ich dankbar dafür, dass es so viele Menschen gab, die mir heute die Daumen drückten, auch für ganz andere Dinge als es eigentlich für mich nützlich war. „Vielleicht haben wir ja noch andere Fächer zusammen“, fügte er hoffnungsvoll hinzu.

Die Stunden verstrichen, in denen ich darauf wartete, dass es Mittag wurde. Als ich mich in Mathe vorstellen musste, war ich selbstsicherer und lief nicht rot an, so wie beim ersten Mal. Und nach jedem Kurs fragten mich ein paar Schüler, wie es mir in Forks gefiel und plauderten mit mir, bis uns die verschiedenen Unterrichtsfächer wieder trennten. Als ich Jessica in Mathe und Spanisch wiedersah, hätte ich sie am liebsten zu Tode geknuddelt, doch ich ließ es langsam angehen, indem ich mich still verhielt, lächelte und an den angebrachten Stellen ihres Vortrages über Fächer, Lehrer und Jungs nickte.

Auf dem Weg zur Cafeteria schien meine Zunge versiegelt zu sein. Mein Herz hämmerte so laut und schmerzhaft gegen meine Brust, dass ich laut gekeucht hätte, wäre ich nicht unter zivilisierten Menschen gewesen. Wir bogen um die Ecke, und ich beschloss, erst nach ihnen zu suchen, wenn wir saßen. Bei der Essensausgabe bestellte ich mir nur eine Flasche Limonade, mehr brachte ich nicht herunter. Jessica beäugte mich, wie ich mit zitternden Händen die Flasche entgegen nahm und dann gingen wir gemeinsam auf den Tisch zu, an dem wir immer gesessen hatten und an dem jetzt auch alle anderen warteten und mich neugierig musterten. 

Jeder wollte wissen, was hier anders war im Gegensatz zu Phoenix, doch ich wollte einfach nur einen Moment unbeobachtet sein und nach ihnen Ausschau halten können. Als ich jedoch so tat, als würde ich mich nur mal kurz in diesem großen Raum umsehen, blieb mein Blick schlagartig an einem Tisch hängen.

Ein Tisch, an dem fünf Personen saßen.

Fünf Personen, die selbst für diesen Ort ungewöhnlich blass waren.

Eine Blässe, die ein Geheimnis behütete.

Sie waren alle so, wie ich sie kannte.

Zuerst fiel mein Blick auf Emmett –wuchtig und ausgesprochen kräftig, seine dunklen Locken kräuselten sich verspielt auf seinem Kopf. Dann sah ich Jasper – blond, größer und etwas schlanker, aber trotzdem noch ausgesprochen muskulös. Rosalie, die typische Schönheit – eine traumhafte Figur, goldblonde Haare, die geschmeidig an ihrem Rücken hinunterflossen. Meine Hoffnung, Alice – dünn, zierlich, elfenhaft und mit zarten Gesichtszügen, ihre kurzen, tiefschwarzen Haare, die in alle Himmelsrichtungen abstanden. Die fünfte Person hob ich mir bis zum Schluss auf. Bronzefarbene Haare, die wirr um seinen Kopf fielen, karamellfarbene Augen wie flüssiger Honig, die mich so oft liebevoll angeschaut hatten. Seine sinnlichen Lippen, die unendliche Male auf meinen gelegen hatten, mal zaghaft, mal drängend, mal leidenschaftlich. 

Als ich ihn so ansah, spürte ich seinen kalten Marmorkörper förmlich an meinen gepresst, seine Hände an meinem Rücken. Die zuvor hinter verschlossenen Mauern gehüteten Erinnerungen trafen mich plötzlich mit einem qualvollen Schlag. Alles drang hervor. Als er das erste Mal gesagt hatte, dass er mich liebte … die Worte, die er mir in der Nacht nach den Geschehnissen in Volterra in meinem Zimmer zugeflüstert hatte … sein Ja-Wort, als wir beide vor dem Altar gestanden hatten … Esmes Insel, all die Erlebnisse dort mit ihm und das erste Mal, dass ich ihm so nahe gewesen war … die folgenden Wochen, in denen er um mein Leben gebangt hatte … die Freude und Liebe in seinen Augen, als alles überstanden gewesen war und er Nessie im Arm gehalten hatte …

„Bella?“, fragte Jessica plötzlich, sie klang entsetzt.

Ich schaute auf und sah, dass mich dutzende Augenpaare anschauten, manche neugierig, manche bestürzt, manche einfach nur besorgt. Erst als mir eine Träne auf meinen Handrücken tropfte, bemerkte ich, dass ich weinte. Ich schniefte, schluckte und wischte sie mit meinem Daumen weg.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Jessica weiter.

