Red Snow

By MementoKore

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Der Boden dieses Landes wird seit Jahrhunderten vom Blut eines endlosen Krieges getränkt. Zwei Fraktionen, As... More

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Nachwort

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By MementoKore

Die Sonne erschien am Horizont, was man jedoch nur erahnen konnte, da der Schneefall zunahm. Bald schon war sie hinter den dichten Schneewolken verschwunden. Cade hatte das Pferd in einen ebenso verlassenen Stall neben der Villa untergebracht. "Das wird ein langer Tag. Das Haus ist kalt, bis der Kamin an ist, und es gibt nichts zu essen. Bist du noch müde?" Cade warf dem Pferd etwas Heu in den Futtertrog, dann drehte er sich zu Faith. Sie nickte nur. Lang und gut hatte sie auf dem Pferderücken nicht gerade geschlafen. Cade seufzte und zog nun seine Kapuze wieder ab. Immerhin war das ein verlassener Ort, an dem die Kapuze überflüssig war. "Ich zeig dir, wo du schlafen kannst", meinte er nur und seine Stimme klang erschöpft. "Du brauchst aber auch Schlaf", bemerkte Faith kühl und hob die Augenbrauen. Cade warf ihr einen kurzen, missmutigen Blick zu, dann lief er auf eine Tür zu. "Dann wird es wohl kalt bleiben." Faith schüttelte nur den Kopf und folgte ihm durch die Tür ins Haus. Die Tür führte in einen Flur, der mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt war. Die Wand war tapeziert, doch die Tapete war längst ausgeblichen. Die bunten Fenster waren verstaubt und die Gemälde an den Wänden mit Tüchern verhängt. Erst sah Faith sich staunend um, dann fiel ihr Blick auf Cade. Er schien sich ebenfalls umzusehen. Vermutlich war es merkwürdig, an den Ort der Kindheit zurückzukehren - nach so langer Zeit. Und das war wirklich so. In Cade stiegen Erinnerungen an die Dinge hoch, die er unter anderem in diesem Flur erlebt hatte. Viele gute Erinnerungen, die er mit Freude und Geborgenheit verband. Doch immer wieder schlichen sich auch Bruchteile einer anderen Erinnerung in seinen Geist. Und diese Erinnerung war es, die ihn hier weggezwungen hatte. Er wollte so etwas nie wiedererleben und sich auch nicht daran erinnern. Er unterdrückte letztendlich alle Erinnerungen und lief die Treppe, die parallel zum Flur verlief, nach oben. Die Bretter knarzten als die beiden in den ersten Stock liefen. Der Flur hier sah ähnlich aus, nur dass er sich in anderen Farbtönen hielt. Cade lief auf eines der Zimmer zu und drückte die Tür auf. Dahinter lag ein Schlafzimmer. "Hier. Ich werde den Kamin anmachen, damit es warm wird..." Bei Faiths mahnendem Blick verzog er keine Miene, ergänzte jedoch: "Danach kann ich mich vielleicht etwas ausruhen. Essen lässt sich sicher irgendwo finden." Faith nickte und trat in das Zimmer. Kurz sah sie sich um. Die Fenster waren groß und ließen viel Licht der aufgehenden Sonne herein. Cade verschwand aus dem Zimmer und schloss die Tür, Faith hörte wieder die Treppe knarzen. Sie zog die Vorhänge vor die Fenster, sodass es dunkel war, und legte sich in das Bett. Sie fragte sich, wer einmal hier geschlafen hatte. Das Zimmer hatte auf sie gewirkt wie das eines Mädchens. Doch viele Gedanken machte sie sich nicht mehr, denn kurz darauf schlief sie ein.

