Verschiedene Welten

Von HolyPinApple

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Jamie ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Geldprobleme kennt sie nicht, genau so wenig wie ihren Vater. Für si... Mehr

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41

Kapitel 24

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Von HolyPinApple

„Hi Tito. Weißt du wo Chico ist?", ich starrte auf die schwarzen Buchstaben, die auf meinem Handydisplay leuchteten. Sollte ich die Nachricht wirklich abschicken? Ich wollte eigentlich mit Chico reden und hören, was er zu sagen hatte. Ich hoffte jedenfalls, dass er überhaupt etwas zu sagen hatte. Aber ich hatte auch unheimlich Angst. Was, wenn er mich auslachen würde? Oder wenn es ihm nicht leid tun würde? Was sollte ich tun, wenn er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte? Damit würde ich nicht fertig werden. Doch hier herum zu sitzen und mir den Kopf über hätte, könnte und sollte zu zerbrechen, brachte mich auch keinen Schritt weiter. Ehe ich wirklich darüber nachgedacht hatte, drückte ich auf senden. Mir war durchaus bewusst, dass es mitten in der Nacht war, aber ich hatte es einfach nicht mehr ausgehalten. Und wenn Tito mir nicht sagen würde wo sein Bruder war, musste ich es irgendwie selbst herausfinden. Lucia lag neben mir im Bett und schnarchte leise. Ich starrte in die Dunkelheit und zuckte zusammen, als mein Handy vibrierte.

„Ja."

Ich verdrehte meine Augen. Tito war so ein Blödmann!

„Kannst du es mir bitte sagen?", schrieb ich schnell.

„Ich weiß nicht..."

„Ich werde es auch so herausfinden. Also?"

„Na gut, du bist verdammt stur. Bei Mano zuhause."

Na geht doch! Ich musste kurz grinsen, dann setzte ich mich jedoch schnell auf und zog mir eine Jogginghose und ein Sweatshirt über. Ich schlich mich aus dem Haus und schaffte es tatsächlich, ungesehen die Einfahrt hinunter zu joggen. Bis zu Mano war es nicht weit, wenn ich weiter joggen würde, wäre ich in wenigen Minuten da. Immer wenn die Scheinwerfer eines Autos sich näherten, versteckte ich mich irgendwo. Niemand entdeckte mich. Ich sinnierte gerade darüber nach wie brillant ich doch war, da tauchte Manos Haus vor mir auf. Wie sollte ich da jetzt rein kommen? Mano war nicht gerade mein größter Fan, das wusste ich. Trotzdem blieb mir nichts anderes übrig als zu klingeln. Bereits nach wenigen Sekunden sah ich, dass das Licht anging und hörte schlurfende Schritte. Mano öffnete, er wischte sich verschlafen über die Augen.

„Kann ich rein kommen?", fragte ich bevor er überhaupt bemerkt hatte, wer da vor seiner Tür stand. Ich wartete auch keine Antwort ab sondern schlüpfte unter seinem Arm hindurch ins Haus.

„Jamie?", fragte er schließlich, als ich im hellen Hausflur stand. Ich nickte.

„Wo ist Chico?"

„Schläft oben. erster Stock, zweite Tür links.", murmelte Mano während er die Haustür wieder schloss. Ich nickte ihm dankend zu. Wahrscheinlich hatte ich einfach nur Glück gehabt, dass Mano sich noch im Halbschlaf befand. Sonst hätte er mir nicht so einfach gesagt wo Chico war. Als ich vor seiner Tür stand überlegte ich kurz, ob ich anklopften sollte. Ich entschied mich dagegen. Es war unhöflich aber Chico war ja auch andauernd unhöflich. Ich drückte die Klinke nach unten und suchte die Wand nach einem Lichtschalter ab. Ich hoffte, Chico würde so unsanft geweckt werden. Ganz davon abgesehen würde ich mich niemals wieder in sein dunkles Zimmer schleichen. Seine Waffe war schon einmal auf mich gerichtet gewesen. Darauf konnte ich echt verzichten. Ein Gefühl der Genugtuung breitete sich in meinem Inneren aus als das helle Licht das Zimmer durchflutete. Chico setzte sich auf und sah mich direkt an. Wie es aussah, hatte er überhaupt nicht geschlafen. Er sah vielmehr so aus, als habe er schon seit fünf Wochen nicht mehr geschlafen! Heilige Scheiße, er sah grauenhaft aus!

„Jamie?", fragte er verwirrt. Ich bemühte mich darum, in seine dunklen Augen zu schauen. Das machte es zwar auch nicht unbedingt einfacher, doch seinen Oberkörper und die Tattoos darauf anzusehen, war noch schlimmer.

„Ja.", ich nickte entschlossen.

„Was machst du hier?"

„Ich hab dich gesucht."

„Wieso?"

