Timeless

By Emaayy

578K 19.6K 3.1K

Nachdem Damian und Ever getrennt waren, kam nun endlich raus weshalb er sich von ihr distanziert hatte. Eine... More

Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Teil 7
Teil 8
Teil 9
Teil 10
Playlist
Teil 12
Teil 13
Teil 14
Teil 15
Teil 16
Teil 17
Teil 18
Teil 19
Teil 20
Teil 21
Teil 22
Epilog
Danksagung
Werde mein nächster Hauptcharakter!
Kurze Anmerkung
SAVE HUNTER

Teil 11

20.1K 797 162
By Emaayy



Ever

Die Tage an denen es Nando gut ging, vergingen in Lichtgeschwindigkeit, vorallem weil es davon nicht sonderlich viele gab. Die Tage an denen es Nando wiederum schlecht ging, wollten einfach nicht vergehen. Er aß so gut wie garnichts mehr und wenn, kotzte er es wieder aus. Er weinte und schrie immer öfter, da die Schmerzen nicht mehr aufhören wollten. Ihm wurde viel Wasser aus dem Bauchraum abgepumpt, doch es half nicht. Garnichts half mehr. Er konnte nichts mehr schlucken, weil sein Magen nicht mehr funktionierte. Es tut so weh, dabei zusehen zu müssen und nichts tun zu können. In Wahrheit ist ab diesem Zeitpunkt alles Verlängernde Qual. Ich wünschte, dass die vergangenen Tage nicht in meinem Gehirn verankert wären, doch das waren sie.

Ich konnte nicht zu Damian durchdringen, da er kaum noch mit mir sprach. Aber das war nicht schlimm, da meine ganze Welt seit neuestem stumm war. Die Zeit schien ohne jeglichen Ton zu verstreichen. Nur Bilder voller Trauer und Schmerz traten vor mein Auge. Ich wusste, dass es bald vorbei sein würde. Nandos leiden würde ein Ende haben, aber unseres würde erst richtig beginnen.

Ich stand vor Nandos Zimmertür und hielt meine Hand zum klopfen bereit, jedoch konnte ich nicht.

"Soll ich mit reinkommen?" fragte Damian, der neben mir stand und mich aufmunternd ansah.

"Ich denke ich schaff das schon." antwortete ich, klang dabei jedoch nicht sonderlich überzeugend. Ich musste mich von Nando verabschieden. Ihm blieben nur noch wenige Tage, was bedeutete, dass nur noch Familienmitglieder anwesend sein durften. Ich war noch nicht bereit. Ich konnte einfach nicht los lassen, auch wenn ich wusste, dass ich musste.

"Deine Hände zittern." sagte Damian und nahm meine Finger in seine Hände. Er suchte meinen Blick mit seinen grünen Augen, die jeglichen Glanz verloren hatten. Ich sah zu ihm hoch und atmete schwer aus. Meine Brust fühlte sich erdrückend an, als ob jemand dagegen pressen würde. Auf Zehenspitzen näherte ich mich seinem Gesicht. Vorsichtig legte ich meine zitternden Hände auf seine Wange, während meine Knie mit jeder Sekunde weicher wurden. Damian schloss den Raum, der zwischen unseren Lippen herrschte, indem er seinen Mund auf meinen presste. Er küsste mich sanft und keineswegs aufdringlich, trotzdem lag mehr Gefühl in dieser einfachen Geste also sonst. Es ist als ob wir den gegenseitig Schmerz fühlten, wir uns jedoch so ergänzten, dass wir garnichts mehr von dem unerträglichen spürten. Ich liebte es wie vertraut seine Lippen mir waren. Ich liebte es wie er mich bedacht berührte, wenn wir uns küssten. Ich liebte einfach alles an ihm, denn egal was wir gerade durch machten, wir hatten uns. Er hatte mich und ich hatte ihn.