Cade lief wieder nach unten und fuhr sich müde übers Gesicht. Natürlich brauchte er Schlaf, die Frage war eher, ob er es sich leisten konnte. Denn die Templer wussten, dass jemand entkommen war. Und sie würden sie suchen. Wie lang würde es dauern, bis sie die Villa fanden? Er durfte nicht schlafen, er musste wachsam bleiben. Zurück im unteren Flur lief er in das große Wohnzimmer. Es war wirklich kalt im Haus, zum Glück lag noch Brennholz neben dem Feuerplatz. Er legte etwas davon in den Kamin und zündete es an, woraus nach und nach ein wärmendes Feuer entstand. Einige Zeit sah er in die Flammen. Er zwang sich dazu, nicht an die Bruderschaft zu denken. Denn er wusste, dass es wenig Chancen für jeden einzelnen von ihnen gab, zu überleben. Es war eine ganze Armee gegen sie gewesen, und ohne einen Anführer der Befehle geben konnte hatten die Assassinen vermutlich unkoordiniert gehandelt. Cade schloss die Augen und ließ den Kopf hängen. Er saß in der Hocke vor dem Feuer, sodass er dessen Wärme auf dem Gesicht spürte. Der Orden war sein Leben gewesen, seine Heimat und seine Familie. Diese Villa hier hatte in diesem Fall keine Bedeutung mehr für ihn. Es schien, als nähmen die Templer jedem von ihnen nach und nach alles, auch das nicht Materielle, was man zum Leben brauchte. Er hatte das früh erfahren müssen, und seitdem versuchte er, sich gegenüber solchen Dingen abzuschotten. Doch er konnte nicht leugnen, dass nun die Basis fehlte. Der Antrieb eines jeden Assassinen. Was bedeutete das Credo noch, wenn keiner von ihnen mehr übrig war? Irgendwann öffnete er die Augen wieder, stand auf und setzte sich aufs Sofa. Plötzlich kam es ihm viel kleiner vor. Natürlich, denn er war kein Kind mehr. Er war als jemand anderes hierher zurückgekehrt.

Irgendwann erwachte Cade. Sofort spannte er sich an und sah sich um. Verdammt, er war doch eingeschlafen. Beinahe erwartete er schon einen Templer, der ihm seine Klinge an den Hals hielt. Doch dem war nicht so. Das Feuer knisterte immer noch im Kamin, und inzwischen war es im Raum um einiges wärmer geworden. Angenehm warm. Er wollte sich gerade wieder zurücklehnen als er Faith in der Tür erkannte, die ihn grinsend ansah. Als sie seinen Blick bemerkte verschwand ihr Grinsen jedoch wieder. Cade vergrub sein Gesicht kurz in einer Hand und murmelte: "Was ist denn?" Er fuhr sich mit der Hand kurz durch die Haare, dann ließ er sie wieder hängen und sah die Assassine abwartend an. "Ich hab' Hunger. Sagtest du nicht, hier könnte man sich irgendwo Essen beschaffen?" Cade seufzte und rappelte sich auf. "Ja, aber ich denke nicht dass du unter 'beschaffen' das verstehst, was ich meine." Faith hob leicht überrascht die Augenbrauen. "Nicht? Was meinst du denn damit?" Er stand auf und tastete kurz nach den Waffen, die er den Templern abgenommen hatte. "Jagen. Ich meine jagen. Im Winter gibt es im Wald keine Beeren, und ich glaube kaum dass du Stunden bis ins nächste Dorf reiten willst?" Er lächelte mit kühlem Sarkasmus im Blick und lief dann an ihr vorbei zurück in den Flur. Er fühlte sich nun wieder etwas fitter. "Gibt es im Winter denn viele Tiere, oder dauert es ewig bis wir eins finden...?" Faith folgte ihm durch den Flur. "Man erkennt sie zumindest leichter", erwiderte Cade nur schulterzuckend und lief nun durch die große Tür direkt hinaus ins Freie. Von der Veranda führte eine kleine Treppe auf den schneebedeckten Boden. Er atmete kurz die kühle, frische Luft ein, um richtig wach zu werden, dann wandte er sich wieder an Faith. "Gib mir deine Armbrust." Faith runzelte die Stirn. "Wieso?" Cade