Red Snow

By MementoKore

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Der Boden dieses Landes wird seit Jahrhunderten vom Blut eines endlosen Krieges getränkt. Zwei Fraktionen, As... More

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Nachwort

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By MementoKore

Cade wachte auf. Er lag immer noch im Schnee, aber er spürte keine Kälte. Er versuchte, aufzustehen, was einwandfrei funktionierte. Keine Schmerzen hinderten ihn daran, obwohl der Schnee um ihn herum blutrot war. Er sah an sich herunter. Seine Montur war wie immer, ohne Risse und ohne Blut. Cade stockte. War er tot? War es so, tot zu sein? Wieso war er dann noch hier? Er stand ganz auf und sah sich um. Ja, hinter ihm lag die Villa und vor ihm der Wald. Die Wolken waren weiß und bedeckten den ganzen Himmel, aber kein Schnee fiel herunter. Es war still. Beinahe zu still. "Cade?", erklang plötzlich eine leise, hoffnungsvolle Stimme. Er wandte sich überrascht um. "Faith?!" Er musterte sie verwirrt. Wieso war sie hier? Hatten die Templer sie nicht eigentlich gefangen genommen? War sie geflohen? Ein erleichtertes Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht. Auch Faith lächelte. "Du lebst!" Sie überbrückte die letzten Meter, die sie trennten, und umarmte Cade. Auch wenn sie ihm beinahe die Luft nahm lächelte Cade ruhig und schloss die Augen. Er atmete ihren vertrauten Geruch ein, und sobald sie ihm eine Chance ließ küsste er sie. Hatten sie einfach nur Glück gehabt? Hatten sie vom Schicksal noch eine Chance bekommen? Plötzlich erstarrte Faith, sie schreckte leicht zurück und riss stumm Augen und Mund auf. Cade sah sie verwirrt an. Als Faiths Blick nach unten glitt folgte Cade ihm. Er hielt erschrocken die Luft an. In seiner Hand hielt er einen seiner Dolche, von dem nun Blut tropfte. Auf Faiths Bauch bildete sich ein dunkelroter Fleck. Sie presste ihre Hände darauf, während aus ihrem Mund Blut lief. "W-was hast du getan?", stammelte sie, wodurch noch mehr Blut aus ihrem Mund lief. Cades Hände zitterten. Er ließ den blutigen Dolch in den Schnee fallen und machte einen Schritt zurück. "Ich...ich weiß es nicht!" Sein Herz klopfte unkontrolliert, während er geschockt den Atem anhielt. Er sah Faith in die hellblauen Augen, die nur Schmerz und Enttäuschung widerspiegelten. Er lief weiter zurück, stolperte über einen Stein und fiel. Als er aufkam spürte er einen Schmerz am Hinterkopf.

Plötzlich schreckte er hoch. Schweißgebadet sah er sich um. Sein Herz klopfte immer noch. Wo war er? Was war passiert? Sein Kopf schmerzte nicht. Hatte er es überhaupt getan? Oder war es nur ein Traum gewesen? Es war ihm so real vorgekommen... Cade kniff die Augen kurz zusammen und atmete tief durch. Dann hörte er Geräusche. Erst jetzt achtete er darauf, wo er überhaupt war. Es war ein kleiner, gemütlicher Raum, der wie der eines Landhauses aussah. Ein Feuer erhellte und wärmte den Raum, auch wenn Cade so oder so zu warm war. Ihm lief immer noch Schweiß über die Haut. Falls es ein Traum gewesen war hatte er ihn ziemlich mitgenommen. Er spürte seine Haare auf seiner Haut kleben. Sein Herz klopfte noch schnell, doch es beruhigte sich langsam. Genauso wie sein Atem. Er trug seine Montur nicht mehr sondern nur noch eine