"Ich liebe dich. Das weißt du oder?" hauchte er gegen meinen Mund. Seine Stirn lehnte an meiner. Ich war völlig außer Atem und seine Worte sorgten dafür, dass die Schmetterlinge in meinem Magen anfingen zu tanzen.

"Ja natürlich weiß ich das." antworte ich schließlich.

"Und du weißt, dass ich nur will dass du glücklich bist."

Ich nickte. Damian sah mich innig an und ich wusste nicht, ob mir dieser Blick gefiel. Er strich mein Haar glatt und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

"Und wenn du das da drinnen nicht alleine schaffst, dann komme ich mit."

Wenn ich Damian bitten würde mich zu begleiten, würde es ihn fertig machen. Ich wusste, dass mir dabei zuzusehen wie ich mich von Nando verabschiedete, ihn zerstören würde.

"Ich muss das alleine machen Damian."

Seine schmerz erfüllte Miene signalisierte mir, dass er nach gab. Ich kehrte ihm den Rücken und atmete leise, jedoch tief ein. Als ich gegen die Tür klopfte und die Türklinke runter drückte, veränderte sich die ganze Luft augenblicklich. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. Meine Hand hatte aufgehört zu zittern und ich wusste nicht ob es daran lag, dass ich starr vor Angst war. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, während es so schien als ob der Boden unter meinen Füßen verschwand. Damian's Vater kam mir entgegen und sah mich mitfühlend an. Mich würde es interessieren wie er mit der ganzen Sache umging, da er so gut wie nie irgendwelche Emotionen zeigte. Fast so wie Lorenzo, der seitdem Nando im Krankenhaus war, die ganze Zeit ein Pockerface auf seinem Gesicht trug. Diego verließ das Zimmer, so dass sich nur noch Lorena, Nando und ich im Zimmer aufhielten. Damian's Mutter saß auf einem Stuhl neben dem Krankenbett. Sie lächelte mich schwach an, wobei ihre Augen pure Leere ausstrahlten. Vorsichtig schritt ich zu Nando, wobei ich darauf achtete nicht all zu traurig zu wirken, was sich jedoch als Herausforderung rausstellte. Nando war an etlichen Kabeln angeschlossen. Das Piepen im Raum, welches Nandos Herzschlag wiederspiegelte, ließ die gesamte Situation noch unerträglicher wirken. Behutsam ließ ich mich auf seine Bettkante nieder.

"Hallo Ever." sagte er leise, brach jedoch kein Lächeln zu Stande. Die Kabel an seinem Bauch führten zu hunderten von Geräten, die überall im Raum verteilt waren. An seinem Magen waren Schläuche angeschlossen, die das Gesamtbild vollendeten. Ich hatte das Gefühl Nandos Lebenszeit wurde mit diesen Geräten nur hinausgezögert. Er wurde nur noch durch die Schläuche ernährt, da ein normales Essverhalten nicht mehr möglich war. Ich hatte vollkommen vergessen wie sein Lachen klang, denn das Geräusch kam mir so fremd vor, als ob ich es das letzte mal in einem anderen Leben gehört hatte. Jeder einzelne Tag war grau, obwohl wir Hochsommer hatten.

"Hey Nando." begrüßte ich ihn und fuhr mit meinen Fingern durch sein strohiges und farbloses Haar. Von den intensiven schwarzen Locken war keine Spur mehr zu sehen. Er wirkte völlig fertig mit seiner mageren Statur und dem blassen Hautton. Ich ignorierte den Smalltalk, weil ich wusste, dass dies mein letztes Gespärch mit ihm sein würde. Jedoch wusste ich nicht was ich sagen sollte. Was sagt man zu einem kleinen Jungen, der eigentlich noch sein ganzes Leben vor sich hatte, jetzt aber Todkrank im Bett liegt? Ich atmete hörbar aus und schloss die Augen. Urplötzlich bekam ich einen Flashback. Der Tag an dem ich Nando kennengelernt hatte und er mich gebeten hatte zu bleiben. Wie liebevoll er mich angesehen hatte und wie ich das erste mal richtig gelacht hatte, als wir Pizza gebacken hatten. Sein Kopf auf meinem Schoß, als wir auf der Couch eingeschlafen waren, nachdem wir König der Löwen angesehen hatten. All diese und noch mehr Erinnerungen schwebten in meinem Kopf umher und machte die Sache noch schwieriger, als sie ohnehin schon war.

