Ich sitze auf dem Sofa und denke über meine Entscheidung nach. Ob es richtig war? Ich wollte einfach nur weg. Jetzt habe ich eingewilligt, mit Dave einen ganzen Abend zu verbringen. Wenn es schlecht läuft, müssen wir dort übernachten. Das kann nicht wahr sein. Ich ziehe mich um und laufe. Auf dem Weg kommt mir Rick entgegen. Er rennt neben mir her.
,,Was ist denn heute los?" Er kennt mich einfach zu gut. Ich bleibe atemlos stehen und sehe ihn an.
,,Ich gehe morgen mit Dave auf einen Ball." Ich merke wie Rick seine Zähne zusammenbeißt, aber er gibt sich mühe und ich bin ihm Dankbar dafür.
,,Wieso hast du zugestimmt, wenn dir nicht wohl dabei ist?" Ich zucke meine Schulter.
,,Ich weiß es nicht. Es kam einfach heraus."
,,Lass dich auf nichts ein, was du nicht willst."
,,Ja ja, Papa." Wir rennen weiter und am Ende machen wir ein Rennen. Er ist leicht vor mir, aber ich hole ihn ein. Scheiße, ich schaffe es nicht! Dann muss ich es anders angehen. Ich schubse ihn, er stolpert und ich bin als erste am Baum. Da lasse ich mich fallen und lache.
,,Ha ha, du Schummlerin." Rick legt sich neben mich.
,,Das bin ich nicht. Du bist einfach nur schlecht."
,,Jess!" Ich richte mich auf und schaue mich um. Da sehe ich jemanden auf mich zurennen. Lis! Ich stehe auf und Rick macht es mir nach. Lis umarmt mich.
,,Hey! Du bist so schnell an mir vorbeigerannt. Ihr habt echt ein Tempo drauf.", lacht sie.
,,Ja ähm, das ist Rick." Ich stelle beide vor. Rick grinst und am liebsten würde ich ihm eine knallen. Seine Hand schüttelt ihre viel zu lange und er schaut sie unentwegt an. Lis lächelt einfach auf ihre Art.
,,Woher kennt ihr euch? Jess hat mir noch nie von dir erzählt.", fragt Rick.
,,Wir haben uns zufällig getroffen. Ich wurde angefallen. Dave und Jess haben mir geholfen." Ach mist! Ricks Miene wird düster und er sieht mich an. Ich schaue weg. Seine Predigt kann er für sich behalten.
,,Dave also. Aber ist ja schön, dass die beiden da waren." Lis nickt.
,,Ja, ich war auch bei Dave. Das ist echt ein Zufall, dass wir uns jetzt ausgerechnet treffen." Jetzt schaue ich sie an.
,,Du warst bei Dave?", frage ich und versuche möglichst neutral zu klingen.
,,Ja, ich habe Zufällig einen Artikel gelesen und sein Büro liegt praktischerweise genau da, wo er wohnt. Also bin ich einfach hingegangen. Er hat sich wohl sehr gefreut." Lis strahlt und Rick bleibt das nicht verborgen. Seine Chancen sinken immer weiter. ,,Jetzt hat er ein Meeting, deswegen musste ich gehen, aber ich will ihn wirklich wiedersehen. Da ich jetzt weiß, dass ihr nicht zusammen seid, ist das ja kein Problem oder?" Ich schüttle fast schon übertrieben mein Kopf.
,,Schnapp ihn dir." Sie kichert.
,,Wollen wir zusammen etwas machen? Wir können uns besser kennen lernen." Dabei sieht sie von mir zu Rick und wieder zurück.
,,Gern.", stimmt Rick sofort zu.
,,Ich kenne eine wundervolle Bar. In einer Stunde könnten wir uns da treffen." Das heißt, nach Hause, duschen und anziehen. Ich entscheide mich für ein kleines Schwarze. Kate will schon früh schlafen gehen, weil wir morgen noch arbeiten. Aber das interessiert mich nicht. Meine Haare fallen mir wellig über meine Schultern. Ich sehe fantastisch aus und um das zu erkennen, brauche ich keinen Mann. Auch keinen Dave Stark. Vielleicht bin ich etwas zu schlank geworden, aber das kann ich bei Bedarf schnell bereinigen.
Lis sieht wunderschön aus. Sie tragt ein weißes Spitzenkleid. Es ist Knielang und ihre Haare fallen glatt nach hinten. Sie winkt mir zu und ich gehe auf sie zu. Rick kann ich noch nicht sehen.
