Spanisches Temperament und an...

By Ansgel97

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Teil 2 der Hohnstein-Reihe Man möchte fast annehmen, auf Hohnstein wäre Ruhe eingekehrt. Nach einem halben Ja... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 6

Kapitel 5

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By Ansgel97

Kapitel 5

Liam

"Das kannst du doch nicht ernsthaft in Erwägung ziehen. Nein, Will! Du musst die Polizei einschalten.", versuchte Liam seinen Freund wieder zur Besinnung zu bringen. Dieser war mittlerweile aufgesprungen und tigerte vor der Bank, auf der sie eben noch gesessen hatten, hin und her. 

"Das kann ich nicht machen. Ich hab doch nichts, was mich entlasten könnte. Alles aus der Zeit  ist weg, irgendwo. Keine Ahnung, wo. Ich zahle ihn aus und dann geht er." Will baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. 

"Aber du hast doch deine Schulden bei ihm schon beglichen, oder nicht?! Du hast ihm nichts mehr zu zahlen. Was will er denn tun?" So langsam platzte dem Australier wirklich der Kragen. Wie konnte man nur so beratungsressistent sein?
Alles hatte damit angefangen, dass Will ihn nach einem Rat hatte fragen wollen. Dieser hatte mit einer Geschichte begonnen. Und zwar hatte er wohl in seiner Jugend viel Zeit auf der Rennbahn verbracht. Er hatte auf Pferde gesetzt. Manchmal viel gewonnen, aber noch mehr verloren. Irgendwann hatte er sich Geld geliehen, immer mehr und mehr. Als er schließlich vom Wetten los kam, hatte er sich bei seinen Eltern das nötige Geld geliehen, um seine Schulden auszugleichen, doch irgendwie hatte er es wohl versäumt alle Schuldscheine nachzuzählen. Jedenfalls war wohl innerhalb der letzten Woche ein Brief bei ihm mit einer Kopie eben diesen Schuldscheines eingegangen - ein Schuldschein über 5.000 Pfund. 


Liam schob ihm nun eine dampfende Tasse hin und ließ sich vor seiner auf der anderen Seite des Tisches nieder. Earl Grey half jedem Inselbewohner wieder klar zu denken, hoffte er wenigstens. 

"Wir werden einen Weg finden, Will. Nur zahl ihm kein Geld mehr. Du hast alles abbezahlt. Da kann nichts mehr sein. Und wo willst du überhaupt 5.000 Pfund her bekommen?" Aufmunternd lächelte er den Briten an. 

"Ich müsste irgendetwas verkaufen. Ich kann meine Eltern nicht schon wieder bitten. Ich müsste... ich müsste Chernobog verkaufen.", murmelte er vor sich hin, während er die warme Tasse mit beiden Händen umklammerte.

"Nein, das wirst du nicht tun. Das lasse ich nicht zu, niemals.", erklärte Liam eindringlich, aber so ruhig wie die Welt vor einem aufziehenden Sommergewitter. Und jeder seiner Reitschüler wusste, dass er zu einem wahren Gewitter mit Blitz und Donner werden konnte, wenn man seine Anweisungen nicht befolgte. 


Isabel

Die schokoladenfarbene Stute ließ entspannt den Kopf baumeln. Sie genoss das Putzen sichtlich, die regelmäßigen Bewegungen, mit der ihre Besitzerin ihr Fell bürstete. Langsam aber sicher hatte Elli mehr Vertrauen in sich und ihr Pferd. Sie hatte beinahe Angst gehabt, irgendetwas falsch zu machen - und das schon beim Putzen. Daran merkte man allerdings auch wie wichtig ihr das Verhältnis zu der Stute war. Sie wollte unbedingt alles richtig machen. Dass sie das noch nicht konnte, war allerdings sowohl mir als auch ihr mehr als klar.

Es war schon spät, als wir die Halle betraten. Das Licht brannte noch, doch es war niemand mehr zu sehen. Doch das kam mir sehr gelegen, denn heute wollte ich mit meinen Schützlingen das Longieren üben. Dawn wusste natürlich ganz genau, was sie zu tun hatte, doch an der Kommunikation zwischen der Stute und ihrer Besitzerin musste noch viel gearbeitet werden.