Hose, und er spürte Schmerzen. Er war nicht tot, das stand fest. Aber wieso? Er sah sich um. Woher waren die Geräusche gekommen? Aber wenn da wirklich welche gewesen waren, war der Verursacher verschwunden. Er schlug die Decke zurück. Auch wenn er aufgewacht war fühlte er sich immer noch miserabel. Zu den nun dumpfen Schmerzen kam noch Kopfweh hinzu. Und diese unangenehme Hitze. Hatte er Fieber? Er musterte den Verband an seinem Bein. Jemand hatte seine Wunden verarztet. Er betrachtete auch die am Arm. Den, der um seine Brust gewickelt worden war, konnte er nur vorsichtig abtasten. Egal, was für Medizin verwendet worden war, sie machte die tiefe Wunde erstaunlich erträglich. Cade überlegte, ob er aufstehen und sich umsehen sollte, doch er wusste nicht, ob er dazu in der Lage war. Er sah zu dem Feuer. Es erinnerte ihn an die Villa. Und an Faith. Hatte derjenige, der ihn gerettet hatte, auch sie gerettet? Wenn ja, wo war sie? Oder musste er doch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie nun in einem Kerker saß, bewacht von Templern? Er verbannte diese Gedanken aus seinem Kopf. Im nächsten Moment knarzten die Bodendielen in der Nähe der Tür. Cades Blick huschte dorthin. Eine junge Frau mit goldblonden Locken und gutmütigen, hellbraunen Augen stand in der Tür und musterte ihn mit großen Augen. "Ihr seid wach! Unglaublich. Wir dachten, Ihr würdet es nicht schaffen..." Ihr Blick wurde traurig. Cade runzelte die Stirn. "Wir?" Sie nickte leicht. "Wie lang war ich weg?", fragte er direkt danach. Er sah aus dem nächstgelegenen Fenster. Die Sonne schien herein, doch es sah aus als stünde sie bereits tief und warf goldenes Licht herein. "Ich würde sagen höchstens einen Tag." Cade sah wieder die Frau an. "Wo bin ich? Wer seid Ihr?" Sie öffnete gerade den Mund als ein Mann neben ihr erschien und ihr einen Arm um die Schultern legte. Cade sah ihn ungläubig an. War das ein Geist? "Ace?" Der Meisterassassine lächelte. "Cade, ich bin erfreut, dass du wach bist", erwiderte er, küsste die Frau kurz auf die Wange und wechselte einige leise Worte mit ihr. Sie grinste nur, pikste ihm spielerisch in die Seite und verschwand dann aus dem Raum. Ace sah ihr kurz hinterher und dann wieder zu Cade, der sein Gegenüber immer noch verwirrt musterte. "Du lebst?" Ace lachte leicht, doch es klang nicht überzeugend fröhlich. "Natürlich. Und wie ich sehe hast du den Tod auch noch einmal abgewiesen." Als Cade genauer hinsah erkannte er einen dicken Verband um Ace' Bauch, Schulter und Arm. Er hatte definitiv gekämpft. Aber wie hatte er überlebt? Wie war er der Todesfalle entkommen? Der Meisterassassine kam näher und setzte sich auf einen Stuhl in der Nähe des Betts. "Wo sind wir hier?", wollte Cade wissen, bevor er Ace nach etwas anderem fragte. Der Assassine lächelte leicht, in seinen Augen lag ein stolzer Glanz. "Das ist mein Haus." Cade sah zur Tür. "Und die Dame..."
"...ist meine Frau, Arvana", antwortete Ace. Cade sah ihn erstaunt an. Wie hatte er das so lang geheim gehalten unter den Assassinen? "Du willst sicher wissen, wie ich überlebt habe?" Cade nickte schweigend. Noch fehlten ihm die Worte. "Nun, das werden wir dir nachher beim Abendessen erklären. Und du wirst Augen machen... Ich bin nicht der einzige, der es lebend herausgeschafft hat..."