Ich blickte auf das geflochtene Armband, dass er mir zu Weihnachten geschenkt hatte, es lag seitdem um mein Handgelenk. Wahrscheinlich würde ich es nie wieder ablegen. Nando trug das Armband auch noch, jedoch war er bereits so dünn, so dass man es ihm ohne Probleme hätt abstreifen können. Ich legte legte meine Hand vorsichtig auf seine kleine. Sie war eiskalt. Seine Müden dunklen Augen sahen in mein Gesicht. Meine Brust zog so eng wie noch nie zusammen, als sich das Leiden in seinen Augen widerspiegelte.

"Mir geht es so schlecht Ever. Ich hab nur noch Bauchweh und kann nichts mehr essen." flüsterte er und zog dabei einen leichten Schmollmund. Ich konnte nichts antworten. Ich brachte einfach kein Wort raus. Umso glücklicher war ich, als Nando fortfuhr.

"Weißt du wie schlimm es ist nicht mehr essen zu können? Keine Pizza und kein Schokopudding. Einfach garnichts. Ich bin nur noch hier eingesperrt. Ich kann meine Freunde nicht mehr sehen oder draußen spielen. Mummy sagt aber, dass ich bald wieder nachhause kann."

Ich schielte zu Lorena, die uns den Rücken gekehrt hatte. Sie starrte aus dem Fenster, ohne sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Ich blickte wieder zu Nando und zwang mich zu einem Lächeln.

"Wenn wir wieder zuhause sind kannst du so viel Pizza essen wie du möchtest, okay?"

Nando nickte, jedoch verrieten seine Augen eine andere Aussage. Vielleicht wusste Nando irgendwo tief im inneren, dass er nie wieder zurück nach Hause kehren würde. Ich wünschte ich könnte irgendwas unternehmen, auch wenn es nur eine Kleinigkeit wäre. Aber ich war machtlos. Ich konnte einfach rein garnichts tun.

„Darf ich mich zu dir legen?" fragte ich Nando, worauf er sofort zur Seite rutschte. Ich nahm neben ihm platz und drückte ihn an mich. Er legte seinen kleinen Kopf auf meine Schulter und schlang die Arme um meinen Bauch. Seine Atmung ging stoßweise und ich musste auf die ganzen Kabel und Schläuche acht geben. Wahrscheinlich war es mir nichtmal erlaubt so neben ihm zu liegen, doch ich musste ein letztes mal so nah bei ihm sein. Lorena erhob sich vom Stuhl und verließ wortlos das Zimmer.

„Ever?" fragte Nando leise, als eine erdrückende Stille den Raum einnahm.

„Ja?"

Er sah mit seine großen braunen Augen zu mir hoch.

„Wieso ist jeder so traurig? Ich meine, Mummy, Daddy, Damian, Enzo und du auch. Ihr lacht alle garnicht mehr."

„Wir sind nur traurig, weil es dir nicht so gut geht."

„Aber ich werde doch bald wieder gesund."

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter und ignorierte die Gänsehaut, die sich auf meiner Haut breit machte.

„Ja wirst du."

„Ich mag es hier nicht. Alles ist so dunkel und die Ärzte kucken immer so streng. Ich will wieder nach Hause und in meinen Malbüchern malen. Die Malbücher die Enzo mir gebracht hat, haben wir alle schon zusammen ausgemalt. Ich will außerdem wieder mit meiner Ritterburg spielen und nicht nur im Bett liegen. Vorallem will ich aber, dass diese schmerzen aufhören. Mit tut mein Bauch immer so weh. Und immer wenn mein Bauch weh tut kommen die Ärzte und ich bekomme eine Spritze und ich hasse spritzen. Ich hasse einfach alles hier."