Ich nickte und erhob mich. „Es ist alles noch ein bisschen viel für mich. Ich werd mal an die frische Luft gehen.“

Ich ging eiligen Schrittes davon, ignorierte Eric, der sagte: „Aber es regnet doch …“ und traute mich nicht, noch einmal zu ihrem Tisch zu sehen. Kurz bevor ich den riesigen Raum verließ, gab ich mir einen Ruck und drehte mich um. Zwei Augenpaare fixierten mich. Doch nur einen Blick erwiderte ich, für den des anderen war ich nicht stark genug. Alice schaute mir tief in die Augen, als könnte sie auf meine Seele blicken und ein plötzlich aufblitzendes Funkeln in ihren Augen sagte mir, dass sie bescheid wusste. Vom einen Moment auf den anderen wurde der Blick des anderen zornig, richtete sich auf das zierliche Gesicht von Alice, und ich konnte mir vorstellen, was der Grund dafür war. Edward kannte ihre Gedanken. Sie dachte an mich, inwiefern auch immer, aber sie tat es.

Ich löste den Blick von ihr und ging hinaus, wo ich schluchzend zu Boden sank. Alles prasselte auf einmal auf mich ein, und ich konnte meine angestauten Gefühle nicht länger verbergen. Gott sei Dank kam niemand vorbei, alle waren beim Essen und es sah auch niemand nach mir, um zu erfahren, wo ich war. Lange saß ich so da, bis mich eine kalte, harte Hand auf meiner Schulter aufblicken ließ.

„Du warst eine tolle Braut, Bella“, hörte ich den sopranartigen Klang von Alices Stimme flüstern und sprang auf.

„Alice!“

Immer noch heulend fiel ich ihr um den Hals und vergaß für einen Moment alle Sorgen, die ich hatte, allen Schmerz, der ab jetzt in mir lebte, alle schrecklichen Augenblicke, in denen ich dem Wahnsinn gefährlich nahe war. Ich freute mich einfach, war einfach nur glücklich. Sanft strich sie mir mit ihrer eisigen Hand über den Rücken und ließ sich von mir ihren teuren Pullover nassweinen. Irgendwann kamen dann keine Tränen mehr, und ich trat einen Schritt zurück, weil mir wieder einfiel, wie schmackhaft ich für Vampire roch.

„Tut mir leid“, flüsterte ich kleinlaut, konnte jedoch nicht verhindern, dass ich über mein ganzes Gesicht strahlte.

Dann hob sie eine ihrer schwungvollen Augenbrauen. „Und du hast wirklich alles geträumt, was ich gesehen habe?“

Sie erzählte mir kurz, was sie in einer ihrer Visionen zu Gesicht bekommen hatte, und jedes Mal, wenn sie auf eine Antwort von mir wartete, nickte ich. Alles passte. Das ließ mein Herz höher schlagen, mein Atem ging keuchend und unregelmäßig und ich zitterte am ganzen Körper vor Aufregung.

„Komm erst mal wieder runter“, sagte sie lachend und fasste mir mit ihren Händen auf die Schultern.

Ich atmete dreimal tief ein und aus, schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, dann hatte ich mich wieder einigermaßen im Griff.

„Okay, jetzt geht es wieder.“ Ich schaute ihr kurz in die Augen, dann fiel mir etwas ein. „Ist Edward sehr sauer?“

Sofort wurde ihr erst so liebevoller Blick finster. „Der schäumt über vor Wut.“

Ich nickte, als wäre sein Gemütszustand jetzt von Bedeutung. Dann weiteten sich meine Augen, denn ich begriff erst jetzt. „Also wird alles so passieren?“

Ich hatte darauf gewartet, dass sie sofort ‚Ja‘ sagen würde, doch ihre Augen bohrten sich plötzlich mit einer Intensität in meine, dass ich drohte, umzukippen. Dann schüttelte sie vorsichtig ihren Kopf, als hätte sie Angst, sie könnte mich mit einer zu schnellen Bewegung erschrecken.

„Bella, ich …“, fing sie an, stockte und begann einen neuen Satz. „Wie du weißt, sind die Dinge, die ich sehe, sehr subjektiv. Es kann sich alles noch ändern. Es kann alles so werden, wie wir beide es uns wünschen.“ Sie schenkte mir eines ihrer bezauberndsten Lächeln, doch das nahm ich nicht mehr wahr.

Nach dem Glücksgefühl und der sachten Freude, die ich jetzt in diesen wenigen Minuten erlebt hatte, stürzte ich in ein tiefes, bodenloses schwarzes Loch. Es sog mich in sich, gab mir keine Möglichkeit, zu entkommen. In diesem Loch war ich abgeschnitten von der Außenwelt, von allen Menschen um mich herum getrennt, alles was ich spürte, war der Schmerz, der sich jetzt wieder durch die Lücke in meinem Herzen meldete. Das Loch, in das ich fiel, fraß mich auf, gleichzeitig durchbohrte mich der innere Schmerz. Ich hatte das Gefühl, jeden Moment von meinem Körper getrennt zu sein, als würde sich einfach meine Seele lösen, um der Qual zu entfliehen. Doch es passierte nicht. Das Feuer, das in mir brannte, hörte nicht auf, mich zu vernichten, es wanderte von meinem Herzen in jeden noch so kleinen Winkel meines Körpers.