Bis zum Abendessen und mit Hilfe von Ace' Frau ging es Cade bereits schon so gut, dass er sich fast schon wieder so geschmeidig wie vorher bewegen konnte. Zumindest, wenn er ganz normal ging. Sie hatte ihm auch seine Montur zurückgegeben, gewaschen und genäht. Als keine Sonnenstrahlen mehr den Raum erhellten, sondern nur noch das Feuer des Kamins Licht ins Zimmer warf, betrat Arvana erneut den Raum, an ihrer Hand einen kleinen Jungen von vielleicht 11 Jahren. Der blondhaarige Junge musterte den Assassinen mit staunendem Blick. Cade hätte beinahe gelächelt - vielleicht vor Stolz, weil etwas Bewunderndes in dem Blick des Jungen lag - doch er verkniff es sich. Viel zu sehr erinnerte er ihn an sich selbst. Und er wollte nicht, dass der Junge dasselbe durchmachen musste. Immerhin hätte er bereits beinahe seinen Vater verloren. Cade erhob sich. "Das Essen ist fertig. Willst du Kalevi und mich ins Esszimmer begleiten?" Cade nickte mit ruhiger Miene und warf dem Jungen erneut einen Blick zu. Er hielt etwas in seiner Hand. Vielleicht ein Buch oder ein Stapel Papiere. Cade, der ungefähr einen Kopf größer war als Arvana, folgte den beiden nun aus dem Raum. Es ging durch einen spärlich beleuchteten, ebenfalls ländlich aussehenden Flur zu einer Treppe, die nach oben führte. Von oben erklangen sich unterhaltende Stimmen. Man konnte keine besondere Freude heraushören, jedoch auch keine Trauer. Wenn Ace recht hatte, waren das alles Stimmen von Assassinen. Die drei erklommen die Stufen, Arvana und Kalevi betraten das Esszimmer zuerst. Der Junge setzte sich an den Tisch während Arvana nebenan in der Küche verschwand. Cade betrat zögernd den Raum und setzte seine übliche, finstere Miene auf. Jedoch staunte er nicht schlecht, als er bekannte Gesichter im Zimmer entdeckte. Ace saß dort am Tisch und diskutierte mit Vaughn und Elora, bis sie den Meisterassassinen in der Tür erkannten und ihn abwartend ansahen. Am Tisch saßen auch Viola, Heath und ein Assassine namens Deargh, der ungefähr mit ihm zum Assassinen ernannt worden war. Alle trugen noch Verbände, manche offensichtlicher und andere an Stellen, die schwerer erkennbar waren. Und dass Vaughn wach und am Leben war erstaunte Cade doppelt. "Setz dich doch, Cade", brach Ace das Schweigen, das entstanden war, als alle Assassinen ihn erkannt hatten. Er nickte nur leicht und setzte sich auf einen freien Stuhl. Wenig später betrat Arvana wieder das Esszimmer, in ihren Händen eine Platte mit schmackhaft duftendem Braten. Sie platzierte die Platte in der Mitte des Tisches und verschwand erneut, um noch Gemüse und Soße zu holen. Ein echter Festschmaus. "Lasst es euch schmecken." Cade zögerte, Viola bedankte sich kurz bei Arvana und Ace war derjenige, der als erster zugriff. Cade verspürte momentan eigentlich keinen Hunger, doch der appetitliche Geruch verleitete ihn doch zu ein wenig Essen. "Ace, Ihr wolltet mir noch erzählen, wie ihr entkommen seid...", begann Cade und sah den Meisterassassinen über den dampfenden Teller hinweg an. Ace bedachte ihn mit einem kurzen Blick, seufzte dann und lehnte sich zurück. Seine Augen huschten kurz über die anderen Assassinen am Tisch, die schweigend ihr Essen zu sich nahmen, teilweise desinteressiert und mit finsteren Mienen, andere spitzten nun neugierig die Ohren. "Das wollte ich wohl... Vi?" Ace wandte sich an seinen Sohn. Der Junge hob den Kopf und sah seinen Vater fragend an. "Ja?"