Nando zog seine Augenbrauen zusammen und seufzte auf.

„Ich will einfach, dass wieder alles so ist wie früher."

„Weißt du, dass du ein ganz besonderer Mensch bist Nando?"

Er sah fragend zu mir hoch.

„Wieso?"

„Weil du einfach wundervoll bist. Weißt du noch als wir uns das erste mal getroffen haben?"

Er kratze sich am Kopf und schien nachzudenken.

„Da warst du doch bei Damian und wolltest eigentlich gerade gehen."

„Ja genau, aber du hast mir vorgeschlagen zu bleiben. Du warst von Anfang an nett zu mir. Und weißt du, es gab schon Menschen, die waren ganz und garnicht nett zu mir."

„Dann waren diese Menschen blöd. Im Kindergarten gab es auch Jungs, die blöd waren. Einmal hat mich jemand im Kindergarten geschubst und ich bin hingefallen. Mein Knie hat geblutet und ich habe geweint. Der Junge hat mich dann ausgelacht. Ich habe es Enzo und Damian erzählt. Die haben mich dann zusammen in den Kindergarten gebracht und dem Jungen dann gesagt, dass er das nie wieder machen soll. Seitdem hat mich jeder in Ruhe gelassen." erzählte Nando stolz.

„Du hast auch tolle Brüder."

„Ja ich liebe Damian und Enzo. Wenn ich groß bin, will ich auch so mutig und stark sein wie die."

„Bist du jetzt schon."

„Und wer war zu dir gemein?"

Ich zuckte mit den Schultern.

„Es gab viele Menschen die gemein zu mir waren, aber irgendwann wendet sich immer alles zum guten."

„Auch wenn alles schlimm ist?"

„Ja auch wenn alles schlimm ist. Es gibt immer Menschen die einen lieben werden. Deine Familie liebt dich und ich liebe dich auch Nando."

Er sah zu mir hoch und das erste mal seit gefühlt einer Ewigkeit, leuchten seine Augen auf.

„Ich dich auch Ever. Du bist meine beste Freundin, weißt du das?"

„Und du mein bester Freund."

„Wir hatten so viel spaß in den letzten Wochen. Wenn ich wieder hier draußen bin, dann müssen wir unbedingt weiter machen wo wir aufgehört haben okay?"

Ich nickte und presste die Lippen zu einem Strich zusammen. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als er seinen Kopf in meine Halsbeuge kuschelte.

„Das werden wir." flüsterte ich und drückte ihm einen Kuss auf den Kopf.

Nando hatte keine Ahnung wie dankbar ich ihm war. Er wusste nicht, dass er so viel in meinem Leben verändert hatte. Er hatte mich in sein Herz geschlossen und mich öfter zu lachen gebracht als ein anderer Mensch. Er hatte mir gezeigt, dass es eigentlich die kleinen Dinge im Leben waren, die das alles hier so schön machten. Das das Lachen eines anderen Menschen, einen selbst dazu bringen konnten zu Grinsen. Das auch regnerische Tage schön waren, weil man dort besonders viel Zeit hatte all mögliche Sachen zu backen. Nando hatte mich so viel gelehrt, ohne es zu bemerken.

Seine Atmung wurde langsamer und sein Körper entspannte sich. Seine kleine Nase kitzelte leicht meinen Hals und seine Haare schmiegten sich an meine Wange. Er hatte den Griff um meinen Bauch nicht gelockert und war so eng an ich gekuschelt, dass sein Körper meinen wärmte. Ich nahm vorsichtig seine Hand in meine und schloss die Augen. Ein letztes mal spürte ich seine Locken auf meiner Haut. Ein letztes mal hielt ich seine kleine Hand. Ein letztes mal drückte ich ihm einen Kuss auf die Schläfe. Ein letztes mal kuschelte sich sein kleiner Körper an meinen. Ein letztes mal schliefen wir zusammen ein. Ein aller letztes mal war ich mit ihm und ich hätte mir keinen schöneren Abschied vorstellen können.

