Red Snow

By MementoKore

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Der Boden dieses Landes wird seit Jahrhunderten vom Blut eines endlosen Krieges getränkt. Zwei Fraktionen, As... More

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Nachwort

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By MementoKore

Kurz darauf ertönten Geräusche aus der Gasse. Einige der anderen Assassinen hatten für Tumult gesorgt, sodass die Wachen um das Tor herum abgelenkt wurden. Drei der vier rannten in die Gasse, in der laute Geräusche von zerberstendem Holz und dumpfe Geräusche von auf den Boden fallenden Äpfeln ertönten. Rufe wurden laut, eine Frau schimpfte und weinte gleichzeitig, während die Wachen wissen wollten, was passiert war. Ace und die drei Novizen achteten nicht weiter auf die Ablenkung, sie rannten los, kletterten vom Dach und sprinteten auf den letzten verbliebenen Templer zu, der sie nur schockiert anstarrte, als Ace auch schon ein Wurfmesser durch die Luft sausen ließ, das sich der Wache mit einem leisen Geräusch in die Schulter bohrte. Im selben Moment ertönten wüste Beschimpfungen der Wachen gegenüber den ablenkenden Assassinen, sodass das überraschte Röcheln des einen Wächters darin unterging. Er krümmte sich und versuchte, das Messer aus der Schulter zu ziehen, doch im nächsten Moment stand Ace schon bei ihm und trieb ihm die Klinge seines Einhandschwertes ins Herz. Ein kurzes Ächzen ertönte, dann sank der Templer endgültig auf den Boden. Bevor sich eine Lache Blut ausbreiten konnte stieß Ace ihn mit dem Fuß in den Graben neben der Brücke. Ein kurzer Blick zurück sagte allen vier, dass die anderen noch keine Ahnung davon hatten, was mit ihrem Freund passiert war. Sofort begannen sie, die Mauern zu erklettern. Einfach war es nicht, denn die Stahlkronen verhinderten viele Möglichkeiten. Die dunkle Steinwand war oft glatt und es gab kaum hervorstehende Steine, an denen man sich festhalten konnte. Wenn sie dann mal ein Fenster mit Gitterstäben erreichten war es eine kleine Freude, für einen Moment so gut voranzukommen. Nachdem sie bereits eine ansehnliche Höhe erreicht hatten, schallten Geräusche von aufeinandertreffendem Stahl zu ihnen herauf. Die Assassinen unten hatten einen Kampf mit den Wachen begonnen. Die Frau war vermutlich inzwischen verschwunden. Ace kletterte an der Spitze. Sie mussten darauf achten, dass sie niemand durch die Fenster der Zellen hindurch entdeckte. Es war wichtig, oben anzukommen, ohne entdeckt zu werden. Denn wenn die Wachen erstmal Alarm geschlagen hatten...

Sie hingen alle drei angespannt am Vorsprung der Zinnen und warteten darauf, dass die Wache, die hier oben patrouillierte, ihnen den Rücken zukehrte. Ace gab ein Zeichen, und alle zogen sich mit einem kurzen Ruck über die Zinnen auf den Wehrgang. Die Kletterpartie hatte ihre Muskeln bereits sehr strapaziert, sodass sie jeden Kampf mit Freuden mieden. Wieder warf Ace ein Messer, während die anderen drei sich mit Fernwaffen wie Armbrust und Bogen um die anderen Schützen kümmerten. Sie mussten darauf achten, dass keiner von ihnen den Wehrgang hinunter in den Hof fiel, wo weitere Templer umherliefen. In der Mitte des Platzes stand eine Alarmglocke. Sobald die erklang mussten sie so schnell verschwinden wie es ging und die Mission war gescheitert. Faith sah sich kurz um. Der obere Wehrgang wurde von einigen Wachtürmen unterbrochen, durch die man nach unten in die Sharra hineinkam. Nun kletterten weitere Assassinen nach, auch von der gegenüberliegenden Mauer. Sie teilten sich auf. Die einen nahmen den rechten Weg nach unten, sie nahmen den linken. So liefen sie geduckt und mit leisen Schritten die Treppen hinunter in den obersten Zellentrakt. Es war dunkel und trocken hier oben. Die Fenster spendeten nicht viel Licht und nur wenige