"Geh doch bitte zu deiner Mutter in die Küche und hilf ihr." Kalevi nickte brav, erhob sich und lief aus dem Raum. Ace wartete einen Moment, bis er außer Hörweite war. Die anderen Assassinen waren etwas unruhig. Ace warf Cade einen Blick zu, aus dem purer Schmerz und tiefes Leid sprach. "Du warst ja anwesend, als die Templer angegriffen haben, nicht? Ich denke, ich hatte einfach Glück... Ich bin über einen der Höhlengänge geflohen, habe mich bis zum Morgen versteckt und bin dann bis ins Dorf gerannt. Du glaubst nicht, was für ein Blutbad es war... Überall Templer, und keine Gnade. Es ist kein Geschenk, mit diesen Erlebnissen überlebt zu haben." Ace' Miene hatte einen bitteren Zug angenommen. "Und die anderen?" Cade wollte es sich nicht vorstellen. Seit er klein war - seit sein Vater getötet worden war - hatte er bei den Assassinen gelebt. Sie waren seine Familie, sein Zuhause. Nun hatten die Templer alles zerstört. Und das mit einer Grausamkeit, die sie wie eine Kunst beherrschten. "Ich habe mich mit Viola zusammengeschlossen, sodass wir uns gegenseitig Deckung geben konnten auf dem Weg nach oben. Wir sind rauf auf's Plateau gerannt, dann runtergeklettert und durch den Wald gelaufen. Ich bin jetzt noch erstaunt darüber, wie wir das durchgehalten haben", erzählte Elora und sah die rothaarige Meisterassassine mit einem ruhigen Blick an. Viola hatte nur den Kopf gesenkt, beide Ellenbögen auf dem Tisch abgestützt und starrte auf die Tischplatte. Es hatte alle von ihnen auf verschiedene Weisen mitgenommen. Und Viola nahm sich alles viel zu sehr zu Herzen, das wusste er. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was in ihr wegen Asha vorgegangen war. "Ich bin ungefähr während Faiths Zeremonie aufgewacht...", begann nun Vaughn. Seine Gesichtszüge waren wie immer steinern und kalt. Als Cade Faiths Namen hörte zuckte er innerlich leicht zusammen. "Ja, ich bin nach ihrer Zeremonie direkt in sein Zimmer gekommen und er war erstaunlicherweise auf den Beinen", ergänzte Heath, die einen sachlichen Blick aufgesetzt hatte. Doch ihre Augen glänzten wehmütig. Dadurch, dass wir im Heilzimmer waren, als der Kampf losbrach, konnten wir uns unbemerkt über einen Tunnel nach draußen schleichen. Natürlich mussten wir trotzdem einige Templer 'davon überzeugen, uns durchzulassen', aber letztendlich hat es funktioniert." Vaughn nickte. "Ich habe kaum mitbekommen was im Quartier vor sich gegangen ist. Aber ich habe eben erzählt bekommen, dass diese neuartige Waffe zum Einsatz kam. Genau so eine wurde auch auf mich abgefeuert." Cade runzelte nachdenklich die Stirn. So waren vermutlich auch die ganzen Assassinen gestorben, die zuvor in Synva auf Mission gewesen waren. Der letzte Assassine schwieg mit glasigem Blick und versuchte, sich irgendwie ums Erzählen zu drücken, indem er den Blicken der anderen auswich. Cade beachtete ihn nicht, er hatte bereits andere Gedanken im Kopf. "Wisst ihr von anderen Überlebenden?" Er sah fragend in die Runde, doch seine Hoffnung war nicht groß. Manche schüttelten den Kopf, andere starrten einfach nur auf ihre leeren Teller. Der schweigende Assassine schien froh zu sein, nicht sprechen zu müssen. "Die Templer haben Faith gefangen genommen. Sie haben sie sicher nach Synva gebracht. Wir müssen sie unbedingt befreien!" Vaughn entfuhr ein kurzes, sarkastisches Lachen, während Elora Cade mit einer zweifelnden Miene betrachtete. Viola sah immer noch traurig vor sich hin, Deargh starrte ihn ungläubig an und Heath schüttelte nur den Kopf. "Wir sind alle schwer verletzt. Du warst sogut wie tot. Und du hast es noch nicht einmal am schlimmsten