"So, die Longe hältst du wie Zügel zwischen den Fingern. Pass auf, dass du sie dir nicht um die Hand wickelst. Falls dein Pferd mal durchgeht, kann sich die Longe fest ziehen und das führt zu ganz unschönen Verletzungen.", erklärte ich Elli, während ich ihr dabei half, die Longe richtig in die Hand zu nehmen. Dann hob ich die Peitsche auf und stellte mich neben sie. "So, du hältst die Longe, ich nehme erst einmal die Peitsche. Jetzt sag ihr, was du von ihr willst."

Dawn stand vor uns und schlackerte mit den Ohren. Sie wusste, was kommen würde, doch sie wartete brav auf eine Aufforderung.

"Was soll ich ihr denn sagen?" Elli wirkte ehrlich verwirrt und ich konnte nicht anders als darüber zu grinsen.

"Wie wäre es erstmal mit 'Scheritt'?", schlug ich schmunzelnd vor.


Es dauerte nicht allzu lange bis sie die Grundkommandos verinnerlicht hatte und die Peitsche dazu nehmen konnte. Ich war doch recht zufrieden mit dem Ergebnis. Für das erste Mal longieren war das schon ganz ordentlich. Allerdings hatte sie auch ein sehr braves Pferdchen dafür. Zumindest würde ich sie mit gutem Gewissen das nächste Mal alles allein machen lassen können. Und bis sie irgendwann gut genug war, ihr Pferd zumindest unter Anleitung reiten zu können, war das schon einmal eine gute Beschäftigung und Übung.

"Danke, Isa. Ehrlich. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde.", bedankte sie sich leise als sie in der Dämmerung den Weg zum Haupthaus zurück gingen. Die Luft war angenehm, es duftete nach Sommer und in der Ferne sangen noch einige Vögel. Die untergegangene Sonne tauchte alles in matte Farben und der aufgegangene Mond verkündete bereits den Einzug der Nacht.

"Ist doch kein Problem.", antwortete ich lächelnd. Doch innerlich fragte ich mich, ob ich wirklich alles unter einen Hut kriegen würde. Die nächste Zeit würde schon ohne Elli und Dawn stressig. Schließlich ging es jetzt auf das Abitur zu und ich musste mich ein wenig auf meine Prüfungsfächer konzentrieren. Egal, ich würde das schon hinkriegen. 


Müde vom Tag stocherte ich in meinen Nudeln herum, während die anderen wie aufgescheuchte Hühner um mich gackerten. Ich hatte gar nicht wirklich zugehört, hing meinen Gedanken nach. Jas saß am anderen Ende des Tisches und tat es mir gleich. Er ignorierte mich allerdings und vermied es, mich anzusehen. Immer wieder wehte mein Blick zu ihm herüber, um zu sehen, ob er nicht doch... Aber er starrte auf sein Essen und beteiligte sich kaum am Gespräch. Bis ich mich an diesen Tisch gesetzt hatte, hatte ich nicht viele Gedanken daran verschwendet, was das zwischen uns noch war oder werden würde. Doch plötzlich war alles über mir zusammen gebrochen. Wenn diese Beziehung in die Brüche ging, dann verschwand damit so viel mehr aus meinemLeben als nur dieser blonde Wuschelkopf.

"Hallo? Isa?", fragte Eva gedehnt und wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum.

"Hm?", machte ich müde.

"Du wirkst du abwesend. Und Jas verhält sich, als würde er uns gar nicht kennen. Alles klar bei euch?"

Ich schüttelte den Kopf, hielt meinen Blick gesenkt auf meinem Teller. Ich musste mich erst einmal sammeln, bevor ich hoch blickte und fragende Blicke erntete. "Nein, ist es nicht. Er will eine Pause von dem Ganzen. Er meint, er ist gestresst und braucht Zeit für sich. Aber ich glaube nicht, dass das etwas bringen wird."

Eva wirkte ehrlich betroffen und legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter. "Ich bin für dich da, das weißt du, ja? Das wird schon irgendwie. Und wenn es nicht mehr so wird wie früher, geht die Welt davon nicht unter. Das sagt sich leicht, ich weiß, aber es ist die Wahrheit."