legte den Kopf schief und setzte eine Miene auf, als sei die Antwort eindeutig. "Damit ich damit jagen kann." Faith trat die letzten Stufen nach unten und drückte Cade seufzend ihre Armbrust in die Hand. "Und du kannst sowas? Ich meine, schießen kann ich auch. Aber du kannst jagen?" Der Meisterassassine nickte. "Mein Vater hat mich früher mit in den Wald genommen. Und hat es mir etwas beigebracht. Da habe ich auch das Reiten gelernt." Faith lauschte seinen Worten, während sie ihm in Richtung Wald folgte. Sie überlegte. "War dein Vater ein Assassine?" Sie hatte die Frage nur so gestellt, damit das Gespräch nicht abrupt endete, doch sie schien Cade nicht zu gefallen. Er schwieg kurz verbissen und antwortete dann: "Ja, er war ein Assassine." Faith blieb nun lieber stumm. Sie wollte nicht weiter in Cades Vergangenheit herumpfuschen wenn es ihn so sehr störte. Es schien ihn beinahe zu verfolgen. Nun, ihre Vergangenheit tat das auch irgendwie. Gavin hatte diese Geschichte mit dem Amulett irgendwie in ihre Familie gebracht, und nun musste sie das ausbaden. Dadurch kam sie zu der Frage, was nun eigentlich der allgemeine Plan war. Für immer vor den Templern weglaufen, bis sie vielleicht - und das war unwahrscheinlich - die anderen Assassinen wiedertrafen? Sollten sie warten, bis die Templer ihr Interesse verloren, sodass sie neue Assassinen rekrutieren konnten? Oder was sollten sie tun? "Cade, was ist jetzt eigen..." Cade unterbrach sie, indem er die Hand hob und leise "Schhhh", zischte. Faith sah ihn verwirrt an. Cade lief nun geduckt weiter und spannte die Armbrust. Er achtete darauf, das Geräusch, das seine Schritte im Schnee machten, mit dem der Windböen zu verbinden. Faith lief ihm mit einem aufmerksamen Blick hinterher. Was hatte er gesehen? Sie folgte ihm geduckt und versuchte, genauso wenige Geräusche zu verursachen. Er legte die Armbrust schussbereit an und lief weiter. Sein Blick war fixiert auf das Tier vor ihm, das in einigen Metern Abstand aus einem noch nicht zugefrorenen Bach trank. Es war ein Reh. Faith blieb irgendwann stehen und beobachtete Cade aus der Deckung heraus, wie er sich noch näher heranschlich. Kurz hob das Reh den Kopf und spitzte sie Ohren. Faith konnte erkennen, wie es die Ohren in verschiedene Richtungen drehte, um herauszufinden, was das gewesen war. Cade verharrte still und regungslos dort, wo er war. Das Reh senkte den Kopf wieder und trank weiter. Cade schlich noch ein paar Schritte näher heran, dann legte er einen Finger an den Auslöser der Armbrust, zielte kurz und schoss. Der Armbrustbolzen durchschnitt die Luft ohne jedes Geräusch, bohrte sich seitlich durch das Fell und die Haut des Rehs und erwischte somit dessen Herz. Das Reh machte kurz aufgeschreckte Geräusche, wollte wegrennen doch kippte um und blieb im Schnee liegen. Cade atmete erleichtert aus, senkte die Waffe und gab sie Faith zurück, die nach dem Schuss nähergekommen war. Dann lief er zur Jagdbeute, kniete sich neben sie in den Schnee und zog den Pfeil mit einem Ruck heraus. Faith lief noch etwas näher heran und beäugte das tote Reh vorsichtig. Cade gab ihr nun auch den Pfeil zurück, band die hinteren und die vorderen Beine des Rehs jeweils zusammen und spannte dann jeden Muskel an, um sich das erbeutete Reh über die Schultern legen zu können. Er ächzte leise, als er bemerkte, wie schwer so ein Reh war. "Früher hatten wir immer Pferde dabei, die das tragen konnten", bemängelte er mit zusammengebissenen Zähnen und schleppte sich mit dem Gewicht auf den Schultern in Richtung Villa zurück. Faith grinste neckisch. "Tja, wir