erwischt...", eklärte die Ärztin und warf Deargh einen kurzen, mitleidigen Blick zu. Der Assassine zuckte zusammen, als er ihren Blick bemerkte, und schien im Boden versinken zu wollen. Cade musterte ihn daraufhin genauer. Ihm wurde etwas unwohl, als er entdeckte, dass der Verband an seinem linken Arm mehr war als nur Wundbedeckung. Wenn er das richtig sah, fehlte ihm alles unterhalb der Schulter. Das musste schmerzhaft gewesen sein. Ace stimmte ihr zu. "Selbst wenn wir alle unverletzt wären, wir wären nur eine Handvoll gegen tausende von bis an die Zähne bewaffneten Templern. Wir würden dem Schicksal unserer Brüder und Schwestern folgen." Cades Blick war düster. Wieso hatten sie alle nur so wenig Vertrauen? Oder war er zu blind und zu übermütig? Vielleicht hatten sie recht... Und doch, er wollte die Möglichkeit nicht aufgeben. Er musste sich Informationen darüber beschaffen, was in Synva vor sich ging. "Ace? Kann ich dich kurz sprechen?", bat plötzlich Arvana, die in der Tür zur Küche aufgetaucht war. Ace warf dem dunkelhaarigen Meisterassassinen noch einen kurzen, nachdenklichen Blick zu, dann nickte er und erhob sich. Als er aus dem Raum verschwunden war verschwanden auch nach und nach die Assassinen vom Tisch, zogen sich zurück, beschäftigten sich mit irgendwelchen Dingen oder unterhielten sich leise. Auch Cade war aufgestanden und streifte nun durch's Haus, auf der Suche nach etwas Unbestimmtem.

"Du hast doch nicht etwa gelauscht?", fragte Ace mit einem erschöpften Grinsen. Kalevi war bereits verschwunden, sodass sie allein in der Küche waren. Ein besorgter Ausdruck lag in Arvanas Blick. "Ihr werdet doch nicht nach Synva gehen, oder? Es ist gefährlich, Ace..." Angesichts ihrer Sorge musste der Assassine lächeln. "Ich weiß. Keine Sorge, ich werde dort nicht hingehen. Ich werde euch nicht allein lassen." Arvana lehnte sich an die Kochplatte und seufzte leise, während sie zu Boden sah und ihre Hände in dem Stoff ihres Rocks einwickelte. "Ich hätte dich beinahe schon einmal verloren, Ace. Du kannst das nicht bestimmen, egal wie vorsichtig du bist. Ich bin mir ja bewusst, wer du bist... was du bist... Aber..." Sie stockte. Vielleicht aus Angst vor den Worten, vielleicht auch weil die Vorstellung, ihn an den Tod zu verlieren, unerträglich war. Ace schüttelte nur den Kopf. "Ich werde euch nicht allein lassen", bekräftigte er erneut und trat näher an Arvana heran, um eine ihrer Hände aus dem Rock zu lösen und zu nehmen. "Aber... wenn eine von euch wirklich gefangen genommen wurde... solltet ihr wenigstens versuchen, sie zu finden. Ich meine... ihr müsst zusammenhalten, ihr, die ihr nur noch so wenige seid." Sie hob den Kopf und sah Ace in die Augen. Tränen funkelten in ihren Augen, doch in ihrem Blick lag Entschlossenheit. Er sah sie ruhig an. "Wir werden vorsichtig handeln und nichts überstürzen. Eine Befreiungsmission wäre das reinste Himmelfahrtskommando..." Arvana nickte leicht, sie schluckte einen Kloß in ihrem Hals herunter. "Aber wenn eine Chance besteht... rettet sie. Jede Unterstützung könnt ihr gebrauchen." Der Assassine nickte. "Aber wenn ihr sie rettet... Versprich mir, dass du nicht stirbst..." Sie wusste selbst, wie unsinnig dieses Versprechen war. Sie hatte ja selbst gesagt, dass man den Tod nicht selbst wählen konnte. Doch trotzdem würde ihr dieses Versprechen etwas Sicherheit geben. "Ich verspreche es." Arvana umarmte Ace, drückte ihn und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Sie hatte ein verdammtes Glück gehabt, dass gerade er unter den Überlebenden gewesen war. Wie lang würde ihr dieses Glück noch treu bleiben?