Fackeln hingen an der Wand. Die Assassinen schlichen voran. Das Problem bei der Mission war, dass sie nicht wussten, wo Ríona und Esida festgehalten wurden. Wenn sie Pech hatten mussten sie bis hinunter in den Keller, wo es viel schwieriger war, ungesehen wieder hinauszukommen. Ace lief wieder ganz vorn, gefolgt von einem anderen Assassinen. Sie kamen zu einer Stelle, an der sich zwei der Gänge kreuzten. Als Ace um die Ecke spähte erkannte er zwei Wachleute, die dort auf und ab gingen. Sie mussten den Gang aber weiter geradeaus gehen, um nach unten zu kommen, das hieß sie mussten ungesehen an den zwei Wachen vorbei. Und immer, wenn die eine um die Ecke verschwand, tauchte die andere wieder auf. Den einen töten konnte er nicht so einfach, der andere würde es bemerken und Alarm schlagen. Faith hatte derweil in jede der Zellen geblickt, um herauszufinden, ob ihre Mutter oder ihre Tante dort eingesperrt waren. Doch sie sah nur ab und zu verlorene Gestalten im Halbdunkeln; falls in den anderen Zellen überhaupt Gefangene waren konnte man sie wegen der Dunkelheit nicht erkennen. Im nächsten Moment ertönten Geräusche aus dem Gang um die Ecke. Ein Gefangener schien den einen Wächter hergelockt und geschlagen zu haben, sodass der andere ihm zur Hilfe eilen musste. Das war der perfekte Moment, um hinüber in den nächsten Gang zu huschen. Einer nach dem anderen lief hinein. Das war jedoch erst der Anfang. Als ihnen auf der Treppe ein Wächter entgegenkam musste der andere Assassine schnell handeln, drückte ihm eine Hand auf den Mund, damit er nicht schreien konnte, und stieß ihm die versteckte Klinge ins Herz. Damit der Mann nicht die Treppe hinunterrollte schleifte er dessen Leiche mit der Hilfe von Tio in eine dunkle Ecke. Sobald sie die nächste Etage erreicht hatten, erwartete sie ein weiteres Gewirr von dunklen Gängen. Sie schlichen weiter, und Faiths Blick wanderte erneut über die dunklen, mit Gitterstäben abgetrennten Zellen. Sie bekam ein bedrückendes Gefühl. Wie es wohl Ace hier gegangen war? Wie es wohl Ríona und Esida hier ging? Sie fand sie aber nirgendwo, und sie war sich langsam sicher, dass die Templer ihre Zellen besser bewachen lassen würden. Sie liefen weiter, bis irgendwann wieder ein anderer Gang den ihren kreuzte. Dieses Mal war es sogar nur eine Wache. Und die kehrte ihnen gerade den Rücken zu. Sie mussten schnell vorbei. Ace, dann der Assassine, Tio und dann Asha. Zuletzt setzte Faith zu dem kurzen, lautlosen Sprint an, als plötzlich eine irritierte Männerstimme durch den Gang schallte. "Hey!" Faith erstarrte und sah zu dem Wächter. Er hatte sie gesehen. Was sollte sie tun? Sie durfte die anderen nicht verraten. Der Mann kam langsam und mit einem wachsamen Blick auf sie zu, seine Hand lag auf dem Griff seines Breitschwerts. "Wer bist du?", fragte er mit harscher Stimme. Faiths Hand wanderte langsam zu dem Griff ihres einen Dolchs, der versteckt unter dem Umhang lag. Sie stand immer noch in Schockstarre da. Schweißperlen bildeten sich trotz der Kälte hier drin auf ihrer Stirn. Gerade erreichten ihre Fingerspitzen den Dolchgriff, als der Mann vor ihr kurz überrascht aufkeuchte, Faith mit aufgerissenen Augen ansah und dann mit einem dumpfen Laut zu Boden glitt. Faith sah erschrocken hinüber zu den anderen vier, doch die starrten den Templer genauso verwirrt an. Faith sah wieder nach vorn in den Gang hinein, aus dem der Wächter gekommen war. Zwei Gestalten mit Kapuzen liefen auf sie zu. Erst dachte Faith, es seien die anderen, die rechts herum gegangen waren. Doch als die beiden Assassinen durch einen der Lichtflecken liefen, der von einem vergitterten Fenster ausging, erkannte sie andere Monturen. Die sie nicht erwartet hätte zu sehen. Eine bläulich-weiße mit schwarzem Umhang und eine dunkelgrüne. Es waren Cade und Eloras Mentor.