„Ich dachte immer, ich wäre diejenige, die dumme Fragen stellt, aber du toppst mich, Chico!", sagte ich. Meine Stimme klang eiskalt. Ich hatte kein Lächeln für ihn übrig. Ich fühlte mich auch kalt. Es war befremdlich, doch im Moment konnte ich nichts dagegen tun.

„Ich bin hier, weil ich wissen wollte, wieso du nicht mehr bei Maria vorbei kommst? Wieso hast du mich umgehauen und vor allem, wieso gehst du mir aus dem Weg?"

„Ich gehe dir nicht aus dem Weg.", widersprach er. Er wirkte zwar nicht eingeschüchtert, wohl war ihm aber auch nicht dabei. Ich schnaubte.

„Lüg mich nicht an! Ich bin doch nicht blöd!", zischte ich. „Also, was ist?"

Ich sah, dass er nachdachte. Sein Blick glitt unruhig durch den Raum während er sich noch aufrechter hinsetzte und sich mit den Händen über das Gesicht fuhr. Diese Geste kannte ich inzwischen gut. Chico tat dies immer, wenn er nervös war oder überfordert mit einer Situation. An seinem Gesichtsausdruck sah ich, dass er – wieder einmal – überlegte, ob er mir die Wahrheit sagen sollte.

„Ich... ich komm damit nicht klar.", murmelte er schließlich.

WAS? WAS?!

„Was? Du kommst damit nicht klar?", keifte ich und trat näher an sein Bett. „Du willst mir jetzt ehrlich erzählen, dass gerade du nicht damit klar kommst? Aber ich soll es, oder was? Vor allem ohne Erklärung oder Entschuldigung. Das ist doch ein Witz! Das ist das Letzte, Chico!"

Er schluckte und ich konnte meine Wut kaum noch bändigen. Mir war heiß und kalt gleichzeitig, mein Gesicht glühte und ich hatte meine Stimme kaum noch unter Kontrolle. So aufgewühlt hatte ich mich noch nicht einmal gefühlt als meine Mutter mich hierher geschickt hatte.

„Es tut mir leid.", Chicos Stimme war voller Reue. Ich glaubte ihm auch, dass es ihm leid tat. Eine Erklärung wollte ich aber trotzdem noch.

„Und weiter? Wieso hast du das gemacht? Was hab ich dir getan, dass du mir so etwas antust?", keifte ich weiter. Meine Stimme überschlug sich schon, weil ich so laut brüllte. Wenn Mano hier jetzt rein schauen würde um zu sehen, ob alles in Ordnung war, dann würde ich ihn umhauen. Ich schwöre es!

„Du hast mir nichts getan."

„Haach!", meine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus. „Das macht es viel besser! Ich kann nichts für deine beschissene Kindheit und es tut mir leid, was dir passiert ist! Aber ich war immer...!", und da brach ich mitten im Satz ab. Ich hatte ihm gerade ernsthaft erzählen wollen, dass ich immer ehrlich zu ihm war. Das allein wäre schon eine Lüge gewesen. Ich hatte mit seinem Bruder geschlafen und ich verschwieg es ihm. Doch Chico hatte meinen abgebrochenen Satz überhaupt nicht wahrgenommen.

„Woher weißt du das?", schrie er jetzt. Er schrie mich an? Echt jetzt? Er war schneller aufgestanden als ich gucken konnte.

„Was?", fragte ich, zugegeben etwas verwirrt.

„Du hast gesagt, es tut dir leid, was mir passiert ist! Woher weißt du es?", brüllte er. Oje! Jetzt bekam ich Schiss. Hätte ich ihn doch nur nicht so angeschrien. Was, wenn er mich wieder angriff? Ich überlegte ernsthaft, ob ich nach Hilfe rufen sollte doch ich bezweifelte, dass Mano mir geholfen hätte. Wahrscheinlich würde er Chico später dabei helfen meine Leiche im Wald zu vergraben. Mit wenigen Schritten war Chico direkt vor mir. Kurz bevor er bei mir ankam zuckte ich zusammen. Scheiße, ich machte mir gleich in die Hosen! Ich schreckte zurück und hob instinktiv meine Arme vors Gesicht. Nicht, dass er mir die Nase brechen würde. Doch ein Schlag oder gar eine Berührung blieb aus. Ich öffnete meine Augen, die ich fest zusammen gekniffen hatte und ließ ganz langsam meine Arme wieder sinken. Chico stand vor mir, ja. Aber der wütende Ausdruck war aus seinem Gesicht verschwunden, stattdessen konnte ich nur noch Enttäuschung sehen. Ich schluckte, traute mich nicht auch nur ein Wort zu sagen.

„Es tut mir leid.", seine Stimme brach. Ich war so durcheinander. Einerseits hatte ich gerade wirklich Angst vor ihm gehabt, andererseits tat er mir unendlich leid. Und ich liebte ihn. Ich liebte ihn so sehr! Ich spürte, dass meine Nase kitzelte. Das war ein sicheres Zeichen dafür, dass ich jeden Moment anfangen würde zu heulen. Aber ich wollte nicht vor ihm heulen. Ich war stark, ich heulte nicht wegen einem Mann.