Damian

Ever blickte hinaus und hatte ihren Kopf gegen die Fensterscheibe gelehnt. Sie hatte kein Wort gesprochen, seitdem sie aus Nando's Zimmer rausgekommen war. Ihre Augen waren nicht verheult gewesen, sie sah einfach nur emotionslos in die Luft. Ich wollte mit ihr reden, ich wollte, dass sie mit mir sprach. Es machte mich verrückt nicht zu wissen was in ihrem Kopf vorging. Ich legte meine Hand auf ihre zierliche. Sie verschränkte unsere Finger miteinander, regte sich jedoch weiterhin nicht. Ich fuhr in unsere Einfahrt und schaltete das Auto aus, als ich geparkt hatte.

„Ich werde mein Zeug packen und zurück ins Wohnheim ziehen. Ich weiß nicht ob es so gut wäre, wenn ich die nächste Zeit alleine hier bin."

„Soll ich Tea oder Blake anrufen?"

„Nein ich mach das schon, wenn ich wieder im Wohnheim bin."

Sie stieg aus dem Auto und machte die Tür zu. Ich fuhr mit den Händen über mein Gesicht und ballte meine Hände zu Fäusten, ehe ich ebenfalls ausstieg. Ever hatte die Arme um ihren Oberkörper geschlungen, während wir zum Haus liefen. Es war bereits spät geworden und die Sonne würde in wenigen Minuten untergehen. Ich sperrte die Tür auf und gemeinsam betraten wir das verlassene Haus. Als wir in meinem Zimmer angekommen waren lief Ever zum Kleiderschrank und holte ihre braune Reisetasche raus.

„Ich mach das schon." sagte ich und wollte für sie ihre Kleidung packte, doch sie schüttelte den Kopf.

„Ich schaffe das schon."

Sie stopfte ihre Klamotten in die Tasche und lief ins Badezimmer, um ihre Kulturtasche zu packen. Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ever packte ihre Tagescreme, ihre Haarbürste und weitere Gegenstände in den hellrosa Beutel. Ihre Hände zittern und ihr Gesicht färbte sich mit jeder Sekunde weißer.

„Hey ist alles in Ordnung mit dir Süße?"

Ich lief zu ihr rüber und stellte mich vor sie. Meine Hände umfassten ihr Gesicht. Sie nickte und sah zu mir hoch.

„Ja es ist alles in Ordnung. Ich bin nur sehr übermüdet. Mach dir keine Sorgen um mich." sagte sie und versuchte dabei überzeugend zu klingen. Ich wusste nicht, ob ich ihr glauben schenken konnte. Sie lief wieder zurück in mein Zimmer und verstaute ihren Kulturbeutel in ihrer Reisetasche. Ever zog sich einen langen dunkelbraunen Cardigan rüber und griff gerade nach ihrer Tasche, als ich ihr zuvor kam. Ich würde sie nie etwas tragen lassen, wenn ich dabei war. Wir liefen den Gang entlang und an Nando's Zimmertür machte sie kurz halt. Sie blickte für ein paar Sekunden in das aufräumte Zimmer und lief weiter. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als wir die Treppen runter gingen. Je länger sie schwieg, desto enger zog sich meine Brust zusammen. Sie überraschte mich, als sie ihre Finger mit meinen verschränkte und ihren Kopf an meinen Oberarm lehnte. Auch wenn es nur eine kleine Geste war, bedeutete sie mir mehr, als sie sich vorstellen konnte. Ich verstaute die Tasche auf der Rückbank und hielt ihr die Tür auf, damit sie einsteigen konnte. Wir fuhren los und ließen das Haus hinter uns.