Als die beiden näherkamen waren Ace und die anderen bereits aus ihrer Deckung hervorgetreten. Die beiden anderen verlangsamten ihre Schritte und blieben dann vor der Gruppe stehen. Cade verschränkte die Arme, während Eloras Mentor eine Hand auf den Griff seiner Axt legte. "Was habt ihr hier zu suchen? Solltet ihr nicht den Meister finden?", erklang Ace' anklagende Stimme. "Das haben wir. Er soll hier festgehalten werden. Sie wissen nun, dass er der Großmeister ist." Kurz herrschte geschockte Stille, in der die eine Gruppe erstmal verarbeiten musste, was sie da gehört hatten. "Der Meister ist hier?", hakte Tio ungläubig nach. Cade nickte. "Er ist laut unseren Informationen der einzige Überlebende", ergänzte Eloras Mentor dann. Wieder fassungsloses Schweigen. "Und wieso seid ihr hier?" Ace antwortete: "Wir wurden von Gyth auf die Mission geschickt, die Mutter und die Tante dieser beiden da zu befreien." Der Meisterassassine deutete auf Faith und Asha. Cade sah die beiden an, jedoch herrschte so eine Dunkelheit, dass man nichts erkennen konnte. Er schien erst jetzt wirklich zu bemerken, dass Novizen bei der Mission halfen. "Das ist reiner Wahnsinn, die Novizen werden sterben! Wir sind hier nicht irgendwo!" Cades Stimme klang außer sich, jedoch trotzdem leise - wenn man auch hörte wie er das zwanghaft tat, weil er wusste dass sie sonst in Gefahr wären. Ace nickte. "Ich weiß wo wir sind. Gyth hat darauf bestanden." Seine Stimme blieb ruhig. Wieder herrschte Stille, Cade schien sich dazu zu zwingen, nicht vor Wut laut loszuschreien. Die Luft schien beinahe schon zu knistern. Dann beruhigte sich der Meisterassassine aber wieder und deutete hinter die Gruppe auf eine Tür. "Von dort aus kommen wir nach unten. Sie halten dort ihre wichtigsten Geiseln gefangen, dort sollten sich alle drei befinden." Ace nickte und lief voraus, die anderen schlossen sich ihm an. Auch Cade und sein Begleiter. Faith wusste nicht, was sie davon halten sollte. Cade war doch alles egal, wieso war es das jetzt nicht?
In Gedanken versunken lief sie weiter den anderen hinterher. Hinter der Tür verbarg sich ein Schacht mit einer in die Wand eingebaute Leiter, die eigentlich nur aus gebogenen Eisenstangen bestand. Einer nach dem anderen machte sich auf den Weg nach unten. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten hatte sich die Umgebung geändert. Es war noch dunkler geworden, nur Fackeln erhellten den Gang, der hinter der Tür lag. Es war muffig und feucht hier unten, und in dem Gang vor ihnen waren mehr Wachen postiert als im ganzen anderen Gefängnis. Ace und Cade standen an der Tür und spähten hinaus. Dann zogen sie sich wieder zurück in den Schatten. "In wenigen Minuten wird Wachablösung sein", informierte Cade den anderen Meisterassassinen. Ace nickte. Kurz schwieg er nachdenklich, dann fragte er: "Sind du und Leith die einzigen Überlebenden?" Cade sah hinüber zu Eloras Mentor. Dann wieder zu Ace. Er nickte mit bitterer Miene. "Die anderen wurden gefangen genommen und öffentlich hingerichtet. Die Templer haben ein Exempel statuiert, und die Menschen haben sich davon abschrecken lassen. Wir sind nun der Feind der Menschheit..." Kurz warf Ace einen Blick auf die anderen. Keiner hatte Cades Worte gehört. Gut so, nachher würde sie das noch in Schock versetzen. "Das klingt gar nicht gut... Denkt Ihr, sie wissen bereits, wo unser Hauptquartier liegt?" Cade schüttelte leicht den Kopf. "Nein, sonst würden sie nicht mehr warten. Zumindest hoffe ich das..." Er sah kurz erneut hinaus in den bewachten Zellentrakt. Noch immer standen die Templer dort. "Seid ihr die einzigen auf dieser Mission?" Cade nickte grob in die Richtung der drei Novizen und des Assassinen. "Nein, manche sorgen für Ablenkung in der Stadt und eine andere