hätten auch ein Pferd, du hättest es nur mitnehmen müssen." Den finsteren Blick, den Cade ihr daraufhin zuwarf, ignorierte sie geflissentlich. Wie konnte sie überhaupt schon wieder andere Leute aufziehen, obwohl sie wusste, wie heikel die Situation nun war? Jederzeit konnten Templer auftauchen, und zu zweit hatten sie kaum eine Chance. "Denkst du, die Templer werden viele Leute losschicken, um uns zu suchen?", fragte sie daraufhin etwas unsicher und kniff die Lippen zusammen. Sie wollte nicht kämpfen, das letzte Mal als sie es getan hatte war ihre Schwester gestorben. "Keine Ahnung", erwiderte Cade nur seufzend, während er das Gewicht des Rehs immer wieder von der rechten auf die linken Schulter verlagerte und zurück. Bald waren sie am Haus, dann konnte er es ablegen. Faiths Gedanken schweiften weiter ab. Sie wollte irgendwie nicht wissen, wie es nun im Hauptquartier aussah. Und was die Templer dort anstellten. Ob sie Kadirs Zimmer durchsuchten? Plötzlich wurde Faith heiß und kalt zugleich, als ihr die Befürchtung kam, dass die Templer die Papiere unter ihrem Kissen finden würden. Verdammt! Was, wenn sie sie bereits gefunden hatten? Was würden sie tun? Faiths Blick ging ins Leere während sie darüber nachdachte. Kurz bevor sie die Treppen erreichten, die zur Veranda hochführten, fragte sie leise: "Denkst du, es gibt Überlebende?" Sie warf Cade einen traurigen und gleichzeitig hoffnungsvollen Blick zu. Seine Miene wurde mit einem Mal wieder düster. "Ich glaube, wenn überhaupt welche überlebt haben, dann wurden sie gefangen genommen. Nur mit großem Glück haben es welche aus dem Hauptquartier herausgeschafft ohne den Templern in die Hände zu fallen." Faith nickte niedergeschlagen und lief die Treppen nach oben, um Cade die Tür aufzumachen. "Danke." Er lief in den Flur. Faith sah ihm verwirrt hinterher. Danke? War er krank geworden? Oder was hatte seinen Verstand verändert? Doch solang es ihr nicht schadete... Sie schloss die Tür wieder, damit kein Schnee hereinwehte und die Kälte draußenblieb. "Leg etwas Holz nach, ja?", rief Cade, der sich auf den Weg in ein Zimmer neben der Küche machte, wo er das Reh 'vorbereiten' konnte. Irgendwie wollte er Faith den Anblick ersparen. "Okay", antwortete sie nur, sah dem wandelnden Reh kurz hinterher und lief dann ins Wohnzimmer. Wieder sah sie sich staunend um. An der Decke hing ein Kronleuchter, die Tapete war sicher einmal teuer gewesen und es standen viele kostbar aussehende Möbel und Dekorationen herum. Hier und da erkannte sie dicke Staubschichten und in den Ecken hingen vereinzelte Spinnennetze, aber das störte kaum. Wenn Cade hier wirklich seine Vergangenheit verbracht hatte musste es doch eine glückliche gewesen sein. Seine Eltern waren nicht aus schlechtem Hause gewesen. Sie nahm einige Holzscheite und legte sie ins inzwischen kleiner werdende Feuer. Sie setzte sich vor dem Kamin auf den edlen Teppich und starrte in die orange-roten Flammen. Natürlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, solch einer Armee zu entkommen, doch vielleicht hatten ein paar Glück gehabt. Faith zog ihre Knie an, schlang die Arme drum herum und legte ihr Kinn darauf. Selbst wenn ihr Problem sich irgendwann auflöste und die Templer nicht mehr hinter ihnen her waren - würde sie den Mut finden, zum Hauptquartier zurückzukehren? Und würde sie dort dann eine Vielzahl an Templern vorfinden oder nur das Schweigen der gefallenen Assassinen? Lange Zeit blickte sie wie gebannt in die Flammen und machte sich Gedanken darüber, was hätte passieren können und was noch passieren konnte.