Cade lief immer noch durch das Haus und hatte keine wirkliche Ahnung, was er hier tun sollte. Seine Gedanken durchliefen die Vergangenheit, die Gegenwart und die mögliche Zukunft. Er war mehr dort als im Hier und Jetzt. Irgendwann lief er an einem Raum vorbei, dessen Tür offen stand. Innen konnte er Kalevi entdecken. Er war gerade dabei, weiterzulaufen, als er innehielt und doch den Raum betrat. Er lief so leise, dass der Junge ihn erst einige Sekunden später bemerkte. Er musterte den Assassinen kurz, lächelte dann ein wenig und deutete auf den Stuhl gegenüber von ihm am Tisch. Wieso übte der Junge so eine Anziehungskraft auf Cade aus? Erinnerte er ihn wirklich so stark an sich selbst? Vermutlich... Immerhin fehlte nur noch eine kleine Schwester. Den düsteren Gedanken vertreibend setzte Cade sich auf den Stuhl und beobachtete Kalevi beim Zeichnen. Er schien es viel und gern zu machen. "Wie heißt du? Mama hat mir erzählt, dass sie dich draußen an der alten Villa gefunden haben. Und dass du nur knapp überlebt hast." Der Junge sah ihn aus neugierigen, hellblauen Kinderaugen an. "Ich bin Cade. Und ja, das scheint wahr zu sein." Cade verschränkte die Arme und stützte sich auf dem Tisch ab. "Du bist auch ein Assassine, stimmt's?" Cade nickte leicht. "Kennst du meinen Vater gut?" Der Assassine zögerte. "Es geht. Ich kenne keinen Assassinen wirklich gut." Cades Blick richtete sich auf sie fein geschwungenen, grauen Linien des Bleistifts. "Ich will später einmal auch ein Assassine werden!", meinte Kalevi nun begeistert und lächelte Cade an. Das Herz des Meisterassassinen zog sich zusammen. Wenn Ace irgendwann starb - und bei der momentanen Präsenz der Templer war das nicht unwahrscheinlich - würde Kalevi vermutlich den Assassinen beitreten, wie er selbst es damals getan hatte. "Bist du ein Meister?" Cade nickte wieder. "Hast du schon viele Novizen ausgebildet?" Erstaunlich, wieviel der Junge wusste. "Nur einen." Kalevi lächelte. "Ich will unbedingt einen von euch als Mentor." Der Enthusiasmus des Jungen ließ Cade leicht traurig lächeln. Was, wenn es bis dahin gar keinen Orden mehr gab? Keine Assassinen mehr, weil die Templer sie alle ausgerottet hatten? Sie würden in Vergessenheit geraten und in wenigen hundert Jahren hätte man sie ganz aus den Geschichtsbüchern getilgt. Cade versank wieder in Grübelei. Er würde nicht kampflos aufgeben. Und er würde Faith nicht aufgeben. Nicht, ohne einen Rettungsversuch unternommen zu haben. Kalevi zeichnete sein Bild fertig und musterte es nun prüfend. Es schien ihm nicht ganz zu gefallen, Cade jedoch hielt es für ein kleines Meisterwerk. Es zeigte ein Falken, der wachsam auf einem Ast saß und vermutlich nach Beute Ausschau hielt. "Und?" Cade sah Kalevi staunend an. "Sieht nicht schlecht aus." Der Blondhaarige lächelte und nickte, dann stand er auf und lief zu seinem Bett in der Ecke des Raums, um die Zeichnung dort zu befestigen. Cade sah ihm nach und bemerkte dann einen Schatten im Türrahmen. Er erkannte Viola, die sich dort anlehnte und die beiden beobachtete. Cade setzte einen misstrauischen Blick auf. "Ist was?" Viola schien nicht mehr ganz so traurig zu sein wie vorhin beim Abendessen. Sie lächelte angesichts der Kälte in seiner Stimme sogar. "Es ist merkwürdig, dich wieder von deiner anderen Seite kennenzulernen", erwiderte sie nur ungerührt und winkte ihn dann her. Cade seufzte nur leicht genervt und erhob sich. "Was gibt es?" Die Stimme der rothaarigen Assassine war nur noch ein Wispern. "Ace hat verschwiegen, dass wir bereits die letzten Tage nach dir und Faith gesucht haben. Wir wissen einige Dinge doch..." Sie sah sich kurz im Flur um, als würde sie verfolgt werden. "...ich kann dir das nicht hier sagen." Cade fuhr sich erschöpft durch die Haare und sah an ihr vorbei in den halbdunklen Gang. "Meinetwegen. Dann geh irgendwohin wo niemand ist." Viola nickte kurz und lief zielstrebig den Flur hinunter. Für einen Moment sah Cade über seine Schulter, wo er Kalevi stehen sah. "Ich muss kurz weg..." Kalevi nickte hastig. "Ich weiß." Cade fühlte ein Zwicken in der Magengegend. Etwas, das er dem Jungen noch sagen wollte, lag ihm auf der Zunge, doch er wagte es nicht, etwas davon auszusprechen. Kurz stand er mit sich ringend da, dann drehte er sich um und folgte Viola. Es würde nicht das letzte Mal sein, dass er mit ihm sprach.