„Ich wollte dir nie weh tun, Jamie. Ich wollte nie, dass du Angst vor mir hast.", aus Chicos Stimme war sämtliche Kraft gewichen.

„Das hast du aber.", murmelte ich. Ich hätte nichts sagen sollen, jetzt konnte ich es nicht mehr aufhalten. Ich hoffte nur, es würde kein Heulkrampf daraus werden. Dann hyperventilierte ich nämlich und bekam kein Wort mehr heraus. In diesem Fall konnte ich nur hoffen, dass Chico eine Papiertüte griffbereit hatte, in die ich dann hektisch atmen konnte. Allein schon die Vorstellung trieb mir die Röte ins Gesicht. Wie peinlich wäre das denn bitte?! Das Hyperventilieren allein war jedoch nicht die einzige Peinlichkeit, nein. Denn wenn ich richtig heulte sah das nicht so aus wie bei den hübschen Mädchen in Filmen. Bei ihnen tropfte ganz elegant eine Träne aus einem Auge, die dann langsam ihr Wange hinab rann. Bei mir waren es vielmehr Sturzbäche und der Rotz strömte dann nur so aus meinen Nasenlöchern. Das wollte ich um jeden Preis verhindern.

„Ich weiß. Und du kannst dir nicht vorstellen wie leid es mir tut.", Chico ging wieder zurück zu dem Bett und setzte sich auf die Kante. Ich blieb einfach stehen und weinte stumm. Hätte ich nur das blöde Licht nicht angemacht. Unelegant zog ich meine Nase hoch. Mist, es ging schon los!

„Ich hab alles kaputt gemacht.", Chico vergrub das Gesicht in seinen Händen. Vielleicht tat es ihm wirklich leid? Er sah echt fertig aus, außerdem hatte ich ihn noch nie so am Ende gesehen.

„Maria hat es mir erzählt.", sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, wieso ich das jetzt gesagt hatte. Irgendwie hielt ich es in diesem Moment für richtig. Chico sah mich jetzt wieder direkt an. Doch er sah nicht mehr wütend aus, auch nicht, als ich wieder auf dieses Thema zurück kam.

„Sie hat es mir erzählt... weil... naja sie dachte ich würde dich dann besser verstehen."

Er sah auf unser versuchte Augenkontakt herzustellen. Verdammt, er sollte mich nicht ansehen, wenn ich gerade am Heulen war!

„Und... ist es so?"

„Ich weiß es nicht.", antwortete ehrlich. „Eigentlich schon. Ich meine... ach keine Ahnung. Ich kenne dich doch kaum."

Jetzt starrte er den Fußboden an. Er schien plötzlich in einer ganz anderen Welt zu sein.

„Was hat sie dir erzählt?", seine Stimme klang abwesend. Ich wiederholte kurz, was Maria gesagt hatte. Noch immer stand ich mitten im Raum und diese verdammten Tränen wollten einfach nicht aufhören zu laufen.

„Sie haben meine Mutter vergewaltigt. Ich habe dabei zugesehen. Danach haben sie sie mitgenommen und ich konnte nichts tun.", jetzt klang seine Stimme wieder eiskalt, so, wie ich ihn kennen gelernt hatte. Ich schluckte. Gab es etwas Schlimmeres?

„Und trotzdem rechtfertigt es nicht, was ich dir angetan habe."

Nein, das tat es nicht.

„Manchmal raste ich einfach aus. Ich weiß nicht, wieso. Es ist wie ein Blackout. Ich erinnere mich nicht mehr daran. Ich bin erst wieder zu mir gekommen als dein Kopf gegen die Wand knallte...!", er schluckte. „Dieser Schlag und dann... ich dachte zuerst ich hätte dich getötet."

„Passiert dir so etwas oft?", fragte ich. Er zuckte mit den Schultern.

„Nein. Das letzte Mal als ich sechszehn war. Nur wenn ich... wenn ich etwas fühle. Keine Ahnung, vergiss das wieder.", er schüttelte seinen Kopf so als würde er den letzten Satz damit streichen können. Doch das konnte er nicht. ...wenn ich etwas fühle.... Meinte er damit, dass er etwas für mich fühlte? Ich fühlte mich einfach fertig im Moment. Es war so anstrengend.

„Tut mir leid.", murmelte ich. Was sollte ich jetzt tun? Sollte ich gehen? Ich sah zur Tür. Ich wusste, wenn ich jetzt ging, dann war es das wirklich. Wollte ich das? Ich hatte keine Ahnung.

„Ich verstehe, wenn du jetzt gehst.", konnte er Gedanken lesen? Ich biss mir auf die Lippe.

„Ich weiß nicht, ob ich gehen will.", meine Stimme klang unsicher während mein Blick zwischen der Tür und Chico hin und her glitt. Chicos Stimmt ließ mich schließlich inne halten.

„Geh nicht."

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