Irgendwann war Cade wieder aufgetaucht. Sie wusste nicht, mit welchen Mitteln aus der Küche er es gemacht hatte und wieso er überhaupt kochen konnte, aber das gebratene Rehfleisch schmeckte wirklich köstlich. Sie hatten es schweigend gegessen, denn jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Irgendwie war die Tatsache, dass es nun keinen Orden mehr gab, gar nicht greifbar. Sie wirkte unreal und fern. Und doch wussten beide dass dem so war. Sicher waren die meisten oder sogar alle tot, eingeschlossen ihrem Großmeister. Also wie sollte es weitergehen? Irgendwie kam niemandem ein Plan in den Sinn, nicht der Ansatz einer Idee. Faith brachte die Teller zurück in die Küche und übernahm das Spülen, da sie sich "für Cades Kochkünste revanchieren wollte", wie sie sagte. Cade war das nur recht, denn er hasste solche Arbeiten. Es dauerte auch nicht lang, zwei Teller abzuwaschen, doch als Faith zurück ins Wohnzimmer kam, wurde es draußen bereits schon wieder dunkel. Es hatte am Nachmittag aufgehört zu schneien, aber es war immer noch schrecklich kalt draußen. Obwohl sie heute nicht viel getan hatte spürte Faith Müdigkeit in sich aufkommen. "Ich glaube ich gehe schlafen...", murmelte sie nur und warf einen Blick durch das große, verzierte Fenster, durch das sie den Sonnenuntergang erkannte. Ja, die Wolken hatten sich inzwischen größtenteils verzogen. Cade stand auf. "Was ist, wenn wir beide gerade schlafen und die Templer hier eintreffen?" Sein Blick war skeptisch wie wachsam. Faith hielt in ihrer Bewegung inne und drehte sich zu ihm um. "Dann muss eben immer einer von uns wach sein..." Cade schien daran auch schon gedacht zu haben, doch der Gedanke gefiel ihm nicht. Er war so unkonzentriert wenn er müde war. Er seufzte leise und nickte. "Das wäre wohl die beste Idee. Ich werde die erste Wache übernehmen." Faith nickte und lief nach oben. Cade folgte ihr. "Was wird das?", fragte sie unsicher und warf dem Meisterassassinen einen kritischen Blick zu. "Na, was wohl? Damit ich dich schnell wecken kann, wenn Templer kommen, muss ich ja in deiner Nähe sein." Er bedachte sie mit einem fragenden Blick und lief ungerührt weiter. "Aha." Faith erklomm die letzten Stufen und steuerte das Zimmer an, in dem sie auch heute Vormittag geschlafen hatte. "Lass dich nicht stören", ergänzte Cade noch mit deutlichem Sarkasmus in der Stimme und grinste höhnisch. Mann, wieso hatte der soziale "Danke"-Cade sich nicht durchgesetzt? Faith gab ihrem Missfallen Ausdruck indem sie genervt stöhnte und ihn keines Blickes würdigte. Wenigstens blieb er vor der Tür stehen, lehnte sich dort an die Wand und spähte aus dem Fenster direkt daneben. Es wurde nun immer dunkler. Und das, obwohl es noch vergleichsweise früh war. Das hatte der Winter so an sich. Im Haus wurde es ebenfalls dunkel, sodass Cade irgendwann seinen Posten verlassen musste um sich eine Kerze anzuzünden und sie in eine Laterne zu stellen. Im ganzen Haus gab es Kerzen, aber wenn er alle entzündete würde jedem, der draußen vorbeilief, direkt auffallen dass hier jemand wohnte. Und das sollte nicht so sein. Irgendwann setzte er sich hin und starrte hinaus in die Schwärze, die nun hinter dem Glas des Fensters lag. Er war auch müde, er hatte wenig Schlaf bekommen. Trotzdem musste er durchhalten. Wenn er einschlief bestand tödliche Gefahr. Er versuchte sich mit Gedanken wachzuhalten, doch seine Augenlider wurden immer schwerer. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er kurz davor war sie einfach zu schließen. Gerade als er erneut kurz vor dem Einnicken war ertönte eine Stimme. "Cade?" Er schrak hoch und schüttelte kurz den Kopf, um sich wachzubekommen, dann stand er auf und lief mit der Laterne ins Zimmer. "Was ist denn?", fragte er leicht genervt und sah zu dem Schatten, der Faith darstellte. "Ich kann nicht schlafen. Die Gedanken an die anderen halten mich wach..." Cade stockte. Ihre Stimme klang belegt. Sie würde doch nicht weinen, oder? Er stellte die Laterne auf einem Tisch ab und lief näher. "Ist schon gut. Du kannst jetzt nichts mehr ändern. Schlaf lieber, sonst folgst du ihrem Schicksal noch..." Okay, aufmunternd war das nicht gerade, aber... "Ich hab's schon versucht. Immer wieder frage ich mich, ob sie überlebt haben - Zoé, Elora, Gyth, Heath, Ace und die anderen... Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie nicht mehr leben." Ihre Stimme zitterte. Vielleicht lag es daran, dass es so spät war, doch ihr war momentan wirklich zum Weinen zumute. Das waren sicher die aufgestauten Emotionen der letzten Tage. Cade schwieg. "Wieso müssen Templer so sein? Warum existieren sie überhaupt? Ich weiß nichtmal ob Ríona und Esida noch am Leben sind! Sicher haben die Templer bereits meine gesamte Familie umgebracht!" Faiths Stimme wurde lauter. Und dann brach sie vor Belegtheit ab. Ihre Kehle schnürte sich zu und Tränen stiegen ihr in die Augen. Gut dass es so dunkel war, dann sah Cade ihre Tränen nicht, die nun ihre Wangen hinabliefen. "Ich wollte eigentlich nie Teil davon werden. Von diesem Krieg. Aber ich bin es, und es hat eine Zeit lang sogar Spaß gemacht. Ich habe Freunde kennengelernt und soviel trainiert, wie kann das alles vom einen auf den anderen Moment zerstört worden sein?", sprach sie nun weiter, doch das Wimmern in ihrer Stimme konnte sie inzwischen nicht mehr unterdrücken. Es war zuviel. Sie hatte zu viel verloren in den letzten Tagen, und immer hatte sie das Weinen unterdrückt. Vermutlich war es an der Zeit, einmal diesen Zwang zu unterlassen. Ihr war egal, ob Cade das nun interessierte oder nicht. Sie weinte. Tränen kullerten ihr unaufhörlich über die Haut ihres Gesichts und tropften auf den Stoff der Decke. Sie schluchzte leise und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Sie zitterte unkontrolliert, jedoch nicht wegen der Kälte. Und sie fühlte sich so schrecklich allein und verlassen, wie schon lang nicht mehr. Irgendwie nutzlos und überflüssig. Cade hörte das Schluchzen. Und es war ihm nicht egal. Er setzte sich neben Faith aufs Bett und legte einen Arm um sie. Gern tat er das nicht, aber er wusste, dass Trösten am besten half. Eine traurige Faith würde nicht um ihr Leben kämpfen wenn die Templer anmarschiert kamen. Sie würde nicht alles dafür tun, um zu fliehen. Sie würde auf den Tod warten. Als Faith Cades Körperwärme neben sich spürte, und den Arm, der um ihre Schultern lag, verstummten ihre Schluchzer. Jedoch weinte sie immer noch. "Wie hälst du das nur durch? So ganz ohne Trauer? Wie?" Sie sah Cade mit verweinten, ungläubigen Augen an, nachdem sie die Hände weggenommen hatte, die nun nass vor Tränen waren. Cade blieb kurz stumm und dachte über ihre Worte nach. "Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil keine Tränen mehr übrig sind", murmelte er nur abwesend. Er hatte in seinem Leben auch viele Leute verloren, die ihm lieb waren. Hatte er an sie bereits alle Tränen verweint? Konnte so etwas sein? Jedoch konnte er nicht lang über diese Möglichkeit nachdenken, denn Faith schlang nun ihre Arme um seinen Oberkörper und lehnte sich gegen ihn. Sie weinte immer noch, ihre Tränen schienen nicht zu versiegen. Ihr war egal, ob es Cade aufregen würde, sie wollte nur irgendetwas, das ihr Halt gab, damit sie sich nicht noch nutzloser fühlte. Und es war niemand da außer ihm. Und wenn er schon einmal sozial war konnte man das doch auch nutzen. Sie krallte sich im Stoff seiner Montur fest und drückte ihr Gesicht an seine Schulter, sodass ihre Tränen den Stoff dort einweichten. Cade war mit der Situation etwas überfordert, denn das letzte Mal als er jemanden getröstet hatte war lang, lang her. Vermutlich viele Jahre. Er legte nur seine Arme um Faith, die gerade nicht mehr als ein Häufchen Elend zu sein schien, und strich beruhigend über ihren Rücken. Es dauerte einige Zeit, bis Faith aufhörte zu weinen. Trotzdem verharrte sie noch so. Es war nicht nur tröstend, es war ein Gefühl der Geborgenheit. Sie hatte inzwischen vollkommen verdrängt, dass das Cade war, sie genoss einfach nur die beruhigende Wärme, die er ausstrahlte.

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