Sie lief wieder die Treppe nach oben, die Cade vorhin heruntergelaufen war, und steuerte eines der Zimmer hier oben an. Es entpuppte sich als kleines Zimmer mit Bett und Kommode. "Du hast definitiv ein besseres Zimmer erwischt", kommentierte Viola mit einem schiefen Grinsen. Jedoch lag immer noch etwas in ihrer Miene, das das Lächeln trübte. Trauer, Schmerz, etwas dergleichen. Cade nickte nur knapp. Viola setzte sich auf das Bett, schloss kurz die Augen und atmete tief durch. "Also..." Sie öffnete die Augen wieder und sah aus dem einzigen Fenster des Raumes. Draußen war es stockdunkel. "Das wird dir nicht gefallen...", begann sie unsicher und blickte Cade vorsichtig an. "Das ist mir egal." Sie seufzte. "Das darfst du nicht auf die leichte Schulter nehmen... Ein falscher Schritt bedeutet den Tod. Wir bewegen uns auf dünnem Eis." Cade verschränkte die Arme und lehnte sich mit finsterer Miene an die Wand. "Hast du nun etwas Interessantes oder nicht?" Viola warf ihm kurz einen scharfen Blick zu, doch dann begann sie zu erzählen. "Wir haben über ein paar Händler die Info bekommen, dass morgen eine Hinrichtung in Synva stattfindet." Cade spannte sich unbewusst an. Worauf wollte sie hinaus? Noch musste es nicht bedeuten, dass... "Es sollen zwei Frauen hingerichtet werden, und eine davon soll eine Assassine sein." Der Meisterassassine biss die Zähne zusammen. Verdammt. Morgen schon? Er würde es nicht mehr rechtzeitig nach Synva schaffen! Oder doch? Vielleicht, wenn er jetzt sofort losritt... Ihre Worte zu den unvorsichtigen Maßnahmen hatte er bereits wieder vergessen. Es ging ihm nur noch darum, Faith zu finden und die Hinrichtung zu stoppen. Viola blieb Cades gedankliche Abwesenheit nicht unbemerkt. "Oh, nein. Du wirst nicht gehen." Ihre Stimme war warnend. "Cade, das wäre dumm."