,,Jess, du siehst super aus."
,,Danke. Du auch" Ich lächle und in dem Moment kommt Rick.
,,Wow, Mädels, ich kann mich nur glücklich schätzen heute euer Begleiter zu sein." Lis lacht uns führt uns rein.
,,Vielleicht flirtest du demnächst etwas weniger offensichtlich.", flüstere ich, damit Lis uns nicht hört.
,,Vielleicht hältst du dich raus und erzählst mir von deinen regelmäßigen Treffen mit deinem Chef."
,,Das geht dich gar nichts an.", zische ich und Rick sieht mich sauer an.
,,Du sagst mir andauernd was ich falsch mache, dabei bist du genauso verkorkst." Er geht an mir vorbei und ich kann nicht fassen was er da gesagt hat. Bestimmt hat er recht, aber ... Man hört sowas wohl nicht so gern. Die Bar gleicht eher einem Club. Die Musik dröhnt in den Ohren.
,,Wollt ihr was trinken?!", schreit Lis.
,,Nein danke!", schreie ich und setze mich in eine Nische. Rick und Lis gehen zur Bar. Mein Handy vibriert. Es ist überraschend, dass ich hier draußen noch Netz habe. Ich nehme an.
,,Hallo?!" Ich laufe schnell auf die Toilette. In der Theorie ist das leichter gesagt als die Durchführung.
,,Jess? Wo bist du?" Ben.
,,Ich bin mit einer..." Sage ich jetzt Freundin? Im Grunde lernen wir uns erst kennen. Ach egal. ,,...Freundin feiern."
,,Du musst morgen arbeiten."
,,Na und? Ich muss keine Formeln ausrechnen oder logisch, komplizierte Aufgaben koordinieren."
,,Das ist unverantwortlich."
,,Willst du meinen Aufpasser spielen oder was? Seit wann bist du so eine Heulsuse, Benson?"
,,Seit du dich verändert hast."
,,Was willst du damit sagen?"
,,Du hast mich schon verstanden."
,,Hast du jetzt angerufen, weil du mich anschnauzen willst?"
,,Nein, ich wollte Zeit mit meiner Freundin verbringen. Aber du bist wohl anderweitig beschäftigt."
,,Nur weil wir zusammen sind, muss ich nicht andauernd zu Hause sitzen."
,,Nein, das musst du nicht. Viel Spaß noch."
,,Ben warte! Wieso streitest du dich immer wieder? Kaum entschuldigst du dich, kommt etwas neues. Wieso?"
,,Weil du mir nichts sagst. Was soll ich denken, wenn du dich immer weiter von mir entfernst?"
,,Das will ich doch nicht. Komm her. Dann lernst du meinen besten Freund kennen und eine Freundin. Ich will nicht, dass du dich ausgeschlossen fühlst."
,,Jess, heute ist keine gute Idee."
,,Wieso. Du hast sowieso nichts vor?" Ich verstehe ihn einfach nicht.
,,Das kommt nicht gut. Lass mal ein anderes mal. Morgen habe ich eh ein wichtiges Meeting. Ich wünsche dir einen schönen Abend, Jess."
,,Gute Nacht." Ben legt auf und ich stoße zu Rick und Lis, die gerade laut auflacht. Rick bemerkt mich.
,,Da bist du!"
,,Ich hatte einen Anruf!"
,,Lasst uns Tanzen!" Lis zieht uns mit auf die Tanzfläche. Es spielt gerade "This is how we do" von Katy Perry. Ich schieße meine Augen und lasse die Welt verschwinden. Zwischendurch trinke ich einen Cocktail. So lässt es sich besser vergessen. Es hat sich alles verändert. Sogar Rick ist anders. Ob es mir gefällt? Wohl kaum. Mein altes Leben war weniger Kompliziert. Was soll ich mich jetzt aber beschweren? Es ist wie es ist und ich genieße jeden Atemzug. Irgendwann muss ich wirklich auf die Toilette. Als ich wieder rauskomme, sitzen Lis und Rick wieder, aber nicht alleine. Bei näherem betrachten erkenne ich ihn. Rick sitzt allerdings sehr selbstgefällig da, den Lis sitzt an ihn gelehnt da. Lis entdeckt mich und läuft zu mir.
,,Lass uns noch eine Runde holen." Dave dreht sich zu mir. Sein Blick trifft mich und meine Beine werden weich. Er geht mit seinen Augen von meinem Gesicht aus immer weiter runter. Ich stimme zu und wende mich ab. Wir kommen schnell dran und sind genauso schnell an unserem Tisch.