„Soll ich heute Nacht bei dir bleiben?" fragte ich sie, weil ich diese verdammte Stille nicht mehr aushielt.

„Nein musst du nicht."

Doch ich musste, weil ich ihre nähe benötigte. Ich würde bei ihr bleiben, bis sie eingeschlafen war. Würde ich sie einfach am Wohnheim absetzten, würde ich die ganze Nacht keine Ruhe bekommen.

„Ich bleibe."

Sie erwiderte nichts und griff stattdessen nach meiner Hand. Ich war es nicht gewohnt, dass sie so anhänglich war, aber es gefiel mir. Vorallem weil ich wusste, dass es ihr dadurch besser ging. Langsam fuhr ich durch die dunklen Straßen, weil ich es genoss, wie ihre Hand in meiner lag. Ich würde nie genug von ihr bekommen, egal wie lange wir zusammen sein würden.

Es war seltsam auf dem Parkplatz des Wohnheimes zu parken. Fremd und bekannt zu gleich. Wir stiegen aus dem Wagen. Ich zog noch schnell meine Lederjacke aus und ging zu ihr rüber um sie ihr über die Schultern zu legen. Es war ein wenig frisch geworden und ich wusste, dass Ever so gut wie immer kalt war.

„Danke." murmelte sie. Ich nahm die braune Reisetasche von der Rückbank und verschränkte ihre Finger erneuert mit meinen, weil es sich so komisch anfühlte nicht ihre Hand zu halten. Wir nahmen den Aufzug und fuhren in das passende Stockwerk hoch. Ever nahm den Schlüssel aus ihrer Hosentasche und schloss damit die Tür des Zimmers auf. Tea wohnte momentan bei Cole, weswegen wir völlig alleine hier waren. Ich stellte ihre Tasche neben der Tür ab und führte Ever zum Bett. Sie setzte sich auf die Bettkante, während ich mich vor sie kniete. Ich sah zu ihr hoch und unsere Blicke trafen sich.

„Willst du was trinken oder essen?"

Sie schüttelte mit dem Kopf.

„Benötigst du sonst irgendwas?"

Erneuert verneinte sie.

„Soll ich dir deine Schlafsachen aus deiner Tasche suchen?"

„Damian." sagte Ever benommen.

„Mir geht es gut. Ich will mich wirklich nur ins Bett legen und mich ausruhen."

„Okay." gab ich schließlich nach und erhob mich. Sie faltete meine Lederjacke und ihren Cardigan zusammen und legte die Kleidung auf die Kommode. Ever band ihre langen dunkelbraunen Haaren zu einem Zopf zusammen und kletterte anschließend ins Bett. Ich schaltete das Licht aus und legte mich zu ihr.

Sie legte ihren Kopf auf meine Brust und sofort musste ich an die Zeit vor ein paar Monaten denken. Wir hatten uns beide so sehr verändert. Ever war weniger ängstlich geworden und hatte sich mehr Selbstbewusstsein zugelegt. Ich war erwachsener geworden und wusste mittlerweile worauf es im Leben ankam. Ich wusste was wahre, bedingungslose Liebe war. Ich wusste, dass Ever mich liebte, denn sie blieb bei mir, obwohl es im Moment alles andere als leicht war. Sie hatte sich von Nando verabschiedet und hatte bislang kein Wort darüber verloren.

„Willst du darüber reden?" fragte ich sie.

„Nein." antwortete sie abrupt. Ich hatte mit dieser Antwort gerechnet, denn Ever wollte nie über Sachen sprechen, die sie bedrückten. Sie fraß alles in sich hinein und irgendwann kann sie dann nicht mehr und lässt alles raus. Das war der schmerzhafteste Moment überhaupt, denn sie wird in dem Augenblick so schwach und zerbrechlich, dass es nur beim zuschauen wehtat. Sie war sensibel, auch wenn sie es nicht zeigte. Ich wusste, dass ihr die Sachen näher gingen als Ever zugeben wollte.