"Na, und?", erwiderte er kalt. Seine Augen funkelten, als würde er einen Feind betrachten. Viola stand wieder auf und lief zögernd einen Schritt auf Cade zu. "Womit habe ich es verdient, dass du jetzt wieder so verschlossen zu mir bist?", fragte sie nun mit verständnisloser Stimme. Cade verkniff sich den Anflug von Reue, sondern verdrängte diesen mit erneuter Kälte. "Das ist nicht wichtig. Wirst du mich nach Synva begleiten oder nicht?" Unterstützung konnte er gebrauchen, und eine alte Freundin wäre sicher keine schlechte Begleitung. Viola sah ihm mit entgeistertem Blick in die Augen. "Du willst doch nicht wirklich gehen, oder?" Sie wartete auf eine Regung in seinen Gesichtszügen, doch sie fand keine. "Das ist reiner Selbstmord! Was veranlasst dich zu so einer Dummheit?", rief sie nun außer sich und gestikulierte mit großen Gesten. Cade schwieg. Die junge Frau ließ ihre Arme hängen. "Ist es... ist es Faith?" Cade schwieg immer noch. Viola lachte leicht. "Ich hätte es mir denken können. Naja, was soll ich dann jetzt noch sagen, um dich davon zu überzeugen, nicht zu gehen? Es gibt nichts..." Cade atmete hörbar aus. Ob er genervt war oder einfach nur erschöpft ließ sich nicht sagen. "Das heißt, dass du nicht mitgehst?" Viola schüttelte den Kopf. "Viola...", setzte Cade kurz zögernd an, doch die Meisterassassine unterbrach ihn. "Ich will keine Entschuldigung und kein Versprechen hören. Tu, was du tun musst. Und lass die Vergangenheit ruhen..." Ihre Stimme war ernst, doch in ihrem Gesicht lag ein Lächeln. Cade musterte sie kurz mit einem unentschlossenen Blick, dann nickte er. "Aber versuch' trotzdem, in einem Stück wiederzukommen, ja?" Cade bedachte sie mit einem ironischen Blick. "Ich kann nichts versprechen..." Viola hörte nicht auf zu lächeln. Cade wartete noch einige Sekunden. Sollte er wirklich einfach so gehen, ohne ein weiteres Wort? Viola würde es vermutlich am schlimmsten treffen, wen er versagte und starb. Er wusste, dass sie immer noch sehr an ihm hing. Trotzdem entschied Cade sich dafür, wortlos aus dem Zimmer zu gehen. Er lief nochmal in sein eigenes, um etwas von der betäubenden Salbe und den Schmerzmitteln zu holen. Die würden ihm nützlich sein. Dann zog er sich seine Kapuze über. Er hatte noch das grob geschmiedete Schwert des Templers. Ob ihm das viel helfen würde? Er suchte sich unbemerkt einen Weg nach unten und schlich sich an einigen Assassinen vorbei nach draußen. Es war, wie schon vorhin durch das Fenster, pechschwarz. Nur der Mond erhellte die verschneite Landschaft noch etwas. Erleichert stellte Cade fest, dass es neben dem Haus tatsächlich einen Stall gab. Leise schlich er sich an den noch beleuchteten Fenstern vorbei. Im Stall angekommen entzündete er eine Laterne und hoffte, das würde nicht allzu sehr auffallen. Er fand drei Pferde, eins davon war noch gesattelt und gezäumt. Als er näherlief blinkte etwas im Schein der Laterne auf. Er hob das obere Sattelblatt etwas an. Darunter kam ein schmaler aber fein gearbeiteter Degen zum Vorschein. Überrascht von seinem Glück stellte er das Schwert an die Stallwand und befestigte stattdessen den Degen an seinem Waffengürtel. Zusätzlich fand er noch einen langen Dolch. Nachdem er auch den festgemacht hatte stellte er die Laterne weg, führte das Pferd nach draußen und saß auf. Kurz sah er zurück auf das kleine Landhaus. Vermutlich war er wirklich dumm. Und verrückt. Und es konnte durchaus sein, dass er auf dieser Mission starb. Doch dieses Argument schien bedeutungslos zu sein. Tatenlos herumzusitzen, während Faith hingerichtet wurde, kam definitiv nicht in Frage. Als er auf dem Pferderücken saß spürte er für einen Moment die Wunde an der Brust brennen und stechen. Er hielt kurz die Luft an, biss die Zähne zusammen und drückte eine Hand darauf. Hoffentlich würde das Schmerzmittel, das er dabei hatte, seine Arbeit tun. Hoffentlich konnte er Faith retten. Hoffentlich würden ihn seine Verletzungen nicht zu sehr schwächen. Und hoffentlich konnte er Violas Bitte nachkommen und unversehrt wieder zurückkehren

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