Gruppe müsste noch rechts oben irgendwo im Gefängnis sein." Cade wollte gerade fragen, ob die anderen vielleicht für noch ein Ablenkungsmanöver sorgen konnten, als draußen Rufe ertönten. Die Wachen liefen im Gleichschritt aus dem Gang. Die Rüstungen schepperten dabei und die Geräusche hallten im stickigen Gang wider. Das war ihre Chance. "Wir müssen die Tür verschließen, sie befreien und dann so schnell wie möglich raus hier." Sobald der letzte verschwunden war rannten sie nach draußen. Ace kümmerte sich um die Tür, die so schwer war, dass er sich dagegenwerfen musste um sie zu schließen. Die rostigen Angeln quietschten. Ein Klicken des Schlosses ertönte. Die Templer waren ausgesperrt. Sofort liefen sie an den verschiedenen Zellen vorbei. Hier waren es keine höhlengleichen Zellen, die mit Gittern abgetrennt waren, sondern steinerne, kalte Räume, die nur über eine Tür betreten und verlassen werden konnten. Jede Tür besaß eine Klappe, durch die man hindurchsehen und den Gefangenen Nahrung geben konnte. "Hier!", rief Tio plötzlich, im Halbdunkel erkannte Faith, wie blass um die Nase er war. Er trat von der Tür zurück, als die Assassinen zu ihm liefen. Kurz blickte Cade hindurch, dann zog er wieder einen seiner Dietriche, die Faith schonmal zu Gesicht bekommen hatte. Irgendwie merkwürdig, dass er ihr das noch nicht beigebracht hatte. Es dauerte einige Sekunden, dann erklang ein leises klick und die Tür ließ sich nach innen aufdrücken. Auch hier drin war es dunkel. Leith lief sofort in den Raum hinein und sah sich um. In einer Ecke saß eine zusammengesunkene Gestalt, die definitiv eine Kapuze trug. Sie hob den Kopf, als sie die Geräusche vernahm. Ace nahm eine Fackel von der Wand und lief auf den Gefangenen zu. Sobald der Lichtschein auf die Gestalt fiel, erkannte Faith Kadirs Robe, jedoch zerrissen, dreckig und an einigen Stellen auch blutig. An seiner rechten Schulter klaffte eine blutige Wunde, die Kapuze hing ihm tief ins Gesicht. Es herrschte halb erschrockenes, halb erleichertes Schweigen. Er war nicht tot. Aber allein dass die Templer ihn hierher verschleppt hatten war schon schlimm. "Meister, kommt", murmelte Leith respektvoll. Kadir ließ seinen Blick auf dem Assassinen ruhen. "Ich kann nicht kämpfen", erwiderte er. Faith erschrak ein wenig. Seine Stimme klang rau und erschöpft. "Das ist doch kein Problem, wir können es. Wir werden Euch befreien." Kadir senkte den Blick wieder. Er sah auf sein Bein. Als Faith genauer hinsah erkannte sie auch dort eine Wunde. "Ich stütze Euch. Kommt, wir müssen hier heraus!" Leith sah den Meister drängend an. Wie konnte er so ruhig bleiben? Letztendlich nickte Kadir schwach und erhob sich, an der Wand abstützend, bis Leith einen Arm um ihn legte, damit er sein Gewicht auf ihn verlagern konnte. "Das war keine gute Idee", meinte Kadir finster, ließ sich aber von dem Meisterassassinen nach draußen bringen. Alle schwiegen verbissen. Natürlich war es das nicht. Draußen, wo es etwas heller war, sah Kadir sich kurz um. Als er die Novizen sah stockte er. "Um Himmels Willen, wer hat denn die Kinder hierhergeschickt?!" Faith zuckte zusammen und sah zu Asha und Tio. "Es war Eure Schwester, Meister", erklärte Ace mit beschwichtigendem Ton. Kadir seufzte tief und senkte den Kopf wieder. Er war zu müde, zu ausgelaugt, um sich jetzt darüber Sorgen zu machen. "Faith, wir müssen sie noch finden!", flüsterte Asha neben ihr. Faith wandte ihr das Gesicht zu. Das war eigentlich die Mission gewesen, ja. Gerade wollte Faith losgehen und sich umsehen, als Kadir das Wort ergriff. Er hatte Ashas Worte gehört. "Sie sind nicht hier." Asha sah ihn mit einer verzweifelten Miene an. "Wen meint Ihr?", hakte sie nach, auch wenn sie es genau wusste. "Ríona und Esida. Sie sind nicht hier."