Levi

Schwunghaft trabte der Apfelschimmel unter seinem Reiter die lange Seite der Halle entlang, wendete dann auch die Diagonale und zeigte einen kräftigen Mitteltrab. Die grauen starken Beine waren in dunkelblaue Bandagen gewickelt und bewegten sich beinahe so, als würden sie den Boden kaum berühren. Sein Reiter ließ ihn beim Erreichen des Hufschlags angaloppieren. Kaum einen Augenblick später musste Helicon Sky einen Sprung zur Seite machen und brachte seinen Reiter aus dem Gleichgewicht. Der Grund stand halb in der Halle in der Tür.

Ein pechschwarzer Andalusier, dessen lange Mähne zu einem französischen Zopf entlang seines Halses geflochten war. Am Zügel hielt ihn kein anderer als Mateo.

"Bist du verrückt geworden?! Pass doch auf!", rief Levi ihm wütend zu, während er sich wieder im Sattel gerade rückte und die Zügel wieder richtig aufnahm. Helicon schnaubte, als wolle er auch einen Kommentar abgeben.

"Oh, tut mir leid, Prinzessin. Das nächste Mal kündige ich es mit einer Rundmail an." Der Spanier verdrehte nur seine Augen und stellte sein Pferd in der Halle auf. Der Rappe schlug nervös mit dem Kopf, wobei sein langer Schopf anmütig um sein Haupt wirbelte. Schön war er, keine Frage, doch er gehörte eben einem der unausstehlichsten Schüler dieser Schule.

"Du hältst dich auch für etwas wirklich Besonderes, oder?" Levis Stimme war voller Abscheu. Er war niemand, der angab. Das gehörte sich einfach nicht. Und somit konnte er ein solches Getue wie das des Spaniers nur verurteilen.

"Berechtigt, meine ich. Wenn ich mit Encantador beim Vergleichstunrier angetreten wäre, hätte ich deine gesamte Mannschaft eingestampft!"

"Welchen Platz habt ihr nochmal belegt? Den 6.? Ich würde mein Maul nicht so weit aufreißen. Wir sehen uns bestimmt nächstes Jahr wieder."

"Und dann werden sie uns die vier goldenen Schleifen überreichen!", brüllte Mateo beinahe und trieb seinen Rappen dann energisch vom Fleck weg, um sein Training zu beginnen.

"Träum weiter...", schnaubte Levi. Ihm war die Lust am Training wirklich vergangen. Er wollte sich nicht provozieren lassen, aber er ließ sich auch nicht beleidigen. Dann arbeiteten sie eben morgen im Reitunterricht weiter an den Tempiwechseln, die er heute nochmal festigen wollte. Doch mit diesem Menschen konnte er keine Minute länger in einer Halle sein.


Bevor er zum Stall geritten war, hatte er mit Helicon noch eine kleine Runde um die Außenplätze des Internats gedreht. Es war mittlerweile fast dunkel und nur die Laternen der Gebäude und das Flutlicht der Plätze sorgten für ausreichende Beleutung.

Am Putzplatz brachte Levi schließlich sein Pferd zum Stehen und stieg aus dem Sattel.

"Fejn, Heli. Morgen haben wir dann wieder unsere Ruhe.", säuselte er seinem Wallach zu, während er Sattel und Trense löste.

Beim Abbürsten war er so vertieft in seine Arbeit, dass er beinahe die sich nährende Person übersehen hätte. Doch aus dem Augenwinkel erblickte er einen blonden Haarschopf und drehte sich erst mit genervtem Blick um, da er eigentlich Klara erwartet hatte. Doch vor ihm stand niemand geringeres als Isa.


Isabel

"Oh, hej! Was machst du denn noch hier?", bergüßte Levi mich mit einem verblüfften Lächeln. Er schien froh zu sein, mich zu sehen.

"Nächtliches Umhergewander, könnte man das nennen.", gab ich als Antwort. Meine Stimme klang matt. Ich war fertig vom Tag, von der Schule, fertig von meiner in die Brüche gehenden Beziehung. Aus Helicons Putztasche nahm ich mir eine Kardätsche und fing an sein graumeliertes Fell zu Bürsten.

"Und was treibt dich nach draußen?"

"Ach, dies und das..." Ich umging eine genaue Erläuterung lieber.

"Ich bin jedenfalls froh, wieder angenehme Gesellschaft zu haben. Den ganzen Tag muss ich Klara ertragen und eben musste ich mir auch noch Beleidigungen von Mateo anhören. Mir reichts für heute." Levi seufzte und widmete sich dann den Bandagen, die auch wieder aufgerollt werden wollten. 