,,Auf diesen Abend." Oh das brauche ich unbedingt. Ich kippe mir den Kurzen schnell rein und würge das Zeug runter. Dave sieht mich permanent an. Ich sitze neben Rick, der unterm Tisch wohl mehr mit Lis zu tun hat, als sonst wo. Dave sitzt mir schräg gegenüber. Er umklammert sein Whiskey- Glas und lässt mich nicht aus den Augen. Ich schaue weg und Lis kichert.
,,Ich bin so froh, euch alle getroffen zu haben. Eigentlich habe ich in der Regel keine Freunde."
,,Jetzt hast du welche." Rick fährt volles Programm. Dieser Vollidiot. Lis zieht ihn wieder auf die Tanzfläche. Meine Hoffnung, dass Dave ihnen folgen würde, verfliegt schnell. Ein kleiner Teil freut sich drüber, aber den zerquetsche ich ganz schnell. Ich schaue ihn nicht an.
,,Was willst du hier?", frage ich barsch. Ich muss lauter reden, aber in dieser Ecke ist es nicht so laut wie auf der Tanzfläche.
,,Lis hat mich angerufen. Ich habe keinen Grund gehabt abzusagen." Jetzt erst treffen sich unsere Blicke.
,,Dass ich hier bin, hätte ausreichend sein müssen." Dave lächelt und lehnt sich zu mir weiter vor. Seine Hand nimmt meine. Ich will sie ihm entziehen, aber er hält sie fest in seiner.
,,Was ist, wenn deine Anwesenheit genau der einzige Grund ist, wieso ich hier bin?"
,,Dann wird Lis sehr traurig sein.", erkläre ich einfach. Das sagt er nur, weil er mich ins Bett bekommen will. Unfassbar!
,,Sie scheint Spaß zu haben mit ihrem Typen."
,,Das ist nicht ihr Typ." Dave hebt belustigt eine Augenbraue.
,,Nicht?"
,,Sie kennt ihn seit ein paar Stunden."
,,Dann nehme ich an, es ist dein Freund?"
,,Bester Freund."
,,Interessant."
,,Dave, wieso bist du hier? Reicht es nicht, dass ich dich morgen den ganzen Tag sehen muss?"
,,Nein, es reicht um längen nicht." Seine Augen funkeln und er lächelt leicht. Mein Gott! Dieser Mann ist purer Sex. Ich muss mich beherrschen, meine Beine nicht in diesem Moment breit zu machen und ihn anzuflehen, mich zu nehmen. ,,Ich würde dich am liebsten in meinem Zimmer aufstellen und nie wieder herausgeben. Ich könnte dich den ganzen Tag bloß anschauen." Es spielt gerade "Greedy" von Ariana Grande.
,,Schade, dass ich da niemals mitspielen würde."
,,Noch nicht, aber bald, Jessica. Davon bin ich überzeugt und du wirst es genießen."
,,Hast du in all den Wochen, in denen du mich ignoriert hast, nicht dazugelernt?"
,,Ich habe eine Menge gelernt, Miss Pink. Irgendwas sagt mir allerdings, dass wir nicht das selbe denken."
,,Diesen Eindruck habe ich auch." Dave macht nicht den Anschein, mich loslassen zu wollen. Er trägt ein schwarzes Hemd, oben etwas aufgeknöpft und eine Jeans. Die Frage, wieso ich mich so zu ihm hingezogen fühle, muss ich mir nicht stellen. Ich bin klug genug um zu wissen, was der Grund ist.
,,Lass mich los. Rick und Lis könnten wiederkommen.", sage ich lahm.
,,Die beiden sind so betrunken, dass die nichts mehr mitbekommen." Darauf kann ich nichts mehr sagen. Trotzdem ist mir diese Situation unangenehm. Einerseits will ich es und andererseits auch nicht. Es ist alles so kompliziert.
,,Habe ich dir heute eigentlich schon gesagt, wie wunderschön du aussiehst?" Ich sehe ihn lange an.
,,Das sagst du mir mit jedem deiner Blicke.", gebe ich wahrheitsgemäß zu. Ein anderes Mädchen hätte mit Sicherheit schüchtern auf den Tisch geguckt und sich bedankt. Wieso sollte ich mich verstecken? Ich weiß wie ich aussehe, auch wenn es eingebildet wirkt. Ich stehe zu meinem Selbstbewusstsein.
,,Ich bin froh, dass du es richtig deuten kannst."
,,Das war nicht schwer zu erraten."