Faith spürte, wie sie innerlich in ein tiefes, schwarzes Loch fiel. Die Frau, die sie jahrelang aufgezogen hatte, und die, die ihre leibliche Mutter war, waren nicht hier. Sie konnte sie nicht retten. Die Templer warteten sicher nur auf den Moment, an dem sie sie umbringen konnten. Es herrschte bedrücktes oder peinlich berührtes Schweigen, denn niemand wollte sich zu dem Leid der beiden Schwestern äußern. Plötzlich ertönten laute Geräusche von der verschlossenen Tür. Jemand warf sich dagegen und versuchte, sie zu öffnen. "Macht auf! Ich befehle es!", keifte einen aufgebrachte Männerstimme. "Schnell jetzt!", zischte Ace und scheuchte die anderen zurück auf den Schacht zu. Das nächste Geräusch, das von der Tür kam, war das einer Axt, die auf Holz traf. Als alle bereits den Schacht nach oben kletterten barst das Holz unter der Klinge der Axt, und die Templer öffneten endgültig die Tür. Die Assassinen beschleunigten ihre Kletterzüge und kamen schon oben an. Unten bellte jemand Befehle. Das Licht von Fackeln leuchtete in den Schacht. Die Assassinen huschten durch die Schatten, die es in der Sharra zur Genüge gab. Sie erreichten das oberste Stockwerk, wo sie auf einige Assassinen aus der anderen Gruppe trafen. Die staunten nicht schlecht, als sie die zwei Neuankömmlinge und den Großmeister erkannten. "Wo sind die Frauen?", fragte einer der anderen verwirrt. "Sie sind nicht hier." Als hinter ihnen die lauten Schritte der Wachen erschallten, rannten sie hinauf auf den Wehrgang. Im Hof ertönte die Alarmglocke. Es würde kein Leichtes werden, aus Synva hinauszukommen. Starker Wind war aufgekommen, und aus den dunklen, wattigen Wolken fiel nun Schnee herab. Die Assassinen suchten eilig nach einem schnellen Weg nach unten. Ace lief auf den Zinnen auf und ab und suchte nach einer Gelegenheit für einen Todessprung. Faith wurde mulmig zumute. Sie hatte noch nie einen gemacht, und Asha und Tio vermutlich auch nicht. Er wandte sich kurz an Kadir, ob dieser in der Form für einen Todessprung war. Der Meister nickte nur knapp. Ace wandte sich an die anderen. "Da unten steht ein Heuwagen. Wir sehen uns..." Faith blinzelte einige Schneeflocken aus ihren Augen. Was, wenn sie den Heuwagen nicht traf? Wie hoch war es hier überhaupt? 20 Meter? Oder mehr? Sie begann zu zittern und konnte nicht sagen, ob es an dem kalten Wind oder dem Gedanken an den Todessprung lag. Ace stellte sich auf die Zinnen, sah kurz nach unten, stieß sich dann kräftig ab und fiel mit ausgebreiteten Armen nach unten. Faith wollte nicht nach unten sehen. Nicht, solang sie es noch nicht musste. Sie sah zu Asha und Tio. Beiden stand die Furcht ins Gesicht geschrieben. Beiden war die Farbe aus dem Gesicht gewichen. Faith lächelte leicht. Sah sie jetzt auch so aus? Sie wusste nicht, wieso, aber plötzlich erfüllte der Gedanke an den folgenden Sprung sie mit einer unglaublichen Menge an innerer Ruhe und Zufriedenheit. Was sollte schon Schlimmes passieren? Wenn sie schon danebensprang, dann würde es wenigstens schnell gehen... Makabere Gedanken, aber doch war es so. Sie fühlte keine lähmende Furcht mehr, sondern Befreiung. Gerade half Leith Kadir auf die Zinnen, der kurz darauf trotz der Verletzung am Bein ebenfalls sprang. Danach folgte Leith selbst. Bis jetzt hatte sie noch nichts vernommen, was darauf schließen lassen würde, dass einer den Heuwagen verfehlt hatte. Als nächstes sprangen einige der anderen Assassinen. Währenddessen lief Cade auf die Novizen zu. "Kräftig abstoßen, Körperspannung halten - und keine Angst haben. Wenn ihr Angst habt kann das den Sprung verfälschen. Dann achtet man nicht mehr auf das Ziel", erklärte er knapp und in finsterem Ton. Er sah die Novizen ernst an. Ihm