"Dieser spanische Schnösel mischt hier alles noch mehr auf, als sowieso schon. Er ist einfach die männliche Klara. Und das Original war schon zu viel."

"Das glaube ich dir. Und sowohl die eine als auch der andere scheinen ihren persönlichen Feind in einem von uns beiden gefunden zu haben."

"Ist das so?" Ich blickte ihn verwirrt unter dem Hals seines Pferdes an.

"Ich schätze schon. Er nimmt es mir scheinbar übel, dass ich ihn beim Vergleichstunrier geschlagen habe und einfach besser geritten bin. Keine Ahnung, warum er das ausgerechnet an mir auslassen will.", erklärte Levi seine Vermutung. Das klang einleuchtend für mich. Und ich erinnerte mich noch gut, dass das spanische Team keine besonders gute Platzierung erritten hatte und sich auch nicht besonders freundlich gezeigt hatte. Ganz anders als die Niederländer und auch die Franzosen und Belgier, die mit unseren Teams die ersten vier Plätze belegt hatten.

"Der ist wahrscheinlich einfach irgendwie in seiner Ehre gekränkt.", mutmaßte ich und wechselte dann auf Levis Seite seines Pferdes. "Komm, ich helf dir noch die Bandagen aufrollen." Mit diesen Worten schnappte ich mir die letzte Bandage, die er noch in der Hand hielt. Unsere Finger berührten sich leicht und ich hatte fast das Gefühl, als hätte er die Hand weg gezogen. Als hätte er sich verbrannt... Ein fragender Ausdruck zeichnete sich auf mein Gesicht, doch er ließ ihn unkommentiert. Stattdessen packte er Sattel und Zaumzeug und trug er in die Sattelkammer.

Ich beförderte Putztasche und Bandagen in seinen Schrank und wir brachten noch gemeinsam Helicon Sky in seine Box. Der Schimmelwallach mampfte schon glücklich sein abendliches Futter, als Levi wieder aus der Box kam, selbige schloss und das Halfter weg hing.

"So, alles verstaut.", schloss er und lehnte sich seitlich gegen die Boxentür, sodass er mich ansehen konnte.

"Hast du Lust noch ein bisschen mit mir durch die Ställe zu wandeln und jemanden mit mir zu besuchen?", fragte ich schließlich und wandte ihm nun auch den Blick zu. Das klare Blau seiner mich fixierenden Augen überraschte mich beinahe. Selten hatte ich mich so genau beobachtet gefühlt.

"Klar, wo gehts hin?"

"Komm mit, ich zeige dir jemand ganz besonderen."


Liebevoll strich ich über Winnys Stirn. Der Schimmel genoss die Zärtlichkeiten sichtlich. Von seiner Besitzerin hatte er in der Hinsicht ja auch nicht viel zu erwarten.

"Glaubst du er erinnert sich an dich?", fragte Levi schließlich nach einer langen Pause, inder er die Geschichte von meiner Mutter, diesem Pferd und mir erst einmal hatte sacken lassen müssen.

"Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht. Aber es ist manchmal tröstlich, ihn so nah bei mir zu wissen. Es ist beinahe so als wäre er ein Stück Familie. Und wahrscheinlich ist er das engste, was ich an Familie habe, wenn man von meinem Vater und Casi absieht."

"Über zu wenig Familie konnte ich mich nie beschweren." Die Bemerkung war eher genervt, aber doch merkte man, dass Levi seine Familie gern hatte. Schmunzelnd drehte ich mich um und erschrak im nächsten Moment, weil er direkt vor mir stand. Ich spürte die Wärme seines Körpers und konnte den leichten Duft seines Shampoos und dem Geruch nach Pferd wahrnehmen. Es war schon ein paar Wochen her, dass ich Jas so nah war. Und wahrscheinlich... würde ich das auch nie wieder sein, so wie es bei uns aussah.

Ehe ich mich versah, küsste er mich. Ich wusste gar nicht, wer den ersten Schritt gemacht hatte. Ich wusste nur, dass sich ein wohliges Kribbeln in meiner Bauchgegend ausbreitete, während ich seine weichen Lippen auf meinen spürte. Meine Hände wanderten in seinen Nacken, seine lagen um meine Taille. In diesem Moment fühlte sich auf einmal alles wieder richtig an. So hatte es sich schon seit Tagen nicht mehr angefühlt.

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