Es war nicht vergleichbar mit der Höllenqual, die das Gift eines Vampirs auslöste. Es war schlimmer. Niemals zuvor hätte ich so etwas für möglich gehalten, doch jetzt wusste ich es besser. Ich spürte wieder den Boden unter meinen Knien, als ich mich nach unten sinken ließ.

„Also nicht?“, fragte ich und war selbst von mir überrascht, wie klar und deutlich meine Stimme war. Ich suchte mit meinen Augen nach Alice, doch alles was ich sah, war tiefe Schwärze, die mich in sich hüllte. Hektisch streckte ich meine Arme aus und war froh, ihren steinernen Körper unter meinen Fingern fühlen zu können.

Sie packte mich an den Armen und zog mich nach oben. „Hey, Schatz, alles wird gut! Das schwöre ich.“

Und dann kamen erneut die Tränen. Ich brach durch die dunkle Hülle, die mich gefangen hatte, und sah für einen Moment den bestürzten Ausdruck in Alices Gesicht, bevor ein weiterer Schleier meine Sicht vernebelte. Diese verdammte Heulerei! Zwischen den Schluchzern konnte ich nur ansatzweise sprechen.

„Was kann ich denn … so wird … ich will doch nur … Edward fehlt mir … liebe ihn doch …“

Alice zog mich an sich und schlang ihre harten Arme um meinen Körper. Sie war eiskalt, aber die Wärme, die von ihrem eigentlich schon längst toten Herz ausging, trocknete meine Tränen. Sie wartete, bis ich nur noch unregelmäßig keuchte, damit ich ihr auch zuhören konnte.

„Mir fällt etwas ein“, flüsterte sie. „Irgendetwas wird mir einfallen, das weiß ich. Das schwöre ich! Wir schaffen das, okay?“

„Und wie?“ Alle Hoffnung war mit meiner Freude in das schwarze Loch verschwunden.

Kurz zuckten ihre Schultern, dann sagte sie, so leise, dass ich aufhören musste zu atmen, um sie zu verstehen: „Ich weiß es nicht. Aber es wird passieren!“

Die Schulglocke ertönte und erinnerte uns daran, dass wir uns im Schulflur befanden. Als ich erstaunt blinzelte, kicherte Alice kurz auf, dann sah sie mich wieder ernst an.

„Ich weiß nicht, wann wir uns wiedersehen, spätestens morgen in der Cafeteria. Ich werde mir etwas überlegen.“

Ich nickte nur. Dann wurde mein Gesicht bleich.

„Was ist los?“, fragte sie.

„Er kann deine Gedanken lesen“, sagte ich, doch sie schaute mich nur unschlüssig an.

„Ja, ich weiß. Und?“

Ich löste mich vollkommen von ihr, um sie frustriert ansehen zu können. „Verstehst du nicht? Wenn du darüber nachdenkst, wie wir das nächste Mal Pläne schmieden können, dann weiß er auch davon! Und wie ich ihn kenne, wird er alles daran setzen, um mein ‚schlimmes‘ Schicksal als Vampir zu verhindern!“ Erneut wurden meine Augen feucht. Dann wurde mir wieder etwas klar und meine Augen weiteten sich. „Warte: Hat er das jetzt nicht auch mitgehört?“ 

Alice schüttelte ihren kleinen, zierlichen Kopf. „Ich habe versucht, an etwas anderes zu denken. Auch jetzt noch. Ich bin schon ziemlich gut darin, ich muss mir ja irgendwie meine Privatsphäre verschaffen.“ Sie kicherte.

Wieder nickte ich nur, total in meinen Gedanken versunken. „Kannst du so weitermachen bis morgen?“

„Ich denke schon.“

„Ich hoffe, du hast genug geübt.“

„Da hoffst du nicht mehr als ich.“

Ich sah sie fragend an. Alice atmete reserviert aus.

„Bella, du bist meine beste Freundin, komme was wolle“, sagte sie, ihre Stimme war sanft und unendlich weich. „Ich liebe dich, und am liebsten würde ich dich in meiner Familie haben, an der Seite meines Bruders. Hätte ich das Drehbuch deiner traurigen Lebensgeschichte geschrieben, würde ich jetzt sofort mit dir und Edward nach Las Vegas fahren und euch trauen lassen.“

Ihre Worte brachten mein Herz zum schmelzen. „Oh Alice … Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie … glücklich ich bin, das zu hören. Ich … bin so verdammt froh, dass ich dich habe …“

„Das ist schön“, flüsterte sie, drückte mir einen Kuss auf die Wange und wandte sich von mir ab. „Wir sehen uns morgen in der Mittagspause!“ Und dann war sie den Gang entlang verschwunden.

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