Ever entfernte ihren Kopf plötzlich von meiner Brust und sah zu mir. Ihre großen Augen leuchteten bei dem Mondlicht. Sie sah wunderschön aus. Ever kam meinem Gesicht mit ihrem näher. Sie presste ihre Lippen auf meine und krallte ihre Finger in mein T-Shirt. Ich war völlig überrascht von ihrem Kuss, so dass ich mich erst nicht rührte. Doch dann erhob ich mich ebenfalls ein wenig vom Bett und drehte uns so, dass sie unter mir lag. Ich stütze mich neben ihrem Kopf ab, um mein Gewicht nicht auf ihren Körper zu belasten. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und zog mich enger an ihren Oberkörper. Ihr Kuss war voller Verlangen und Hilflosigkeit, dass das Adrenalin nur so durch mein Blut pumpte.

„Ever." stöhnte ich atemlos, als sie ihren Mund öffnete und ihre Zunge den Weg zu meiner fand. Sie schob ihre Hände unter mein T-Shirt und fuhr damit bis zu meinem Rücken hoch. Ihre Fingernägel krallten sich in meine Schulterblätter. Ich war bei ihr immer besonderes vorsichtig, weil ich wusste, dass sie keinerlei Erfahrung hatte. Sie sollte nicht das Gefühl haben, ich wolle sie zu irgendwas zwingen.

„Ich liebe dich." hauchte sie gegen meinen Mund. Ihre Worte sorgten dafür, dass alle Sicherungen in meinem Kopf durchbrannten. Jedesmal wenn sie mir diese drei Worte sagte verliebte ich mich immer mehr in sie.

„Ich dich auch Baby."

Ich legte meine Hände um ihr Gesicht und sah in ihre großen braunen Augen. Atemlos blickte sie zu mir auf. Ihre Lippen waren geschwollen und ihre Pupillen geweitet. Würde ich jetzt nicht aufhören, könnte ich es die ganze Nacht nicht.

„Du solltest jetzt schlafen süße. Es war eine langer Tag."

Ich küsste ihre Stirn, dann ihre Nasenspitze und zum Schluss ihre Wange. Sie nickte. Ever schmiegte ihre Wange an meine Halsbeuge und drückte mir einen Kuss aufs Kinn.

„Danke, dass du bleibst." sagte sie leise.

„Du musst dich bei mir nicht dafür bedanken süße."

Ich wartete bis sie eingeschlafen war und eigentlich wollte ich danach gehen, doch ich konnte einfach nicht. Ich sah ihr die restliche Nacht beim schlafen zu und musste ihr immer wieder einen Kuss aufs Haar drücken. Sie war einfach so wunderschön, so dass ich es nicht glauben konnte, dass sie mein Mädchen war. Nur mein Mädchen. Das würde sie für immer bleiben, auch wenn ich sie irgendwann verlassen musste.

Continue Reading

You'll Also Like

2M 125K 74
REUPLOAD - Die größte und zugleich peinlichste Klischeescheiße, die ich in meinen Jungen Wattpadjahren im Alter von ca. 13 zu Stande gebracht habe, a...
1.9M 81.9K 36
»Weißt du, was ich glaube?«, fragt er flüsternd und beißt sich auf die Unterlippe. Als Antwort schüttele ich viel zu schnell den Kopf, lasse ihn aber...
154K 8.2K 37
Wäre es nicht wunderbar die Zauberkraft besitzen zu können, hinter die Maske eines jeden Menschen schauen und genau abwägen zu können, was sich dort...
7K 521 16
Manchmal muss der Verstand übernehmen, um das Herz zu schützen. Genau das passierte auch bei mir, als ich Damon sagte, dass unsere nächtlichen Treffe...