schien es immer noch nicht zu gefallen, dass Novizen mit auf die Mission gekommen waren. Als er Faiths ruhige Miene sah, stockte er, wandte sich dann aber ab und sah hinunter in den Hof. Die letzten Sprünge hatten nur wenige Sekunden gedauert. Jetzt wurde die Gefahr langsam größer, dass die Templer sie hier oben entdeckten. Faith lächelte in sich hinein. Er schien diese Furchtlosigkeit nicht erwartet zu haben. Als nächstes winkte einer der Assassinen sie zu den Zinnen. Sie nickte, lief darauf zu, kletterte hinauf und balancierte sich kurz aus. Für einen Moment sah sie in die Ferne, dann nach unten. Sie erkannte den Heuhaufen unten, sowie eine Person die gerade herauskletterte und zu einigen anderen Personen lief. Faith atmete tief durch, ignorierte die kalten Schneeflocken und den Wind und sprang. Luft umwirbelte sie und ließ den Stoff ihrer Montur flattern. Sie schloss die Augen, weil der Wind ihr Tränen in die Augen trieb. Kurz fühlte es sich an, als würde sie ewig fallen, sanft in der Luft gleiten, dann bremste das Heu ihren Fall ab. Sie hatte es geschafft. Einige blaue Flecken würden ihr nicht erspart bleiben, aber sie war nicht tot. Sie kletterte aus dem Heuwagen und lief zu den anderen, die Schutz unter einem Erker der Stadthäuser hier gesucht hatten. Dort strich sie sich das letzte Stroh von der Kleidung und gesellte sich mit einem Lächeln zu ihnen. Sie spürte den Blick des Großmeisters auf ihr. Auch er schien sich über ihr Lächeln Gedanken zu machen. Faith sah nach oben. Grob erkannte sie die vollkommen schwarze Montur von Asha. Sie zögerte, doch irgendwann sprang auch sie - und landete im Heu. Etwas durcheinander und mit rotem Kopf kletterte sie aus dem Heuwagen. Danach folgte ein weiterer Assassine, dann sprang Tio. Er traf den Heuwagen zum Glück auch, auch wenn er beinahe den Rand erwischt hätte. Als der nächste Assassine springen wollte rannten Templer aus dem Tor der Sharra. Ihr Anführer erkannte die Assassinen in der Straße, deutete auf sie und rief Befehle. Die Templer liefen mit gezogenen Waffen auf sie zu. Es waren noch einige Meter, bis sie die Assassinen erreichten, sodass Faith einen kurzen Blick nach oben werfen konnte. Der Assassine, der gerade noch auf den Zinnen gestanden hatte, wurde von jemandem gepackt und zurückgezogen. Sofort wandte Faith ihren Blick ab. Die Templer würden sicher nicht zimperlich mit den oben Verbliebenen umgehen. Und sie wollte das nicht sehen. Außerdem hatten sie andere Probleme. Die Templer kamen näher, einige Assassinen waren bereits losgerannt. Auch Faith setzte sich in Bewegung, ließ jedoch nicht Asha, Kadir und Cade aus den Augen. Der Großmeister hatte Schwierigkeiten, so schnell zu rennen, auch wenn Leith ihn wieder stützte. Ace rannte mit Tio ganz hinten, beide hatten bereits ihre Waffen gezogen und warfen immer wieder gehetzte Blicke über die Schulter. Auf die Häuser klettern konnten sie nicht, das würde zu viel Zeit kosten. "Ihr Assassinenhunde! Ihr werdet sterben! Ihr seid des Todes!", rief der Anführer der Truppe nun provozierend. Die Templer waren langsamer, da sie Rüstung mit sich herumschleppen mussten, doch durch Kadirs Verletzung schrumpfte selbst damit ihr Vorsprung. Kadir konnte sein Bein noch benutzen, und wenn er die Zähne zusammenbiss sogar gut belasten. Er wollte sicher nicht der Grund sein, durch den die Assassinen den Templern erlagen. Er humpelte entschlossen weiter, die Kraft war wieder in seine Muskeln zurückgekehrt. Doch die Templer holten weiter auf, langsam aber sicher, auch wenn Ace immer wieder Messer nach ihnen warf. Ab und zu erwischte er einen, der dann strauchelte, umkippte und den anderen als Hindernis im Weg lag. Die Hetzjagd zog sich, kurz vor dem Stadtrand kamen die Templer schon gefährlich nahe. Ace waren die Messer ausgegangen. Und Kadirs überraschenden neuen Kräfte begannen bereits wieder zu schwinden. Faith rannte entschlossen weiter. Ihr Atem bildete weiße Wölkchen. Der Schneefall hatte zugenommen und jeder musste aufpassen, nicht auszurutschen. Plötzlich durchschnitt ein Schrei die Atmosphäre, die herrschte. Tio war hingefallen und war mit dem Fuß umgeknickt. Sein Schwert schlitterte einige Meter über den Boden bis es klirrend gegen eine Wand stieß. Ace stoppte sofort, rannte zurück zu Tio und half ihm auf. Doch das waren die Sekunden, die den Templern gefehlt hatten. Stahl traf auf Stahl, als einer der Templer den Meisterassassinen angriff, der Tio schützte. Auch Cade blieb stehen, sah sich wachsam um und sah dann zu Leith. "Bring den Großmeister weg hier!", rief er und zog seine Kurzschwerter. "Nein!", erwiderte Kadir energisch, stieß Leith etwas weg, um zu symbolisieren dass er gut allein klarkam. "Gebt mir eine Waffe und ich helfe euch!" Leith sah kurz entgeistert den Meister an und dann zu Cade. Doch der war bereits zu Ace und Tio gerannt, um ihnen beizustehen. So gab Leith Kadir eins seiner langen Messer, denn das Schwert brauchte er selbst. Er lief nun auch auf die Templer zu und streckte direkt einen unaufmerksamen Kämpfer nieder. Asha war ebenfalls stehengeblieben und konnte ihren Blick von dem blutigen Kampf ums Überleben nicht abwenden. Faith zog ihr Ninjato. Sie wollte helfen, aber sie konnte den Meister hier doch nicht allein lassen. Auch sie beobachtete gebannt den Kampf, wenigstens wurden die Templer so aufgehalten. Im Kampfgewirr sah sie nur ab und zu die Monturen der Assassinen zwischen den Templerrüstungen. Immer wieder fiel ein Templer, doch dann ertönte erneut ein Schrei, der von Tio kam. Und es klang nicht wie ein Schmerzensschrei, mehr wie ein Todesschrei. Faiths Herz klopfte laut. Ihre Sinne waren aufs Äußerste geschärft. Sie wusste instinktiv, was in diesem Augenblick passiert war, und sie wollte nicht auch noch sterben. "Nein! Tio!", ertönte der erschütterte Ruf von Ace. Kadir konnte sich nicht mehr halten. Auch er rannte nun auf die Templer zu. Faith sah zu Asha, die ihr Schwert zog und zusammen mit ihrer Schwester nun auch dazuschloss. Sofort wandte sich Faith ein Templer zu, dessen Hiebe sie aber mit Leichtigkeit parierte und ihm dann die Schwertspitze über den ungeschützten Hals zog. Wieder erfüllte sie diese innere Ruhe, sodass ihr die Bewegungen der Templer hastig und unbedacht vorkamen, während sie jeden Schritt genau bedachte. Sie wich einem Schlag aus, sodass der einen anderen Templer traf, griff dann nach dem Arm, zog den Angreifer her und stieß ihm die versteckte Klinge zwischen die Rippen. Die Zahl der Templer verringerte sich. Ihre Reihen wurden von den Assassinen ausgedünnt, und bis jetzt hatte das noch nicht so viele Leben gekostet - auch wenn jedes einzelne eines zu viel gewesen war. Faith kämpfte verbissen weiter. In der Ferne lief ein neuer Trupp Soldaten auf sie zu. Als der letzte Templer in ihrer Nähe fiel, rief Kadir, dass sie losrennen sollten. Nun hatten sie wieder etwas Vorsprung, auch wenn sie nun einige Verletzungen an sich trugen. Faith dachte gerade, sie würden es noch bis zum Stadtrand schaffen, ohne ein weiteres Leben einbüßen zu müssen, als ein lauter Knall ertönte. Faith sah sich verwirrt um. Was war das gewesen? Was hatte das Geräusch verursacht? Erst dachte sie, es wäre nichts passiert, als ihr Blick auf Asha fiel. Ihre Schritte wurden kürzer, ihr Gesicht war blass und vor Schmerz verzerrt. Sie lief mit Müh' und Not weiter, bis sie strauchelte und fiel.

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